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Samstag, 16. September 2023

Samstagsplausch KW 37/23: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CLXXXIII

Wie der Schlafhase genießen auch aktuell
so oft wie möglich den Spätsommer
auf der Terrasse.
Sonnabend fuhren wir von der Baustelle nach Hamburg zurück, denn der Gatte hatte zu wenig Medikamente mit. So kamen wir mal wieder zu einem Wohnungswochenende. Ruhig war es nicht, ich musste einiges im Haushalt schaffen, nutzte das heiße Wetter zum Wäschetrocknen.

Sonntag waren wir mit Schwiegermutter Eis essen. Der Gatte hat sich so sehr daran gewöhnt, in der lindgrünen Hölle Eis statt Tee und Kuchen zu essen, dass er dachte, dass machen wir jetzt auch mal mit Schwiegermutter. Die Idee war gut, die Umsetzung ein Flop. Mir hätte der Quer"denker"-Aufkleber an der Ladentür des einzigen Eiscafés in der Nachbarschaft Warnung sein sollen (die Coronazis sind stark im "Dorf"). Jedenfalls: Die beiden Mädels am Tresen waren komplett überfordert. Keine Ahnung, wie das Eis schmeckt, ich bekam keines. Ich weiß allerdings, dass es sehr weich war, denn ich trug zwei Waffeln mit Eis vom Tresen zum etwa drei Meter entfernten Tisch, und dort angekommen, konnte man das Eis trinken, war mein Shirt voller Eisflecken. Vermutlich stimmte die Kühlung nicht. Da lob ich mir die vier (!) Eiscafés in Laufnähe im zukünftigen Wohnort, die wir regelmäßig frequentieren. Die haben zwar auch immer höllisch viel zu tun, wissen aber wenigstens, was sie tun - und servieren keinen Amarena-Becher ohne Amarena-Eis. Stattdessen gab's Karamell-Eis. Da verzichtete ich. Ich muss ja ohnehin noch 70 Kilo abnehmen. Immerhin: Schwiegermutter hatte einen schönen Nachmittag, und ich wurde mit einem Stück Marzipantorte im Restaurant ihrer Seniorenwohnanlage mehr als entschädigt. Dorthin ging's nach dem Eiscafé-Besuch, denn schön sitzen konnte man dort nicht, und es reizte uns nach dem Eis-Reinfall nicht, dort den Kaffee zu probieren. 

Sonntagabend teilte der Gärtner mit, er habe Corona und käme vorerst nicht. Das war der Punkt, an dem es uns reichte mit dem Kerl. Ich mailte ein halbes Dutzend Hausmeister- und Gartenbaufirmen an, alle die auch Winterdienst anbieten, und, weil wir ja den Müll aus dem Garten loswerden müssen, auch den Entrümpler, der uns letztes Jahr beim Haus half. Damit kontaktierte ich in der Woche dann ein Dutzend Gartenbau- und Hausmeisterfirmen. Ich bekam vier Antworten: Zwei sind interessiert, einer hat keine Kapazitäten, einer bietet keinen Winterdienst an. Die anderen antworteten erst gar nicht, weder auf Anrufe noch auf Mails. Der Entrümpler schrieb fast umgehend nordisch-knapp: "Wir gucken uns das an!" 

Montag fuhr der Gatte wieder auf die Baustelle. Ich fuhr nach drei Wochen Abwesenheit wieder ins Büro und merkte schnell, dass es noch zu früh ist. Ich versuche aber, durchzuhalten. Ich bin total gerührt von meinen Kolleginnen. Damit z.B. der Betriebsausflug für mich nicht zu anstrengend wird, wollten sie mich auf der Terrasse platzieren mit Essen & Trinken und sich alle 15 Minuten zu meiner Unterhaltung abwechseln, damit mir nicht langweilig wird. Mir war aber schnell klar, dass ich den ganzen Betriebsausflug nicht durchhalte. Stattdessen fuhr ich nur zum abendlichen Grillen. Die Kollegin, die mich vertritt, hatte den Laden gut im Griff. Das habe ich auch nicht anders erwartet. Sie wirbelt fleißig weiter, um mich weiter zu entlasten, damit mir die Arbeit ja nicht zu anstrengend wird. Dabei ist es ja nicht die Arbeit, die mich aus der Bahn warf. Kommende Woche packen alle Kolleginnen mit an - bzw. ein. Bei meinem Mammutprojekt gab es eine Verlosungsaktion, und die Rückmeldungen waren so viele, dass wir fast untergehen. Weil sich alle Einsender so viel Mühe gaben, haben wir entschieden, dass jeder einen Preis bekommt, und müssen nun eine dreistellige Anzahl von Paketen packen. Dabei helfen viele Kolleginnen. Der Zusammenhalt im Team ist wirklich toll. Großartig ist auch die Wandlung des Ansehens meines Mammutprojektes im Team. Ich bekomme immer wieder zu hören, dass es ohne mein Mammutprojekt die Abteilung gar nicht mehr gäbe. Bis vor vier Jahren war das Projekt eher ein lästiges Übel.

