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Samstag, 22. Juli 2023

Samstagsplausch KW 29/23: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CLXXV

Diese Woche war für unsere Verhältnisse vergleichsweise ruhig. Ich hatte zwei Urlaubstage, weil meine Mutter ihren 85. Geburtstag gefeiert hätte und beigesetzt werden sollte, aber ich hatte keine Kraft für die Beisetzung und verschob sie kurzerhand. Bei der Beisetzung wären nur der Gatte und ich anwesend, da ging das problemlos. So waren wir zur Abwechslung mal eine Woche am Stück in Hamburg, konnte ich an zwei Tagen ausschlafen, zig Maschinen Wäsche waschen, einen Kuchen backen, allerlei Papierkram erledigen, musste nicht ständig auf die Uhr gucken und mich hetzen. Das tat gut, wenngleich ich bei solchen Gelegenheiten immer wieder merke, wie erschöpft ich bin und mich irgendwann vor Erschöpfung kaum noch rühren kann. An durchgetakteten Tagen ist kein Raum für Erschöpfung, da funktioniere ich einfach. Ist der Takt weg, habe ich Zeit zum Nachdenken, klappe ich zusammen. 

Im verwilderten Garten der Wohnung blühen die Lilien üppig und duften betörend.

Der Plan für heute ist, endlich mal wieder die Wohnung richtig durchzuputzen. 

Noch mehr Lilien.

Morgen geht's auf die Baustelle, und das wird richtig spannend: Während wir die Woche über in Hamburg waren, arbeitete der Maler in Treppenhäusern, Flur, Windfang und Küche. Als ich Montag Abend fuhr, hatte er die Treppenstufen schon freigelegt und geschliffen. Inzwischen sollte statt in dunklem Holz alles weiß mit anthrazitfarbenen Akzenten sein. Damit die Stufen nicht zur Rutsche für den Gatten werden, muss ich als erstes Stufenmatten verlegen. Die sind zum Glück schon da. 

So üppig blühten die Lilien noch nie.

Der Tischler kam Montag zum Ortstermin, und jetzt warten wir auf die Kostenvoranschläge für Schwingfenster, Haus- und Nebeneingangstür. Die klemmenden Tür zu Terrasse und Balkon waren schnell repariert: Sie brauchen nur Fett. Wir wussten nicht, dass sie jährlich geölt werden müssen, und Mudderns machte das ganz sicher nicht. Der Tischler fragte nach Butter, ich gab ihm WD-40 - die Butter war schon im Kühlschrank und hart. Morgen werde ich dann mal alle Scharniere ölen. Bei den defekten Fenstergriffen schlug er vor, sie im Baumarkt zu kaufen und selbst zu ersetzen, und generell meinte er zu den Fenstern, dass es kein Luxus wäre, die zu erneuern, dass es seiner Meinung nach aber keine hohe Priorität hätte, wenn wir damit leben können, dass es etwas zieht. Nur sollten wir auf keinen Fall neue Scheiben einsetzen, sondern lieber gleich neue Fenster. Das sieht der Glaser natürlich anders, aber wir lassen uns Zeit, bis wir so weit sind, das Thema energetische Sanierung anzugehen. Perspektivisch müssen wir ohnehin das Haus von Energieeffizienzklasse F auf D bringen.

Der Gärtner kämpft sich von Baumwurzel zu Baumwurzel und ist schon so weit, dass man das Fundament erahnt. Es kommt Rechnung um Rechnung; das ganze Projekt wird teurer als geplant. Nur: Nützt ja nichts. Die ersten Zäune sind weg, was heißt, dass wir das Haus mittels der Rollläden wieder zu Fort Knox machen, um Einbruchsversuche zu vereiteln - es gab da ja einige komische Vorkommnisse. 

Für den Gatten ist es sehr schwer mit anzusehen, wie die Handwerker werkeln, weil er bis vor drei Jahren noch in der Lage gewesen wäre, die Arbeiten selbst auszuführen. Er sieht nur, was er alles nicht mehr kann, kann nicht genießen, dass andere ihm die Arbeit abnehmen, sieht nicht, was er mit seinen Einschränkungen alles noch schafft. Ich habe nicht die Kraft, ihn aus diesem Dauertief zu holen. Dafür hätte es spätestens nach dem Schlaganfall im Januar eine Reha gebraucht, aber die wurde ihm ja verwehrt, da er verrentet ist.  

