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Samstag, 17. Dezember 2022

Samstagsplausch KW 50/22: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CXLIV

Sonnabend standen wie vereinbart die Bauarbeiter vor der Tür - okay, bis auf den Elektriker, den wie schon geahnt die Weihnachtsfeier am Vortag verhinderte ... Am frühen Nachmittag hatten wir eine Dusche, zwei Waschbecken, ein Ausgussbecken - und eine Toilette, die wir aber noch nicht nutzen können, weil das falsche Anschlussstück geliefert wurde. Aber im Prinzip haben wir ein Bad! Es ist für unsere Verhältnisse sehr luxuriös, vor allem, wenn man bedenkt, dass unser aktuelles Bad auf dem Stand von 1974 ist: Bodengleiche Dusche, für die das Bad ins Treppenhaus hin ausgekragt wurde, und die so groß ist, dass eine halbe Fußballmannschaft gleichzeitig duschen kann, da sie über die gesamte Badbreite geht, und zwei Waschbecken, für die die Leitungen an eine andere Wand verlegt wurden. Die Toilette wurde auch versetzt. Alles ist Weiß und Grau und putzfreundlich.   

Im Laufe der Woche sollen das fehlende Anschlussstück, die Badezimmertür, ein Waschbecken, zwei Kloschüsseln, zwei Spülkästen, ein Fenstergriff, ein Durchlauferhitzer und sechs Steckdosen samt Elektriker kommen. Es bleibt also immer noch spannend. Zumindest das fehlende Anschlussstück wurde Montag tatsächlich montiert. 

Als die Baubrigade Sonnabend bei uns fertig war, ging's weiter zu der zweiten Sandkastenfreundin im Dorf, denn auch an sie haben wir die Brigade empfohlen. Es ist ja nicht so, dass wir unzufrieden mit der Arbeit der Brigade sind. Wir können nur nicht mit ihrer chaotischen Terminplanung umgehen. Die Brigade bekam durch uns insgesamt drei weitere Aufträge - wir sollten Provision nehmen.   

Sonntag war dann langsam bei mir angekommen, dass wir einen Baukredit haben, dass die bislang verauslagten Beträge dadurch erstattet werden, dass sich unsere geplünderten Sparbücher wieder füllen werden, dass ich Heizungsbauer und Gärtner beauftragen und bezahlen kann. Jetzt setzt langsam Entspannung ein - ich schlief zehn Stunden.  

Der Sonntag war überhaupt sehr entspannt, abgesehen von einem erneuten Anruf aus dem Pflegeheim wegen Mudderns Verhalten. Mudderns erfindet ständig neue Geschichten, weswegen das Heim Rücksprache zur Einordnung hält. Sie verliert rasend schnell den Bezug zur Realität, macht es niemandem leicht und sich selbst am schwersten. Es ist jeden Tag auf's Neue erschreckend, wie schnell Mudderns abbaut. Unsere täglichen Telefonate werden immer kürzer, eine Unterhaltung ist kaum noch möglich, selbst die Frage nach dem Mittagessen bringt sie völlig aus dem Konzept. Früher erzählte sie mir immer, was es mittags gab. Seit ein paar Tagen kann ich mit dem, was sie sagt, überhaupt nichts mehr anfangen, ist quasi kein Gespräch mehr möglich. Es ist kaum zu verstehen, dass sie nicht dement sein soll. 

Da Mudderns nicht in die Kirche wollte und auch sonst keinen Besuch, konnte ich ausschlafen, schon mal online nach Spiegelschränken und Co. gucken, seit ewigen Zeiten mal wieder den "Sonntagsspaziergang" hören ... Angesichts des traumhaften Winterwetters hätte sich ein analoger  Sonntagsspaziergang mit dem Gatten angeboten, aber auch er suchte drinnen nach Entspannung. Im Haus arbeitete ich dieses Wochenende nur wenig, sieht man von Abwaschen, Aufräumen, Kochen und Putzen ab. Ich war noch im Hellen zu Hause - allerdings ohne die Lebensmittel für den Wocheneinkauf ... Die sollte der Gatte am kommenden Tag mitbringen, dachte beim Blick in die Tasche aber, das wäre der Baustellenvorrat und ließ sie da. Das stellte unseren Wochenplan auf den Kopf.

Der alte Schleichweg zum Bahnhof existiert noch. Erstaunlicherweise ist noch immer der Zugang zu den Bahngleisen möglich - es gibt keinen Zaun o.ä. Ich könnte also die Notbremse ziehen, den Bahndamm hochklettern und einen Kilometer Fußweg sparen. Auf der Wiese rechts wohnten bis vor ca. 20 Jahren Heidschnucken - mitten in der Stadt. Dann begannen irgendwelche Düffeldaffel, ein Tier nach dem anderen abzustechen. Die überlebenden zogen woanders hin.

Hier gilt seit mittlerweile 144 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Es geht uns vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, auch wenn mir seine Wesensveränderungen seit seiner Erkrankung immer mal wieder zusetzen. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird. Er ist inzwischen schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Mütter und seit Juli Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona uns bislang verschonte. Wir sind natürlich geimpft, aber angesichts unserer Vorerkrankungen ist trotz Impfung eine Corona-Infektion wenig ratsam. Sie ist aber unvermeidbar, und ich kann nur hoffen, dass es uns dann nicht zu hart trifft. Corona wird ja anscheinend langsam endemisch - wären da nicht die weiterhin hohen Todeszahlen. 