Dienstag war der Kammerjäger wegen des Wespennests vorm Schlafzimmer da. Während der Gatte mit ihm auf dem Balkon stand, um das Nest zu zeigen, sah er die Entrümpler-Crew durch den Garten stapfen - ich hatte ihnen vorgeschlagen, einfach vorbeizuschauen, wenn sie in der Nähe sind. Der Chef kam zu dem Ergebnis, dass sie alles abfahren außer den Gartenabfällen. Was für eine Erleichterung! Er machte uns auch gleich auf handwerkliche Fehler des Gärtners aufmerksam. Mal gucken, ob der nächste Gärtner das beheben kann. Und er fragte nach dem Namen des Gärtners - "damit wir wissen, wen wir nicht empfehlen!" Ich ahne, der Gärtner wird im Landkreis so schnell keine Aufträge mehr bekommen. 

Dienstag nahm ich zum letzten Mal das Diabetes-Medikament, das ich seit drei Jahren off label verschrieben bekommen habe, ohne dass es eine klare Diagnose dafür gibt. Nachdem ich von der Horror-Hormon-Tante zu einer anderen gynäkologischen Endokrinologin wechselte, sah ebenso wenig eine medizinische Indikation wie meine Hausärztin oder die Gynäkologin, verschrieb es mir aber noch einmal. In vier Wochen habe ich einen Termin bei einer internistischen Endokrinologin, die mir vielleicht sagen kann, ob ich das Medikament weiterhin nehmen muss - und warum ich es überhaupt bekomme. Bis dahin bin ich gespannt, ob ich das Absetzen des Medikaments merke. Seit zwei Nächten habe ich wieder Schüttelfrost und Nachtschweiß, aber das kann auch andere Gründe haben. Ich habe zudem Angst, wieder zuzunehmen, weil der Hormonhaushalt wieder durcheinander gerät.

Mittwoch früh kam Gärtner IV. Der Regen schreckte ihn nicht, nur den angebotenen Kaffee lehnte er ab, weil "Wir arbeiten wegen des Wetters heute im Lager. Da gibt es zu viel Kaffee." Gärtner IV hat einen kleinen Betrieb hier in der Nachbarschaft und macht einen guten, pfiffigen Eindruck. Er bietet auch Winterdienst an. Sein Angebot sagte uns zu. Er war entsetzt, dass die Geräte von Gärtner III seit nunmehr einem Vierteljahr Wind und Wetter ausgesetzt sind - ich sah, dass es ihn fast schon körperlich schmerzt. "Das geht doch alles kaputt!", meinte er verärgert. Abends sagte ich Gärtner III ab und setzte ihm eine Frist zur Rückzahlung der Material- und Entsorgungskosten sowie zur Abholung seines Geraffels. Wir vermuten, dass er die Frist wie die beiden vorherigen verstreichen lassen wird. Der Gatte freut sich daher schon über eine Motorsäge (das einzige Werkzeug, das der Gärtner in unserer Küche lagerte), Leiter und Schubkare und hofft, dass er in dem Müllhaufen im Garten noch den Kreuzlinienlaser findet, von dem der Koffer ebenfalls in der Küche steht. In zwei Wochen legt Gärtner IV los. Über die Anzeige gegen Gärtner III denken wir aktuell noch nach. Ich weiß nicht, ob ich die Nerven dafür habe.

