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Samstag, 6. Mai 2023

Samstagsplausch KW 18/23: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CLXIV

Meine Mutter schlief friedlich ein. Das wünschte sie sich seit Wochen. Als ich mich Freitag von ihr verabschiedete, sagte sie, sie wolle ihre Ruhe haben, und sie sah im Tod dann wirklich sehr ruhig und entspannt aus. Wir konnten in Ruhe Abschied nehmen und waren schnell bei den Bestattern, die meine Mutter von zahlreichen Gesprächen kennen. Da wissen wir sie gut aufgehoben.

Die Traueranzeige für meine Mutter. Sie hatte im Dorf ihre festen Ruheplätze auf Bänken und sorgte dafür, dass auf einem ihrer Wege eine Bank unter einer Buche aufgestellt wurde. Das Motiv ist also mehr als passend.

Jetzt ist es sehr unwirklich. Ich bin von klein auf darauf gedrillt worden, dass meine Eltern eines Tages sterben. Ich bin von klein auf darauf gedrillt worden, was ich in dieser Situation zu machen habe, dass ich vor allem die Unterlagen im Safe sichten müsse, denn dort gäbe es Vollstreckungstitel, die ich durchsetzen müsse. Als dieser Drill losging, war ich noch in der Grundschule, und natürlich kann ein Kind solche Informationen verarbeiten ... Als ich ausgezogen war, saßen meine Eltern vor jedem längeren Auslandsaufenthalt, vor jeder Reise auf meinem Sofa und sagten, ich solle mir sehr gut überlegen, ob ich tatsächlich weg möchte, denn sie könnten tot sein, wenn ich wiederkomme. Von den abgebrochenen Auslandsaufenthalten, weil meine Eltern vermeintlich im Sterben lagen und ich sofort kommen sollte, rede ich gar nicht. Und jetzt sind beide Elternteile wirklich tot.

Ich zucke zusammen, wenn ich realisiere, dass ich vergaß, meine Mutter zum gewohnten Zeitpunkt anzurufen, und wenn ich mich dabei ertappe, einfach irgendwo hingegangen zu sein, ohne mich bei ihr abzumelden, weil ich die gewohnte Telefonzeit nicht einhalten kann. Es ist unwirklich, am Pflegeheim vorbeizugehen, ohne zu gucken, ob sie am Fenster sitzt, ich auf einen Sprung zu ihr kann. 

Wenn ich durch's Dorf laufe, komme ich an den Plätzen vorbei, an denen meine Mutter gerne saß. Die Trauerkarte ziert eine Bank. Meine Mutter hatte eine Reihe von Bänken, auf denen sie Pause machte und Menschen ansprach, um sich zu unterhalten. Als ihr auf einem Weg eine Bank fehlte, sorgte sie dafür, dass dort unter einer Buche eine aufgestellt wird, und wehe, sie war unterwegs und fand "ihre" Bank besetzt vor! Vor dem Bestattungshaus ist eine Kehre mit zwei Bänken, und auch dort saß meine Mutter oft, kam dadurch mit den beiden jungen Bestattern ins Gespräch. "Schade, jetzt werde ich mich nicht mehr mit Frau H. unterhalten können!", rief dann auch einer der Bestatter aus, als ich ihm mitteilte, dass meine Mutter verstarb und sie bitte übernehmen sollen.  

Meine Mutter lehnte es in den letzten Monaten vehement ab, neben meinem Vater beigesetzt zu werden, und so wird es nach einer musikalischen Trauerfeier eine Seebestattung im kleinsten Kreis geben. Wir wissen nicht, ob überhaupt jemand außer uns und ihrer Gesellschafterin zur Trauerfeier kommt, aber wir haben zwei Anzeigen in den beiden Ausgaben der Lokalpostille und schicken die Traueranzeige an jeden, der uns einfällt, damit jeder, der mag, eine Chance hat, sich zu verabschieden. Meine Mutter war sehr bekannt im Dorf, auch wenn sie sich seit längerem mit jedem überwarf. Nach etwas Überlegen kommt auch ihre ältere Schwester zur Trauerfeier. Ihr Mann kann die über 300 km nach einem Schlaganfall nicht mehr selbst fahren, aber ihr ältester Sohn erklärte sich zum Glück bereit, das zu übernehmen. So wird es denn auch ein Beisammensein nach der Trauerfeier geben, denn ich kann Tante und Cousin nicht ohne Stärkung wieder nach Hause schicken. 