Sonntag hatte ich die Idee, Mudderns eine Nesteldecke (Alzheimer's Blanket, Fidget Blanket, Demenzdecke, Fühldecke ...) zu stricken. Ich beobachtete schon länger, dass Mudderns an ihrem Schultercape eigentlich nur noch herumnestelt anstatt es zu tragen oder es sich über die Kniee legt. Sie bekommt zu Weihnachten zwar ein neues Schultercape, von dem ich annehme, sie wird es auch nicht tragen, und das viele Nestelmöglichkeiten bietet, aber vielleicht hat sie an der Decke trotzdem Spaß. Es war schon sehr frustrierend, beim Entrümpeln zu merken, dass Mudderns fast nichts von dem, was sie in den letzten Jahren gestrickt haben wollte, trug. Bis auf ein Paar Filzpuschen und ein Paar Socken fand ich alles achtlos in irgendwelche Schränke gestopft. 

Der Gatte kämpft aktuell mit einem heftigen grippalen Infekt, wodurch Erinnerungen an den Winter 2020/2021 wach werden. Immerhin schont er sich (damals schleppte er sich fiebrig ins Büro) und war sofort beim Arzt - freiwillig! Das will was heißen. Wirklich besser wird's aber nicht. Mal schauen, wie das Wochenende wird. Solange der Gatte nicht ins Krankenhaus muss, ist alles gut. Mich steckte der Gatte auch an, aber bislang geht's bei mir einigermaßen. Ich meldete mich einen Tag krank und hoffe auf ein ruhiges Wochenende zur Rekonvaleszenz. Ich sollte zu Hause Maskenpflicht verhängen. 

Zu den guten Dingen gehört, dass das dem Gatten verschriebene Antibiotikum in der Apotheke vorrätig war. Das ist ja aktuell nicht selbstverständlich. 

In dieser Woche kamen die ominösen Bewilligungsurkunden, letztlich nur eine Aufstellung von Flurnummern. Jetzt fehlt noch die Eintragung der Grundschuld beim Grundbuchamt, dann kann der Baukredit ausgezahlt werden. Für die Historikerin in mir waren die Bewilligungsurkunden durchaus interessant, stellte sich doch heraus, dass das Grundstück, auf dem die Siedlung gebaut wurde, u.a. einer schwerreichen, aber kaum in der Öffentlichkeit stehenden Reeder-Familie gehörte, die ihr Vermögen außer mit Grundbesitz vor allem durch gute Geschäfte mit Franco und Hitler machte. So transportierte man vom Hamburger Hafen aus Waffen, Munition, Sprengstoffe und Truppen wie die Soldaten der Legion Condor. Das könnte eine spannende Recherche werden, wenn ich mal nichts anderes zu tun habe. 

Freitag war Mudderns Gesellschafterin wieder bei ihr, und es ist erstaunlich, welchen Einfluss das auf sie hat. Abends konnten wir tatsächlich ein kurzes zusammenhängendes Gespräch führen! Mudderns wollte eigentlich das Grab meines Vaters auflösen, aber als dann jetzt der entsprechende Brief kam, ich ihr sagte, ich fände es besser, wenn die Liegezeit verlängert wird, stimmte sie zu. Das ist erledigt, die Rundfunkgebühren sind auch gekündigt (es gab sogar ungefragt eine Gutschrift über ein halbes Jahr), von der ersten Bank bekam ich eine Depotübersicht - langsam lichtet sich der Dschungel. Ich muss "nur noch" Ordnung in Mudderns Papierberge bringen, denn bislang ist alles nur grob vorsortiert. 

Im Büro ist es ruhig. Ich warte auf eine Blaumann-Entscheidung, nach der es ab Januar trubelig werden könnte. Die neue Kollegin, die letzte Woche schon für Zores bei meinem Projekt sorgte, schlägt weiterhin quer. Da ist wohl mal ein Sechs-Augen-Gespräch mit dem Chef fällig. Das bot er auch schon an, aber da setzte ich noch auf meine natürliche Autorität ... Ansonsten wundere ich mich angesichts des Krankenstandes bei uns im Betrieb, dass unser böberster Blaumann nicht schon längst wieder eine Maskenpflicht verordnete. 

Schwiegermutter und Tante geht's gut. Wir freuen uns auf das Wiedersehen an Weihnachten. Geplant ist, dass wir Heiligabend zum ersten Mal seit Schwiegermutters Umzug in die Seniorenwohnanlage zusammen verbringen. Im ersten Jahr war's ja durch die Erkrankung des Gatten nicht möglich, und im zweiten Jahr waren wir alle bei Tante. Mal gucken, ob's dieses Jahr möglich ist. Große Unbekannte ist das Zugangsmanagement in der SWA, ob wir abends kommen und gehen dürfen oder ob nur nachmittags Besuch erlaubt ist. Dann müssten wir nachmittags zu spät wie möglich kommen und abends heimlich durch einen Nebenausgang verschwinden ... Es wird sich finden. 

Aktuell lese ich die Commissario-Pavarotti-Reihe  von Elisabeth Florin* und habe akutes Meran-Weh. Vor fast einen Jahr planten wir noch, im kommenden Mai zu Tantes 90. Geburtstag nach München zu fahren und von dort weiter nach Südtirol. Das hat sich durch die Entwicklung bei Mudderns zerschlagen. Mit Glück sind wir im Mai schon (endlich) ins alt-neue Haus gezogen.  

Ich bin in diesen Tagen immer wieder verwundert darüber, wie rasend schnell dieses Jahr vorüber ging. Morgen heißt es schon wieder Chag Chanukka Sameach. 

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.

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