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Samstag, 2. September 2023

Samstagsplausch KW 35/23: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CLXXXI

Sonnabend waren wir im Kino und konnten tatsächlich "Rehragout-Rendezvous*" ganz sehen - der Gatte hielt durch! Es geht ihm aktuell ohnehin besser, eine Erleichterung!

Sonntag kam Schwiegermutter zum ersten Mal mit dem ÖPNV zu uns und fand es so einfach, dass sie beschloss, sie käme öfter. Yippieh. Oder so. Jedenfalls sprach sie mit dem Gatten und befand, er müsse mich entlasten. Das fand ich sehr lieb, und der Gatte nahm sich das wirklich zu Herzen. Schwiegermutter will mich auch entlasten, sich ein paar Tage im Hotel einmieten und helfen, zum Beispiel beim Zäunestreichen. Auch das ist sehr lieb, aber wir sind uns noch nicht sicher, ob es nicht mehr Belastung als Entlastung bringt. Sicher ist, dass Schwiegermutter versucht, ihre Vorstellungen   durchzusetzen, und dagegen an zu gehen, kostet einfach Kraft. So entschied sie schon die Gestaltung des Vorgartens: Die Mülltonnen brauchen einen neuen Platz, die Bank muss woanders hin, neben die Haustür müssen die beiden Terracotta-Kübel von ihrem Balkon, zudem fehlt neben der Haustür ein Griff. Ja, nee, is klaa. 

Nach der Baustellenbesichtigung waren wir im Büsenbachtal, zehn Autominuten vom alt-neuen Haus entfernt. Angesichts der Heideblüte waren Himmel und Menschen unterwegs, ging man im Pulk spazieren, waren Parkplätze und Lokalitäten total überfüllt, aber es war trotzdem nett. Überraschenderweise wäre der Gatte gerne noch länger spazierengegangen - in den letzten Wochen schaffte er ja noch nicht mal mehr den Weg ins Dorf und zurück, selbst nicht mit Pausen. Diesmal war es Schwiegermutter, die nicht viel laufen wollte, leider. Der Gatte hat inzwischen seine Wanderschuhe im alt-neuen Haus deponiert, damit wir öfter spazierengehen können. Ins Büsenbachtal kämen wir sogar problemlos mit dem Zug. 

Im Büsenbachtal auf dem Höhepunkt der Heideblüte.

In dieser Woche war ich weiterhin krankgeschrieben, und das wird auch kommende Woche noch so sein. Ich habe so heftige Verspannungen, dass phasenweise ein Herzinfarkt im Raume stand. Den Verspannungen wird jetzt mit Spritzen und Wärme zu Leibe gerückt. Dusseligerweise bleiben die Herzbeschwerden. Dazu kommt noch eine Entzündung, die auch eine Bakterieninfektion sein kann, aber das ist noch nicht so ganz klar, weswegen ich erstmal keine Antibiotika bekomme, sondern zwei Wochen abwarten soll. Es kann auch der bösartige Tumor sein, nach dem vor zwei Jahren vergeblich gesucht wurde. Yippieh. Oder so. Ich bin immer noch sehr erschöpft, schlafe nur selten eine Nacht durch und muss mich tagsüber hinlegen, wenn es geht, und die Konzentration fehlt auch sehr oft. Ich bin froh, wenn ich ein paar Maschen stricken kann, aber dafür reicht selten die Kraft.

Wegen der Entzündung, wenn es denn eine ist, musste ich außerplanmäßig zum Zahnarzt und erfuhr, dass er vor zehn Tagen verstarb! Der Gatte und ich sind noch immer fassungslos. Ich bin in der Praxis seit Eröffnung vor 35 Jahren in Behandlung, der Gatte seit fast 20 Jahren. Wir mochten den Arzt, der in unserem Alter war, sehr. Als ich im April das letzte Mal bei ihm war, sprachen wir wieder mal über meine psychosomatischen Beschwerden, die sich auch auf mein Gebiss auswirken, und er sang wie so oft, wenn wir darüber sprachen "Das ist alles nur in meinem Kopf." Da wusste er schon, dass er einen nicht operablen Hirntumor hat. Der Zahnarzt hinterlässt Frau und Kinder. Seine Praxis wird weitergeführt, aber wir überlegen noch, ob wir da bleiben oder uns in der lindgrünen Hölle einen neuen Zahnarzt suchen. Der bisherige wird schwer zu ersetzen sein.

