Seiten

Sonntag, 17. Januar 2021

Samstagsplausch KW 2/21: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten XLII

Seit Mitte der Woche sind wir langsam wieder in ruhigerem Fahrwasser, wenngleich irgendeine Normalität noch weit weg ist.

Ich bin inzwischen fieberfrei, fange morgen wieder an zu arbeiten und freue mich darauf, denn fast wir Wochen zu Hause (erst Urlaub = Gattenpflege, dann selbst krank) sind schon arg, zumindest, wenn man für alles Schöne zu erschöpft ist. Außerdem denke ich, dass uns ein strukturierter Tagesablauf gut tut.

Der Gatte ist von gesund noch weit entfernt, ist aber schon wieder ein paar Stunden am Stück wach, kann mich im Haushalt unterstützen, braucht keine Begleitung zu Arztterminen und schläft nachts oft durch. Das macht dann auch meine Nächte ruhiger. Im Februar muss er noch mal ins Krankenhaus, und ich nehme an, dass er zumindest bis zum Untersuchungsergebnis noch zu Hause bleibt. Er ist noch ziemlich wackelig, stürzt oft - langsam ist das ein teures Hobby, denn dabei geht viel zu Bruch und muss ersetzt werden ... Aber er denkt nicht mehr an einen Gehwagen, sondern nimmt einen Stock, und den auch nicht mehr immer.

Damit der Gatte buchstäblich wieder auf die Beine kommt, trifft er sich seit einer Woche täglich mit seiner Mutter zum Spaziergang und freut sich, dass er jeden Tag ein paar Meter mehr schafft. Ziel ist die Elbe, einmal Hirschpark und zurück. Natürlich könnte ich die beiden begleiten, aber ich bin ganz froh, mal eine Stunde alleine sein zu können.

Ansonsten ist dem Gatten zunehmend langweilig. Das ist schon zu normalen Corona-Zeiten so, weswegen er sich wieder eine Modellbahnanlage zulegte, aber an der kann er aktuell nicht bauen, weil die entsprechenden Läden geschlossen sind, Bestellungen nicht ankommen. Außerdem fehlt ihm eine Alternative zu Farmville, und seine Augen sind noch nicht wieder gut genug, um Bücher oder Magazine zu lesen. Also irgendwie alles doof.

Die in Bayern lebende Tante hat morgen ihren ersten Impftermin - große Freude! Organisiert hat das ihr Pflegedienst, aber dass sie so schnell an die Reihe kommt, gleich am ersten Tag, hat niemand gedacht. Angesichts des Inzidenzwerts in ihrer Stadt ist es eine Erleichterung, dass sie geimpft wird. Tante leidet natürlich unter den Einschränkungen. Ihr fehlen seit zehn Monaten Wassergymnastik und Bridge, die Treffen mit ihren Freundinnen. Eine verstarb jüngst, und dass Tante nicht zur Beerdigung zum Abschiednehmen konnte, traf sie hart. Gelegentlich wundern wir uns über die unterschiedlichen Regelungen. Bei Tante beispielsweise gilt schon seit Wochen eine abendliche Ausgangssperre. 

Schwiegermutter hält sich tapfer. Auch sie vermisst ihre Freundinnen, ihre Bridge- und Englischkonversationsrunden, ausgedehnte Einkaufsbummel, hat aber in der Seniorenwohnanlage immer Gesellschaft, wenn sie möchte. Die täglichen Spaziergänge mit dem Gatten tun ihr gut. Dass der Gatte keine Lust hat, jeden Sonntag zum Tee zu kommen, weil er davor einen (kostenpflichtigen) Corona-Test machen muss, versteht sie nicht. Wenn wir uns wieder berappelt haben, kommt sie zu uns zum Tee, dann sehe ich sie auch mal wieder. 

Ihre Seniorenwohnanlage bemühte sich bislang vergeblich um Impftermine für alle Bewohner. Angeblich lehnt die BASFI es ab, ein mobiles Impfteam dort hinzuschicken, weil es in der Anlage keine Corona-Fälle gab. Wenn das stimmt, ist das total bekloppt. So kümmere ich darum, dass Schwiegermutter einen Impftermin bekommt, aber da kein Impfstoff, keine Impftermine ... Mal schauen, wann die Termine ab Mitte Februar freigegeben werden. Ich fühle mich gerade wie beim Kampf um Karten für die Elbphilharmonie.

Immerhin klappte es bei Schwiegermutter mit dem Anschreiben der Über-Achtzigjährigen durch die BASFI. Das ist ja nicht in allen Bundesländern so: Bei Mudderns ins Niedersachsen greift man auf die Postdaten zurück, weil man nicht auf die Meldedaten zugreifen darf, und macht am Vornamen fest, ob die Person über 80 ist oder nicht ... Da Mudderns einen ungewöhnlichen Vornamen hat, rechne ich eher damit, dass Vadderns angeschrieben wird. Er ist zwar schon seit 23 Jahren tot, aber das wurde der Post nie mitgeteilt. Mudderns will sich allerdings ohnehin nicht impfen lassen.

