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Samstag, 27. Februar 2021

Samstagsplausch KW 8/21: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten XLVIII

"Ich möchte auch geimpft werden", sagte der Gatte gestern leise und traurig, als in den Nachrichten berichtet wurde, dass Lehr- und Kitakräfte jetzt bei den Impfungen an der Reihe sind - vor den chronisch Kranken, die nur Ballast sind, bei denen die natürliche Auslese angewandt wird. Im Umfeld gibt es die obskure Situation, dass eine kerngesunde Zwanzigjährige vor ihrem schwer lungenkranken Vater geimpft wird - sie gilt als medizinisches Personal, weil sie im Nebenjob beim Tierarzt arbeitet. 

Ich freue mich über jeden, der geimpft ist. Es fällt mir trotzdem schwer, hinzunehmen, dass es ein normales Leben ab Sommer, wie es momentan von allen Seiten prognostiziert wird, für uns nicht geben wird. Wir werden uns monatelang weiterhin so gut wie möglich isolieren und beten müssen, dass weiterhin alles gut geht - bei steigenden Infektionszahlen und in dem Bewusstsein, dass die Gesunden geimpft sind, das Virus nur noch uns chronisch Kranke als Opfer findet, wir also keine Chance haben. 

Reisen, Kino, Kultur, Restaurants, Freunde treffen - nicht für uns. Wir haben keine Lobby, wir sind irrelevant. Wir kosten nur, belasten schon zu normalen Zeiten das Gesundheitssystem. Das freut sich über baldige Entlastung, wenn Corona die vulnerablen Gruppen aberntete und die gesunden Geimpften übrig bleiben. Survival of the Fittest, praktisch umgesetzt.  

Für uns gibt es keine Perspektive, aber es beruhigend, dass Tante geimpft und somit sicher ist, Schwiegermutter kommende Woche die zweite Impfung erhält und dann auch sicher ist, und Mudderns zumindest auf der Warteliste steht, inzwischen zur Impfung bereit ist. Der Gatte wird wöchentlich getestet, was jeden Monat einen dreistelligen Betrag kostet, aber ein bisschen Beruhigung gibt, denn er ist chronisch erkältet. Wenn der Test allerdings positiv sein sollte, ist es zu spät. Impfen wäre effektiver, nur: Chronisch Kranken werden ja nicht geimpft.  

Hier gilt seit mittlerweile 50 Wochen: Der Gatte und ich sind seit Mitte März 2020 weitgehend zu Hause. Unsere Kontakte sind auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Mütter. 

Der Gatte ist seit April 2020 in Kurzarbeit, arbeitet aktuell einmal in der Woche. Die Sorge um seinen Job macht ihm zu schaffen, ebenso wie seine Gesundheit. Inzwischen hat er angesichts seines Gesundheitszustandes auch eine Frühverrentung geprüft, aber das ist für ihn keine Lösung. Ein Lichtblick ist, dass er inzwischen körperlich wieder etwas belastbarer ist, seltener einen Stock braucht, seltener umkippt. 

Die Kurzarbeit können wir bislang ohne großartige finanzielle Einschränkungen wuppen, und insgesamt sind wir im Vergleich mit anderen ziemlich privilegiert, auch, weil mein Job sicher ist. Ich arbeite weiterhin einen Tag im echten Büro und vier Tage im Heimbüro, wenn nichts anderes anliegt. Diese Woche gab's reichlich Überstunden und zwei Interviews - normal für die Woche vor den Ferien, und doch ungewohnt, weil bisher nur normal für die Woche vor den Sommerferien. Aber ich wollte ja die Ausweitung meines Projektes und freue ich, dass es angenommen wird.

Zu den schönen Momenten gehörte, dass ich eine Kollegin wiedersah, die ich ein halbes Jahr nicht mehr sah, weil wir unterschiedliche Präsenztage haben. Sie schiebt auch Impffrust, und im wöchentlichen Teammeeting zeigte sich, dass es vielen Kollegen so geht, die entweder selbst chronisch krank oder Kontaktperson zu chronisch Kranken sind. Uns allen macht zu schaffen, dass es keine Impfperspektive gibt, insbesondere den Kolleginnen mit Kindern, die in zwei Wochen wieder zur Schule gehen werden. 

Den Februar-Frühling haben wir richtig genossen! Wir waren mit Schwiegermutter im Hirschpark, saßen dort lange auf einer Bank und klönten. Der Gatte war zurecht stolz auf sich, denn endlich wieder den Fußweg in den Hirschpark zu schaffen, war seit der Entlassung aus dem Krankenhaus sein Ziel, und das schaffte er diese Woche! 

Ich kann endlich wieder barfuß laufen, und der Gatte schaffte die vielen Pfandkisten vom Balkon, so dass wir da jetzt beide sitzen können. Da gab's natürlich auch schon wieder die erste Teezeit auf dem Balkon. Stiefmütterchen und Kräuter stehen bereit zum Einpflanzen, und wenn dann auch noch gefeudelt wurde, ist der Balkon schon mal wieder hübsch. Vom Balkon und vom Arbeitszimmer aus blicke ich aktuell übrigens auf eine Krokuswiese - wunderschön. 

Bei Tantes Dackel erwachten mit dem Frühling auch wieder die Lebensgeister: Es gibt so viel zu schnuppern! Tante geht's gut, und Schwiegermutter und sie hoffen, sich im Mai nach einem Jahr endlich  wiederzusehen. Beiden macht die Isolation zu schaffen, wenngleich Schwiegermutter zumindest Kontakt zu den Nachbarn in der Seniorenwohnanlage hat, während Tante alleine wohnt. Mudderns ist wie ausgewechselt, läuft wieder alle zwei Tage ins Städtchen, um Besorgungen zu machen. 

Der Gatte und ich hatten 19. Hochzeitstag. Normalerweise wären wir diese Woche in Dänemark gewesen, aber das geht ja nicht. Auch Essengehen ist nicht. Wir hatten erst überlegt, etwas aus einem italienischen Restaurant zu holen, aber der Hochzeitstag war an dem Wochentag, an dem wir beide im echten Büro arbeiten, und wussten, dass da abends niemand Lust haben wird, nochmal die Wohnung zu verlassen (hier am Stadtrand liefern keine Restaurants, nur Imbisse, und das war uns zu sehr Alltag). Also gab's unser Sonntagsessen: Steaks, gegrillt.

Eine traurige Nachricht gibt's auch: Eine langjährige Freundin von Schwiegermutter verstarb. Sie war krebskrank und schon lange im Hospiz. Durch Corona konnte Schwiegermutter sie da schon lange nicht mehr besuchen. Weihnachten konnten sie zuletzt telefonieren, dann war das nicht mehr möglich, konnte Schwiegermutter nur noch mit den Hospizschwestern sprechen. Schwiegermutter fühlt sich einmal mehr alleine. Wenn's erlaubt ist, werden wir sie zur Beerdigung begleiten. Die Freundin wird übrigens nicht im Familiengrab des Clans neben ihrem Mann beigesetzt - als zweite Ehefrau, zudem noch in einfachen Verhältnissen aufgewachsen, entspricht sie nicht dem Niveau des Blankeneser Adels.   

Ansonsten schwinden meine Sockenwollreste dahin, entsteht immer mehr für die Wooligans. Langsam kann ich das erste Päckchen losschicken. Außerdem habe ich die Hälfte der Grappa-Krimi-Reihe* zusammengekauft und bin beim dritten Band. Es macht Spaß, zu sehen, wie sich die Reihe entwickelt. 

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Einkaufen und Kochen berichte ich in der Kombüse.

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