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Montag, 18. Dezember 2017

#12von12 im Dezember 2017

Ich bin in der letzten Woche meiner aktuellen Tätigkeit. Gestern habe ich schon offiziell meinen Abschied gefeiert. Jetzt arbeite ich noch still und leise bis Freitag vor mich hin.

#1: Mit einer Tüte voll Altmetall und 'nem Trudelband geht's ins Büro.
Morgens nehme ich Altmetall für einen Kollegen mit, der sich damit ein bisschen Taschengeld verdient. Darunter ist auch ein Trudelband, also ein Metallreifen. Du kennst vielleicht das plattdeutsche Lied "An de Eck steit’n Jung mit’n Tüdelband". Ursprünglich ist in dem Lied von einem "Trudelband" die Rede, womit ein alter Reifen oder Ring von einem Fass gemeint ist.
#2: Frühstück.


Als ich mein Geld noch auf den Straßen der Stadt verdiente, präparierte mir der Gatte mal einen Fassreifen, den ich ab und an für Workshops zu alten Kinderspielen nutzte. Das Trudelband verstaubt schon lange in meinem Heim-Büro - hohe Zeit, dass es endlich zum Schrott kommt.

#3: Freuen. Ein Teil meiner Abschiedsgeschenke.
Im Büro hole ich mir erstmal ein paar Reste von meiner gestrigen Abschiedsfeier als Frühstück. Viel Zeit bleibt dafür allerdings nicht: Unsere letzte Pressekonferenz für dieses Jahr steht an. Es ist hektisch, Nerven liegen blank, weil die Pressemitteilung mitten in der Nacht umgeschrieben wurde.

#4: Lesend auf die Friseurin warten.
Dann steht die für mich letzte Teamsitzung an, und im Anschluss werden Tische und Stühle gerückt: Am Nachmittag findet im Besprechungsraum eine Weihnachtsfeier statt. Später am Nachmittag wird Raum noch ausdekoriert und eingedeckt. Nach dem Tischerücken lasse ich mir von Mudderns über ihren Arzttermin berichten. Da läuft zum Glück alles.

#5: Ausgaben festhalten.
Eine Viertelstunde vor Beginn der Pressekonferenz muss noch ein Fotograf organisiert werden, ist endlich die Pressemitteilung fertig, schiebe ich meinen Chef vor die Tür, damit er sich auf den Weg macht. Aber dann ... Nun ja: Für eine fünf Kilometer entfernt laufende Pressekonferenz mal eben die Pressemitteilung nach Diktat der neuen Fassung über eine löchrige Funkrufleitung umzuschreiben, auszudrucken und auszutauschen, ist doch eine meiner leichtesten Übungen ...

#6: Schreiben. Eine Hochzeitskarte an eine Jetzt-Ex-Kollegin, ein verspäteter Geburtstagsgruß an Meşale Tolu und eine Karte an Deniz Yücel.
Dann läuft aber wirklich alles, und ich kann zur Mittagspause, die ich beim Friseur verbringe. Auf dem Weg zurück ins Büro treffe ich auf Blaumann I, der sich für meinen Einsatz bei der Pressekonferenz bedankt. Das höre ich natürlich gerne. Später, als wir zum Feierabend zusammenstehen, lacht er mich von der Seite an und meint "Na, hat doch gut geklappt!" Das sind die Momente, die ich in meinem neuen Job sicher vermissen werde.

#7: Improvisiertes weihnachtliches Flair im Besprechungsraum.
Am Nachmittag schwänze ich die Weihnachtsfeier und arbeite still vor mich hin, unterbrochen vom Chef, der mir ein weiteres Abschiedsgeschenk in die Hand drückt mit den Worten "Das ist doch alles Scheiße" (mein Weggang erfreut ihn nicht, umso mehr, seitdem er die Bewerberlage für meine Nachbesetzung kennt) und von den Fahrern, die klönen wollen.

#8: Geschenke auspacken.
#9: Tetris sei Dank, ist der Rollcontainer für die Kantine schnell und akkurat gepackt.
Kurz vor 18 Uhr wird die Weihnachtsfeier für beendet erklärt. Kollegin I, mein Chef, die Fahrer und ich machen sich dran, den Besprechungsraum wieder aufzuräumen und sind dank vereinter Kräfte eine gute Stunde später fertig. Gegen 19.30 Uhr ist dann endlich Feierabend. Ich nehme Kollegin I mit, die auf meiner Ecke wohnt. Auf dem Heimweg halten wir noch schnell im Supermarkt, denn vor lauter Stress vergaß Kollegin I, Abendessen für ihren Mann zu kaufen.

#10: Endlich zu Hause.
Rechtzeitig zum Doctor kann ich auf's Sofa plumpsen und zu Abend essen. Es gibt Nudelauflauf vom Vortag. Mit Mühe halte ich alle drei Doctor-Who-Folgen durch. Vor dem Einschlafen lese ich noch etwas.

#11: Der Dienstag gehört dem Doctor.
#12: Das aktuelle Strickstück wächst, und inzwischen bin ich zuversichtlich, dass die Wolle reicht.
Dieser Beitrag geht rüber zu Caro von Draußen noch Kännchen, die wie immer am 12. eines Monats 12 Impressionen sammelt - vielen Dank dafür!