Hier gilt seit mittlerweile 175 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Es geht uns vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich es momentan mal wieder etwas hakt, weil der Gatte abwechselnd über- und unterfordert ist. Da ich einfach nur überfordert bin, keine Entlastung bekomme, kracht es oft. Es ist schwer, mit dem Gatten Absprachen zu treffen. Er vergisst viel, und oft hat das, was wir morgens besprachen, mittags keine Gültigkeit mehr. Ich bräuchte Verlässlichkeit, aber die gibt es nicht. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird. Er ist inzwischen schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona uns bislang verschonte und hoffe sehr, das bleibt so. 

Corona wurde ja für beendet erklärt. Unabhängig davon gibt es immer wieder Corona-Fälle im Umfeld, aktuell unter den Handwerkern. Zufällig stolperte ich diese Woche darüber, dass noch immer Corona-Zahlen erfasst werden - allerdings mit hoher Dunkelziffer, denn die wenigsten, die "erkältet" sind, testen sich. So gab es in Hamburg im ersten Halbjahr offiziell 15.000 Corona-Fälle - nicht viel im Vergleich zum Vorjahr, aber immer noch zehn Mal so viele wie an Influenza-Fällen. Corona ist weiterhin die mit Abstand verbreiteteste Infektionskrankheit, und ich trage dementsprechend weiterhin Maske, wenn ich in Menschenmengen und in geschlossenen Räumen bin, teste mich regelmäßig, vor allem, wenn's im Umfeld mal wieder einen positiven Kontakt gab.

Da ich auf meinen Anfang Mai gestellten Reha-Antrag bislang nichts hörte, gehe ich davon aus, dass er abgelehnt wurde. Selbst von der bewilligten dreitägigen ambulanten Reha hörte ich nichts mehr. Am letzten Wochenende ging es mir so schlecht, dass ich beschloss, irgendwie bis zum Umzug durchzuhalten und dann Kassensturz zu machen, um zu gucken, ob ich mir eine sofortige Verrentung leisten kann. Dann lasse ich mich beim SoVD beraten und versuche, in die Erwerbsunfähigkeitsrente zu gehen. Ich sehe keine Alternative mehr. Ich bin schon wieder in der Phase, in der ich nicht ruhig auf einem Stuhl sitzen kann, weil alles Karussell fährt. Mir ist oft schwindelig, ich gehe gerne zu Boden, alles dreht sich. Bei der Abfrage der Burn-Out-Symptome knacke ich den Highscore. 

Eigentlich hätte ich gerne im kommenden Jahr das 55jährige Jubiläum meines Mammutprojekts gefeiert, noch lieber würde ich bis zum 60jährigen Jubiläum durchhalten, aber ich kann einfach nicht mehr. Ohne die Möglichkeit, zu Hause zu arbeiten und ohne die Ruhe in der Corona-Hochzeit wäre ich schon viel früher ausgefallen. Im Mammutprojekt ist es zum Glück einigermaßen ruhig, kein Vergleich mit den ersten drei Corona-Jahren. Aber es ist ziemlich chaotisch, und ich fürchte, meine Vertretung hat deswegen viel zu tun.

Diese Woche kam der Steuerbescheid für das letzte Jahr. Mein Heimbüro wurde anerkannt, wir bekamen eine Rückzahlung! Das ist gut, denn wir werden im Haus für Wasser und Strom kräftig nachzahlen müssen. Jetzt kann ich auch versuchen, die Zuzahlungen, die der Gatte für seine Medikamente leisten muss, von der Krankenkasse erstattet zu bekommen. Ich vermute, das klappt aufgrund meines Einkommens nicht, aber ich blicke da nicht durch. Kann es sein, dass jede Krankenkasse ein anderes System hat? Bei Mudderns war es jedenfalls einfacher. Beim Erbschein bin ich noch nicht weiter, bei der Erbschaftssteuer natürlich auch nicht, aber bis der Bescheid da ist, wird es ohnehin dauern. 

