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Samstag, 19. November 2022

Samstagsplausch KW 46/22: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CXL

Trubel hatte ich diese Woche wieder reichlich, allerdings weniger inspirierenden als in der Woche davor.

Sonnabend fuhr ich dem Gatten ins alt-neue Haus hinterher und nutzte das gute Wetter, um im Garten weiterzuarbeiten. Ich habe jetzt fast alles geschafft, was ich machen kann. Für den Rest brauchen wir einen Gärtner, der eine überwachsene Terrasse freilegt, Bäume kappt, einen Asbestschuppen entsorgt, Flächen für Fahrradschuppen und Gewächshaus vorbereitet, den vermaledeiten Kirschlorbeer im Vorgarten entfernt und so weiter. Ein bisschen Grünabfall werde ich bei der kommenden Abholung entsorgen, weil wir noch dafür gekaufte Abfallsäcke haben, aber dann war's das erstmal. 

Vom alt-neuen Haus können wir mehr als nur ein Stückchen Himmel sehen.

Sonntag traf ich mich wie jede Woche mit Mudderns. Mit viel gutem Zureden schafften wir den Weg zum 700 Meter entfernten Bäcker zu Fuß hin und zurück. Es ist ein anderer Bäcker als sonst, aber der übliche wäre zu weit weg, um zu Fuß zu gehen. Ich bin mir nicht sicher, ob Mudderns wirklich so schlecht gehen kann oder bei mir nur Spielchen spielt, denn mit ihrer Gesellschafterin schafft sie weitere Wege.

Als ich Mudderns abholte, sah ich im Foyer eine Kondolenzanzeige für die Dame, mit der sie sich drei Wochen ein Zimmer teilte. Als ich einer Pflegerin gegenüber mein Beileid ausdrückte und sagte, wir hätten den Eindruck gehabt, die Dame hätte keine Angehörigen, war die Antwort, der Tod wäre eine Erlösung gewesen, und die Dame habe gar nichts gehabt - eine Mahnung an die Gatten und mich, rechtzeitig Vorkehrungen zu treffen, denn als Kinderlose wird da später auch niemand sein, der sich um uns kümmert.

Montag führte ich ein weiteres Gespräch über den Baukredit, in der Hoffnung, ihn im Laufe der Woche unter Dach und Fach zu bekommen. Den Rest der Woche war ich damit beschäftigt, alle Unterlagen noch einmal einzureichen und neue Unterlagen zu besorgen, denn der neue Bankmensch hatte keinen Zugriff auf alle Unterlagen der ursprünglichen Sachbearbeiterin, die langzeiterkrankte. Mittwoch dachte ich, ich hätte alle Unterlagen zusammen, sah es aus, als könne kommenden Montag endlich der Kredit abgeschlossen werden, aber Donnerstag meldete sich ein weiterer Sachbearbeiter: Sein Kollege ist im Krankenhaus ... Wenigstens müssen vorerst keine neuen Unterlagen eingereicht werden, weil die Bank noch prüft, und mit jedem neuen Sachbearbeiter wurden die Kreditzinsen günstiger, so dass wir jetzt fast wieder beim Ausgangszins von vor neun Wochen sind. Mein Umfeld meint zudem, ich solle mir keine Sorgen machen, den Kredit bekäme ich sicher, schließlich arbeite ich im öffentlichen Dienst, aber nach Jahrzehnten prekärer Beschäftigung bin ich da wenig gelassen. Da wir aber für den größten Teil eine Zwischenfinanzierung haben, könnte ich noch ein paar Sachbearbeiterwechsel mitmachen, wenn das bedeutet, dass jedes Mal der Zins sinkt ...

Hier gilt seit mittlerweile 140 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Es geht uns vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich es mir die Wesensveränderungen des Gatten seit seiner Erkrankung schwer machen. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird. Er ist inzwischen schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Mütter und seit Beginn der Sanierung des alt-neuen Hauses Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona uns bislang verschonte. Wir sind natürlich geimpft, aber angesichts unserer Vorerkrankungen ist trotz Impfung eine Corona-Infektion wenig ratsam. Angesichts der steigenden Infektionszahlen ist sie aber unvermeidbar, und ich kann nur hoffen, dass es uns dann nicht zu hart trifft.

Seit Montag klagen die Kollegen über kalte Büros, denn bei uns ist die Temperatur auf 19 Grad gedrosselt. Eine Kollegin kam auf die Idee, einen alten mobilen Heizkörper aus dem Lager zu holen und anzuschließen - Zack, Strom- und Netzwerkausfall auf der halben Etage! Eine Folge des Energiesparens ist, dass die Bürotüren geschlossen sind - ein ungewohntes Bild. Meine bleibt offen, denn ich fror schon immer im Büro, habe seit jeher Strickjacke und Decke da. Vermutlich erwische ich immer die Büros, in denen es zieht.