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Samstag, 16. Dezember 2017

Samstagsplausch KW 50/17: "A Good Time To Finish Old Tasks" ...

... lautete der Spruch auf dem Glückkekszettel, der vorgestern beim Packen im Büro aus einem meiner Bücher fiel.

Pflanzen, Handapparat und Geschirr warten im alten Büro darauf, umgezogen zu werden.
Gestern war mein letzter Arbeitstag im alten Team, und während ich so da saß und vor mich hin tippte, guckte eine der Leitungen aus meinem neuen Bereich in mein Büro. Sie war erstaunt, dass ich noch immer im alten Büro bin und sagte, sie freue sich persönlich sehr über meinen Wechsel.

Dann ging sie weiter in das Büro meines Chefs, sagte ihm auch, dass sie sich sehr über meinen Wechsel freue und setzte hinzu: "Ich war zwar nicht beim Auswahlgespräch dabei, aber meine Stimme hatte Frau Arroganz sofort! Wir freuen uns so über ihren Wechsel!" Über beides habe ich mich wahnsinnig gefreut.

Zukünftig werde ich 30 Stunden in der Woche arbeiten, davon sind etwa 25 Stunden Kernarbeitszeit. Bislang hatte ich eine 40-Stunden-Woche mit 50 Stunden Kernarbeitszeit. Die Kernarbeitszeit ist die Zeit, in der die Abteilung erreichbar sein muss.

Neuer und alter Stelle gemein ist, dass ich diejenige bin, die notfalls die Kernarbeitszeit gewährleisten muss, falls meine Kollegen ausfallen. Aber selbst, wenn das passiert: Zukünftig habe ich dann immer noch anderthalb Stunden eher Feierabend als bisher. Meine Freizeit ist endlich wieder planbar. Plus: Ich habe einen kürzeren Arbeitsweg, arbeite wieder konzeptionell, darf einen Teil meiner Arbeitszeit im Theater verbringen ... Auf der anderen Seite gebe ich einiges an Privilegien auf, aber über die definierte ich mich noch nie.

Gestern floss dann doch die eine oder andere Träne bei mir, denn bis auf Kollegin II mag ich das Team, in dem ich bislang arbeitete, ja. Kollegin II konnte mir übrigens noch nicht mal zum Abschied die Hand geben geschweige denn in die Augen sehen. Sie kam in mein Büro, um meiner Chefin ein schönes Wochenende zu wünschen, drehte sich um, ging raus und rief mir vom Flur "Alles Gute!" zu. Für manche ist Stil halt das Ende des Besens.

Mit einem Teil der Jetzt-Ex-Kollegen möchte ich in Kontakt bleiben, und ich bin ganz zuversichtlich, dass das auch gelingt. Mit dreien bin ich für Januar verabredet, und wenn ich in der Hamburger Meile, wo das alte Büro ist, zu tun habe, beispielsweise beim Augenarzt, werde ich mal vorbeischauen.

Hier gibt es Impressionen vom Abschieds-Gabelfrühstück, das ich für die Kollegen machte, und jetzt geht dieser Beitrag rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Ich wünsche Euch ein schönes Wochenende!

Dienstag, 12. Dezember 2017

Mütze mit Rollrand aus "Hortense" von Esslinger Wolle

Nachdem ich den Kragenschal fertig hatte, hatte ich immer noch einiges von der alten Esslinger Wolle, die Mudderns beim Aufräumen fand, übrig. Zuerst dachte ich daran, ihr Handschuhe zu stricken, aber sie kaufte sich gerade werde mit Reflektoren und gummierter Handfläche, damit sie sich gut am Rollator festhalten kann. Also wurde es eine Mütze.

Dem Hasen steht die Mütze, finde ich.
Ich bin gespannt, wie sie Mudderns gefällt. Die Anleitung stammt übrigens von Schachenmayr.

Leider kommt das schöne Glitzern der Wolle auf den Fotos nicht so gut rüber. 
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Samstag, 9. Dezember 2017

Samstagsplausch KW 49/17: Fast geschafft

Auf den letzten Metern wird im alten Job noch mal alles von mir abverlangt. In dieser Woche musste ich Kollegin I vertreten, zusätzlich zu meinem regulären Job, in dem die Hölle los war. Ich bin also ziemlich erledigt.

Aber: Das war der letzte Vertretungsdienst. Tschakka! Im neuen Job muss ich zwar auch vertreten, aber in einem Bereich, den ich verantworte, in dem ich jede Woche mindestens einen Tag arbeite (die anderen Tage gehören meinen anderen Aufgaben). Da springe ich also nicht jedes Mal ins kalte Wasser.

Eine historische Ansicht der Gegend, in der ich bald arbeite, hängt im Treppenhaus des zukünftigen Arbeitsplatzes.
Freitag durfte ich das erste Mal im neuen Büro vorbeischauen und verbrachte einen Vormittag mit zukünftigen Kollegen. Ich bin immer wieder von den Socken, wie sehr man sich dort über meinen Wechsel freut, nicht nur, weil die Stelle seit einem Jahr vakant ist.

Seit dieser Woche ist zudem öffentlich, dass ich gehe, denn ich habe für übermorgen zu einem kleinen Gabelfrühstück eingeladen (und war erstaunt, dass der Flurfunk meinen Weggang noch nicht verbreitete, denn es steht ja schon seit Mitte Oktober fest). Die übliche Reaktion war ein entgeistertes "SIE gehen????" gefolgt von einem begeisterten "Ich freue mich so für Sie!", gerne ergänzt um "Das ist so schade für uns. Und was macht Ihr Chef dann bloß ohne SIE?"

