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Montag, 10. Dezember 2018

Stolperstein für Leopold Simonsohn in der Ebertallee 201

Montags gegen Nazis.
Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesenAlle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst. Aktuell pausiert das blau-braune Pack.

Der Stolperstein für Leopold Simonsohn in der Ebertallee 201.
Meine Buslinie fährt zurzeit Slalom um die Bahrenfelder Trabrennbahn, und so fand ich beim Umsteigen diesen Stolperstein für Leopold Simonsohn. Er starb heute vor 79 Jahren an den Folgen der KZ-Haft.

Der 1883 geborene Simonsohn stammt aus einer jüdischen Berliner Kaufmannsfamilie, ist aber christlich getauft. Mit 15 Jahren bricht Simonsohn aus der Familie aus, um zur See zu fahren. Er arbeitet sich hoch zum Nautiker und Dritten Offizier.

1911 heiratet Simonsohn die nichtjüdische Altonaerin Bertha Brammann. Das Paar bleibt kinderlos und adoptiert 1922 den nichtjüdischen dreijährigen Wilhelm. Die Familie lebt erst in Groß Flottbek, um dann in einen Neubau in der Steenkampsiedlung umzuziehen, eine Gartenstadt, die für Kriegsheimkehrer und Familie mit geringem Einkommen erbaut wurde.

Simonsohn kämpft in verschiedenen Kriegen auf vielen Erdteilen und erhält noch 1935 das "Frontkämpferkreuz" für seinen Einsatz im Ersten Weltkrieg. Seine politische Einstellung ist deutschnational und konservativ, im Gegensatz zur roten Gesinnung der meisten Steenkamper. Dafür kassierte Sohn Wilhelm Prügel, hängt doch aus er Dachluke  des Hauses schon mal die Reichskriegsflagge.

Die Häuserzeile, in der einst Familie Simonsohn lebte.
Nach dem Ersten Weltkrieg gründet Simonsohn an der Ecke Notkestraße (früher Möllner Straße) und Luruper Chaussee eine Kohlenhandlung, die nicht nur die Bewohner der Steenkampsiedlung, die sogenannten Steenkamper, beliefert, sondern auch die Firmen in der Nachbarschaft wie die Zigarettenhersteller Reemtsma. Die Familie bringt es zu bescheidenem Wohlstand mit Dienstmädchen und Nähfrau. Sohn Wilhelm besucht das Realgymnasium in der Altonaer Königstraße und lernt in der Yachtschule Blankenese Segeln.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten verändert sich das Leben der Simonsohns. Der Boykott von Geschäften mit jüdischen Inhabern trifft auch die Kohlenhandlung. Selbst die Bahrenfelder Kirchengemeinde, bislang Stammkunde, nimmt an dem Boykott teil und lässt sich nicht mehr von ihrem Mitglied beliefern. Kurze Zeit später werden alle Christen mit jüdischen Wurzeln aus der Kirche ausgeschlossen.

Die wirtschaftliche Situation der Familie verschlechtert sich zusehends. Die Familie muss in eine kleine Zweizimmerwohnung umziehen, die Kohlehandlung wird geschlossen, das Schulgeld für den Sohn kann nicht mehr aufgebracht werden. Als 15jähriger wird Sohn Wilhelm als "Judenlümmel" beschimpft und erfährt in der Folge von seinen Eltern, dass er adoptiert ist. Es gelingt dem Vater, ihn nach der Mittleren Reife bei einem ehemaligen Kunden als Lehrling unterzubringen. Der inzwischen 17jährige übernimmt im Ausbildungsbetrieb Nachtschichten, um die Familie ernähren zu können.

Leopold Simonsohn gelingt es, als einfacher Matrose bei der Fairplay-Reederei anzuheuern, deren Inhaberin Lucy Borchardt Jüdin ist. Aber 1938 ist auch dort kein Arbeiten mehr für ihn möglich. Gelegentlich kann der 55jährige als Nachtwächter auf Baustellen arbeiten. Die Familie leidet Hunger. Eine Emigration kommt für Simonsohn nicht in Frage, er fühlt sich durch seine nationalkonservative Einstellung geschützt, selbst dann noch, als er im Novemberpogrom 1938 verhaftet wird.

Nach viereinhalb Wochen Haft im KZ Sachsenhausen kommt Leopold Simonsohn als an Leib und Seele gebrochener Mann nach Hause. Ein Jahr später verstirbt der 56jährige in der Nacht zum 10. November an den Folgen der Haft.

Affiliate link zur sehr lesenswerten Biographie des Sohnes Wilhelm Simonsohn:

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