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Freitag, 5. März 2021

#WMDEDGT 03/21: Weniger ist mehr als nichts

Heute ist wieder der fünfte Tag des Monats, und Frau Brüllen fragt "Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?", kurz WMDEDGT? Vielen Dank für's Sammeln!

Der Tag beginnt mit Weckerklingeln, ungewohnt für einen Freitag, an dem ich normalerweise im Heimbüro bin, aber ich habe morgens einen Termin bei der Endokrinologin und muss entsprechend pünktlich los. Der Gatte ist schon auf, hat Kaffee gekocht und telefoniert mit seiner Arztpraxis wegen eines Attests für die Impfgruppe 2. Gute Nachricht: Das Attest ist abholbereit.

Ich bin seit gestern total neben der Spur, denn die Endokrinologin trägt bei uns nicht umsonst den Namen Horror-Hormon-Tante. Dass ich nüchtern sein muss, macht es nicht einfacher. Wenigstens bekam ich einen frühen Termin - die vergeben Nüchtern-Termine zur Blutabnahme auch ohne mit der Wimper zu zucken am späten Nachmittag. 

Der Termin war wie erwartet unerfreulich. Wir gerieten wieder aneinander, und ich bin ziemlich sicher, dass ich mir eine andere Praxis suchen werde. Die Hormon-Tante ist völlig unstrukturiert, und von Empathie oder Sozialkompetenz reden wir erst gar nicht. Phasenweise hatte ich das Gefühl, sie ist in der falschen Patientenakte. Sie stellte wiederholt Fragen, die ich vor Minuten schon beantwortete, weil sie da das gleich fragte. Heute erfolgte auch eine gynäkologische Untersuchung. Bislang dachte ich, nur Männer würden Gynäkologe, weil sie für'n Chirurgen zu klein sind, aber diese Frau kann auch keine gynäkologischen Untersuchungen. Ich war kurz davor, ihr Nachhilfe in Anatomie zu geben. Und zwischendrin stellt sie immer wieder klar, dass sie mich für zu dumm hält, mich von ihr behandeln zu lassen. 

Ich glaube, mit uns wird das auf Dauer nichts. In zwei Wochen bekomme ich die aktuellen Laborergebnisse, dann bitte ich um einen Arztbrief und gucke, dass ich woanders weiterbehandelt werde. Immerhin bekam sie meine Stoffwechselstörung in Griff, aber mit der Hormonersatztherapie klappt es gar nicht. Sie schlug tatsächlich eine Gebärmutterentfernung vor, wohlwissend, dass ich die aus guten Gründen ablehne. Aber die ist halt lukrativer als eine Hormonbehandlung. 

Kurz ein Brötchen auf die Hand kaufen samt Tadel an der Kasse, weil ich den Einkaufswagen vergaß. Daran kann ich mich einfach nicht gewöhnen, vergesse den Einkaufswagen oft, wenn ich nur mal gucken will oder nur eine Kleinigkeit brauche.

Nächster Stopp Hausarztpraxis. Auch ich brauche neben den üblichen Rezepten ein Attest für die Impfgruppe 2. Während ich warte, klingelt immer wieder das Telefon, weil Patienten fragen, wann sie denn nun beim Hausarzt geimpft werden können. Die Praxis hat noch keine Infos. 

"Wie haben Sie das denn geschafft?!", fragt meine Ärztin erstaunt, als ich sage, ich hätte für kommende Woche einen Impftermin, wenn ich ein Attest für Impfgruppe 2 bekomme. Wenn sie mich in Impfgruppe 3 sieht, ist das auch okay, dann sage ich den Termin wieder ab. Sie fragt nach meinem aktuellen Gewicht und dem aktuellen BMI und entschuldigt sich, weil sie mich für das Attest auf mein Gewicht reduzieren müsse - diese Ärztin ist einfach eine Wohltat nach der Horror-Hormon-Tante. Mein BMI reicht für Impfgruppe 2 - ein Glück, dass ich aktuell langsamer abnehme.

