Schon Arthur Conan Doyle hielt sich nach dem offiziellen Ende der Sherlock Holmes-Geschichten ein Hintertürchen für weitere Erzählungen offen, indem er John H. Watson weitere Fälle des Duos erwähnen lässt, die noch nicht zu Papier gebracht wurden. Das animierte schon zu Doyles Lebzeiten Autoren zu Nachschöpfungen.
So ein Pastiche ist auch die Trilogie "Studie in Angst" des Hamburgers David Gray, der zudem John H. Watson als Co-Autoren nennt. Nach "Der Geist des Architekten" liegt mit "Das Grab der Molly Maguire" der zweite Band vor. Der dritte Band erscheint diesen Sommer.
Die Rahmenhandlung ist schnell erzählt: Bei einer Recherche zu einem neuen Buch stößt Autor David Gray auf unbekannte Aufzeichnungen John H. Watsons, die höchster Geheimhaltung unterliegen. Wieso diese Akten ausgerechnet auf seinem Tisch landen, ist ihm schnell egal, als er merkt, wie brisant ihr Inhalt ist. In Windeseile schreibt Gray die Akte ab - wenig glaubwürdig, aber nun gut, manche schreiben halt schneller als andere.
Die eigentliche Handlung dreht sich um die Leiche der vermeintlichen Molly Maguire, die im Londoner East End furchtbar zugerichtet gefunden wird. Schnell ist Jack the Ripper als Tatverdächtiger ausgemacht - zu schnell, finden Sherlock Holmes und Inspector Lestrade, auch, weil es zwei Jahre lang keine Ripper-Morde gab.
Die Ermittlungen führen sie in verrauchte Pubs, nächtliche, vernebelte Friedhöfe, Schlachthäuser, Anatomiesäle, aber auch in vernehme Häuser und verschwiegene Gentlemen's Clubs, zu Detektiven und irischen Bergarbeiterbünden.
Schnell geraten Holmes und Watson selbst in Gefahr. Aber wer macht Jagd auf sie? Und wer verbirgt sich hinter den Pseudonymen "Rumpelstilzchen" und "Ragnarök"? Wer sich auch nur ein wenig in der Welt des Sherlock Holmes auskennt, hat rasch eine Vermutung, wie die vielen Handlungsstränge des Buches zusammenhängen könnten. Ganz zusammengeführt werden sie aber auch am Ende des Buches nicht - ich vermute, dazu ist dann Teil drei da.
Gray erzählt spannend, gibt allen aus den Romanen Doyles bekannten Figuren ihren Raum. Die Schilderungen sind atmosphärisch dicht, wer London kennt, wird viele Schauplätze wiedererkennen. Die Dialoge haben Witz. Okay, teilweise ist "Das Grab der Molly Maguire" ziemlich blutrünstig, aber wer Serien wie "Bones" oder "CSI" schaut, wird damit keine Probleme haben. Ich zumindest wurde nicht um den Schlaf gebracht. Dazu bräuchte es subtilen Horror, keinen offensichtlichen.
Soweit also eine klare Leseempfehlung.
Und jetzt kommt das Aber: Was mich wirklich sehr störte, ist, wie schlampig "Das Grab der Molly Maguire" redigiert ist. In einer Rezension las ich, dieses Buch wäre schon besser redigiert als "Der Geist des Architekten". Ich beschloss sofort, mir das Buch nicht zuzulegen.
Ich weiß, ich bin ein Grammar Nazi, aber ich redigierte zu lange Texte, um übersehen zu können, dass seitenweise vom "Ten Bells Pup" statt "Ten Bells Pub" die Rede ist, dass es mal "East End" und dann wieder "Eastend" heißt, dass mal von Public Record Office, dann wieder vom Public Record Archive gesprochen wird, dass die tote Mrs. Maguire plötzlich "Mally" und nicht "Molly" heißt, dass der Plural von "Mister" hier "Messers" statt "Messrs" ist ...
Zur Behebung vieler Fehler hätte es noch nicht mal ein gutes Lektorat gebraucht, sondern ein Korrekturprogramm.
Nennt mich gerne kleinlich, aber so was stört einfach meinen Lesefluss und meinen Lesegenuss enorm - oder um es in der Worten der ebenfalls viellesenden Kollegin I zu sagen "Das ist einfach Scheiße".
Angesichts der Schwächen in Interpunktion und Orthographie fiel's mir direkt leicht, darüber hinweg zu sehen, dass sich Gray bei der Namenswahl seiner Figuren teilweise bei britischen und amerikanischen Politikern wie Boris Johnson und Dick Cheney bedient. Es gibt sicher Leser, die das lustig finden. Ich gehöre nicht dazu.
Sherlock-Fans, die das alles nicht stört, werden aber sicher ihren Spaß an "Das Grab der Molly Maguire" haben.
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