Wir wohnen an einer der Hauptverkehrsadern des Hamburger Westens, zwischen mehreren Feuerwachen und zwei Krankenhäusern. Sirenen sind also gewohntes Begleitgeräusch.
Dennoch ist es ein sehr merkwürdiges Gefühl, zu wissen, dass die Sirenen, die ich gerade auf die Kreuzung zufahren höre, gleich links abbiegen und zu Schwiegermutter fahren werden. Kurze Zeit später hören wir die Sirenen zurückkommen, rechts abbiegen, auf dem Weg ins Krankenhaus, mit Schwiegermutter an Bord.
Schwiegermutter kam gestern Mittag ins Krankenhaus, nachdem sie den Notruf ihrer Wohnanlage aktivierte. Der Gatte wurde telefonisch darüber informiert. Wir überlegten, dem RTW hinterher zu fahren, aber dann fiel uns ein, dass wir wegen Corona ja gar nicht ins Krankenhaus dürfen. Die Schwester, die die Einlieferung veranlasste, meinte, der Gatte sollte sich in zwei, drei Stunden melden, vorher wisse man eh nichts.
Es dauerte dann über sechs Stunden, bis der Gatte wusste, was mit seiner Mutter ist. Nachdem er sich in Warteschleifen verhedderte, Telefonate immer wieder unterbrochen wurden, Rückrufe nicht erfolgten, fuhr er dann doch ins Krankenhaus, wo man erst seine Mutter nicht fand, er dann aber doch endlich eine Ärztin sprechen konnte, eine Diagnose bekam. Zu ihr durfte er nicht - Corona.
Schwiegermutters Verwirrtheit der letzten beiden Wochen war keine Folge von Überlastung angesichts Haushaltsauflösung und Umzug, sondern der vor zwölf Wochen übersehenen Gehirnerschütterung und diverser nachfolgender Stürze. Heute wird sie operiert, und wir können nur hoffen, beten, dass die Ärztin damit recht behält, dass es ein Routine-Eingriff ist, Schwiegermutter Montag wieder in ihrer Wohnung ist, wenn alles gut geht. Nachmittags soll uns ein Anruf über das OP-Ergebnis informieren und darüber, ob wir Schwiegermutter trotz Corona besuchen dürfen.
Der Gatte und ich sind seit 18 Wochen weitgehend zu Hause, der Gatte inzwischen im vierten Monat Kurzarbeit. Er ist zwei Tage im Büro und ansonsten auf Abruf, kümmert sich in dieser Zeit um Haushaltsauflösung und Umzug seiner Mutter in eine Seniorenwohnanlage. So gesehen ist die Kurzarbeit des Gatten fast schon ein Segen.
Ich bin ebenfalls zwei Tage pro Woche im "echten" Büro und arbeite ansonsten im Heimbüro, wenn nichts anderes erforderlich ist. Die drei Projekte, für die ich verantwortlich bin, sind alle auf unterschiedliche Weise von der Pandemie betroffen, aber mein Arbeitsplatz an sich ist sicher. Ich konnte mich bis Mitte dieser Woche vor Überstunden kaum retten. Seit Mitte dieser Woche ist es im Büro endlich etwas ruhiger, aber noch lange nicht so ruhig wie sonst um diese Zeit.
Wir sind auch diese Woche nur mit der Auflösung von Schwiegermutters Haushalt beschäftigt gewesen. Sonntag waren ich so fertig, dass ich meine Kamera verlor und Feinwäsche bei 60 Grad wusch, jetzt neue Büro-Kladage brauche (und wohl auch eine neue Kamera).
Das, was Schwiegermutter als "Sperrmüll" im Haus zurückließ, ist inzwischen gesichtet. Der wirkliche Sperrmüll wurde abgeholt. Alles andere sah der Gatte durch, sortierte rigoros aus, fuhr wiederholt zum Recyclinghof, und mietete dann kurz entschlossen einen weiteren Lagerraum an, denn aktuell wissen wir nicht, wohin mit den Koffern und Kisten, die Schwiegermutter als "Sperrmüll" zurückließ, deren Inhalt sie aber ganz sicher nicht entsorgt haben möchte. Es macht keinen Sinn, das alles jetzt in die neue Wohnung transportieren zu lassen, denn es sind noch nicht mal alle Umzugskisten ausgepackt.
Uns läuft die Zeit davon, denn die Übergabe des Hauses an die Käufer steht bevor, und aktuell wissen wir nicht, wo Schwiegermutter die dafür erforderlichen Unterlagen hat. Sie war in den letzten Wochen so verwirrt, dass sie überall sein können. Rund um das Haus ist auch noch einiges zu tun, und es ist noch nicht alles vom vermeintlichen Sperrmüll im Lager.
Während der Gatte gestern im Haus arbeitete, um sich abzulenken, kümmerte ich mich nach Feierabend aus den gleichen Gründen um Haushalt und Garten. Letzteren musste ich in den letzten Wochen sehr vernachlässigen. Der Mangold fiel den Schnecken zum Opfer; die Radieschen produzierten nur Kraut (ich verzichtete darauf, daraus Suppe, Pesto oder Salat zu machen), aber der Neuseeländer Spinat ist erntereif und kommt demnächst auf den Teller.
Das Kasseler Strünkchen braucht noch etwas - gerade zwei Pflanzen überlebten. Sie fielen ganz sicher nicht den Schnecken zum Opfer. Ich vermute eher, das zarte Grün schmeckte den Vögeln. Die Hortensie, die der Gatte schon aufgab, blüht prächtig. Die Pfingstrosen produzieren seit zwei, drei Jahren nur Grün und werden wohl entsorgt, mal schauen.
Die Engelskulptur mit Pflanzschale zog inzwischen aus Schwiegermutters Garten in unseren um und wartet darauf, bepflanzt zu werden. Drei Rosen, ein Apfelbäumchen, ein Vogelhäuschen und einiger Kleinkram muss noch umziehen. Für den Apfelbaum muss erst noch Platz geschaffen werden, aber dafür hat der Gatte jetzt keine Zeit. Das Bäumchen kommt also erst mal in einen Topf, bis zum Herbst. Wir hoffen, es übersteht das alles, denn der Zeitpunkt zum Verpflanzen ist gerade ungünstig, aber es geht halt nicht anders.
Und überhaupt: Momentan gibt es wichtigeres.
Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea - vielen Dank für's Sammeln! Über's Einkaufen und Kochen in der vergangenen Woche berichte ich in der Kombüse. Bleibt zu Hause, bleibt gesund, passt auf euch und eure Lieben auf.
Ich hoffe der Schwiegermutter geht es wieder besser. Für Angehörige ist es im Krankenhaus gerade nicht so schön. Aber das ändert sich bestimmt auch bald wieder.
AntwortenLöschenIch stelle es mir nicht besonders einfach vor, ein ganzes Haus aufzulösen.
Kopf hoch, ihr schafft das.
Andrea
Schwiegermutter ist inzwischen wieder einigermaßen auf dem Damm. Würde sie ihre Tabletten nehmen, ginge es ihr noch besser ... Wenigstens sind wieder Besucher in den Krankenhäusern zugelassen, wenngleich in dem bei uns nur 1 Besucher für 1 Stunde pro Tag. Aber wie viel schlimmer ist es, im Krankenhaus zu liegen und gar keinen Besuch bekommen zu dürfen?!
LöschenWir haben aus der (immer noch nicht abgeschlossenen) Haushaltsauflösung gelernt, dass wir zukünftig unsere Wohnung regelmäßig entrümpeln, denn so was will ich wenn wir mit Rentenbeginn umziehen nicht noch mal erleben.