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Sonntag, 8. September 2024

Samstagsplausch KW 36/24: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCXXXIV

Aktuell übe ich Entschleunigen. Ich habe so viele Stressfolgeerkrankunegn, dass es auf keine Kuhhaut mehr geht. Entschleunigen ist schwer, denn mein tägliches Pensum wird ja nicht weniger. So reichte denn auch diese Woche mal wieder für mehrere.

Diese Woche war eine Gutachterin vom Medizinischen Dienst da. Sie nahm sich anderthalb Stunden Zeit. In etwa drei Wochen erfahren wir, ob die Einschränkungen des Gatte für einen Pflegegrad reichen. Die Gutachterin war entgeistert, dass der Gatte weder nach der Herzerkrankung noch nach dem Schlaganfall eine Reha bekam, und fragte zwei Mal nach, ob der Gatte jetzt noch eine Reha machen würde. Es wäre so schön, wenn er endlich eine Reha bekäme, um zumindest den Status Quo zu erhalten!

Über dieses Wochenende waren wir in Travemünde, um Schwiegermutter und Tante zu besuchen. Das war anstrengend, aber der wunderbare Blick aus unserem Hotelzimmer entschädigte für manches. 

Blick vom Hotelbalkon über die nächtliche Travemünder Bucht.

Wir nutzten die gemeinsame Zeit, um mit den Damen zu besprechen, wie der Weihnachtsbesuch ablaufen soll, denn Tante soll möglichst wenig Arbeit haben. Hoffentlich torpediert Schwiegermutter nicht alle Absprachen, auch, weil alles, was Tante bietet, ihr nicht gut genug ist. Mit Schwiegermutter etwas abzumachen, ist kaum noch möglich. Sie ist das beste Beispiel dafür, dass fehlende Sehkraft und fehlendes Hörvermögen Demenz begünstigen. Aktuell ist allerdings Tante da, hat sie jemanden, den sie permanent heruntermachen kann. So klagte mir denn auch Tante ihr Leid und freute sich, dass ich mich immer wieder zu ihr setzte, um sie aus Schwiegermutter Schussfeld zu nehmen. Mir wiederum tut Tantes einfühlsame Art gut. Der Gatte und ich verbringen beide gerne Zeit mit Tante und überlegten schon, sie notfalls alleine, also ohne Schwiegermutter, über Weihnachten zu besuchen. 

Dieses Wochenende war Stadtfest in der lindgrünen Hölle, und nachdem der Gatte es in den letzten beiden Jahren verpasste, wollte er dieses Wochenende unbedingt hin. Wir waren also Freitag zum Auftakt und heute zum Abschluss dort. Das Stadtfest ist wirklich nett, denn es nicht einfach nur ein Jahrmarkt, sondern gibt auch allen Vereinen die Gelegenheit, sich vorzustellen. Der Gatte möchte gerne Rehasport machen, eine Anregung der Gutachterin des Medizinischen Dienstes, und guckte sich auf dem Stadtfest entsprechend um. Erstmal brauchen wir dafür aber das Okay der Kardiologin und eine Verordnung. Das wird also vor Anfang kommenden Jahres nichts. 

Das Stadtfest war für mich auch ein Ausflug in die Kindheit, die von außen betrachtet paradiesisch anmutete: Auf jedem Schützen- oder Stadtfest durfte ich so viel Karussell fahren wie ich wollte, denn viele Schausteller waren Mandanten meines Vaters. Außerdem bekam ich dänisches Pommes und dänisches Softeis satt, konnte in jeden Kinofilm, den ich sehen wollte, selbst, wenn die Vorstellung ausverkauft war, denn auch Imbiss- und Kinobetreiber waren Mandanten meines Vaters. Wie die Kindheit hinter den Kulissen aussah, sah kaum jemand. 

Ich war seit 40 Jahren wieder auf dem Stadtfest, denn ich widersetzte mich dem Credo, dass man zum Stadtfest zurückkommt. Ich weiß, dass viele ehemalige Mitschülerinnen und Mitschüler das wirklich ernst nehmen. Getroffen habe ich zum Glück niemanden von ihnen. Wir trafen allerdings die Eltern einer Sandkastenfreundin, und das war wirklich schön! Ihre Mutter ist sehr gebrechlich und dement, was dazu führte, dass ihr Vater eine unglaubliche Wandlung durchmachte: Plötzlich kümmert er sich liebevoll um seine Frau, erledigt den Haushalst, ist darauf bedacht, dass es ihr gut geht! Das ist so schön zu sehen! Bis dahin war er ein typischer Patriarch, der keinen Finger im Haushalt rührte. Der Gatte und ich passten kurz auf die Mutter auf, während der Vater Schmalzgebäck für den Kaffee zu Hause holte.