Donnerstag rief mich Mudderns Pflegeheim an: Meine Mutter habe mehrfach Mitbewohner und Mitarbeiterinnen verbal angegriffen, und ich solle bitte darauf einwirken, dass sie das lässt. Sonst sei die Konsequenz, dass sie nicht mehr im Speisesaal essen dürfe. Dass ich auf meine Mutter einwirken kann, ist ein guter Witz. Auf mich hört Mudderns am wenigsten. Ich habe ihre Gesellschafterin gebeten, zu intervenieren, denn auf sie hört meine Mutter - gelegentlich. Mudderns hat schlichtweg keine Lust, im Pflegeheim zu sein, glaubt hartnäckig, dass sie noch alleine leben kann, deutete auch schon mal an, sie wolle zu uns ziehen, wenn das alt-neue Haus fertig sei, und begreift nicht, dass sie es sich mit ihrem Verhalten nur selbst schwer macht. Ich kann verstehen, dass es schwer ist, sich mit der Realität zu arrangieren, denn ein Leben im Pflegeheim kam nie in ihrem Lebensentwurf vor, aber es nützt ja nichts. Jegliche mögliche Alternative wie 24-Stunden-Betreuung oder ein Treppenlift lehnte Mudderns ab, und ich werde ganz sicher nicht meinen Beruf aufgeben und den Gatten verlassen, um meine Mutter zu pflegen, so sehr sie es sich auch wünscht. Wir fragen uns schon länger, ob Mudderns sich bewusst so aggressiv verhält oder ob sie das gar nicht mehr wahrnimmt. Misstrauisch macht, dass sie sich gegenüber ihrer Gesellschafterin angemessen verhält. 

Donnerstag fuhren wir ins alt-neue Haus, denn inzwischen haben wir dort Internet, kann ich von dort aus arbeiten. Für mich war's schwierig, nur am Wochenende dort zu sein, weil ich dann mit meinem Anteil an den Renovierungen nicht voran kam. Bislang kam ich sonnabends mittags, musste mit lauten Arbeiten die Mittagszeit abwarten, und sonntags sind keine lauten Arbeiten möglich, konnte ich kaum arbeiten, weil ich mich mittags mit Mudderns traf, dann nach Hamburg zurück musste. So war ich außer mit dem Garten im Wesentlichen mit Räumen und Putzen beschäftigt, denn Wändestreichen machte keinen Sinn, solange noch staubige Arbeiten gemacht wurden. Jetzt haben ich nach jedem Arbeitstag etwa vier Stunden für laute Arbeiten, konnte endlich damit anfangen, die Türen abzuschleifen, wobei mich der Multischleifer irre macht. Der Staubfangsack klemmt so fest, dass er sich nicht lösen lässt, sitzt aber gleichzeitig so locker, dass er mir irgendwann während des Schleifens um die Ohren fliegt. Jetzt scheinen aber auch die staubigen Arbeiten der Baubrigade abgeschlossen zu sein, denn Fliesen oder das Auswechseln der WCs sollte eigentlich keinen Staub machen. Immerhin ist schon eine von sechs Türen geschliffen, werde ich heute die zweite schleifen und mit dem Lackieren anfangen. Wenn ich gut in der Zeit bin, kann ich auch schon anfangen, die erste Wand zu streichen. Weiterer Vorteil, wenn ich vier Tage am Stück im alt-neuen Haus bin: Ich kann sonnabends mit dem Gatten auf den Wochenmarkt.

Die Bauarbeiten gehen weiter sehr langsam voran. Der Schutthaufen vor dem Haus war vorgestern weg. Im Keller sind inzwischen alle drei Fenster eingebaut, ist das Urinal montiert und funktioniert. Bei einem Fenster fehlt der Griff, mal gucken, wann der kommt. Das gehört zu dem, was wir an der Arbeitsweise der Baubrigade nicht verstehen. Warum macht sie halbe Sachen? Warum schafft sie es, binnen drei Stunden Zu- und Abwasserleitung für ein Urinal zu legen und das Urinal zu montieren, klappt es aber nicht, in neun Wochen zwei WCs mit Spülkästen auszuwechseln?

Kommende Woche soll das Bad gefliest werden, wobei der Bauunternehmer erneut über die Bodenfliesen diskutiert - eigentlich war der Punkt schon abgehakt. Auf die Milchglasscheiben für das Balkongeländer warten wir seit inzwischen neun Wochen, weil sie nicht lieferbar sind, obwohl doch weiland das komplette Geländer über's Wochenende kommen sollte, und das Geländer ist auch nur provisorisch angebracht. Von Außensteckdosen und neuen WCs ist noch nichts zu sehen. 

Extrem genervt sind wir, weil immer wieder Dinge aus dem Haus verschwinden, Erinnerungsstücke, Geschirr, Besteck, Taschenlampen und Werkzeuge. Da außer uns und der Baubrigade niemand Zutritt zum Haus hat, liegt der Verdacht nahe, es könne die Baubrigade sein. Wir erwägen, Kameras zu montieren.

Immerhin habe ich gestern kurz den Bauunternehmer gesehen, und als ich ansprach, dass wir kein warmes Wasser haben, weil der Durchlauferhitzer fehlt, guckte er, als dächte er "Mist, sie haben's gemerkt!" Mal schauen, wann alles fertig ist - sehr sicher nicht zum 30. November, der von uns gesetzten Frist. Ursprünglich sollte ja alles schon seit Ende September fertig sein. Immerhin haben der Gatte und ich inzwischen eine Flasche Champagner getrunken, weil das Haus ja jetzt offiziell mir gehört. Die nächste gibt es, wenn der Baukredit bewilligt wurde, und wenn die Baubrigade tatsächlich irgendwann fertig ist, feiern wir.

Schwiegermutter und Tante geht's soweit gut. Sorgen macht die aufgehobene Isolationspflicht für Corona-Infizierte in Bayern, wo Tante lebt. Wir sind von der in Schleswig-Holstein betroffen, denn es gibt ja viele Pendler. Da die Infektionszahlen kaum noch erfasst werden, werden sie kaum steigen, und Risikogruppen sind ja ohnehin egal. Wir sind Ballastexistenzen. 

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.

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