Hier gilt seit mittlerweile 181 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Es geht uns vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall. Er ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona uns bislang verschonte und hoffe sehr, das bleibt so. Momentan gibt es im Umfeld wieder reichlich Infektionen. Ich muss mich wohl oder über daran gewöhnen, wieder häufiger Maske zu tragen, um weder den Gatten noch Schwiegermutter oder Tante zu gefährden. Deutschland setzt ja weiterhin auf Eugenik, wenn's um vulnerable Gruppen geht, während in den Nachbarländern wieder Masken und Impfungen propagiert werden. Die Corona-Impfung ist übrigens seit April kostenpflichtig, wird nicht mehr von den Krankenkassen übernommen. Ganz großartig. Ich habe inzwischen einen Impfarzt gefunden, muss nur gucken, wann ein Termin passt. 

Auf der Baustelle beschäftigt uns vor allem der Gärtner, der einfach nicht fertig werden will. Die gesetzte Frist ließ er natürlich verstreichen. Wir werden eine neue setzen, die er auch verstreichen lassen wird. Ich werde parallel jemanden suchen, der den Schutt abfährt. Der ist inzwischen zwar nicht mehr zu sehen, weil mit Gras überwuchert, aber das ist ja keine Art. Momentan sind wir schon froh, wenn das Minimum erfüllt wird: Das Gartenhaus fertigstellen, 10 Zaun-Elemente setzen, Müll abfahren. Auf alles weitere des Auftrags werden wir verzichten, denn selbst die Kleinigkeit des Ersetzens eines tropfenden Außenwasserhahns bekam der Gärtner ja in den letzten acht Wochen nicht hin. Das Gartenhaus, an dem er seit inzwischen zwei Wochen arbeitet, ist dafür ausgelegt, dass es zu zweit binnen eines Tages aufgestellt werden kann, nur falls sich jemand fragt, welches Mammutbauwerk da errichtet werden soll. Der Gärtner wirbt genau mit dieser Dienstleistung auf seiner Homepage, hat angeblich solche Gartenhäuser schon öfter aufgebaut. Wie sehr diese Aussage stimmt, zeigte sich diese Woche, als er allen Ernstes erklärte, den Anbau könne er nicht seitlich an das Haus anbringen, sondern nur an die Rückseite, so dass er im Nachbargarten steht! Er kann also noch nicht mal den Bauplan lesen! Solche Handwerker kosten mich einfach Kraft, die ich nicht mehr habe. Ich bezweifle, dass der Gärtner in diesem Jahr noch fertig wird. Natürlich könnte ich einen Anwalt einschalten, aber dadurch werden die Arbeiten auch nicht fertig. Im Frühjahr werden wir dann für die Neuanlage des Gartens und die Terrasse einen neuen Versuch machen - mit Gärtner IVff.

Immerhin klappte der Einbau des neuen Brenners, so dass wir schon zwei Tage in Folge warmes Wasser haben.

Diese Woche brachte einen Gatten-Geburtstag - den ersten nach dem Schlaganfall, den dritten nach seiner Herzerkrankung / Schwerbehinderung. Ich bin dankbar. Schweigermutter und Tante geht's gut, auch dafür bin ich dankbar.

Die Aiwanger-Affaire beschäftigte uns natürlich auch. Unglaublich, dass Volksverhetzung, Holocaust-Leugnung,  Antisemitismus und Säure-Angriffe keine Konsequenzen haben. Es ist unglaublich, wie sehr sich der Diskurs nach rechts verschoben hat. Demokratie hat in Deutschland eindeutig keine Zukunft mehr. 

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse. / *Affiliate link

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