Kommende Woche mache ich ein paar Tage Urlaub mit einer Blog-Freundin in Dänemark. Wir wollen zu Fanø Strik. Der Gatte bleibt zu Hause, was mir Sorgen macht, denn es bedeutet, dass er sechs Tage lang keine Tabletten nimmt, sich nicht um seinen Blutzucker kümmert. Er bekommt das beides nur noch hin, wenn jemand daneben steht. Es reicht auch nicht mehr, ihn anzurufen und an die Einnahme etc. zu erinnern. Natürlich hätte es die Möglichkeit gegeben, einen Pflegedienst zu beauftragen, drei Mal am Tag nach ihm zu schauen, aber das lehnt er vehement ab. So muss ich einmal mehr damit leben, dass ich nicht weiß, in welchem Zustand ich ihn nach sechs Tagen wiederfinde. 

Übrigens hülfe auch kein Notrufknopf. Zum einen lehnt der Gatte den vehement ab, zum zweiten ist er in akuten Situationen nicht mehr in der Lage, einen Notruf auszulösen, zum dritten ist der Notruf hier im Landkreis Harburg so organisiert, dass erst die Pflegeperson alarmiert wird, nicht der Rettungsdienst. Heißt, ich müsste kommende Woche im Ernstfall 350 km fahren, nach dem Gatten gucken, und erst, wenn ich dann zu dem Ergebnis komme, dass es wirklich ein medizinischer Notfall ist, wenn ich mich verpflichte, die Kosten für den Einsatz zu übernehmen, wenn es keiner ist, wird der Rettungsdienst losgeschickt. In Hamburg war es so, dass ein RTW kam, spätestens, wenn die Person nicht auf Ansprache reagiert. Im Landkreis Harburg lässt man im Notfall lieber einen Menschen sterben als womöglich einmal umsonst einen RTW zu schicken. 

Ich kann also nur hoffen und beten, dass der Gatte die Zeit ohne mich übersteht, und mache mir damit Mut, dass er ja auch die fünf Wochen, die ich zur Reha war, überstand. Nur: Vor einem halben Jahr war er noch deutlich besser beieinander.   

Ich lese gerade ein sehr tröstliches Buch: "Der heutige Tag: Ein Stundenbuch der Liebe*" von Helga Schubert*. Schubert erzählt vom Leben mit ihrem Mann, mit dem sie seit über fünfzig Jahre zusammen ist. Doch nun ist der Mann schwer krank. Lange schon wird er palliativ umsorgt; und so wird der Radius des Paares immer eingeschränkter, der Besuch seltener, die Abhängigkeit voneinander größer. Das Buch ist wie eine wärmende Umarmung, zeigt es doch, wie ein Paar auch unter diesen Bedingungen ein Paar bleiben kann. Es macht mir Mut und bestärkt mich auf meinem Weg.

Hier gilt seit mittlerweile 234 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall. Er ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Es geht uns dennoch vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich die Erkrankungen und der Schlaganfall des Gatten zu Wesensveränderungen führten, die ein Zusammenleben manchmal sehr schwer machen. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona bislang Gatten, Schwiegermutter und Tante verschonte und hoffe sehr, das bleibt so.  

Im Büro sollten diese Woche unsere Telefone auf Computertelefonie umgestellt werden, ohne dass wir Headsets haben. Einen Tag vor der Umstellung befand dann auch die IT, dass das eine blöde Idee ist. Wir haben also neue Telefonnummern, die wir auch erst final nach der Umstellung erfuhren (sie änderten sich im Laufe des Umstellungstages mehrfach), telefonieren aber weiterhin mit dem klassischen Telefon. 

Ansonsten gibt es im Umfeld wieder reichlich Corona-Fälle, auch im Büro. Ich trage wieder öfter Maske. Mein Impftermin ist schließlich erst in zwei Wochen.

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.

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1 Kommentar:

  1. Britta aka moana679. September 2024 um 07:09

    Ich wünsche dir sehr, dass zu Hause alles ruhig bleibt und du ein paar Tage abschalten kannst. <3

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Kommentare von Corona-Leugner, Quer- und anderen Nicht-Denkern, Wahnwichteln, Das-ist-doch-nur-ne-Grippe-Schwurblern, Wir-haben-genug-freie-Intensivbetten-Rufern und ähnlichen Düffeldaffeln werden gelöscht.