Nun ja. Mir geht immer noch ein Gespräch mit meiner Vorgängerin, das ich Montag führte, durch den Kopf. Sie ging vor fünf Jahren aus den gleichen Gründen wie ich heute. Das beruhigte mich sehr, denn es wurde ja lange versucht, mir zu suggerieren, dass etwas mit mir nicht stimmt. Aber es sind die Strukturen, die nicht stimmen. Mal schauen, wie meine Nachfolgerin damit zurecht kommt.

Donnerstag war ich in der Staatsoper zum Adventskalenderkonzert. Seit dem 1. Dezember gibt es täglich um 17 Uhr (sonntags um 12 Uhr) ein etwa halbstündiges Programm im Foyer. Was aufgeführt wird, erfährt man vormittags im Blog (oder man lässt sich überraschen). Der Eintritt ist frei, wer mag, spendet (dieses Jahr gehen die Spenden an die Hamburgische Regenbogenstiftung).

Ich erfuhr über Twitter von diesem Adventskalender und freue mich, dass ich ab übernächste Woche gegenüber das Staatsoper arbeite, dann zu den Konzerten mal eben rüber huschen kann. Mich nahmen die Lieder von Fritz Kreisler, Robert Schuhmann und Henryk Wieniawski, gespielt von Piotr Pujanek (Violine) und Eberhard Hasenfratz (Klavier), so gefangen, dass ich beschloss, einfach fünf Minuten später zu meiner Verabredung zu kommen.

Donnerstag war nämlich auch der Assistentinnen-Weihnachtsmarktbummel. Drei Kolleginnen sind passionierte Weihnachtsmarktbesucherinnen, verreisen sogar zu Weihnachtsmärkten, sind also jetzt jedes Wochenende auf Tour. Im letzten Jahr war ich gesundheitlich angeschlagen und hatte keine Lust. In diesem Jahr sprach mich Kollegin I mehrfach darauf an, dass sie sich freuen würde, wenn ich mitkäme, hatte ich wirklich auch Lust dazu, trotz Kollegin II und Zahnschmerzen nach der Wurzelbehandlung.

Es war wirklich ein sehr schöner Abend. Statt zu bummeln, standen wir zwei Stunden auf dem Gänsemarkt an der Feuerzangenbowlenbude, klönten und lachten viel. Die Feuerzangebowle ist so süffig, dass ich sehr froh war, mit Grünkohl (sehr lecker!) eine Grundlage geschaffen zu haben.

Für heute und morgen steht Folgendes auf der Liste:
  • Gewürzkuchen
  • Schwedischer Apfelkuchen
  • Pfannkuchenrolle mit Frischkäse-Lachs-Füllung
  • Kürbis-Hummus 
  • Rote-Bete-Quiche mit Thymian und Feta 
  • Filo-Kürbis-Feta-Törtchen
  • Süßkartoffel-Granatapfel-Salat
  • Köfte
  • Börek mit Spinat und Feta
  • die bange Frage, ob das zusammen mit Tomate-Mozzarella-Spießen, Knabberstangen, Schnobkram, Fladenbrot, gekauften Dips und Gemüsesticks tatsächlich für ein kleines Gabelfrühstück für 30 Personen reicht ... 

Außerdem hoffe ich, viel stricken zu können. Ich habe mich total in die Farben des Whirls "Red velvet sunrise" verliebt. Dusseligerweise ging ich davon aus, dass ich das Garn auch mit Nadelstärke 5 verstricken kann, so dass ich vermutlich zu wenig bestellte. Ich finde es schon für Nadelstärke 4 zu dünn und stricke jetzt mit 3,5 (der Verkäufer gibt Nadelstärke 3,5 bis 4 an, laut Hersteller soll es 2,5 bis 3,5 sein). Es soll ein langer Pullover / ein kurzes Kleid werden. 

Das aktuelle Strickprojekt.
Mal gucken, wie weit das erste Knäuel reicht, dann kann ich abschätzen, ob ich noch nachbestellen muss.  

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea, und ich gehe jetzt mal gucken, wie Eure Woche so war.

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Dienstag, 5. Dezember 2017

#WMDEDGT 12/17

Heute ist der 5. Dezember, und Frau Brüllen fragt wieder: "Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?"

Ich bin - natürlich - mal wieder im Vertretungsdienst. Wie sehr mich der mitnimmt, zeigt die Frage des Gatten direkt nach dem Aufstehen: "Wie lange musst du denn noch vertreten?" - "Die ganze Woche." - "Oh Gott!" Ich tröste mich damit, dass es nur noch drei Arbeitstage und der Rest von heute sind, dass ich überhaupt nur noch acht Arbeitstage und den Rest von heute in meinem jetzigen Job habe.

Ich habe Frühdienst, der Wecker klingelt also um fünf Uhr. Gegen sechs Uhr schaffe ich das mit dem Aufstehen dann auch endlich. Ich schlafe seit ein paar Nächten schon schlecht, so sehr setzt es mir zu, mit Kollegin II zusammenarbeiten zu müssen. Kollegin II ist die, derentwegen ich gehe.  Ich stürze einen Kaffee runter und unter die Dusche, dann muss ich auch schon los. Wenigstens schaffe ich es noch, mir drei Brotscheiben einzustecken - im Büro ist noch Frischkäse.

