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Samstag, 4. November 2023

Samstagsplausch KW 44/23: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CXC

Sonnabend verlebten wir einen ruhigen Tag. Dem Gatten ging es nicht gut, und so passte ich mich seinem Ruhebedürfnis an. Es ist ja nicht so, dass ich keine Ruhe bräuchte.

Sonntag erwischte ich endlich mal eine Regenpause und puzzelte etwas im Garten herum. Ich setzte viele Zwiebeln, vor allem Hasenglöcken*, die im Frühjahr hoffentlich dem Gatten Freude machen. Ich war heilfroh über den Blumenzwiebelsetzer*, der eine unwahrscheinliche Erleichterung ist. Ich schaffte es auch, den Pfosten für den amerikanischen Briefkasten zu setzen. Jetzt muss der Gatte nur noch den Pfahl anpassen. 

Abends entsetzten mich der Pogrom in Dagestan und die immer grausameren Details des Simchat-Tora-Massakers. Auch nach mehr als drei Wochen werden noch immer Leichen gefunden. Ich hatte in einem früheren Leben beruflich viel mit Tod und Teufel, mit der Shoah zu tun und halte viel aus, aber ein Säugling, der zu Tode gebacken wird, während seine Mutter zu seinen Schreien vergewaltigt wird, bringt mich an meine Grenzen. Ich habe aktuell Probleme, den Backofen zu öffnen. 

Montag schaffte ich es endlich, zwei Drittel der Holzpaneele im Esszimmer zu streichen. Im Laufe des Tages erreichte uns die Nachricht vom Tode Shani Louks. Das Bild der jungen Deutschen, die grausam entstellt und misshandelt auf dem Truck von der Hamas entführt und zur Schau gestellt wurde, ging um die Welt. Es gibt übrigens zwei Websites, durch die sich die Ereignisse des 7. Oktobers nachvollziehen lassen - Trigger-Warnung: Mapping the Massacres nähert sich dem Pogrom chronologisch-geographisch, während October 7 Augenzeugenberichte sammelt. 

Am späten Nachmittag klingelte es. Die beiden linken Nachbarn waren gerade dabei, die Regenrinne zu säubern und fragten, ob sie bei uns weitermachen sollten. Wie toll!  

Dienstag hatte der Gatte viel Spaß mit kleinen Gespenstern. Etwa 20 Kinder kamen, alle verkleidet, alle ausnahmslos entzückend und höflich. Einmal kam ein Grüppchen und sagte ein Gedicht im Chor auf. Der Gatte überraschte und beeindruckte mit seiner Horror-Hasen-Maske. Im kommenden Jahr will er aufrüsten. Ich vermute Nebelmaschine und kotzende Kürbisse ... 

Tagsüber kümmerte er sich um die Kabelage für TV und Internet, denn die sollte möglichst vor dem Umzug fertig sein. Ich war auf Stand by für Handreichungen und schaffte es so, zumindest eine Socke zu stricken ... An solchen Tagen bin ich froh, wenn ich in Ruhe auf die Toilette gehen kann. Dass ich es durch das ständige Zum-Gatten-Springen nicht schaffte, die Paneele fertig zu streichen, verstand der Gatte so, dass ich dazu keine Lust habe, er das "auch noch" erledigen müsse. Ja, nee, is klaa. Ich hoffe, ich finde vor dem Einzug ein, zwei Stunden zum ungestörten Streichen. Ansonsten muss ich es nach dem Einzug machen. Das geht notfalls.

Außerdem bat ich meine beiden Sandkastenfreundinnen um Hilfe, denn mir wurde klar, dass ich Hilfe beim Räumen im Haus brauche. Es ist ja nicht planbar, wie körperlich belastbar der Gatte ist, vor allem unter Druck, und zum Einzug müssen die Räume im Haus leer sein - über's letzte Jahr richteten wir uns ja schon häuslich ein ... So etwas wie den Transport eines Tiefkühlers in den Vorratskeller schaffe ich nicht alleine. Beide Freundinnen kommen mir jetzt am zweiten Adventswochenende zu Hilfe! Wie wunderbar! Zu dritt schaffen wir es sicher, alles zu sortieren und umzuräumen. Der Gatte darf uns derweil mit Toast Hawaii, Kaffee, Tee und Kuchen versorgen. 

