Krankheitsbedingt kann ich momentan in der Freizeit wenig machen außer Lesen und Stricken.
Ich bin oft erschöpft, gehe dementsprechend früh ins Bett, kann aber nicht schlafen und lese dann (zum Stricken bin ich dann zu müde, außerdem schlafe ich beim Lesen automatisch irgendwann ein).
Dementsprechend lese ich zurzeit sehr viel.
Zu Weihnachten schenkte ich Mudderns "Die Villa an der Elbchaussee*" und "Jahre an der Elbchaussee*" von Lena Johannson*, und wie erhofft, gefallen ihr beide Bücher sehr. Außerdem liest sie endlich wieder, verschlingt Bücher geradezu. überlegt sogar, sich einen Bibliotheksausweis zu holen. Ihre Gesellschafterin tut ihr so gut, dass ich Mudderns manchmal kaum wiedererkenne.
"Jahre an der Elbchaussee" fand dann auch seinen Weg zu mir. Das Buch knüpft an den ersten band an, kann aber auch gut alleine gelesen werden. Wie der erste Band ist es ein Herz-Schmer-Schmachtfetzen. Muss man mögen.
Die Handlung setzt im Hamburg der späten 1920er Jahre ein. Frieda, Tochter eines Schokoladenproduzenten, ist überglücklich: Ihre Hochzeit steht kurz bevor, und die Schokoladenmanufaktur feiert immer größere Erfolge. Endlich scheint sie ihren Platz im Familien-Kontor gefunden zu haben.
Ihr Verlobter, der Däne Per, hat sein Verlobungsgeschenk eingelöst und ein Haus an der Elbchaussee gekauft. Eigentlich wollten er und Frieda endlich den Hochzeitstermin festlegen – doch immer kommt etwas dazwischen. Und dann steht plötzlich der Engländer Jason vor ihr, ihre große Jugendliebe. Seit er damals Hals über Kopf Hamburg verlassen hat, um in Übersee das Teekontor seiner Familie weiterzuführen, hat sie ihn nicht mehr gesehen. Mit einem Mal spürt sie, dass noch zu viel Unausgesprochenes zwischen ihnen liegt, als dass sie ihr neues Leben mit Per beginnen könnte. Aber wird ihr Verlobter dafür Verständnis haben?
Auch die sich langsam verändernde politische Stimmung belastet Frieda. Ist doch nicht nur ihre beste Freundin, sondern auch das uneheliche Kind ihres Bruders jüdischer Abstammung. Und dann wird ihre Hoffnung, dass Freunde und Familie in diesen schweren Zeiten noch enger zusammenhalten, jäh enttäuscht.
Die historischen Hintergründe sind einigermaßen sauber recherchiert, und bei einem Schmachtfetzen erwarte ich keine Tiefgründigkeit. Wie beim ersten Band auch störten mich aber ein paar Nachlässigkeiten. Wird im ersten Band der mitteldeutsche Begriff "Nischel" für "Kopf" genutzt, was in Norddeutschland mehr als unüblich ist, ist im zweiten Band permanent von der "Imperator" die Rede. Nun sind generell Schiffe zwar weiblich, aber beim Imperator legte Kaiser Wilhelm II. explizit Wert auf den männlichen Artikel. Das müsste man wissen, wenn man Wert auf historische Genauigkeit legt (und spätestens im Lektorat sollte es auffallen).
Mudderns freut sich auf den im Sommer erscheinenden dritten Band "Die Töchter der Elbchaussee*.
Zu Weihnachten bekam ich einen Tolino, auf den ich mich sehr freute. weil ich endlich wieder die Onleihe nutzen kann, nicht mehr von Amazon abhängig bin. Der alte eReader hat nach neun Jahre einige Macken, kein wlan und keine Beleuchtung, deswegen kam der Wunsch nach einem neuen Gerät auf.
Ich dachte, der Tolino ließe sich ähnlich leicht bedienen wie der Kindle, aber weit gefehlt. Es ist mehr als umständlich, Bücher auf das Gerät zu laden (selbst mein neun Jahre altes No-Name-Gerät ist da schneller), bis sich ein Buch öffnen, dauert es Minuten (selbst mein - na Du weißt schon), Kapitelwechsel dauern ebenfalls, und es bedarf häufiger Neustarts, um lesen zu können. Lesefluss ist was anderes. Ich holpere mehr durch die Bücher und lerne als Schnellleserin ungewollt die Kunst der Entschleunigung.
Lesenachschub will gut geplant sein, vor allem im Urlaub, denn die Zugangsdaten zur Onleihe lassen sich nicht speichern. Um elf Titel herunterzuladen, musste ich mich über ein Dutzend mal einloggen. Wie leicht es doch beim Kindle, sich Lesenachschub zu besorgen! Ich bin zudem gespannt, ob der Lesenachschub im Ausland überhaupt funktioniert - ich wäre nicht überrascht, wenn die Onleihe nur in Deutschland klappt.
