Diese Woche war einigermaßen ruhig. Es gab nur einen Arzttermin, und ich konnte zwei Tage im Echtbüro verbringen. Diese Tage sind unwahrscheinlich arbeitsintensiv, haben eine hohe Schlagzahl. Nicht, dass ich zu Hause weniger arbeite, aber ich mache mehr Pausen, denn beim Gatten liegt ja oft was an. Im Büro wird öfter "mal eben" was geklärt, bespricht man sich schnell dienstlich zwischen zweit Terminen oder wechselt ein paar private Worte, arbeite ich trotzdem konzentrierter und störungsfreier. Das fehlt im Heimbüro.
Ich mag beides, aber das Echtbüro strengt mich mehr an, auch durch das Pendeln. Aktuell fahren morgens drei und nachmittags zwei Züge, das entspannt. Nachmittags kann ich spontan etwas länger arbeiten, morgens muss ich mich nicht hetzen. Mal gucken, wie lange das so bleibt. Sicher wird der Fahrplan spätestens mit den Sommerferien wieder ausgedünnt, und selbst außerhalb der Ferien ist nicht gesagt, dass der Zug, der gestern fuhr, heute auch noch fährt. Es bleibt jeden Tag spannend. Zum Glück ist mein Arbeitgeber entspannt, habe ich nicht den Druck, den ich bei Mitreisenden erlebe, muss ich nicht jeden Tag pendeln.
An Vier-Tage-Wochen merke ich meine Erschöpfung. Sonnabends bin ich zu nichts mehr in der Lage, außer mich um Essen und Haushalt zu kümmern und zu schlafen. Irgendwelche Aktivitäten, das Ausräumen der letzten Umzugskisten oder Gartenarbeit - Fehlanzeige. Es fehlt einfach die Kraft. Sonntags versuche ich dann, einiges aufzuholen, aber der Tag ist einfach zu kurz. Gestern wollte ich eigentlich zum World Wide Knit in Public-Day nach Hamburg, aber dann war der Garten, der schrie, Früher hätte sich der Gatte um den Garten gekümmert, heute kann er das nicht mehr. Letztlich schaffte ich weder das eine noch das andere, sondern verschlief den meisten Teil des Tages.
Eine aus unserer Strickgruppe hat sich darum gekümmert, dass wir für unsere Treffen einen Raum im örtlichen Mehrgenerationenhaus bekommen. Bislang trafen wir uns entweder privat oder in einem Lokal, heißt, eine hatte Arbeit oder alle hatten Verzehrzwang. Kommende Woche ist der Testlauf, und ich hoffe, die Örtlichkeit sagt der Mehrheit zu. Für mich ist sie perfekt, da fußläufig erreichbar. Da in der Gruppe Menschen aus dem ganzen Landkreis und aus dem Nachbarlandkreis sind, die Kleinstadt zudem gar nicht so klein ist, stresste mich das Fahren unbekannter Strecken sehr. Das fällt nun weg, wenn die Mehrheit mit dieser Lösung einverstanden ist. Wir zahlen einen kleinen Obolus, in dem Getränke enthalten sind, und können Fingerfutter mitbringen. Ich habe mir schon vorgenommen, dass ich Low-Carb-Cracker backen möchte. Von denen hätte der Gatte dann auch was. Praktischerweise gehört zum Mehrgenerationenhaus auch ein Tauschhaus, wo ich unsere aussortierten Sachen abgeben kann, wenn ich eh schon da bin. Außerdem habe ich entdeckt, dass sich dort auch wöchentlich eine Strick- und Häkelgruppe an einem meiner Heimbüro-Tage nachmittags trifft - perfekt, wenn ich mal etwas Luft habe, den Gatten nicht zu Ärzten begleiten muss. Diese Treffen sind purer Luxus für mich.
Ansonsten beschäftigte ich mich hauptsächlich mit dem Blutzucker-Tagebuch des Gatten, das er gerade führen muss, denn das überfordert ihn. Mich auch. Ich würde zu gerne verstehen, warum sich der Blutzucker des Gatten partout nicht dauerhaft einstellen lässt. Die neue Diabetes-Beraterin passte den Spritzplan weiter an, aber auch da sind die Insulinmengen viel zu hoch. Aus Erfahrung halbierte der Gatte selbstständig auch die Mengen des neuen Plans, aber selbst die sind noch zu hoch. So fährt der Blutzucker Achterbahn, sind die Nächte wieder unruhiger, stehen überall in Griffweite Apfelsaft und Dextrosebeutel. Das ist körperlich sehr anstrengend und lebensgefährlich. Gleichzeitig ist die aktuelle Sensor-Charge eine Katastrophe, gibt ein neuer Sensor nach ein, zwei Stunden auf (normalerweise hält ein Sensor zwei Wochen). Die letzte Nacht war also nicht nur von Alarm wegen Unterzuckers gestört, sondern auch durch Fehlermeldungen, bis sich der Sensor endgültig verabschiedete, das analoge Messgerät wieder mal zum Einsatz kam. Der heute gesetzte Sensor verabschiedete sich nach vier Stunden. Jetzt liegen hier zwei Reklamationen, um die - Überraschung - ich mich kümmern darf.
Außerdem mussten die Rechnungen des letzten Krankenhausaufenthaltes zur Erstattung an die Versicherung geschickt werden (ich sammle da immer ein bisschen, bis mein Konto zu sehr im Minus ist), muss ich mich um die Zuzahlungsbefreiung für den Gatten kümmern und um einen Neufeststellungsbescheid für seine Behinderung, denn trotz der OP scheint alles auf die Grade "aG" und "B" hinauszulaufen. Der Gatte kann selbst an guten Tagen keine 30 Meter am Stück mehr gehen und fragte schon, ob ich mich um einen Rollator kümmern kann. Der Neufeststellungsbescheid ist eine der vielen Aufgaben für meinen Urlaub, und beim Rollator warten wir die kommende OP ab. Vielleicht wird es ja doch mal besser.
Und dann gibt es da diese Momente, in denen es kurz so ist wie früher. Wenn der Gatte es ohne Hilfe schafft, die Gasflasche am Grill zu wechseln, auch, wenn er dabei anders als früher sitzen muss, oder wenn er erkennt, dass der volle Wäschekorb auf der Treppe nach oben soll und ihn, unter vielen Mühen, mit nach oben nimmt.
Hier gilt seit mittlerweile 274 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall. Er ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Es geht uns dennoch vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich die Erkrankungen und der Schlaganfall des Gatten zu Wesensveränderungen führten, die ein Zusammenleben manchmal sehr schwer machen.
Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona bislang Gatten, Schwiegermutter und Tante verschonte, und hoffe sehr, das bleibt so.
Heute rief unsere alte (im Wortsinnen, sie ist 92 Jahre alt) Nachbarin aus Iserbrook an - eine schöne Überraschung! Sie freue sich so, dass wir noch an sie denken (ich schicke Karten zu Festen oder aus Urlauben), vermisse uns, die neuen Nachbarn kennt sie nicht, die Fenster der Wohnung sind verrammelt, es ist niemand da, den sie vom Balkon aus zuwinken kann oder der ihr zuwinkt ... Wir vermissen die Nachbarin auch.
Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.
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