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Montag, 29. Oktober 2018

Vor 80 Jahren: Die Deportation polnisch-stämmiger Juden am 28. Oktober 1938

Montags gegen Nazis.
Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesenAlle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst. Infos zu den Demonstrationen der demokratischen Mehrheit findest Du u.a. beim Hamburger Bündnis gegen Rechts.

Jedes Mal, wenn ich Aufnahmen von Menschen in den Flüchtlingslagern sehe, muss ich an die sogenannte Polenaktion im Oktober 1938 denken. Vor 80 Jahren kommen die Nazis auf die Idee, alle polnisch-stämmigen Juden, die keine deutsche Staatsbürgerschaft haben, nach Polen abzuschieben. Schon drei Jahre vorher beginnt man, alle Juden in der sogenannten Judenkartei zu erfassen. 

Listen und Karteien führen können sie, die alten Nazis wie die neuen. 


Gedenkstein für die Deportation polnisch-stämmiger Juden am Bahnhof Altona (Ausgang Museumstraße).
Im März 1938 verfügt die polnische Regierung, dass allen Polen, die mehr als fünf Jahre im Ausland leben, die Staatsbürgschaft entzogen werden könne. Ab 30. Oktober sollte die Einreise nach Polen nur noch mit einem Prüfvermerk des polnischen Konsulats möglich sein. 

Im Deutschen Reich leben zu diesem Zeitpunkt etwa 72.000 polnisch-stämmige Jüdinnen und Juden, die schlagartig staatenlos werden. Etwa 18.000 von ihnen werden am 28. und 29. Oktober 1938 verhaftet, in Sammellager und Gefängnisse transportiert und von dort in bewachten Sonderzügen der Deutschen Reichsbahn in das deutsch-polnische Niemandsland deportiert. Für die Reichsbahn ist es übrigens eine Art Probelauf für die folgenden Deportationen.


Blick auf die Gedenkanlage am Ausgang Museumstraße. 
Einer der Deportierten ist der Vater von Lucille Eichengreen, über die ich zu Beginn dieser Reihe schrieb. Unter den Deportierten sind auch die Eltern und Geschwister des 17jährigen Herschel Grynszpan. Als er im Pariser Exil erfährt, was mit seiner Familie passiert, verübt er ein Attentat auf den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath - Anlass für die Nazis, in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 mit schon lange geplanten Pogromen zu beginnen. 

Etwa 10.000 der Deportierten können zu Verwandten und Bekannten in Polen weiterreisen und finden dort Zuflucht. Etwa 8.000 Menschen stranden im polnischen Ort Zbąszyń, wo sie den Winter 1938/1939 unter katastrophalen Bedingungen verbringen. Nach Protesten des polnischen Außenministeriums werden die Deportationen gestoppt. 


Der Text des Gedenksteins.
Diejenigen, die sich noch im Niemandsland aufhalten, werden zurück nach Deutschland gebracht. Im Januar 1939 dürfen im Rahmen der Familienzusammenführung 6.000 Frauen und Kinder nach Polen einreisen. Acht Monate später marschieren deutsche Soldaten in Polen ein. 

Seit 1987 gibt es einen Gedenkstein am Altonaer Bahnhof, initiiert von der Bezirksversammlung. Der Stein wurde mehrfach umgesetzt und steht aktuell am Ausgang Museumstraße. Die Gestaltung ist typisch für Hamburg: Stein, Gedenktafel und Text fügen sich harmonisch in die Umgebung ein. Anders gesagt: Leicht zu übersehen und schwer zu lesen.

Sehr lesenswert: Die Memoiren des Hamburger Kantors Joseph Cysner.

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