Seiten

Dienstag, 5. Oktober 2021

#WMDEDGT 10/21: Lavendelzeit II

Heute ist wieder der fünfte Tag des Monats, und Frau Brüllen fragt "Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?", kurz WMDEDGT? Vielen Dank für's Sammeln!

Ich bin seit gestern krankgeschrieben bis zur Einweisung ins Krankenhaus kommende Woche und ggf. auch länger, denn die Chance, dass die beiden zufällig festgestellten Tumore gutartig sind, ist sehr, sehr gering. Ich rufe mir seit der Diagnose vor zwei Wochen immer wieder in Erinnerung, wie viele Menschen in meinem Umfeld eine Krebserkrankung überlebten, dass ich mehr Menschen kenne, die Krebs überlebten als daran starben, aber da ich weiß, wie schlecht die Chancen bei Magen- und Speiseröhrenkrebs stehen, hilft das nicht. 

Eigentlich wollte ich heute zum Frühschwimmen, um psychisch wieder einigermaßen auf die Beine zu kommen und weil ich immer denke, wer weiß, wie lange Sport noch geht, nein, inzwischen nicht mehr wegen Corona, sondern wegen Krebs, aber ich mag nicht, bleibe liegen und höre Radio. Ich habe wirr geträumt und versuche, das Geträumte zu sortieren.

Aufstehen, Kaffee kochen, den Gatten wecken, dann über eMails gucken und auf die guten Wünsche der Kolleginnen antworten. Es gibt sogar Grüße von der Ex-Chefin und Kollegin I. Ich bin dankbar für das verständnisvolle Team, in dem ich arbeite, und froh, dass ich vor drei Jahren den Arbeitsbereich wechselte, denn im früheren Bereich hätte ich nicht krank sein oder mich monatelang um den kranken Gatten kümmern können. 

Ich zerbreche mir den Kopf über die Vorsorgevollmacht, die ich am Sonntag erstellte. Will ich das alles wirklich so haben? Ich bin überfordert. Die Vorsorgevollmacht wird erstmal so abgelegt, wie sie ist - vielleicht bleibt mir ja noch Zeit zum Überarbeiten. Als nächstes werden die Unterlagen der vielen Untersuchungen des letzten halben Jahres abgelegt - ich brauche nur noch die für Gastroenterologie/Onkologie und Endokrinologie.

Eine Maschine Wäsche anwerfen und schon mal einen Koffer vorbereiten für einen eventuellen Krankenhausaufenthalt in der kommenden Woche. Momentan ist zwar nur eine ambulante Untersuchung geplant, aber nach Aussage meiner Hausärztin das kann sich nach dem Eingriff kurzfristig ändern, und wenn der Gatte angerufen wird, dass ich bleibe, soll er nicht suchen müssen. Meine Hausärztin ist neben dem Humangenetiker die, die die Tumormarker ernst nahm, mich nicht mit "Machen Sie sich keine Sorgen!" beruhigen wollte, und neben dem Humangenetiker ist sie diejenige, die mit dem Tumorverdacht recht behielt, also höre ich auf ihre Hinweise. 

Auf's Sofa wechseln, mit Mudderns telefonieren, dann serviert der Gatte ein spätes Frühstück. Auf dem Sofa sitzen, stricken und fernsehen - meine momentane Lieblingsbeschäftigung. Außer Sofasitzen und stricken passiert heute nicht viel.

Während der Gatte seine tägliche Packstationsrunde dreht (er kauft unvermindert das Internet leer), sortiere ich aus dem Vorratsschrank Lebensmittel für den neuen Foodsharing-Fairteiler aus - endlich gibt es einen in unserem Stadtteil! Dann will die Waschmaschine geleert, die Wäsche aufgehängt werden. Kurz ins Netz und mit Entsetzen, Wut vom antisemitischen Übergriff auf Gil Ofarim im Westin Hotel in Leipzig lesen. Antisemitismus ist allgegenwärtig (und in vier Tagen jährt sich der Anschlag in Halle zum zweiten Mal). Eine sichere Heimat sieht anders aus, denke ich, als ich die Umschläge für meine Krankschreibungen mit den Sondermarken "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" frankiere.

Der Gatte ist zurück und bereitet für uns Bickbeeren mit Banane und Vanille-Quark als Mittagsimbiss zu. Ich schaue eine fünf Jahre alte Reportage über Kreuzfahrtschiffe im Hamburger Hafen und freue mich, als ich ehemalige Kollegen sehe. Kurz vermisse ich diese Zeit. Der Gatte macht sich nochmal auf den Weg, diesmal in den Getränkeladen. Ich koche währenddessen Tee, friere einen Teil der Steckrübensuppe vom Vortag ein (den Rest gibt es am kommenden Tag) und hole Aprikosen aus dem Tiefkühler, denn morgen wird gebacken

Teezeit, als der Gatte wieder da ist. Er berichtet nochmal in Ruhe vom gestrigen Arztbesuch und ist genervt, dass sich kein Arzt für die Drittimpfung findet. Sein Hausarzt impft gar nicht, und die, die ich fragte, impfen nur Ü80, selbst, wenn sie laut Praxis-Aushang auch Ü60 und Risikogruppen impfen. Nun sind es bis zu einer möglichen Drittimpfung zwar noch drei Monate, aber er hätte gerne die Perspektive (ich auch, auch für mich, aber nun ja). Dann die Getränkekisten aus dem Auto holen und ein bisschen um den Haushalt kümmern, die Spülmaschine anwerfen. 

Irgendwann ist Zeit für's Abendessen. Heute ist Dienstag, also gehört der Abend dem Doctor. Der Gatte mag nicht mitgucken, sondern geht in die Werkstatt. Ich stricke währenddessen meinen Schal fertig - im Prinzip. Bevor ich abkette, lege ich ihn um und stelle fest, dass er mir zu kurz ist. Ich mag keine Schals, die ich nicht zwei Mal um den Hals wickeln kann. Also Wolle* nachbestellen und eine Woche warten, bis sie da ist, ich den Schal weiterstricken kann (Schachenmayr bekomme ich leider nicht im stationären Einzelhandel, sonst hätte ich gleich am nächsten Tag Nachschub).

Vor dem Einschlafen noch etwas lesen* und dabei wieder über den Tolino ärgern. Auch nach dem letzten Update kann ich nur in Zwei-Punkt-Schrift lesen, stellt sich das Gerät mitten im Lesen ab, speichert nicht ordentlich ... Kein Vergleich zum Kindle, nur kann ich auf dem leider keine Bücher aus der Onleihe lesen. 

Die Rezepte zum Tag gibt's kommende Woche in der Kombüse. / *Affiliate links

2 Kommentare:

  1. Ich wünsche Dir alles Gute und drücke ganz fest die Daumen für nächste Woxhe.

    Herzliche Grüße von einer ansonsten stillen Mitleserin

    Andrea

    AntwortenLöschen

Kommentare von Corona-Leugner, Quer- und anderen Nicht-Denkern, Wahnwichteln, Das-ist-doch-nur-ne-Grippe-Schwurblern, Wir-haben-genug-freie-Intensivbetten-Rufern und ähnlichen Düffeldaffeln werden gelöscht.