Den Tolino weihte ich mit "Der Apfelbaum*" von Christian Berkel ein, der für den autobiographischen Roman über seine Familie seinen Wurzeln nachspürt.
Berkels Eltern begegnen sich erstmals 1932 ind Berlin. Sala und Otto sind dreizehn und siebzehn Jahre alt, als sie sich ineinander verlieben. Er stammt aus der Arbeiterklasse, sie aus einer intellektuellen jüdischen Familie. 1938 muss Sala ihre deutsche Heimat verlassen, kommt bei ihrer Tante in Paris unter, bis die Deutschen in Frankreich einmarschieren.
Während Otto als Sanitätsarzt mit der Wehrmacht in den Krieg zieht, wird Sala bei einem Fluchtversuch verraten und in einem Lager in den Pyrenäen interniert. Dort stirbt man schnell an Hunger oder Seuchen, wer bis 1943 überlebt, wird nach Auschwitz deportiert. Sala hat Glück, sie wird in einen Zug nach Leipzig gesetzt, taucht unter und begegnet Menschen, die ihr helfen, zu überleben.
Kurz vor Kriegsende gerät Otto in russische Gefangenschaft, aus der er 1950 in das zerstörte Berlin zurückkehrt. Auch für Sala beginnt mit dem Frieden eine Odyssee, die sie bis nach Buenos Aires führt. Dort versucht sie, sich ein neues Leben aufzubauen, scheitert und kehrt
zurück. Zehn Jahre lang haben sie einander nicht gesehen. Aber als Sala Ottos Namen im Telefonbuch sieht, weiß sie, dass sie ihn nie vergessen hat.
"Der Apfelbaum" ist eine bewegende Familiengeschichte, ein Lese-Muss. Mir fehlte einzig ein Anhang, in dem näher auf die einzelnen Familienmitglieder eingegangen wird, denn beispielsweise Berkels Schwester Ada bleibt doch sehr am Rande, aber vielleicht gibt es so einen Anhang in den gedruckten Ausgaben oder nicht alle Familienmitglieder wollten ausführlich im Buch erscheinen.
Die Detlefsen und Stappenbek-Reihe von Krischan Koch lese ich schon länger, und jetzt komme ich endlich dazu, den sechsten und siebten Band zu lesen. In "Pannfisch für den Paten*" herrscht Aufruhr im friesischen Dörfchen Fredenbüll: Auf dem Deichvorland werden mehrere Windräder installiert, was die Naturschützer im Dorf auf den Plan ruft. Sogar Oma Ahlbeck unterstützt die eilig gegründete Initiative "Sei (k)ein Frosch e.V.", die sich um die bedrohte Rotbauchunke sorgt.
Eines Morgens steckt in dem noch feuchten Betonsockel eines Windrads ein Toter! Mischt da etwa der mysteriöse Unbekannte mit, der von lauter Männern in dunklen Anzügen bewacht wird? "Dat is BKA", weiß Polizeiobermeister Thies Detlefsen und wittert sofort einen ganz großen Fall.
Es macht einfach Spaß, wieder in Fredenbüll zu sein und die Gang der "Hidden Kist" wieder zutreffen. Nur das Korrektorat war wieder mal nachlässig. Ich weiß, so was kostet Geld, aber dennoch: Fehler wie "Pokerunde" statt Pokerrunde" und "boaring" statt "boring" sind überflüssig.
Der siebte Band, "Mörder mögen keine Matjes*", spielt in Hamburg, denn einer aus der Gang liegt in der Endo-Klinik, wo Telje gerade ein Praktikum macht, und da muss die gesamte Belegschaft aus der "Hidde Kist", inklusive Imbisshund Susi, natürlich zu Besuch kommen. Passenderweise muss Dorfpolizist Thies Detlefsen ebenfalls nach Hamburg, weil in Fredenbüll ein Container mit Elektroschrott an die Küste angeschwemmt wurde: Zwischen Kabelsalat und ausrangierten Bildschirmen taucht ein Toter auf! Alles weist auf Mord hin – und darauf, dass die Tat in Hamburg begangen wurde.
Die Geschichte ist voller herrlich skurriler und verrückter Ent- und Verwicklungen - passt. Einzig dass in einer Knutschzene mal wieder die Zwillinge verwechselt wurde, Tadje Freund in einem Moment mit ihr, im nächsten mit ihrer gerade in Hamburg weilenden Schwester Telje knutscht, muss wohl so sein, dann bei "Backfischalarm*" war das auch schon so.
Ich freue mich auf den gerade erschienenen achten Band, "Friedhof der Krustentiere*".
Anschließend las ich mich durch die bislang fünfbändige Rabbi-Klein-Reihe* von Alfred Bodenheimer. Der Rabbi lebt mit Frau und zwei Töchtern in Zürich und stolpert immer wieder in Kriminalfälle. Das erinnert ein wenig an die Rabbi-Small-Reihe von Harry Kemelman, die in den 1960er Jahren geschrieben wurde, hat aber durchaus Charme.