Mudderns Schwägerin lehnt es ab, zur Trauerfeier zu kommen, worüber Mudderns sicher froh ist. Die Schwägerin ist Pastorin im Ruhestand und echauffiert, dass meine Mutter nicht neben ihrem Mann beigesetzt werden möchte, wie es sich gehört, dass es keine kirchliche Trauerfeier gibt, dass meine Mutter kremiert werden möchte. Das sei kein christliches Begräbnis. Ich solle mich über den Willen meiner Mutter hinwegsetzen, schließlich merke sie es nicht mehr. Ja, nee, is klaa. Die Familie meines Vaters nahm es meiner Mutter immer übel, dass mein Vater wegen meiner Mutter seine Verlobung auflöste, und diese Abneigung gilt anscheinend über den Tod hinaus.

Dass meine Mutter kein kirchliches Begräbnis möchte, ist allerdings wirklich erstaunlich, denn sie war sehr gläubig und ihrer Gemeinde sehr verbunden. So baten wir denn statt Blumen um Spenden für die Gemeinde. Alles andere wäre mir sehr merkwürdig vorgekommen.

Hier gilt seit mittlerweile 164 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Es geht uns vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird. Er ist inzwischen schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und, seit der Übernahme meines früheren Elternhauses, Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona uns bislang verschonte und hoffe sehr, das bleibt so. Weder der Gatte noch ich haben Lust, zur Entlastung der Rentenkassen beizutragen.

Freud und Leid lagen diese Woche dicht beieinander, denn wir feierten Schwiegermutters 88. Geburtstag. Kommende Woche feiern wir Tantes 90. Geburtstag. Ich freue mich, bin dankbar, dass wir zusammen sein können. 

Auf der Baustelle geht's langsam weiter. Der Metallbauer kam und richtete das Balkongeländer. Die Baubrigade schaffte es, unterschiedliche Metallsorten zu verarbeiten und die Schrauben nicht ordentlich zu verankern. Zudem wäre es auch nicht möglich gewesen, wie bestellt Milchglasscheiben anzubringen, und außerdem sind die Rohre aus irgendeinem Grunde innen oval. Jetzt sieht das Geländer so gut aus, wie es unter den gegebenen Bedingungen aussehen kann (und das Herz des Metallbauers blutet, weil er letztlich nur Pfusch verbessern konnte). Jetzt kann Persenning gespannt werden, können die Holzfliesen verlegt und Blumenkästen aufgehängt werden, kann sich der Gatte nach Solarpaneelen umsehen und sich entscheiden, ob er nach dem Einzug nicht vielleicht doch ein ganz neues Balkongitter mit Milchglasscheiben haben möchte. 

Der Maler kam und nahm die Aufmaße von zwei Treppenhäusern, Küche, Flur und Windfang, denn ich konnte den Gatten endlich überzeugen, dass wir die Arbeiten nicht selbst ausführen möchten. Bis zum Einzug im September sollten die Treppenhäuser dann schick sein, aber notfalls sind das Arbeiten, die auch nach dem Einzug durchgeführt werden können.

Zudem habe ich mich entschlossen, das urinfarbene Glas des Windfangs gegen klares Glas austauschen zu lassen. Ich fand die Farbe schon immer scheußlich und mag mich nicht an den Gedanken gewöhnen, sie Tag für Tag zu sehen. Eine Scheibe des Vordachs wurde beschädigt, als Mudderns einen Schlaganfall hatte und wartet seit sechs Jahren auf Austausch. Außerdem möchte ich in der Küche eine Glasrückwand statt eines Fliesenspiegels haben. Demnächst muss also der Glaser kommen, und der Fliesenleger muss noch den Kellerflur sowie meine Werkstatt fliesen. Mal gucken, ob das wie abgesprochen im Mai klappt.