Im Büro warten ein Stapel Mappen von der Chefin und ein paar Notizen von Kollegin II auf mich. Dementsprechend anstrengend ist der Vertretungsdienst. Der Vertretungsdienst unterscheidet sich einfach von meinem normalen Dienst, den ich natürlich nebenbei noch mit machen darf. Dadurch bin ich angespannt. Dazu kommt, dass mein Blaumann krank und das Büro dementsprechend in Aufruhr ist. Termine müssen neu geplant, es muss viel organisiert werden.

Normalerweise ist das kein Problem, aber wenn ich vertrete, bin ich sehr unsicher, weil ich die Abläufe, das Protokoll nicht kenne, und Kollegin II ist selten eine Hilfe. Sie mischt sich ungefragt ein, gibt mir Anweisungen, entscheidet über meinen Kopf hinweg, greift in meine Aufgabenbereiche ein, und wenn ich mal ihre Hilfe bräuchte, gibt sie keine oder falsche Auskunft.

Noch acht Arbeitstage und den Rest von heute.

Kurz vor Dienstende ist alles fertig, könnte ich gehen - wenn Kollegin II nicht justament jetzt zu ihrer Etagen-Busenfreundin zu einem Klönschnack entschwinden würde. Sie weiß, dass ich einen Arzttermin habe, dass ich gehen muss, ich habe sie zwei Minuten vorher noch mal daran erinnert. Wenn das Büro nicht besetzt ist, kann ich nicht gehen.

Mein Chef guckt durch die Tür, fragt, warum ich noch da bin, erfährt den Grund, geht, um Kollegin II zu holen - und kommt ohne sie zurück. Nach zehn Minuten gehe ich zu unserer gemeinsamen Chefin, erkläre ihr die Situation. Sie entscheidet, dass ich gehen kann und entschwindet, um Kollegin II zu holen. Auch sie kommt unverrichteter Dinge zurück, wie beim Warten auf den Aufzug sehe. Morgen werde ich sicher von Kollegin II angegiftet werden, weil ich es wagte, einfach zu gehen.

Ich schaffe es rechtzeitig zum Zahnarzt. Heute ist der letzte Tag meiner Wurzelbehandlung - wenn alles gut geht. In der Praxis ist es ungewohnt laut und hektisch. Nach einem Tag mit einer lauten und hektischen Kollegin II kann ich das nur schlecht ab. Ruhender Pol ist die Empfangsdame, die alle alle Fäden fest zusammenhält - seit gut 30 Jahren. Außerdem liegt im Wartezimmer die aktuelle Effilee und lenkt mich ein bisschen von den tobenden, schreienden Kindern ab.

Die Behandlung ist ruppiger als gewohnt - die beiden Zahnarzt-Assistentinnen hatten auch einen harten Tag, es gab zudem Ärger mit dem schlecht gelaunten Chef und einer Kollegin. Der schlecht gelaunte Chef ist Patienten gegenüber aber so aufgeräumt und geduldig wie immer und mit dem Verlauf meiner Wurzelbehandlung durchaus zufrieden, auch, wenn die Entzündung noch immer sichtbar ist. "Die hat Sie echt mitgenommen, nich?" Ja, darüber schrieb ich hier schon.

Er würde mich gerne krankschreiben, reduzierter Allgemeinzustand, ich mag diesen Ausdruck, aber es nützt nichts, ich habe ja gerade Vertretungsdienst. Normalerweise würde es in den nächsten beiden Tagen reichen, wenn nur eine Sekretärin da ist, aber das gilt nur für Kollegin I und mich: Wir dürfen alleine Dienst machen, Kollegin II ist das nicht zuzumuten.

Noch acht Arbeitstage bis zum neuen Job.

Ich zahle die Zahnarztrechnung und gehe noch kurz einkaufen in der vergeblichen Hoffnung, einen Schoko-Nikolaus zu finden. Es gibt nur gegenderte, knallbunte, laktosefreie oder überteuerte. Okay, bekommt der Gatte halt Minions-Kekse und Vinegar-Chips in seinen Stiefel gesteckt. Eigentlich wollte ich ihm noch sein Lieblingsduschgel besorgen, aber ich möchte jetzt nur noch raus aus diesem Wahnsinn.

Um Viertel nach sechs bin ich zu Hause. Der Gatte ist beim Sport. Ich falle auf's Sofa und versuche, mich beim Stricken zu entspannen. Als der Gatte da ist, räumen wir die Spülmaschine aus und reden kurz über unsere Arbeitstage. Dann wärme ich Chili auf - eigentlich sollte es Linsensuppe geben, aber die war so lecker, dass wir sie am Vortag komplett aßen. Zum Glück ist immer eine gekochte Mahlzeit im Tiefkühler.

Der Abend gehört dem Doctor - und natürlich meinem Strickzeug. Wie erwartet, schmerzt der wurzelbehandelte Zahn. Ich versuche, es ohne Schmerzmittel auszuhalten und hoffe, dass er spätestens nach zwei Tagen Ruhe gibt. Dann schreibe ich diesen Beitrag zu Ende, gehe ins Bett und lese noch etwas vor dem Einschlafen.