Mudderns nimmt weiterhin ihre Januar-bis-März-Psychose. Immerhin haben wir es Mittwoch geschafft, ihre seit Sonntag im Zwei-Stunden-Takt durchgeführten nächtlichen Anrufe zu unterbinden (davor ließ sie uns zumindest nachts mit Anrufen in Ruhe - und natürlich wollte sie uns weismachen, dass sie nicht anruft, wir uns die Anrufe nur einreden). Ihrer Gesellschafterin gelang es Dienstag und Donnerstag, sie aus dem Bett zu bekommen, und Donnerstag aß Mudderns sogar ordentlich, aber seitdem liegt sie wieder im Bett und will auch erst wieder Dienstag aufstehen. Da sie in diesen Phasen nichts isst - ihr Frühstück besteht aus einem Keks, ihr Mittagessen aus einer Scheibe Knäckebrot oder einer Milchschnitte, das Abendessen fällt aus - oder trinkt, kann sie sich kaum auf den Beinen halten, aber den Zusammenhang sieht sie nicht. 

Diese Psychose hat sie seit 21 Jahren, seitdem ich ihr mitteilte, dass ich den Gatten heiraten werde. Jedes Jahr ist sie unterschiedlich stark ausgeprägt, aber seit ihrem Schlaganfall vor vier Jahren landete Mudderns jedes Jahr im Krankenhaus. Einzig im letzten Jahr war nichts, was ich dem guten Einfluss ihrer Gesellschafterin zuschrieb (und prompt vergaß, mit ihr darüber zu sprechen, so dass sie dieses Jahr quasi ins offene Messer lief, was mir sehr leid tat). In diesem Jahr holt Mudderns nun alles nach. Dichtung und Wahrheit sind nicht mehr zu unterscheiden: Angeblich bekommt sie demnächst 24-Stunden-Pflege, wahlweise durch ihre Gesellschafterin oder das DRK, aber alle sollen das mit mir absprechen. Bislang hat sich niemand bei mir gemeldet, also warte ich ab (und bin im Austausch mit ihrer Gesellschafterin). Ich habe alle Vollmachten (und weiß sogar wieder, wo), will aber nichts gegen Mudderns Willen durchsetzen.

Durch Corona, durch den kranken Gatten und weil ich selbst krank bin, habe ich aktuell keine Kapazitäten für Mudderns Psychose frei, sondern warte einfach ab. Erfahrungsgemäß berappelt sie sich nach Vadderns Geburtstag Mitte März wieder. Und nachdem ich drei Mal im Januar Himmel und Hölle in Bewegung setzte, dass Mudderns Unterstützung durch einen Pflegedienst bekommt, es im April drei Mal wieder absagen musste, weil die Unterstützung Mudderns lästig wurde, weiß sie, dass ich nichts mehr unternehme. 

Erstaunlicherweise verlangt Mudderns aktuell nicht, dass ich sie besuche, für sie einkaufe etc. Dass ich dazu vor zwei Jahren Tacheles redete, kam offensichtlich an. Könnten meine Besuche dazu beitragen, sie aus dem Bett zu bekomme, führe ich zu ihr, aber Mudderns will halt im Bett liegen und leiden. Ansonsten bekäme sie alle Hilfe, die sie bräuchte. Sie entscheid sich aber schon vor Jahrzehnten, dass es einfacher ist, zu leiden, als eine Therapie zu machen. Das Leben kann so schön beschissen sein, wenn man sich Mühe gibt.   

Nachdem ich endlich fieberfrei war, nutzte ich die Zeit, "Das Vermächtnis der besonderen Kinder*" von Ransom Riggs zu lesen. Der fünfte Band der Fantasy-Reihe faszinierte mich genau so wie alle anderen Bände, endete wieder mal mit einem fiesen Cliffhanger, und jetzt muss ich fast ein Jahr warten, bis der sechste Band auf Deutsch erscheint (auf Englisch erscheint er schon Ende Februar, aber das ist mir zu mühsam). 

Hier gilt seit mittlerweile 44 Wochen: Der Gatte und ich sind seit Mitte März 2020 weitgehend zu Hause. Unsere Kontakte sind auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Mütter. 

