Heute ist der 5. Dezember, und Frau Brüllen fragt wieder: "Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?"
Ich bin - natürlich - mal wieder im Vertretungsdienst. Wie sehr mich der mitnimmt, zeigt die Frage des Gatten direkt nach dem Aufstehen: "Wie lange musst du denn noch vertreten?" - "Die ganze Woche." - "Oh Gott!" Ich tröste mich damit, dass es nur noch drei Arbeitstage und der Rest von heute sind, dass ich überhaupt nur noch acht Arbeitstage und den Rest von heute in meinem jetzigen Job habe.
Ich habe Frühdienst, der Wecker klingelt also um fünf Uhr. Gegen sechs Uhr schaffe ich das mit dem Aufstehen dann auch endlich. Ich schlafe seit ein paar Nächten schon schlecht, so sehr setzt es mir zu, mit Kollegin II zusammenarbeiten zu müssen. Kollegin II ist die, derentwegen ich gehe. Ich stürze einen Kaffee runter und unter die Dusche, dann muss ich auch schon los. Wenigstens schaffe ich es noch, mir drei Brotscheiben einzustecken - im Büro ist noch Frischkäse.
Im Büro warten ein Stapel Mappen von der Chefin und ein paar Notizen von Kollegin II auf mich. Dementsprechend anstrengend ist der Vertretungsdienst. Der Vertretungsdienst unterscheidet sich einfach von meinem normalen Dienst, den ich natürlich nebenbei noch mit machen darf. Dadurch bin ich angespannt. Dazu kommt, dass mein Blaumann krank und das Büro dementsprechend in Aufruhr ist. Termine müssen neu geplant, es muss viel organisiert werden.
Normalerweise ist das kein Problem, aber wenn ich vertrete, bin ich sehr unsicher, weil ich die Abläufe, das Protokoll nicht kenne, und Kollegin II ist selten eine Hilfe. Sie mischt sich ungefragt ein, gibt mir Anweisungen, entscheidet über meinen Kopf hinweg, greift in meine Aufgabenbereiche ein, und wenn ich mal ihre Hilfe bräuchte, gibt sie keine oder falsche Auskunft.
Noch acht Arbeitstage und den Rest von heute.
Kurz vor Dienstende ist alles fertig, könnte ich gehen - wenn Kollegin II nicht justament jetzt zu ihrer Etagen-Busenfreundin zu einem Klönschnack entschwinden würde. Sie weiß, dass ich einen Arzttermin habe, dass ich gehen muss, ich habe sie zwei Minuten vorher noch mal daran erinnert. Wenn das Büro nicht besetzt ist, kann ich nicht gehen.
Mein Chef guckt durch die Tür, fragt, warum ich noch da bin, erfährt den Grund, geht, um Kollegin II zu holen - und kommt ohne sie zurück. Nach zehn Minuten gehe ich zu unserer gemeinsamen Chefin, erkläre ihr die Situation. Sie entscheidet, dass ich gehen kann und entschwindet, um Kollegin II zu holen. Auch sie kommt unverrichteter Dinge zurück, wie beim Warten auf den Aufzug sehe. Morgen werde ich sicher von Kollegin II angegiftet werden, weil ich es wagte, einfach zu gehen.
Ich schaffe es rechtzeitig zum Zahnarzt. Heute ist der letzte Tag meiner Wurzelbehandlung - wenn alles gut geht. In der Praxis ist es ungewohnt laut und hektisch. Nach einem Tag mit einer lauten und hektischen Kollegin II kann ich das nur schlecht ab. Ruhender Pol ist die Empfangsdame, die alle alle Fäden fest zusammenhält - seit gut 30 Jahren. Außerdem liegt im Wartezimmer die aktuelle Effilee und lenkt mich ein bisschen von den tobenden, schreienden Kindern ab.
Die Behandlung ist ruppiger als gewohnt - die beiden Zahnarzt-Assistentinnen hatten auch einen harten Tag, es gab zudem Ärger mit dem schlecht gelaunten Chef und einer Kollegin. Der schlecht gelaunte Chef ist Patienten gegenüber aber so aufgeräumt und geduldig wie immer und mit dem Verlauf meiner Wurzelbehandlung durchaus zufrieden, auch, wenn die Entzündung noch immer sichtbar ist. "Die hat Sie echt mitgenommen, nich?" Ja, darüber schrieb ich hier schon.
Er würde mich gerne krankschreiben, reduzierter Allgemeinzustand, ich mag diesen Ausdruck, aber es nützt nichts, ich habe ja gerade Vertretungsdienst. Normalerweise würde es in den nächsten beiden Tagen reichen, wenn nur eine Sekretärin da ist, aber das gilt nur für Kollegin I und mich: Wir dürfen alleine Dienst machen, Kollegin II ist das nicht zuzumuten.
Noch acht Arbeitstage bis zum neuen Job.
Ich zahle die Zahnarztrechnung und gehe noch kurz einkaufen in der vergeblichen Hoffnung, einen Schoko-Nikolaus zu finden. Es gibt nur gegenderte, knallbunte, laktosefreie oder überteuerte. Okay, bekommt der Gatte halt Minions-Kekse und Vinegar-Chips in seinen Stiefel gesteckt. Eigentlich wollte ich ihm noch sein Lieblingsduschgel besorgen, aber ich möchte jetzt nur noch raus aus diesem Wahnsinn.
Um Viertel nach sechs bin ich zu Hause. Der Gatte ist beim Sport. Ich falle auf's Sofa und versuche, mich beim Stricken zu entspannen. Als der Gatte da ist, räumen wir die Spülmaschine aus und reden kurz über unsere Arbeitstage. Dann wärme ich Chili auf - eigentlich sollte es Linsensuppe geben, aber die war so lecker, dass wir sie am Vortag komplett aßen. Zum Glück ist immer eine gekochte Mahlzeit im Tiefkühler.
Der Abend gehört dem Doctor - und natürlich meinem Strickzeug. Wie erwartet, schmerzt der wurzelbehandelte Zahn. Ich versuche, es ohne Schmerzmittel auszuhalten und hoffe, dass er spätestens nach zwei Tagen Ruhe gibt. Dann schreibe ich diesen Beitrag zu Ende, gehe ins Bett und lese noch etwas vor dem Einschlafen.
Wurzelbehandlung ist übel, da fühle ich mit Dir. Für Deine Arbeitsituation drücke ich die Daumen, dass Du die restlichen Tage noch gut überstehst. Sag Dir immer, dass Du es dann geschafft hast, von dieser Kollegin wegzukommen.
AntwortenLöschenHerzliche Grüße
Andrea
Danke Dir!
AntwortenLöschenEin schönes Wochenende und herzliche Grüße
Sabine