Dadurch, dass mich Ende des Monats eine Mandelentzündung erwischte, las ich wenig. Mein Kopf war einfach zu matschig, selbst für LTB, und das will was heißen.
In der Onleihe erwischte ich ein vergleichsweise aktuelles Buch, "Woman in Cabin 10*" von Ruth Ware. Den ganzen Januar gegenüber begleitete mich die Werbung dafür bei der morgendlichen S-Bahn-Fahrt, machte mich das Titelbild neugierig. Ums vorweg zu nehmen: Ich war ziemlich enttäuscht von dem Buch.
Die Journalistin Lo Blacklock nimmt an der Jungfernfahrt eines exklusiven Luxuskreuzfahrtschiffs durch die norwegischen Fjorde teil. Ein wahr gewordener Traum. Doch in der ersten Nacht auf See erwacht sie von einem Schrei aus der Nachbarkabine und hört, wie etwas ins Wasser geworfen wird. Etwas Schweres – wie ein menschlicher Körper. Sie alarmiert den Sicherheitsoffizier. Aber die Nachbarkabine ist leer, ohne das geringste Anzeichen, dass hier jemand wohnte. Die junge Frau aus Kabine 10, mit der Lo noch am Vortag gesprochen hat, scheint nie existiert zu haben.
Ich tat mich sehr schwer mit dem Einstieg in das Buch, denn es geht erst mal lange um einen Einbruch in Los Appartement und ihre psychische Erkrankung. Ich fühlte mich wie damals im Kino, als ich im falschen Film landete und das erst nach Minuten realisierte.
Nachdem der Einstieg nach etwa einem Drittel geschafft war, fesselte mich der Thriller dann durchaus - zumindest an den wenigen Stellen, an denen ich es schaffte, Logikfehler und Längen auszublenden. Interessant war Erzählung aus mehreren Perspektiven. So erfährt man die Geschehnisse von Lo, aber auch durch Zeitungsartikel, eMails und Foren-Beiträge. Aber das reißt es auch nicht so weit raus, dass ich eine Leseempfehlung aussprechen könnte. Die Agentur, die das Buch bewirbt, die allerdings ist empfehlenswert.
Das Ende kam dann ziemlich abrupt - klar, wenn man ein Drittel braucht, um die eigentliche Geschichte an den Start zu bringen und ein weiteres Drittel, um sie in die Länge zu ziehen, fehlen dann irgendwann Seiten, um die Auflösung vernünftig darzustellen. Wie gesagt: Mein fall war das Buch nicht.
Sehr viel besser gefiel mir da schon "Mycrofts Auftrag*" von Beate Baum. Das Sherlock-Holmes-Pastiche spielt im gegenwärtigen London, und ich hatte die ganze Zeit Freeman und Cumberbatch vor Augen. Das Buch macht einfach Spaß, und ich freue mich auf die Fortsetzung mit dem Titel "Tödlicher Stoff", die in diesem Jahr erscheinen soll.
Drei Jahre hatte John Watson gedacht, Sherlock Holmes wäre tot. Als er ihn wiedertrifft, verhält der Detektiv sich äußerst seltsam. Sind die Drogen Schuld? Bei einem Überraschungsbesuch in der Baker Street jedenfalls trifft John den Freund komplett zugedröhnt an. Gibt es einen Zusammenhang mit dem brisanten Auftrag von Sherlocks Bruder Mycroft? Und was ist mit der attraktiven BBC-Reporterin Deborah Bellamy? Einmal mehr stellt der geniale Detektiv in diesem Fall voll schneller Wendungen selbst ein Geheimnis dar.
Ende Februar war ich ja bei der Lesung von Alina Bronsky, und folglich las ich im Anschluss "Und du kommst auch drin vor*". Protagonistinnen sind die eher unauffällige 15jährige Kim und ihre kluge, exzentrische Freundin Petrowna, beste Freundinnen seit der ersten Klasse sind sie : Kim, 15, eher unauffällig, und Petrowna.
Alles wird anders, als die beiden mit ihrer Klasse zu einer Schullesung gehen: Während die anderen tuscheln, sich die Haare kämmen oder aus dem Fenster schauen, wird Kim hellhörig, denn was die Autorin da vor sich hin nuschelt, handelt von ihr. Okay, es kommen andere Namen vor und ein paar unwichtige Details stimmen nicht, aber der Rest ist sie!
Doch die Geschichte geht nicht gut aus, vor allem nicht für Jasper, Kims Klassenkameraden, der, wenn das Buch die Wahrheit sagt, am Ende an einem Wespenstich stirbt. Um das zu verhindern, bleibt Kim nichts anderes übrig, als ihr Leben völlig auf den Kopf zu stellen. Auf einmal macht sie alle möglichen Dinge zum ersten Mal, wie zum Beispiel Jasper zu küssen. Das aber passt Petrowna ganz und gar nicht ins Konzept.
Ich las das Buch im Handumdrehen durch, war sehr gefangen genommen. Bronsky hat eine wunderbare Beobachtungsgabe! Einzig das sehr aufdringliche Productplacement missfiel mir. Die Autorin betonte zwar in der Lesung, nicht von Starbucks gesponsert zu werden, aber diese und andere Marken sind schon sehr präsent in diesem Jugendbuch.
Außerdem las ich "Die Flakhelfer*" von Malte Herwig. Das Buch beschäftigt sich mit den Männern der Jahrgänge 1926 bis 1928, Jugendlich, die in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs noch eingezogen wurden, um die Niederlage NS-Deutschlands weiter hinauszuzögern. Manch ein führender Kopf der Bundesrepublik Deutschland, der dieser Generation angehört, wurde in jungen Jahren als NSDAP-Mitglied geführt. Viele haben das verschwiegen oder vergessen, verleugnet oder verdrängt.
Herwig hat die 1945 auf abenteuerliche Weise gerettete Mitgliederkartei der NSDAP gründlich gesichtet und ist auf viele bekannte Namen wie Horst Ehmke, Erhard Eppler, Iring Fetscher, Hans-Dietrich Genscher, Günter Grass, Hans Werner Henze, Walter Jens, Siegfried Lenz, Erich Loest, Hermann Lübbe, Niklas Luhmann, Dieter Wellershoff gestoßen. Er erzählt die Geschichte einer schuldlos schuldigen Verstrickung mit der NS-Vergangenheit. Dabei entsteht das aufregende Bild einer von Widersprüchen zerrissenen Generation. Ein ausgesprochen spannendes Buch!
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