"Ich mag hier nicht mehr wegfahren", seufzte der Gatte, als wir Mittwoch beim Frühstück saßen und überlegten, was wir für zwei Tage in der Wohnung mitnehmen müssen. Ich kann den Gatten verstehen, war beim Aufwachen auch traurig, dass es wieder in die Wohnung zurück geht, dass ich nicht bleiben kann, aber wir haben es ja hoffentlich bald geschafft. Mittwoch wurde der Elektriker beauftragt, sämtliche Lichtschalter und Steckdosen sowie den Sicherungskasten zu erneuern, eine Aufputz-Steckdose zu verlegen und ein gutes Dutzend Lampen anzubringen. Die Finger des Gatten schaffen das einfach nicht mehr. Jetzt heißt es, auf einen Termin warten. Mittwoch haben wir auch schon mal ausgemessen, ob unsere Wohn- und Esszimmermöbel auch tatsächlich passen. Zum Glück ja. Jetzt muss als nächstes die Küche ausgemessen werden. 

Nachmittags fuhr der Gatte nach Hamburg, während ich die neu gesetzten Zäune abnahm. Der Gärtner war mit der ersten Arbeit seiner Mitarbeiter nicht zufrieden und ließ es neu machen. Jetzt sieht es wirklich sehr gut aus. Überhaupt nicht gut sieht es mit dem Gartenhaus aus, dass Gärtner III zusammenzimmerte. Hier wird Gärtner IV versuchen, es einigermaßen zu stabilisieren, damit es uns nicht binnen Jahresfrist einstürzt. Abreißen und neu bauen wäre das einzig sinnvolle, aber dazu habe ich aktuell keine Nerven. Gärtner IV wird auch die Regenrinne auf der Gartenseite reinigen - yeah. Zukünftig soll er das gerne jeden Herbst machen. Eine Sorge weniger.  

Außerdem bewegten mich die Brandstiftung auf dem jüdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs und der Umstand, dass es in Deutschland seit 7. Oktober 220 antisemitische Vorfälle gab, eine Steigerung von 240% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Ich muss immer wieder daran denken, wie Nicht-Juden mir während der Vorbereitung auf die Konversion immer wieder sagten, ich sollte mir diesen Schritt gut überlegen, denn als Nicht-Jüdin wäre ich sicher, falls die Nazis wiederkommen, als Jüdin aber nicht. Ich dachte mir damals, was soll's, es gibt ja Israel als Zufluchtsort und eine starke israelische Armee. Vor allem an den Gedanken an letztere klammere ich mich, seitdem sich die Hamas anschickt, Israel und alle nicht-islamistischen Bewohner auszulöschen - und längst ist klar, dass nicht nur Israel das Ziel ist, sondern die gesamte westliche Welt. 

Donnerstag brachte der Besuch des Gatten bei der Nephrologin schlechte Nachrichten. Knackpunkt ist weiterhin, dass der Diabetes des Gatten seit gut 20 Jahren einfach nicht in den Griff zu bekommen ist. Inzwischen sind Herz, Niere, Gefäße, Füße, Nerven und Augen so stark angegriffen, dass quasi keine Therapie mehr möglich ist, und der Schlaganfall im Januar ist ja auch ein Ergebnis der Gesamtsituation gewesen. Die Nephrologin war entsetzt von den Schilderungen des Gatten und davon, dass der Diabetologe die Erkrankung nicht in den Griff bekommt. 

Nachmittags bekam der Gatte einen Termin bei einem neuen Diabetologen in der alt-neuen Heimat - endlich! Er will schon so lange den Diabetologen wechseln, aber es klappte nie, weil es zu dem in Hamburg keine Alternative gab. Der Termin liegt zwar mitten im Umzug, aber irgendwas ist ja immer. Wichtig ist, dass er schnellstmöglich wechseln kann, und vielleicht kann der neue Arzt die Erkrankung endlich in den Griff bekommen. Der Erhalt des Status quo wäre schon viel. 

Eine gute Nachricht gab's bei der Nephrologin: Die Kaliumwerte des Gatten sind optimal. Durch technische Gründe sind sie beim Hausarzt "falsch hoch". Jetzt muss das nur noch der Hausarzt verstehen ... Wir können jetzt also wieder diabetikertauglich und gesund kochen, mit frischem Gemüse. 

Der Elektriker meldete sich überraschend schnell und kommt schon in zehn Tagen. Sicherheitshalber sind zwei Arbeitstage veranschlagt. Ich hoffe, der Gatte ist so stabil, an beiden Tagen anwesend zu sein. 