Der Gatte ist im zehnten Monat Kurzarbeit und seit Mitte Dezember krank. Mal schauen, wann er wieder zur Arbeit gehen kann. Die Sorge um seinen Job, in dem es erst weitergeht, wenn Veranstaltungen, Theater und Konzerte wieder möglich sind, macht ihm zu schaffen. Im Sommer war er mit Haushaltsauflösung und Umzug seiner Mutter abgelenkt, aber seit dem Herbst fehlt ihm ein strukturierten Tagesablauf, ist ihm oft langweilig. Und momentan ist er körperlich ja auch nicht belastbar. Ihm fehlen Sport, Stadtbummel, Kino, Restaurants ... 

Mein Job ist sicher, wenngleich meine drei Projekte mehr oder weniger auf Eis liegen. Zwei wurden ad hoc digitalisiert, das dritte ruht weitgehend, solange Theater und andere Kulturbetriebe geschlossen sind. Ich muss mir aber in dem Zusammenhang keine Gedanken um meinen Job machen wie der Gatte, bekäme allenfalls ein anderes Projekt. Momentan bin ich mit zwei von drei Projekten aber auch gut ausgelastet.

Ich bin zwei Tage im echten Büro und drei Tage im Heimbüro. Eigentlich würde ich einen der Bürotage im Laden verbringen, aber der ist geschlossen und bleibt es auch weiterhin. Chef gehört dem betrieblichen Corona-Krisenstab an, ist also oft nicht ansprechbar, und Chefin versucht das aufzufangen, arbeitet aber nur Teilzeit. So liegt gerade vieles auf Eis, was die Moral der Kolleginnen und Kollegen senkt. Wenn wir mit dem Corona-Gedöns durch sind, müssen wir vermutlich ein komplett neues Teambuilding starten, denn wir begannen gerade erst im Sommer 2019, uns unter den neuen Chefs neu zu finden. Chefin hat ein wöchentliches virtuelles Teammeeting angesetzt, auch aus Sorge um unsere seelische Gesundheit - lieb. Ich war allerdings diese Woche krank und habe die kommenden beiden Wochen jeweils Arzttermine ... Aber ich komme mit der Isolation auch vergleichsweise gut klar, bin Alleinsein von kleinauf an gewohnt. 

Wir sind sehr coronamüde, trotz aller Dankbarkeit, dass wir alle es durch die letzten Monate relativ gut geschafft haben. Die nicht sinken wollenden Infektions- und Sterbezahlen belasten uns. Der Impfstoff gab kurzfristig Hoffnung, aber es ist absehbar, dass es so schnell nichts mit einer Impfung wird. Wir hatten uns anfangs auf diesen Herbst eingestellt, rechnen aber nicht mehr damit. Kein Impfstoff, keine Impfung. Dennoch: Natürlich ist es toll, dass es binnen so kurzer Zeit einen Impfstoff gibt.

Die sich verschärfenden Vorschriften betreffen uns nicht weiter, außer, dass wir seltener im Stamm-Supermarkt einkaufen, weil wir davor Schlange stehen müssen. Wir können uns ohnehin nicht weiter einschränken. Und die Vorschriften sind eh nur Lippenbekenntnisse, denn die jeweils geltenden Regelungen werden ja nicht durchgesetzt. Solidaritätsverweigerer und Coronaleugner können ungehindert demonstrieren. Wozu also Regelungen verschärfen, wenn deren Umsetzung eh niemanden interessiert?!

Letzte Woche hätte ich eigentlich den Endokrinologentermin zur Überprüfung meiner Hormontherapie gehabt, aber aufgrund des Fiebers verlegte ich den. Nun heißt es noch acht Wochen Ungewissheit. Ich denke, die Hormontherapie wirkt, denn seit Ende Oktober nahm ich fast 8 Kilo ab (plus 5 Kilo Wassereinlagerungen, die quasi über Nacht verschwanden), aber ich wüsste schon gerne, ob die no carb- / low carb-Quälerei auch Ergebnisse zeigt. Keine Ergebnisse hingegen zeigt die Hormon-Ersatztherapie gegen meine Wechseljahrsbeschwerden. Frau kann nun mal nicht alles haben ...

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea, deren Mann weiterhin mit einer Covid-19-Erkrankung kämpft. Weiterhin viel Kraft euch beiden und baldige Genesung! Und vielen Dank für's Sammeln! Über's Einkaufen und Kochen berichte ich in der Kombüse. Nachdem die Wochenübersichten nachgetragen sind, mache ich mich demnächst an die Rezepte.

Bleibt zu Hause, bleibt gesund, passt auf euch und eure Lieben auf. 

*Affiliate link

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Kommentare von Corona-Leugner, Quer- und anderen Nicht-Denkern, Wahnwichteln, Das-ist-doch-nur-ne-Grippe-Schwurblern, Wir-haben-genug-freie-Intensivbetten-Rufern und ähnlichen Düffeldaffeln werden gelöscht.