Montags gegen Nazis |
Wir haben uns da was eingetreten. Es ist braun. Es riecht nach Faschismus, Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus. Es trifft sich montags hinterm Bahnhof, eingepfercht in Gattern, umringt von Polizei und der Gott sei Dank immer noch demokratischen Mehrheit dieser Stadt.
Es ist eine krude, gefährliche Mischung aus Türstehern, Hooligans, Faschisten, Reichsbürgern und AfDlern, garniert mit ein paar spießbürgerlichen Sahnehäubchen aus dem Hamburger Umland.
Eine Kerze für die ermordeten Kinder polnischer und ukrainischer Zwangsarbeiterinnen auf dem Sülfelder Friedhof. |
Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.
Wurde es aber.
Das Gräberfeld in Sülfeld. |
Die Grabsteine für die Zwillinge Anna und Wladislawa Olankiewicz. |
Die Eltern der Zwillinge sind unbekannt, aber es ist davon auszugehen, dass sie einen älteren Bruder hatten: Direkt neben den beiden Mädchen ist Walter Olankiewicz bestattet, geboren am 24. Januar 1943, gestorben am 24. März 1943.
Walter, Anna und Wladislawa sind drei von 16 Säuglingen und Kleinkindern auf einem Gräberfeld des Friedhofs in Sülfeld (Schleswig-Holstein). Ihre Mütter waren Frauen, die aus der Ukraine und aus Polen zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt wurden. Sie wurden in den Höfen und Firmen in der Umgebung eingesetzt.
Der Grabstein für Anna Olankiewicz. |
Anfangs wurden schwangere Zwangsarbeiterinnen zurück in ihr Herkunftsland geschickt - bis der Verdacht aufkam, Frauen würden vorsätzlich schwanger, um sich der Zwangsarbeit zu entziehen. In der Folge wurden die Nazis rigoroser: Ein Viertel der Schwangerschaften wurden durch Zwangsabtreibungen beendet. Für die anderen wurden Entbindungsheime eingerichtet.
Unmittelbar nach der Geburt wurden die Säuglinge ihren Müttern weggenommen und begutachtet. Entsprachen sie den NS-Rassekriterien, galten sie als "gutrassig", blieben sie bis zum Ende der Stillzeit bei ihren Müttern und kamen dann in Pflegeheim, um als deutsche Kinder erzogen und zur Adoption freigegeben zu werden.
Die Friedhofskapelle von Sülfeld. |
Das Gräberfeld in Sülfeld ist eines der wenigen, das noch erhalten ist, denn oft wurden sie schon in den 1950er Jahren aufgehoben. Das Gräberfeld in Sülfeld weist noch eine andere Besonderheit auf: NS-Opfer wurden meist am Rande des Friedhofs begraben. In Sülfeld liegen die Gräber aber geradezu prominent in der Nähe der Kapelle.
Mehr Informationen zu den Gedenkorten im Kreis Segeberg gibt es bei dem Journalisten Helge Buttkereit, dessen Buch "Verdrängen, Vergessen, Erinnern" ich Dir sehr empfehle.
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