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Sonntag, 2. April 2017

Hamburgs erstes Denkmal: Die Flut-Pyramide

Manchmal kann ich ein früheres Leben, in dem ich mein Geld auf den Straßen der Stadt verdiente, nicht verleugnen. Ich streife meistens noch immer mit offenen Augen durch die Straßen, immer auf der Suche nach Hamburgensien. Früher nutzte ich sie auf Stadtführungen, heute blogge ich gelegentlich darüber.

Gedenktafel für das Deichbruch-Denkmal von 1771, 1774 aufgestellt.
Der Mittagspausenspaziergang zu den Foodtrucks auf dem Deichtorhof führt mich auch durch die Banksstraße. Am nördlichen Widerlager der Oberhafenbrücke ist über Augenhöhe eine unscheinbare Tafel angebracht. Hamburg hat ja das Talent, Gedenktafeln so zu gestalten, dass sie sich optisch gut der Umgebung anpassen. Anders gesagt: Sie fallen nicht auf. Bislang dachte ich, das gilt ausschließlich für Gedenktafeln an die NS-Zeit, aber das hat anscheinend Methode. So ist auch diese Tafel auf den ersten Blick nicht sofort zu erkennen.

Der Platz, auf dem das Denkmal stand, heute.
Die Gedenktafel erinnert an die Flut von 1771. In diesem Sommer gab's ungewöhnlich starke Regenfälle, in deren Folge am 8. Juli die Elbdeiche bei Neuengamme brachen. Das Hochwasser überflutete die Marschen und das Umland, bedrohte schließlich auch die Stadt Hamburg selbst.

Am 21. Juli erreichte die Flut ihren Höchststand am Deichtor, klopfte also sozusagen ans Stadttor. Die Deiche der Stadt hielten glücklicherweise stand, das Wasser ging kurze Zeit später zurück. Es sollte aber bis Anfang September dauern, bis sich der Wasserstand wieder normalisiert hatte.

Drei Jahre nach der Flut, also 1774, wurde im Vorland des Deichtors ein auf einem Sockel stehender steinerner Obelisk, gekrönt mit einer Urne, errichtet: Die Flut-Pyramide. Neben einer Inschrift ("Die Elbe, von den Regengüssen eines trüben Sommers angeschwollen, drang über unsre Fluren ein und stieg bis an die unten bezeichnete Linie. Den 21. Juli 1771.") erhielt die Pyramide auch eine Wasserstandsmarkierung.

Das von Johann Georg Büsch gestaltete Flut-Denkmal um 1900 an der Bullenhuser Schleuse (Quelle: Wikipedia).
Die Gestaltung entsprach den ästhetischen Vorstellungen für Trauermonumente der damaligen Zeit. Dieses Denkmal war das erste Denkmal Hamburgs und das zweite Ereignisdenkmal Europas. Einzig die Briten waren schneller und errichteten knapp 100 Jahre vorher das "Monument" in London.

Generell scheint dem Denkmal keine große Bedeutung zugemessen worden zu sein. Nicht nur, dass es rasch in Vergessenheit geriet und häufig umgesetzt wurde, es scheint auch keine Ansicht vom ursprünglichen Aufstellungsort zu existieren.

Im Feuersturm 1943 wurde es beschädigt und anschließend dem Verfall preisgegeben. Auch daran erinnert die Gedenktafel - na ja, mehr oder weniger, denn genau genommen wurde das Denkmal ja nicht 1943, sondern erst nach 1945 zerstört, weil man die Schäden nicht behob. Es gab einfach wichtigeres in der zerstörten Stadt.

Typisch Hamburg: Wenn schon das Denkmal der Zerstörung preisgegeben wurde, stellt man kurzerhand die Gedenktafel unter Denkmalschutz.

Bis heute erinnert am Neuengammer Hauptdeich / Lange Grove ein Denkmal an den Deichbruch 1771, das zum 100. Jahrestag aufgestellt wurde.

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