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Samstag, 30. Juli 2022

Samstagsplausch KW 30/22: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CXXIV

Vorgestern habe ich den Vertrag auf vollstationäre Aufnahme von Mudderns ins Pflegheim unterschrieben - damit ist es nun besiegelt, dass sie dort bleibt. Theoretisch hat sie auch schon ein Einzelzimmer. Praktisch scheitert es am Personalmangel, denn niemand ist da, um die freien Zimmer zu renovieren, damit sie neu vergeben werden können. Der Personalmangel ist immer wieder zu spüren und macht mir Sorge, aber die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die da sind, sind einfach zauberhaft. Mal schauen, wie sich das alles entwickelt. 

Es ist eine große Erleichterung, dass sich Mudderns im Heim wohlfühlt, langsam ihre Routinen entwickelt, ankommt, endlich wieder einen strukturierten Tagesanlauf hat und vor allem auch isst. Wenn sie ins Einzelzimmer umgezogen ist, hat sie endlich auch ein paar vertraute Möbel und Erinnerungsstücke, kann richtig ankommen. Dass Mudderns so schwer stürzte, dass klar wurde, sie kann nicht mehr alleine Leben, ist gerade erst fünf Wochen her, und wir sind alle noch dabei, uns in die neue Situation einzufinden. 

Hier gilt seit mittlerweile 124 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Der Gatte wurde im ersten Corona-Jahr schwerkrank, ist inzwischen berufsunfähig verrentet und schwerbehindert. Es geht uns vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, und gerade in der aktuellen Situation merken wir wieder einmal, welch ein gutes Team wird sind.

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Mütter. Ich bin dankbar, dass Corona uns bislang verschonte. Wir sind natürlich geimpft, aber angesichts unserer Vorerkrankungen ist trotz Impfung eine Corona-Infektion wenig ratsam. Angesichts der steigenden Infektionszahlen ist sie aber unvermeidbar, und ich kann nur hoffen, dass es uns dann nicht zu hart trifft.  

In dieser Woche versuchte ich wieder zu arbeiten. Meine Ärztin hätte mich auch länger aus dem Verkehr gezogen, um ein neuerliches Burn Out zu verhindern, aber ich dachte, ein bisschen Normalität täte mir gut. Ich weiß noch nicht, ob das so eine gute Idee war, denn noch immer kämpfe ich mit karusselfahrenden Bussen und Bahnen oder schwankenden Fußböden, macht mein überlastetes Hirn lustige Sachen. Mal schauen, ob ich bis zum Urlaub in sechs Wochen durchhalte. Meine Vertretung schlug sich wacker, so dass ich auch länger ausfallen könnte, wenn es gar nicht anders geht.

Im Büro haben wir aktuell zwei Coronafälle, und zusammen mit der Ferienzeit führte es letzte Woche dazu, dass phasenweise nur eine Person da war. Zum ersten Mal haben wir den Fall einer symptomlosen Corona-Infektion. Zum Glück ist die Kollegin so vernünftig, im Heimbüro zu arbeiten, und ich hoffe, sie bleibt dort, bis sie negativ getestet ist. Dadurch, dass bei uns Leute fehlen, war ich diese Woche vier Tage im echten Büro statt wie sonst drei. So war sichergestellt, dass das Büro besetzt ist, falls die unzuverlässige Montagskollegin ausfällt.  

Der Große Dicke Fette Müffelhase und der Kirmeshase zogen schon ins neue Zuhause ein. Beim Entrümpeln fand der Gatte Schnuffi, meinen Kindheits-Hunde-Hasen, der sich gerade mit beiden anfreundet.

Das Ausräumen von Mudderns Haus ist emotional und körperlich anstrengend. Sie neigt zum Horten, und so muss extrem viel entrümpelt werden. Der Gatte fuhr gestern etwa 20 Koffer sowie eine volle Ikea-Tasche mit Elektroschrott zum Sperrmüll, darunter ein originalverpacktes ShowView-Gerät samt Kaufbeleg oder ein ebenfalls originalverpackter Infrarotkopfhörer samt Kaufbeleg, beides aus 1995 ... 

Ich ahnte bislang nicht, wie viel Kladage man in vier Kleiderschränken und auf einer Kleiderstange unterbringen kann, aber ein Kleiderschrank ist begehbar, und in den anderen wurden die Klamotten gerollt gelagert, um Platz zu schaffen. Gestern schafften wir es immerhin 5 Müllsäcke zu füllen. Ich habe zufällig Textiltiger entdeckt, eine Firma, die Kleidung kostenlos zu Hause abholt - eine für uns zeit- und geldsparende Erleichterung! Außerdem haben wir diese Woche als Ausbeute einen Umzugskarton voller Kleiderbügel und einen Gelben Sack voller Schutzfolien, denn die Kladage musste ja vor Staub geschützt werden ... Dazu kamen drei Säcke voller Müll und zweieinhalb Umzugskisten voller Porzellan und Stehrümchen - plus das Gefühl, nichts geschafft zu haben. 