Rollkragenschal aus "Hortense" von Esslinger Wolle

"Frierst du gar nicht am Hals?", frug ich unlängst Mudderns. Eigentlich trägt sie nämlich lieber Schalkragen statt Schals, und seit ihrem Schlaganfall zu Jahresbeginn friert sie noch mal als sonst schon. Warum auch immer: Mudderns hat keine Schalkragen mehr. Aber sie hatte noch ein paar Wollvorräte, und in denen fand sich dieses beiges Garn aus Schurwolle und Lurex.

Rollkragenschal in Gänze.
Das Garn ist fast schon eine Antiquität, denn den Hersteller, Esslinger Wolle, gibt es seit 1985 nicht mehr. Damals wurde die Fabrik vom Garnhersteller Schoeller aufgekauft (seit 2015 gibt es ein Revival der Marke "Esslinger Wolle", mehr dazu in der Stuttgarter Zeitung und direkt bei der Initiatorin Barbaras Scherrerei). Mir ist diese Mischung aus 92 % Schurwolle und 8 % Lurex zu kratzig, ich könnte es nicht am Hals haben.

Der Rollkragenschal im Detail.
Mudderns bekommt den Schal zu Weihnachten, und ich bin sehr gespannt, ob er ihr passt. Mir wäre er nämlich viel zu eng, aber mir sind Schalkragen ebenso ein Graus wie Rollkragen oder Loops. Den Rollkragenschal habe ich nach dieser Anleitung von AllTicksTogether gestrickt. Allerdings habe ich das Garn nur doppelt verarbeitet, nicht dreifach - letzteres war mir zu sperrig.

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Dienstag, 21. November 2017

Upcycling eines Kartons zur Geschenkverpackung

Der Gatte hatte irgendein Elektronikdingsi bestellt, dass in einer sehr stabilen Kartonverpackung mit Magnetverschluss kam. Zum Glück konnte ich die noch rechtzeitig aus dem Altpapier fischen.

Schnell gemachte Geschenkschachtel.
Mit Hilfe von Origamipapier und Art Potch* wurde daraus eine Geschenkverpackung.

Blick in die noch ziemlich leere Geschenkschachtel.
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Samstag, 18. November 2017

#12von12 im November 2017

In den Sonntag starte ich spät. Zwar war ich kurz nach sechs Uhr, zu meiner üblichen Aufstehzeit, schon mal wach, schlief dann aber ziemlich unruhig nach bis halb elf weiter. Dann brachte mir der Gatte Milchkaffee ans Bett.

#1: Wäsche abnehmen.
#2: Putzen.
Wie meistens an den Wochenenden fühle ich mich ziemlich zerschlagen, kämpfe mit den Verspannungen, die eigentlich nur erträglich sind, wenn ich eingemummelt auf unserem alten Sofa sitze. Dazu kommt noch eine Wurzelentzündung, die mir seit Ende Oktober zu schaffen macht.

#3: Das neue Strickstück fotografieren.
Das Frühstück lasse ich ausfallen. Stattdessen geht's in den Garten. Vier große Zimmerpflanzen müssen ins Wohnzimmer gewuchtet und der Orangenbaum eingepackt werden. Das sollte eigentlich schon seit mindestens zwei Wochen erledigt sein, aber immer, wenn ich frei habe, bin ich malad. Ich hoffe, das ändert sich, wenn ich endlich auf die neue Position wechseln kann (und dann in Teilzeit arbeite).

#4: Torte, Tee und Fotos gucken.
Einmal im Garten, fülle ich das Vogelfutter auf und nutze das Tageslicht, um ein neues Strickstück zu fotografieren. Dann ist ein bisschen Hausarbeit angesagt: Wasche abnehmen, Waschmaschine füttern, Bad putzen ... Der Gatte kümmert sich derweil um die Küche und serviert anschließend Tee mit Torte.

#5: Postkarten an die in der Türkei inhaftierten Journalisten Meşale Tolu und Deniz Yücel über die Weltgeschichte aus Entensicht.
Danach schreibe ich je eine Postkarte an die in der Türkei inhaftierten Journalisten Meşale Tolu und Deniz Yücel.

#6: Das neue Strickstück fertigstellen. Also, im Prinzip.
Rechtzeitig zu "Inspector Morse" falle ich auf's Sofa. Beim neuen Strickstück müssen noch die Nähte geschlossen werden. Als das erledigt ist, merke ich bei der Anprobe, dass das Teil total komisch sitzt. Am nächsten Tag, nachdem ich eine Nacht drüber schlief, sollte mir aufgehen, welchen Fehler ich beim Umrechnen auf meine Massen Maße machte. Die Bündchen müssen umgesetzt werden ....

#7: Aufribbeln.
#8: Neu stricken.
Nach dem Abendessen (es gibt wunderbare Pastrami von Radbruch auf Vollkornbrot) widme ich mich zum mittlerweile vierten Male dem Kragen des Strickkleides. Beim ersten Mal war er zu eng, beim zweiten Mal zu weit, beim dritten Mal mir zu kurz (auch, wenn alle, die das Kleid bislang sahen, meinten, es sei perfekt ...). Nebenbei gucke ich "Tatort" und "Bruder Schwarze Macht".