Anschließend ging's zum Amtsgericht, da zwei Lebensversicherungen ja auf einem Erbschein bestehen entgegen der geltenden Rechtsprechung, dass ein notariell eröffnetes Testament ausreiche. Obwohl ich beim Terminieren extra fragte, ob ich Unterlagen mitbringen muss, vergaß man mir zu sagen, dass ich meine Heiratsurkunde benötige sowie die Erbschaftssteuererklärung. Beides kann ich zum Glück nachreichen. Die Ausstellung des Erbscheines wird ein paar Monate dauern und einen vierstelligen Betrag kosten - ich bin gespannt, ob die Summe durch den Erlös der einen Lebensversicherung überhaupt gedeckt wird, denn da ist unklar, ob ich die Einlage, die meine Mutter leistete, überhaupt ausbezahlt bekomme. Das Ding ist ziemlich halbseiden. Die zweite Lebensversicherung ist ohnehin meine, die von meiner Mutter auf mich überschrieben werden muss, was auch nur mit Erbschein geht. 

Donnerstag hatte der Gatte seinen vierteljährlichen Termin beim Diabetologen und kam ziemlich irritiert nach Hause: Während seine Hausärztin sagte, der HbA1c-Wert habe sich drastisch verschlechtert, war der Diabetologe begeistert davon, wie sich der Wert verbesserte! Sein Wert war ein anderer als der der Hausärztin, obwohl beide den gleichen Laborbefund vorliegen hatten. Wir fragen uns jetzt, ob womöglich Patienten verwechselt wurden, auch, weil der Gatte mit dem Rezept für eine Mitpatientin nach Hause kam ... Andererseits kann es natürlich sein, dass sich der HbA1c-Wert des Gatten verbesserte, denn durch das Haus hat er ja sehr viel mehr Bewegung: Die vielen Treppen, die Spaziergänge ins Dorf ... Der Gatte denkt immer öfter über eine Reha nach - endlich! Nach der letzten Reha war er ja wieder so fit, dass er acht Kilometer am Stück laufen konnte, während wir jetzt froh wäre, wenn achthundert Meter gingen. Besser werden seine Einschränkungen nicht, an eine Heilung ist erst recht nicht zu denken, aber der Erhalt des Status Quo wäre schon viel. 

Freitag war ich beim Zahnarzt wegen der Entzündung. Die Vertretung befand, es müsse nichts beprobt werden, alles sei gut abgeheilt. Scheint also doch nicht der bösartige Tumor zu sein, nachdem vor zwei Jahren gesucht wurde ... Ganz so gut abgeheilt ist die Entzündung noch nicht; es war Zufall, dass beim Zahnarzt gerade nichts zu sehen war. Mal gucken, wie es sich entwickelt.

"Ich merke erst jetzt, wie dunkel unsere Wohnung ist", sagte der Gatte gestern, als wir uns im Haus trafen, denn wir verbringen das Wochenende natürlich auf der Baustelle. Früher erschien uns die Wohnung nie wirklich dunkel, zumal wir die Bäume vorm Balkon mögen, mir im Haus sogar der Schatten fehlt, weil von Nachbarn alte Bäume gefällt wurden. Aber seitdem die Holzpaneele geweißt sind (okay, bis auf die im Wohnzimmer, da muss ich noch ran) und die Treppenhäuser, die Teakmöbel weg sind und der Kirschlorbeer vorm Esszimmerfenster, seitdem die Schichten von Gardinen und Teppichen weg sind, ist das Haus wirklich unglaublich licht und hell. In meinem Arbeitszimmer ist es mir schon zu hell, denn dort habe ich noch keine Plissees, funktioniert der Rollladen gerade nicht, weil sich im Schalter ein Kabel lockerte. Eine Kleinigkeit, die ich selbst reparieren kann, nur muss ich es tun.

Ich bin froh, dass ich diese Woche überstand, denn ich merkte ja Montag schon, dass ich zu früh anfing, wieder zu arbeiten. Selbst die kleinste Belastung verursacht noch immer Schwindel und Panik. Ich mag aber einfach nicht mehr krank sein ... Ich achte mehr als sonst auf Pausen, merke aber, dass ich sehr wirr bin, massive Wortfindungsstörungen habe. Zum Glück stehen momentan keine Interviews, Vorträge oder andere öffentliche Auftritte an.

