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Montag, 20. Oktober 2025

#WMDEDGT 10/25: Palliativ

Heute ist wieder der fünfte Tag des Monats, und Frau Brüllen fragt "Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?", kurz WMDEDGT? Vielen Dank für's Sammeln!

Heute ist Sonntag. Mein Tag beginnt kurz nach Mitternacht, als der Gatte ins Bett kommen möchte und dabei Hilfe braucht. Zum Glück habe ich schon eine Stunden geschlafen. Mehr Schlaf am Stück werde ich in dieser Nacht auch nicht bekommen, entweder, weil der Gatte Hilfe braucht, extrem unruhig ist, Angst hat, oder weil mich meine Panik-Attacken und das Reflux-Syndrom wecken. 

Der Gatte ist seit 13 Tagen als palliativ eingestuft. Er hat erheblichen Assistenzbedarf, vor allem auch nachts, denn er schläft leider nicht durch. Das ist auch kein Wunder, denn er schläft tagsüber sehr viel, und es gibt ja auch nichts, das ihn auspowert. Das Haus hat er seit 15 Tagen nicht mehr verlassen können, weil er dazu zu schwach ist. 

Nachdem die Nacht überstanden ist, mache ich Frühstück. Die Kraft des Gatten reicht nur noch selten zum Treppensteigen, so dass er oben in seinem Zimmer frühstückt und ich unten in der Stube. Später am Tag werde ich sein Zimmer so um- und aufräumen, dass es dort eine Sitzgelegenheit gibt, wir dort zusammen frühstücken können, wenn der Gatte mag. Sorgen macht, dass der Gatte seit zwei Tagen kaum noch isst und trinkt. Das ist ein schlechtes Zeichen. Ich wusste zwar, dass dieser Tag kommen würde, aber es ist dennoch schwer, ist es doch ein weiterer Schritt Richtung Lebensende.

Da der Gatte in seinem Zimmer gut beschäftigt ist mit Videos von Harald Lesch und Jonas Winkler, kann ich mich in Ruhe um den Haushalt kümmern, mich aber auch in seinem Relax-Sessel etwas ausruhen. Der Sessel ist großartig, auch, weil er Infrarot-Heizung hat! Ich lese "Der Tod in den Schären*" zu Ende und fange "Lass uns tanzen, Fräulein Lena*" an. Ich hätte aktuell jede Menge Zeit, die liegengebliebenen Blog-Beiträge zu schreiben, aber dafür reichen weder Kraft noch Konzentration. Lesen geht, stricken geht schon nicht mehr. Selbst Sockenstricken schaffe ich aktuell nicht. 

Der Pflegedienst kommt, um nach uns zu gucken und beim Gatten die Verbände zu wechseln. Ich bereite die Tabletten für den Gatten für die kommende Woche vor. Früher machte ich das für vier bis sechs Wochen im Voraus, jetzt nur noch für eine. 

Der Gatte wünscht Wassermelone und bekommt sie, selbstverständlich. Da er nur noch wenig isst und nur noch wenig Lebenszeit hat, darf er alles essen, was er möchte. Er legt sich hin, Mittagsschlaf, kommt aber nicht zur Ruhe, also lege ich mich zu ihm und lese*. Ich lese aktuell sehr, sehr viel. Mit mir an der Seite kommt der Gatte etwas zur Ruhe.

Tee-Zeit mit Altländer Apfelkuchen im Zimmer des Gatten. Der Diabetessensor muss gewechselt werden. Es wird das letzte Mal sein, dass ich das mache. Zwei Wochen später wird der Gatte keinen Sensor mehr benötigen. Anschließend quält sich der Gatte die Treppe ins Erdgeschoss runter - hohe Zeit, dass der Treppenlift kommt. Wenn's klappt, wird er übermorgen eingebaut. Der Gatte wird im Relax-Sessel platziert, dann gehe ich in die Küche, um das Abendessen zuzubereiten. 

Der Gatte besteht darauf, am Esstisch zu essen, obwohl er im Relax-Sessel besser aufgehoben wäre wegen der Sturzgefahr. Nach dem Essen bugsiere ich ihn wieder in den Relax-Sessel. Der Gatte will partout mit mir auf dem Sofa sitzen, was ich auch sehr schön fände. Allerdings stürzte er die letzten Abende immer beim Versuch, vom Sofa aufzustehen, prellte sich zuletzt eine Rippe, brauchten wir den Hausnotruf, um den Gatten wieder auf die Beine zu bekommen. Der Relax-Sessel hat eine Aufstehhilfe, so dass der Gatte mit meiner Hilfe sturzfrei wieder auf die Füße kommen kann. Da der Gatte aber partout nicht im Sessel zu halten ist, solange ich auf dem Sofa sitze, stelle ich einen Stuhl neben seinen Sessel. So können wir nebeneinander sitzen, Händchenhalten. 

Stricken, Tatort gucken, dann heute journal und anschließend den Gatten wieder nach oben bringen. Er wird in seinem Zimmer noch ein paar Videos gucken, bis es Zeit für mich ist, ihn ins Bett zu begleiten. 

Der Blick zurück in die ersten fünf Corona-Jahre: Am 5. Oktober 2020 war der Gatte noch gesund und fuhr ins Büro, gab's eine Kundgebung für einen jüdischen Studenten, der am Vortag vor der Synagoge niedergeschlagen wurde, wo gerade Sukkot gefeiert wurde. Einzelfall, klar. Am 5. Oktober 2021 beschäftigte mich ein Krebsverdacht, der sich Gott sei Dank als unbegründet herausstellte. Am 5. Oktober 2022 war Yom Kippur. Am 5. Oktober 2023 ahnte niemand, dass die Hamas zwei Tage später eine Menschenjagd veranstalten sollte - das schlimmste Pogrom seit Ende der Shoah. Am 5. Oktober 2024 waren der Gatte und ich auf Mallorca, nicht ahnend, dass es unser letzter gemeinsamer Urlaub dort werden sollte. Ein Jahr später steht der Gatte am Ende seines kurzen Lebens. / *Affiliate links

3 Kommentare:

  1. Es tut mir so leid. Ich wünsche ihnen viel Kraft. Nehmen sie jede Hilfe an, die bekommen können.
    Alles, allles Gute
    vreni

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  2. Als stille Leserin wünsche ich Ihnen alles, alles Gute!
    Nadine

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  3. Es tut mir so leid. Ich wünsche dir viel Kraft und alles erdenklich Gute.

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Kommentare von Corona-Leugner, Quer- und anderen Nicht-Denkern, Wahnwichteln, Das-ist-doch-nur-ne-Grippe-Schwurblern, Wir-haben-genug-freie-Intensivbetten-Rufern und ähnlichen Düffeldaffeln werden gelöscht.