Seiten

Montag, 21. Oktober 2019

Stolperstein für Claudius Gosau in der Woltmanstraße 14

Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesen. Alle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst.

Ein Zeitlang blickte ich von meinem Bürofenster direkt auf eine in den 1860er Jahren erbaute Häuserzeile in der Woltmanstraße. Vorm Eingang von Nummer 14 liegt ein Stolperstein für Claudius Gosau. Über ihn (und seine Familie) ist verhältnismäßig wenig bekannt.

Blick auf die (eigentlich denkmalgeschützten) Häuser der Woltmanstraße, die zwar die Bombardierungen des Zweiten Weltkriegs überlebten, nicht aber die aktuelle Baupolitik.
Gosau wird 1892 in Dithmarschen geboren und lebt bis 1938 in Heide. Er leistet Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg, wird mehrfach schwer verwundet, verdient in der Weimarer Republik sein Geld meistens als Bauarbeiter, ist seit 1915 mit Marianne Hansen verheiratet und Vater zweier Kinder.

Der Stolperstein für Claudius Gosau in der Woltmanstraße 14.
In den 1920er Jahren wird Gosau KPD-Mitglied und leitet den Musikzug der Partei. 1930 wird er aus der Partei ausgeschlossen, aber dessen ungeachtet nach Machtübernahme der Nazis im April 1933 aus politischen Gründen verhaftet, scheint aber nicht im organisierten politischen Widerstand aktiv zu sein.

1938 zieht die Familie nach Hamburg, in die Woltmanstraße 14. Vermutlich hofft sie, in der anonymeren Großstadt weniger aufzufallen als im kleinen Heide, wo die politische Einstellung von Claudius Gosau hinlänglich bekannt ist.

Blick auf den Hauseingang Woltmanstraße 14.
Der 22jährige Sohn Wilhelm bleibt in Heide, wo er als Landarbeiter tätig ist. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wird Wilhelm Gosau "aus erzieherischen Gründen" verhaftet und im Juli 1943 in Auschwitz ermordet.

Claudius Gosau findet Arbeit als Lokführer bei der Firma Gottlieb Tesch in Bremen-Farge. Der Betrieb errichtet dort ab 1938 ein unterirdisches Tanklager, unterhält ein eigenes Lager, in dem Zivilarbeiter wie Gosau, aber auch Häftlinge eines Gestapo-Arbeitserziehungslager untergebracht sind. Auf dem Gelände befinden sich mehrere Lager, u.a. auch ein Außenlager des KZ Neuengamme (das Gelände ist heute Teil des Denkortes Bunker Valentin).

Gosau führt mit seinen Kollegen offene Gespräche über den Kriegsverlauf und macht aus seiner politischen Einstellung keinen Hehl. Am 17. September 1943 wird der 51jährige nach Denunziation festgenommen und wegen Hochverrats sowie Wehrkraftzersetzung vor dem Volksgerichtshof angeklagt. Am 11. Februar 1944 wird Claudius Gosau zum Tode verurteilt und am 6. März 1944 in Brandenburg-Görden hingerichtet. 1946 wird seine Urne im Ehrenhain Hamburger Widerstandskämpfer auf dem Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Kommentare von Corona-Leugner, Quer- und anderen Nicht-Denkern, Wahnwichteln, Das-ist-doch-nur-ne-Grippe-Schwurblern, Wir-haben-genug-freie-Intensivbetten-Rufern und ähnlichen Düffeldaffeln werden gelöscht.