Hier gilt seit mittlerweile 183 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Es geht uns vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall. Er ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona uns bislang verschonte und hoffe sehr, das bleibt so. Weiterhin gibt es im Umfeld reichlich Infektionen. Ich muss mich wohl oder über daran gewöhnen, wieder häufiger Maske zu tragen, um weder den Gatten noch Schwiegermutter oder Tante zu gefährden. Deutschland setzt ja weiterhin auf Eugenik, wenn's um vulnerable Gruppen geht, während in den Nachbarländern wieder Masken und Impfungen propagiert werden. Immerhin: Der Gatte wurde von seiner Hausärztin schon auf die Corona-Impfung angesprochen, Er wird sich aber nicht impfen lassen. Jede Impfung setzt ihn eine Woche außer Gefecht mit hohem Fieber und neurologischen Ausfallerscheinungen (Corona ist ja keine reine Atemwegserkrankung). Heißt für mich, wieder mehr Maske, weniger Kontakte und selbstverständlich die inzwischen sechste Impfung, um damit auch den Gatten zu schützen. 

Schwiegermutter und Tante geht's gut. Tante rief Sonntag an, um sich für Fotos vom Heide-Ausflug samt Karte zu bedanken. Sie freut sich immer so sehr über Post von uns, sagt, das täte ihr so gut, und ich freue mich, dass sie sich freut. Eigentlich sollte sie heute wieder Post bekommen, aber das schaffte ich nicht. Tante bereitet sich weiterhin auf die OP vor, hatte gestern wieder einen Termin im Krankenhaus, ist irritiert, weil das Krankenhaus auf einen Corona-Test besteht. Zum einen irritiert sie, dass sie getestet werden soll, weil Corona doch vorbei ist (ein Hoch auf die erfolgreiche Normalitätssimulation, in der wir seit April leben), zum anderen weiß sie nicht, wo sie einen Corona-Test bekommen soll. Morgen werde ich erfahren, wie sie das Problem löste. Schwiegermutter realisiert langsam, dass Corona nicht vorbei ist, erwägt, wieder Maske zu tragen und wurde durch ein Rundschreiben der Ärztin in ihrer Wohnanlage daran erinnert, dass die sechste Impfung ansteht. Da sie ihre Letzte Impfung erst im März bekam, kann sie aber noch zuwarten. Ansonsten besteht Schwiegermutter vehement darauf, uns beim Streichen von Gartenzäunen und Gartenhaus zu helfen. Wir sind weiterhin unsicher, ob wir das wirklich wollen. Schwiegermutter ist davon überzeugt, dass Tante sie Weihnachten und Silvester besuchen wird. Das wäre schön. Mal schauen, wie's kommt.

Die aktuellen Ereignisse in Thüringen entsetzen. Es ist unglaublich, dass CDU und FDP so offen mit der AfD zusammenarbeiten. Die Ereignisse vor 90 Jahren sind quasi eine Blaupause für das, was uns bevorsteht. 

Dieses Wochenende ist Rosch ha-Schana. Ich werde einen Apfel von unserem Apfelbaum pflücken, ihn in Honig tunken, ein Gebet sprechen und auf ein gutes, süßes neues Jahr hoffen - wider besseres Wissen.  

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse

2 Kommentare:

  1. als Mitleserin seit einigen Jahren verfolge ich Ihre Samstagspläusche und bin immer sehr beeindruckt, wie Sie die ganzen Schicksalschläge, Kräftezehrer und Wirrnisse bearbeiten und zu verarbeiten suchen. Bezüglich Ihrer Anmerkungen zu Thüringen und den "Nach-Rechts-Schielern" der arrivierten Pateien: auch hier ist die Sorge sehr groß (meine Eltern sind Kommunisten - im Besten Sinne! - und leben in Thüringen); ich kann aber sagen, dass wir Enkel JETZT die Chance haben, es besser zu machen, als unsere Großeltern und auf die Barrikaden gehen müssen (und in meinem Falle auch wollen und werden)... Das wollte ich Ihnen sagen! Viele Grüße aus Bayern (wo es auch nicht wirklich besser ist: Stammtisch statt politischer Diskurs... und am 8.10. sind Landtagswahlen...) Katharina

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    1. Danke für die Ermutigung und für's Stabilsein, liebe Katharina!

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