#9: Er so: "Was ist eigentlich Pastrami?" - "Ich so: "So wie Schinken, nur auf Jüdisch."
#10: Übrigens, es ist Sonntag.
#11: Fußbadzeit.
Als ich merke, dass mir beim Stricken immer wieder die Augen zufallen, finde ich den Weg ins Bett und lese noch ein paar Seiten im Wien-Krimi "Prater-Morde*" von Beate Maxian.

#12: Lesen*.
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Freitag, 3. November 2017

Ausgelesen: Bücher im September und Oktober 2017

Im September las ich wenig. Für "Steckerlfisch*", den Oberbayern-Krimi von Lisa Graf-Riemann und Ottmar Neuburger brauchte ich viel Zeit. Ich dachte, es wäre quasi eine Fortsetzung von "Hirschgulasch*" und "Rehragout*", die beiden Bücher, die ich im August las, aber es ist ein komplett neues Ermittlerteam. Damit tat ich mich schwer, und dann dauertes es, bis mich die Handlung einnahm.

Warum geht's? Hauptkommissar Stefan Meißner hat mit Freundin Marlu gerade ein historisches Haus in der Stadtmauer von Ingolstadt bezogen und alle Hände voll zu tun. Doch familiäre Verpflichtungen zwingen ihn, seinen ungeliebten Onkel in dessen nobler Senioren-Residenz am Chiemsee zu besuchen. Der alte Herr fühlt sich von Heimleitung und Personal bedroht und berichtet von seltsamen Todesfällen unter den Bewohnern. Meißner ahnt nicht, dass sich sein Sonntagsausflug zu einem mörderischen Fall auswachsen wird.

Es gibt viel Chiemgau-Lokalkolorit, außerdem spielt ein Teil in Rumänien. Nachdem ich mich auf das Buch einlassen konnte, machte es Spaß und stillte meine Chiemgau-Sehnsucht.

Ende September verbrachten wir ein langes Wochenende in Prag, und als Einstimmung wollte ich "Der Friedhof in Prag*" von Umberto Eco lesen. Mir ging's allerdings wie dem Gatten: Der Funke sprang einfach nicht über. So legte ich das Buch denn ziemlich schnell beiseite und nahm leichtere Kost zur Hand: Den Prag-Krimi "Reinen Herzens*" von Helena Reich.

Es ist der dritte Band um Kommissar David Anděl, und in diesem Falle ist es wirklich ratsam, alle Bände chronologisch zu lesen, denn sie bauen aufeinander auf. Das wusste ich nur vorher nicht. Aber weil dem so ist, stelle ich Dir die Bücher in ihrer Reihenfolge vor:

"Nasses Grab*" spielt nach der Flut des Jahres 2002 und stellt die Protagonisten vor: Als der Pegel der Moldau allmählich wieder sinkt, schwimmen der Feuerwehr im Fußgängergeschoss der Metro unter dem Wenzelsplatz Särge entgegen. Die Särge sind leer – bis auf einen: darin ruht eine Mumie.

Kriminalkommissar David Anděl, sein Partner Inspektor Otakar Nebeský, die Pathologin Magdalena Axamit und die Reporterin Larissa Khek haben alle Hände voll zu tun, um die Identität der rätselhaften Leiche zu entschlüsseln, die 25 Jahre zuvor eines gewaltsamen Todes gestorben ist.

Der Plot hat einige Schwächen und Längen. So bringt ein Mann seine Frau um, merkt aber nicht, dass es ihre Freundin ist, die eine Perücke trägt. Nun ja. Und die Leserin muss damit klar kommen, dass Reich praktizierende Homöopathin ist. Da werden dann auch schon mal Globuli unterstützend bei Schussverletzungen eingesetzt.

Zudem gibt es Cliffhanger: So erhält die Pathologin ein Bein, dessen Identität nicht geklärt wird. Im zweiten Band kommt dann noch ein Fuß dazu, aber beide Fälle gehören dann doch nicht zusammen. Das Bein bleibt im Kühlfach bis zum dritten Band, wo es dann weiter untersucht wird, aber ohne Ergebnis. Bleibt die Hoffnung auf einen vierten Band, aber Reich hat seit 2011 keinen weiteren Band veröffentlicht.

In "Engelsfall*", dem zweiten Band, wird ein toter Antiquar im Hotel "Alchymist" gefunden, neben ihm eine fast leere Flasche mit einem rätselhaften Elixier und eine Tarotkarte. Kommissar David Anděl und sein Partner, Inspektor Otakar Nebeský, tippen auf Giftmord.

Dann bringt eine alte Dame einen Fuß ins Kommissariat. Der führt zur Leiche einer älteren Dame, entdeckt im Keller ihrer Villa. Im Wohnzimmer an der Wand: eine Tarotkarte. Alle Spuren führen zu einem geheimnisvollen Orden von Alchemisten und den verschollenen Seiten des Voynich-Manuskripts. Doch auch die Journalistin Larissa Khek wittert eine große Story, recherchiert – und bringt sich damit in tödliche Gefahr.

Das Buch ist atmosphärisch dicht, vermittelt einiges an Lokalkolorit, allerdings endet es da, wo der dritte Band, "Reinen Herzens*", anfängt. Daher mein Tipp, alle drei Bücher nacheinander zu lesen, denn sonst hätte ich das Gefühl gehabt, auf dem Höhepunkt der Handlung sitzen gelassen worden zu sein.

