Seiten

Montag, 13. August 2018

Ehemaliges Zwangsarbeitslager in Wensien's Gesellschaftshaus (Hamburger Straße / Max-Brauer-Allee)

Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm. 

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesen. Alle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst. Das braune Pack kündigte an, ab September 2018 wieder demonstrieren zu wollen, diesmal monatlich. Mal gucken, wie lange sie den Wind, der ihnen von der demokratischen Mehrheit der Stadt entgegen weht, aushalten.

Ob hier einst Wensien's Gesellschaftshaus stand?
"Von Stresemannstraße links" lautet 1931 die Wegbeschreibung zu Wensien's Gesellschaftshaus in der Hamburger Straße 6 - 10. Es muss in der Nähe der Sternbrücke gelegen haben. Ein Gesellschaftshaus ist ein Treffpunkt für Vereine, bietet Unterhaltung und Amüsemang - kein Ort also, in dem man ein Zwangsarbeiterlager vermuten würde. Und doch befindet sich 1943 in den Räumen der Gaststätte ein Lager für italienische Kriegsgefangene und sowjetische Zwangsarbeiterinnen. Wie viele Menschen hier untergebracht sind, ist unbekannt.

Sicher ist, dass die Norddeutsche Leichtmetall- und Kolbenwerke GmbH (Noleiko / Noleico) in den Jahren 1942/1943 etwa 1.000 Beschäftigte hat, von denen etwa 450 ausländische Arbeitskräfte sind. Sie sind in drei Lagern im Hamburger Stadtgebiet untergebracht, und eines war eben in Wensien's Gesellschaftshaus.

Die Noleiko mit Firmensitz in der Friedensallee 128 stellt Flugmotorenkolben her. Die Arbeit für die überwiegend ungelernten Frauen und Männer ist körperlich hart, Kleidung und Ernährung sind absolut unzureichend. Gearbeitet wird rund um die Uhr, verteilt auf drei Schichten, teilweise an mehreren Maschinen parallel.

Das Essen besteht aus einer kargen warmen Mahlzeit mit einem Kanten Brot. Oft ist das Essen verdorben. Das Brot ist mit Holzspänen, Laub, Zell- oder Strohmehl gestreckt. Dennoch: Glücklich sind die Tage, an denen es zwei Brotrationen gibt. Morgens gibt es eine Plörre, die die Bezeichnung "Kaffee" selten verdient.

Am 11. November 1943 setzen sich einige Zwangsarbeiterinnen zur Wehr: Sie kehren nach der Mittagspause nicht mehr zur Schicht zurück. Andere Frauen und Mädchen schließen sich an und verstecken sich nach Schichtende. Fünf Frauen zwischen 20 und 27 Jahren werden verhaftet und am 15. November 1943 in den Winsbergen, wo einst Kiesgruben waren, erschossen. Die anderen sowjetischen Zwangsarbeiterinnen müssen bei den Exekutionen zuschauen.

Und das Gesellschaftshaus? Glaubt man den Hamburger Telefon- und Adressbüchern. Ging dort das Amüsemang 1943 unverändert weiter? 1947 existiert das Gesellschaftshaus ebenfalls noch, wenn auch bombengeschädigt. Unter der Adresse scheint sich auch die Wohnung von Familie Wensien befunden zu haben. Ob sie wohl etwas von dem Zwangsarbeiterlager in ihrem Gesellschaftshaus mitbekommen haben? Oder haben sie wie so viele beschlossen, von nichts zu wissen?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Kommentare von Corona-Leugner, Quer- und anderen Nicht-Denkern, Wahnwichteln, Das-ist-doch-nur-ne-Grippe-Schwurblern, Wir-haben-genug-freie-Intensivbetten-Rufern und ähnlichen Düffeldaffeln werden gelöscht.