Das Wartezimmer ist leer, also klönen wir ein bisschen über die Impfsituation und den Frust bei der Terminvergabe. "Wir sind alle geimpft. Impfen ist das einzige, was momentan hilft. Ich verstehe nicht, dass es immer noch nicht mit der Logistik klappt, dass die Hausärzte nicht endlich impfen können", sagt die Ärztin und fragt nach dem Impfstoff, den ich bekomme. AstraZeneca. "Wissen Sie, der soll zwar nicht so gut wirken, aber das ist alles Quatsch." "Er wirkt, und das ist die Hauptsache. Selbst, wenn er nur wenig wirkt, ist das mehr als nichts." "Weniger ist mehr als nichts" ist inzwischen ein geflügeltes Wort zwischen uns, denn zu dem Ergebnis kamen wir auch, als ich von meinen Problemen mit der vollständigen ketogenen Ernährung erzählte. 

Sie empfiehlt noch, vorsichtshalber Paracetamol zu besorgen, da ihrer Erfahrung nach bei AstraZeneca mit Impfreaktionen zu rechnen ist. "Die sind aber nicht schlimm", beruhigt sie. Mit Attest und Rezepten ziehe ich ab. Im Auto kommen mir kurz die Tränen: Wir haben beide Impftermine und Atteste! Ich merke, welcher Druck die letzten Monate auf mir lastete.

Ich fahre zurück über die Elbchaussee, meine Lieblingsstrecke, vor allem an so wunderbar sonnigen Tagen wie heute. Im Radio wird über die bevorstehende Eröffnung der Kunsthalle berichtet. Ich denke, wenn ich geimpft bin, möchte ich in die De Chirico-Ausstellung. Mal schauen, ob's klappt. 

Zu Hause fahre ich den Dienst-Laptop hoch und frühstücke nebenbei. Schwiegermutter ruft an: Sie hat das Impf-Attest für den Gatten abgeholt. Telefonat mit Mudderns, die sich damit abfand, dass sie geimpft wird, und sich sogar dafür bedankt, dass ich ihr den Termin organisierte. Es hilft, dass immer mehr Bekannte geimpft sind und es gut überstanden. Mudderns hat trotzdem einen Koffer gepackt, denn sie ist überzeugt davon, dass sie durch die Impfung Corona bekommt und ins Krankenhaus muss. 

Das Wichtigste im Büro erledigen, dann kurz beim Gatten reingucken. Wollen wir heute noch einkaufen? Oder das schöne Wetter ausnutzen und spazierengehen? Nö, beides nicht gewünscht. Also arbeite ich weiter. 

Zwei Stunden später will der Gatte doch spazierengehen. Passt, ich kann früher Feierabend machen. Wir laufen ins Dorf, erledigen Einkäufe bei Bäcker, Apotheke und Drogerie. Die Apothekerin legt mir automatisch die "Diabetiker-Umschau" zu den Medikamenten. Ich stutze kurz, dann geht mir auf, dass sie nicht wissen kann, dass ich das Diabetesmedikament wegen einer Hormonstörung bekomme, nicht wegen Diabetes. Man ist dort überhaupt sehr aufmerksam: Die Apothekerin sieht in der Kundenkartei, dass die Menge erhöht wurde und vergewissert sich, dass das richtig ist. Im Dorf stehe jede Menge Grüppchen ohne Maske und Abstand zusammen. Corona ist draußen ja nicht ansteckend ...

Zu Hause gibt's Tee und Kuchen, dann ein bisschen Hausarbeit und stricken am aktuellen Projekt für die Wooligans - meine Sockenwollreste und einiges, was ich für den Tauschtisch des Yarncamps aufbewahrt hatte, wird zu Socken, Mützen, Stirnbändern und Handschuhen für das Obdachlosenprojekt verarbeitet. Gestern fing ich spätabends eine Mütze an, die ich heute wieder auftrennen muss, weil ich im Halbschlaf das Nadelspiel verdrehte.

Der Abend vergeht mit Floddern auf dem Sofa, stricken, fernsehen. Kochen muss ich heute nicht, nur aufwärmen. Es gibt Reste: Rote-Bete-Suppe für mich und Rosenkohl mit Schweinefilet für den Gatten. Wir schaffen es noch bis zur heute show, dann fallen wir ins Bett. Noch etwas lesen*, dann schlafen.

Die Rezepte zum Tag gibt's wie immer in der Kombüse.

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