Die Reihe beginnt mit "Kains Opfer*": Als ein Mitglied seiner Gemeinde ermordet wird, bittet die ermittelnde Kommissarin Klein, hebräische eMails zu übersetzen, da die Polizei-Übersetzerin malad ist. Klein übersetzt bewusst falsch, um ein anderes Gemeindemitglied zu schützen, aber am Schluss fügt sich alles, wenn auch sehr tragisch.
In "Das Ende vom Lied*" wird Klein in einen vermeintlichen Selbstmord verwickelt, und da er das Opfer sehr gut kannte, von der Frau gestalkt wurde, steht plötzlich seine Frau unter Verdacht, das Opfer vor einen Zug gestoßen zu haben. Wie so oft, ist die Wahrheit aber eine ganz andere.
Im Sabbatical will sich Klein eigentlich in Ruhe mit einem historischen Text aus dem 16. Jahrhundert* beschäftigen, aber selbst in Basel, wo er an der Universität arbeitet, stolpert er in einen Mordfall. Das Opfer, ein erfolgreicher Anwalt, Jude und Vorstandsmitglied der Gemeinde, wurde erschossen. Klein lässt sich von einem jungen Kommissar einspannen, um Nachforschungen in der Gemeinde anzustellen. Dabei wird der Zürcher Rabbi mit unterschiedlichsten Formen abgrundtiefen Hasses konfrontiert. "Der Messias kommt nicht*" heißt der dritte Band der Reihe.
Wo der dritte Band endet, beginnt der vierte, "Ihr sollt den Fremden lieben*": Rabbi Klein nimmt an einer Fernsehshow teil, und promt wird der Moderator ermordet. Gegen den Rat seiner Frau Rivka will der Rabbiner das Verbrechen aufklären und trifft dabei auf eine junge Muslimin, einen katholischen Priester, einen Jungunternehmer und dessen atemberaubend schöne Frau. Dazwischen streitet er mit seinen Schabbatgästen, die drastische Ideen zur Bekämpfung der Feindschaft gegen Juden vertreten.
"Im Tal der Gebeine*", der fünfte und bislang letzte Band, verknüpft die Rettung jüdischer Kinder während der Shoah mit dem Heute: Als Kind floh Bianca Himmelfarb aus Nazi-Deutschland über die Schweiz nach England, und Rabbi Kleins Großvater war ihr Fluchthelfer. Später heiratete Bianca einen Industriellen; als er starb, wurde sie Unternehmerin und Kunstmäzenatin.
Immer im Frühjahr residiert sie in ihrer Luxuswohnung am Zürichberg. Dort wird sie, nur wenige Stunden, nachdem Rabbi Klein sie besuchte, tot aufgefunden. Selbstmord, heißt es. Ein Verbrechen, vermutet der Rabbi, Kommissarin Bänziger jedoch glaubt nicht recht daran.
Ich war froh, dass ich alle Bände nacheinander las, denn auch, wenn jeder Fall ineinander abgeschlossen ist, bauen die Bücher doch aufeinander auf. Übrigens gibt es in jedem Band ein Glossar zu den verwendeten hebräischen bzw. jiddischen Begriffen. Mir hätte allerdings ein Glossar zu den schweizerdeutschen Begriffen mehr geholfen. Ansonsten: Die Reihe ist eine Entdeckung für Krimi-Fans, sehr zu empfehlen!
In den März gehe ich mit dem zehnten Band der Angermüller-Reihe von Ella Danz, "Strandbudenzauber*". Ich mag die reihe sehr, es ist einer der wenigen, die ich komplett zu Hause habe, und so freute ich mich sehr über die Fortsetzung.
Kommissar Angermüller gönnt sich eine Auszeit vom Dienst. Doch nach ein paar Wochen Müßiggang mit Reisen, Kochen, im Café sitzen, verspürt er eine gewisse Leere. Da kommt die Idee seiner Freund Derya gerade recht, ihrer Schulfreundin Wiebke zu helfen, deren erfolgreichem Restaurant von einem Unbekannten übel mitgespielt wird. Offiziell Kellner in der Alten Strandbude, beginnt Angermüller zu ermitteln, hat auch erste Erfolge - da gibt es einen Toten und er gerät gegenüber den Kollegen vom K1 in Erklärungsnot …
Für Fans ein absolutes Muss, auch wegen der Rezepte im Anhang!
Angelesen habe ich "Tiefe Stille*", den ersten Band der Lukas-Zieringer-Reihe von Susanne Rößner (war mir zu klamaukig) und "Das Verbrechen*" aus der Karen-Lund-Reihe von David Hewson (so gar nicht meins, zu düster, zu grausam, aber mit skandinavischen Krimis tue ich mich bei aller Skandinavienliebe seit Jahrzehnten einfach schwer).
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