Ach ja, und die Kellertreppe muss erneuert werden, aber dafür sind die Termine schon gesetzt. Und dann ist da noch das leidige Endlos-Thema Heizung / Kohleofen ... Plus: Eine Außensteckdose muss angeschlossen werden, und ich habe beschlossen, dass die Badezimmerwand doch aufgestemmt wird, um die defekte Leitung für das Deckenlicht zu finden. Das sollte ja eigentlich die Baubrigade machen, aber die tauchte ja ab ... Daneben gibt es für den Gatten und mich auch noch genug zu tun. TV- und Lan-Kabel liegen immerhin schon im ersten Stock, sind aber noch nicht richtig verlegt. Fenster müssen geputzt und Plissees angebracht werden. Und und und ... Es wird also nicht langweilig.  

Ich war bei meiner Hausärztin, die entgeistert ob der Ereignisse der letzten Monate war (ich war ja Anfang Januar zuletzt in der Sprechstunde) und den Reha-Antrag auf den Weg bringen wird. Binnen der kommenden drei Wochen wird wohl über den Antrag entschieden. Ich bezweifle, dass der Antrag bewilligt wird, und auch die Hausärztin informierte mich schon mal über das Widerspruchsprocedere. Ich muss gucken, ob ich Nerven und Kraft dafür habe. Meine Hausärztin und das Praxis-Team tragen übrigens weiterhin Maske. Die Schlange vor dem Eingang zur Infektsprechstunde war auch ziemlich lang. Aber Corona ist ja vorbei ...  

Im Büro musste schlagartig meine Vertretung übernehmen und Neues lernen, denn diese Woche war die Endabstimmung für ein gedrucktes Heft, und so was hat sie noch nicht gemacht. Ich bin sehr froh, dass die Kollegin da ist. Sie schlägt sich wacker, und wie immer in solchen Situationen hat sie auch die Unterstützung des Teams. Vom Team kam auch eine Kondolenzkarte, was mich sehr anrührte. Außerdem kam sofort die Rückmeldung, ich solle mir so viel Zeit nehmen, wie ich brauche. Das ist so viel Wert! 

Der Gatte hatte den ersten Arzttermin für die anstehende Nieren-Biopsie. Kommende Woche erfahren wir, wie es weitergeht. Er behauptet, nicht angespannt zu sein, aber er wirkt anders.

Die gefürchtete Nebenkostenabrechnung unserer Wohnung kam - ein paar Wochen früher als sonst. Erfreulicherweise müssen wir keine Heizkosten nachzahlen! Wir bekommen sogar eine Rückzahlung! Das freut die schmalen Rücklagen, die nicht angetastet werden müssen.

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.  

7 Kommentare:

  1. Als stille Mitleserin wünsche ich herzliches Beileid und ganz viel Kraft, diesen Verlust zu verarbeiten, auch wenn es wohl Erlösung war. Alles Gute für Euch und vor allem sind die Daumen für die beantragte Reha und die anstehende Nierenbiopsie des Gatten gedrückt.

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  2. Mein herzliches Beileid. Auch wenn deine Mutter krank war und die letzten Monate/Jahre bestimmt eine Herausforderung für dich waren, ist es bestimmt erstmal nicht leicht, wenn jetzt kein Elternteil mehr lebt. Ich wünsche viel Kraft mit dieser Situation umzugehen, aber auch für die Renovierung des Hauses. Freundliche Grüße, Ehsa

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  3. Eine Mutter zu verlieren ist immer nicht leicht. Egal wie das Verhältnis zu einander war.
    Ich lese schon lange still mit aber nun auch von mir mein herzliches Beileid
    Einen lieben Gruß von
    Jutta
    Für deinen Mann wünsche ich alles Gute

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  4. Mein Beileid, alles Gute für Sie und Ihren Mann! Achten Sie auf sich.

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  5. Als stille Mitleserin wünsche ich dir ganz viel Kraft und auch von mir mein herzliches Beileid.
    Liebe Grüße Dian

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Kommentare von Corona-Leugner, Quer- und anderen Nicht-Denkern, Wahnwichteln, Das-ist-doch-nur-ne-Grippe-Schwurblern, Wir-haben-genug-freie-Intensivbetten-Rufern und ähnlichen Düffeldaffeln werden gelöscht.