In "Reinen Herzens*"  überlebt Anděl einen Anschlag vor seinem Haus schwer verletzt. Die hochschwangere Attentäterin und ihr ungeborenes Kind sind tot. Doch statt einer Kugel werden nur kleine Spiegelsplitter in der Wunde gefunden.

David verlässt gegen den Willen der Ärzte das Krankenhaus, packt seine Sachen, legt sich eine falsche Identität zu und fährt nach Franzensbad, um sich zu erholen. Doch gerade angekommen, werden auch dort zwei Leichen gefunden: Die Opfer starben durch Steckschüsse, und bei beiden findet man statt der Kugeln nur Spiegelsplitter.

"Reinen Herzens" nahm mich schnell gefangen mit überraschenden Wendungen, starken Charakteren und einem spannenden Plot. In Prag spielt das Buch nur zu Beginn, dann verlagert sich die Handlung ins Bäderdreieck zwischen Eger und Franzensbad. Und jetzt wüsste ich gerne, wie's weitergeht mit den Protagonisten - und dem ominösen Bein, das im ersten Band auftaucht und im dritten noch immer keinen Besitzer fand.

Nachdem ich meinen Pragurlaub durch die Krimilektüre verlängerte, ging's in die britischen Cotswolds. Ich war skeptisch, ob ich die Bücher der Agatha-Raisin-Serie von M.C. Beaton mag, denn die Verfilmung von Büchern ist ja immer so eine Sache. "Rizzoli & Isles" mag ich zum Besipiel nicht mehr sehen, nachdem ich die von Tess Gerritsen geschrieben Reihe las. Hier ist es anders. Auch wenn das Buch schon vor 20 Jahren erschien, die Charaktere und ihre Umgebung für die Serie modernisiert wurden, passt beides für mich. Die TV-Agatha finde ich allerdings wesentlich sympathischer und tougher. Die Buch-Agatha taumelt irgendwie von Affäre zu Affäre und wirkt auch sonst ziemlich planlos.

"Agatha Raisin und die tote Urlauberin*" setzt da ein, wo die bisher bei ZDFneo ausgestrahlten Folgen enden: Agathas Verlobter James hat sich einfach aus dem Staub gemacht. Nach Zypern. Dorthin, wo sie die Flitterwochen verbringen wollten. Eigentlich. Bevor er die Hochzeit platzen ließ. Doch Agatha wäre nicht Agatha, wenn sie tatenlos zusehen würde, wie ihr Glück den Bach runtergeht. Beherzt packt sie ihre Koffer und reist James hinterher. Agathas Traum von der romantischen Versöhnung unter mediterraner Sonne ist schnell ausgeträumt: Kaum gelandet, muss sie sich mit englischen Urlaubern und einem Mörder rumschlagen, der es auf ebendiese abgesehen hat.

Zum Einstieg ist dieser Band sicher nicht ideal, denn es scheint einer der schwächsten der Serie sein. Phasenweise hatte ich das Gefühl, einen Zypernreiseführer zu lesen, und phasenweise fehlten mir Zusammenhänge, erschien mir die Handlung unlogisch. Aber da ich wissen wollte, wie es mit Agatha und James weiterging, hielt ich durch. Und mit knapp 150 Seiten ist das Buch ja auch schnell gelesen.

Im siebten Band, "Agatha Raisin und der Tote im Wasser*", ist Agatha wieder in den Cotswolds. Sie langweilt sich fürchterlich, zu lange liegt ihr letzter Fall zurück. Nur ein Streit im Nachbardorf sorgt für etwas Abwechslung: Ein Mineralwasserhersteller will sich für viel Geld aus der örtlichen Trinkwasserquelle bedienen, was die Dörfler bis hinauf zum Gemeinderat spaltet. Als der Vorsitzende des Rats ermordet in der Quelle treibt, sieht Agatha das Ende ihrer kriminalistischen Durststrecke gekommen.

Mit Inbrunst stürzt sie sich in die Ermittlungen - und muss rasch erkennen: Dieser Mörder ist mit allen Wassern gewaschen. In der TV-Serie ist es die vierte Folge; ich kannte die Auflösung also schon. Dieser Band gefällt mir etwas besser als der sechste.

Der achte Band, "Agatha Raisin und der tote Friseur*" hat dann wieder einige Schwächen. Im Mittelpunkt steht Mr. John, ein charmanter Friseur, bei dem die Frauen Schlange stehen. Auch Agatha verfällt ihm, bis er einem Giftmord zum Opfer fällt, den Agatha aufklärt. Die Handlung dümpelt dahin wie die Cotswolds in der Sommerhitze, und Agatha sitzt entweder beim Friseur oder in einem Restaurant.  Zwar fühlte ich mich gut unterhalten, aber das rasantere Erzähltempo der TV-Serie liegt mir doch mehr.

Nach Prag kamen übrigens zwei Reiseführer mit: Der Prag-Reiseführer* aus dem Michael-Müller-Verlag, seit Jahrzehnten einer meiner liebsten Reiseführer-Verlage, und als Ergänzung "Prag abseits der Pfade: Eine etwas andere Reise durch die Goldene Stadt*" von Mirko Moritz Kraetsch. Letzteres ist eher ein Lesebuch als ein Reiseführer. Für Hintergrundinformationen ganz spannend, ansonsten fehlen aber praktische Informationen.