Das Pflegeheim hat die Kosten für Mai noch immer nicht erstattet - der Betrag war ja abgebucht worden, bevor Mudderns starb. Da das Heim weder auf Anrufe noch auf Mails reagiert, habe ich die Angelegenheit an unseren Anwalt abgegeben. Vermutlich wäre es schlau gewesen, die Lastschrift zu widerrufen, nachdem der Bescheid über die Erstattung kam, aber ich rechnete nicht damit, dass das Heim nicht mehr erreichbar ist. Natürlich könnte ich dort vorbeigehen, sind ja nur 200 m, aber ich bezweifle, dass das etwas bringt. 

Mudderns erster Geburtstag ohne sie war sehr merkwürdig. Ich dachte oft an ihren vorletzten Geburtstag zurück, als wir versuchten, mit ihr einen schönen Ausflug zu machen, was sie aber schon völlig überforderte. Im letzten Jahr war sie schon seit zwei Wochen im Pflegeheim. Es hatte den Anschein, dass sie sich dort gut einlebt, aber beim Ausflug anlässlich ihres Geburtstags war sie auch vollkommen überfordert. In diesem Jahr war ich bei aller Trauer sehr entspannt: Niemand setzte mich mit unerfüllbaren Erwartungen unter Druck, es gab kein Geschrei. Dennoch: Natürlich fehlt mir meine Mutter.

Schwiegermutter geht es gut, so gut, dass der Gatte sogar den letzten Besuch bei ihr erträglich fand, weil es kaum Beleidigungen oder Aggressionen gab. Sie wird aber sehr, sehr eigen, und wir sind froh, dass sie im Betreuten Wohnen lebt. Früher wäre sie ohne mit der Wimper zu zucken mit dem Taxi zum Arzt gefahren, jetzt besteht sie darauf, den Bus nehmen zu müssen, und war aufgrund einer Umleitung ganze zweieinhalb Stunden unterwegs! Das wäre zu vermeiden gewesen, nicht nur mit einem Taxi, sondern auch mit einer aktuellen Fahrplanauskunft, für die die Damen an der Rezeption gesorgt hätten, aber da Schwiegermutter alles besser weiß, fragt sie natürlich nicht. Sie hat auch schon angekündigt, uns im Haus besuchen zu wollen, was spannend wird, da sie der Meinung ist, sie könne direkt mit der S1 von Klein Flottbek nach Buchholz durchfahren ... So schön es ist, dass sie sich um jeden Preis ihre Selbstständigkeit bewahren möchte: Im Taxi wäre sie besser aufgehoben. Wir müssen mal gucken, wie wir sie möglichst bald ins Haus und wieder zurück bekommen, denn natürlich möchte sie sehen, was sich seit Weihnachten tat. 

Tante geht's nicht so gut. Sie hat endlich eine Erklärung für die unerträglichen Schmerzen, die sie seit Langem plagen: Eine Prothese drückt auf einen Nerv! Während ihr Arzt bisher meinte, in ihrem Alter lohne sich eine OP nicht mehr, besteht der Neurologe, der die Ursache herausfand, auf sofortige OP. Schwiegermutter riet ihr zu, und wir hoffen, Tante übersteht die OP gut und ohne Delir. 

Es ist erschreckend, wie CDU/CSU die Koalition mit der AfD vorbereiten, unterstützt von der Bild-"Zeitung". Faschismus wird Normalität. Das hatten wir doch schon mal. 

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse - diesmal mit Bild der Baustellenküche bzw. dem, was davon übrig ist.

1 Kommentar:

  1. Totale Erschöpfung, tiefe Trauer, 2 Jahre Begleitung etc. Leider zu wenig Arztbesuche, ich kann ja alles ambulant machen. ReHa-Antrag zum zweiten Mal abgelehnt. Ich bin begeistert. Und ich muss noch ein paar Jahre. Ich frage mich, warum der Rentenversicherer Werbung für Prävention macht.
    Pflegeheim: ich habe auch lange auf die Erstattung warten müssen. Schuld war aber die nicht erfolgte Abrechnung durch die KK (drei Buchstaben in Orange). Das Pflegeheim hatte Mitleid und mir das Geld ausgezahlt. Ich drücke Dir die Daumen.

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Kommentare von Corona-Leugner, Quer- und anderen Nicht-Denkern, Wahnwichteln, Das-ist-doch-nur-ne-Grippe-Schwurblern, Wir-haben-genug-freie-Intensivbetten-Rufern und ähnlichen Düffeldaffeln werden gelöscht.