Es ist nicht nur die schiere Menge, die uns erschlägt, sondern auch der Umstand, dass Mudderns regelmäßig erzählte, sie habe entrümpelt. Das ist eine der vielen Geschichten, die sie sich ausdachte. Dass sie so gerne Geschichten erzählt, ist aktuell ein wirkliches Problem, denn eigentlich müsste ich beispielsweise nach jedem Arztbesuch dem Arzt hinterher telefonieren, ob das stimmt, was meine Mutter sagte - in den letzten fünf Wochen stimmte da nämlich selten etwas. Allein: Ich habe dazu nicht die Kraft und lasse Dinge laufen, die ich besser nicht laufen lassen sollte, auch, weil Mudderns generell extrem launisch ist. Wenn sie mich heute bittet, etwas zu erledigen, hat sie bis morgen ihre Meinung geändert, muss ich es wieder rückgängig machen. Also wurde ich im Laufe der letzten fünfeinhalb Jahrzehnte sehr gut im Aussitzen. Ich hoffe, sie wird wieder selbstständiger und klarer, denn ich kann nicht immer auf Abruf parat stehen und alles für sie erledigen, was sie selbst erledigen könnte, wenn sie nicht zu bequem wäre. Wenn sie Hilfe braucht, bekommt sie sie natürlich, aber meistens ist es Bequemlichkeit. 

Ich bin sehr dankbar, dass der Gatte bei allem so gut mitzieht. Er hat schon ein schlechtes Gewissen, wenn er einen Tag nicht im Haus war, und ich bremse ihn, damit er sich nicht übernimmt. Ich arbeite immer noch daran, meine Arbeitszeiten so zu legen, dass ich einen Wochentag im Haus sein kann, bis wir dort Internet haben. Momentan bummle ich Überstunden ab, aber das geht nur noch kommende Woche. Corona beeinflusst übrigens auch unsere Umbaupläne: Immer öfter ist bei Unternehmen die Ansage geschaltet, dass das Büro aufgrund der Pandemie unbesetzt ist, man bitte mailen möge. Immerhin klappte es bis auf einmal immer mit einem Rückruf und einem Termin.  

Wenn alle Handwerker da waren und ihre Kostenvoranschläge abgaben, können wir mit der Bank sprechen - ich bin extrem angespannt, ob wir einen ausreichenden Kredit bekommen werden. Nervös machen mich auch die immer weiter steigenden Energiekosten - zu dem sich anscheinend versechsfachten Gaspreis kommt jetzt auch noch die Energiepauschale. Heißt für uns, etwa 500 Euro Mehrkosten pro Monat, und obwohl wir uns bislang finanziell kaum einschränken mussten, kommen wir jetzt an unsere Grenzen. Und dann ist da ja auch noch die Inflation. Wir versuchen, so viel wie möglich selbst zu machen, um Geld zu sparen, und ich hoffe, wir können schon im kommenden Sommer umziehen, nicht erst Ende kommenden Jahres, auch, wenn dann vielleicht noch nicht alle Bauarbeiten abgeschlossen sind. Aber der Umzugstermin hängt nicht von uns ab, sondern von Mudderns Umzug in ein Einzelzimmer und vor allem von der Verfügbarkeit der Handwerker und den Materialien, die sie brauchen. Und die Firmen kämpfen nun mal mit Corona und Lieferschwierigkeiten.   

Schwiegermutter und Tante geht's gut. Die Damen kämpfen gerade damit, dass es keine brauchbare Zugverbindung zwischen Dachau und Bad Füssing gibt, die für zwei gehbehinderte Frauen samt Gepäck machbar ist, und versuchen, einen Shuttle zu buchen. Ich hoffe, das klappt. 

Gestern starb Lisa-Maria Kellermayr, eine österreichische Ärztin, die von Corona-Leugnern, Impfgegnern und Querdenkern massivst bedroht wurde. Mein Mitgefühl gilt ihrer Familie und ihren Freunden. Wieder wird sehr deutlich: Querdenken tötet, Querdenker sind rechtsradikale Terroristen.  

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Ich hoffe sehr, sie passt auf sich auf, so ausgebrannt, wie sie sich fühlt (und an sie denke ich jedes Mal, wenn ich mit den Pflegekräften bei Mudderns spreche, die über ihre Grenzen arbeiten).Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.

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