Ich war beim Zahnarzt und lernte den Nachfolger unseres im August viel zu früh verstorbenen Arztes kennen, bei dem ich knapp 35 Jahre, der Gatte gut 20 Jahre in Behandlung war. Der neue Arzt ist jung und nett, ja, aber die Praxis ist zunehmend schlechter organisiert, die Mitarbeiterinnen überarbeitet und genervt. Es ist einfach nicht mehr so wie früher, wo es beispielsweise quasi keine Wartezeiten gab außer bei Notfällen. Bei den letzten drei Besuchen saß ich jetzt ewig im Wartezimmer. Normalerweise vereinbaren wir beim Bezahlen der Zahnreinigung automatisch gleich einen neuen Termin, aber diesmal war dafür vor lauter Hektik an der Anmeldung keine Zeit. Vielleicht es mit dem Umzug doch an der Zeit für einen Wechsel. 

Auf dem Heimweg fiel mir auf, dass die Bring them home now-Plakate, die letzte Woche an den Bushaltestellen geklebt wurden, mittlerweile vollständig entfernt wurden. Abends begannen die ersten Jüdischen Kulturtage in Hamburg - trotz allem. Ich hoffe, sie können sicher stattfinden.

Freitag räumten wir schon mal die Schiffsmodelle des Gatten und ein paar meiner Kartons aus dem Lager. Während der Gatte mit den Modellen ins alt-neue Haus fuhr, brachte ich die ersten Sachen zum Recyclinghof, darunter auch meine Gitarre. Von der trennte ich mich sehr schwer, und der Gatte konnte es auch nicht verstehen. Aber ich habe sie über 40 Jahre nicht mehr gespielt, und ich werde sie ganz sicher nicht mehr spielen. Ich bin absolut unmusikalisch. Auch wenn mir das Herz blutet, ist es doch unsinnig, sie aufzubewahren, selbst, wenn mir der Anblick des Gitarrenkoffers Freude macht (ja, Marie Kondō ist hier aktuell Thema). 

Zwei Taschen mit Lebensmitteln gingen zum Fairteiler, und weitere werden ihnen folgen. Der Gatte hat zwar schwere Verhungerungsängste, aber ich habe beschlossen, dass alle Lebensmittel weggegeben werden, die wir in den kommenden acht Wochen nicht sicher essen werden. Dazu zählen ganz sicher drölfzich Kilo Nudeln und Reis. Wir behalten noch mehr als genug. 

Nachmittags bekam ich die jährlichen Impfungen gegen Grippe und Corona, diesmal in der Stamm-Apotheke. "Sie haben aber viele Impfungen gegen Corona. Aber Corona hatten Sie noch nicht?!" Nein. Könnte an den Impfungen und am Masketragen liegen ... Ich bin gespannt, wie mein Körper zwei Impfungen gleichzeitig verkraftet. Ich soll mich zwei Tage schonen. Guter Witz. Erfreulicherweise zahlt die Krankenkasse beide Impfungen. 

Abends sah ich bei Juna, dass Silja nach drei Jahren Pause wieder bloggt. Sie lebt in Norden Israels, an der Grenze zum Libanon. Ihr erster Beitrag nach der Pause dreht sich darum, wie sie das Simchat-Tora-Massaker und die letzten vier Wochen er- und überlebte.

Hier gilt seit mittlerweile 190 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Es geht uns vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall. Er ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona uns bislang verschonte und hoffe sehr, das bleibt so. Weiterhin gibt es im Umfeld reichlich Infektionen. Ich vermute, das wird sich bis zum Frühjahr auch nicht ändern. 

Schwiegermutter geht's gut, Tante anscheinend auch. Schwiegermutter hält sich da sehr bedeckt - wenn der Gatte nur anruft, nicht zum Tee kommt, erfährt er nichts. In den letzten Wochen war er ja nur selten in Hamburg, und Schwiegermutter dämmert langsam, dass das nach dem Umzug nicht anders wird. 

Ansonsten schaffte ich es, diesen Monat auch noch den Ölwechsel-Termin für's Karlchen, Rauchmelder-Wartung und Mammographie unterzubringen. Wenn der Gatte tapfer und stabil bleibt, könnte das Termine-Tetris sogar klappen.

Noch sechs fünf Wochen bis Umzug. Hoffentlich.

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.

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