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Montag, 30. Oktober 2017

Wie man im Barock tinderte: Zu Besuch bei den Ausgrabungen auf der Cremon-Insel

Das Archäologische Museum Hamburg veranstaltet ganz wunderbare Social-Media-Events. Im September hatte ich das Glück, bei einer Begehung der Ausgrabungen auf der Cremon-Insel dabei zu sein. Cremon ist der Name einer Marscheninsel in der Hamburger Altstadt.

Die Scherbe einer Ofenkachel fest im Fokus.
Der einstige Oberbaurat Wilhelm Melhop weiß: "Über die Entstehung dieses noch nicht geklärten Namens gibt es viele Ansichten"*. Namensgeber könnte der Grundeigentümer „Fredhericum de Crimun“ sein, vermuten die Archäologen heute.

Bis 1946 verlief hier das Katharinenfleet.
Mir gefällt immer noch die Deutung des Schriftstellers Jonas Ludwig von Heß am Besten, wonach sich der Name von der Mondsichel ableitet. Der Verlauf der Straße Cremon ist bis heute sichelförmig.

Fachsimpeln vor historischen Karten.
Bis November werden auf dem Areal Bei den Mühren 2 - 5 Spuren gesichert, bevor das Areal neu bebaut wird. Die Wissenschaftler erhoffen sich Erkenntnisse über Siedlungsgeschichte, aber auch über den Kolonialismus zwischen dem Mittelalter und der Neuzeit.

Blick auf das Grabungsgelände.
Die Zeit für die Grabung ist kurz, insgesamt ein halbes Jahr, und der verregnet Sommer sorgte dafür, dass die Arbeiten immer wieder unterbrochen werden mussten, denn die Ausgrabungsstätte konnte aus statischen Gründen nicht mit einem Zelt überbaut werden.

Scherbenhaufen.
Überhaupt sorgt das Wasser für Probleme, wie Ausgrabungsleiter Kay-Peter Suchowa weiß: Die mittelalterlichen Abwasserleitungen funktionieren nach wie vor. Früher das Wasser in das Katharinenfleet abgeleitet, aber das wurde 1946 mit Trümmern des Hamburger Feuersturms zugeschüttet.

Wenn Archäologen spielen ...
Oft beginnt der Arbeitstag also erstmal mit dem Auspumpen der Grabungsstätte. Die Baugrube liegt fünf Meter unter Straßenniveau. Noch etwa anderthalb Meter tiefer wollen die Archäologen in den nächsten zwei Wochen graben, in der Hoffnung.dort Spuren aus der Zeit vor der Besiedlung zu finden.

Pfeifenstiele.
Bisher wird angenommen, dass die Besiedlung der Cremon-Insel mit einem Ringdeich geschützt wurde. Dies gilt es, mittels der Ausgrabungen zu überprüfen. Ein Ergebnis ist bislang, dass die Hinterhöfe nicht besiedelt waren, sondern u.a. als Viehweiden genutzt wurden. Die Höfe waren zudem offen, mit einem Zugang zum Fleet.

Blick in einen Zuckerhut.
Spannend ist natürlich auch, wer hier siedelte. Wenig überraschend ist, dass es einst Kaufleute und Schiffszimmerer waren - nicht ganz reich, aber auch nicht ganz arm, wie die Überreste der bemalten Fliesen von Kachelöfen belegen.

Ein kleiner Fayence-Schuh war im Barock ein Zeichen erotischen Interesses. 
Im 18. und 19. Jahrhundert kamen die Zuckersieder, auch das wenig überraschend, denn Hamburg war zu dieser Zeit des Zentrum der europäischen Zuckerraffination. Praktisch, wie der Hamburger nun mal ist, siedelten sich Destillen in der Nachbarschaft an: Zur Branntweinherstellung wird Zucker benötigt.

Eine der mittelalterlichen Wasserleitungen, die ins Katharinenfleet führten.
Ende des 19. Jahrhunderts verfiel die Bebauung zusehends: Immer wieder gibt es Beschwerden über Schutt, der aus den Fassaden in das Fleet fiel und die Schifffahrt gefährdete. Vergnügung wurde sich trotzdem: Ein direkt an der Straße gelegenes Lokal ersuchte 1894 für seinen Keller um Baugenehmigung für zwei Kegelbahnen und einen Ofen.

Was vom Hamburger Feuersturm übrig blieb.
Wie so oft, verbergen Müllgruben die erstaunlichsten Funde. In diesem Falle waren es eine Bernsteinperle, einst vielleicht ein Liebesbeweis, ein Spielzeughahn und ein Fayence-Damenschuh. Mit letzterem zeigten die Männer der Barockzeit ihre amourösen Interessen - Tinder lag noch in weiter Ferne.       

Ein kleiner Hahn.
Herzlichen Dank an Kay-Peter Suchowa und das Team des Archäologischen Museums Hamburg für den spannenden, einzigartigen Abend!

Glasscherbe.
* Wilhelm Melhop, Historische Topographie der Freien und Hansestadt Hamburg von 1895-1920, Mit Nachträgen bis 1923. Unter Benutzung amtlicher Quellen. I. Band. Verlag Otto Meißer, Hamburg 1923, S. 35