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Montag, 21. Februar 2022

Stolperstein für Paul Seeger in der Luruper Chaussee 119

Wir haben uns da was eingetreten. Es ist braun. Es riecht nach Faschismus, Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus. Wir hatten schon mal Faschismus in Deutschland. Mein Bedarf daran ist hinreichend gedeckt. Ich muss keinen faschistischen Staat erleben. Mir reichen die Erinnerungen an den, den es zwischen 1933 und 1945 gab.

Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Aktuell trifft sich das braune Pack täglich in vielen Stadtteilen, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Letztlich wollen die Demonstranten aber nichts anderes als einen faschistischen Staat, marschieren inzwischen nicht mehr nur von der AfD begleitet, sondern offen der NDP und anderen rechtsradikalen Parteien und Organisationen hinterher. 

Im ersten Block der Siedlung an der Luruper Chaussee in Bahrenfeld wohnt Paul Seeger mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter.

Heute vor 83 Jahren, am Abend des 21. Februar 1939, stirbt Paul Seeger. Der 28jährige setzt seinem Leben selbst ein Ende, in dem er in der Küche seiner Wohnung in der Luruper Chaussee 119 den Gashahn aufdreht. Seiner Frau gelingt es nicht, die gemeinsame Wohnung zu betreten. Als sie den Gasgeruch bemerkt, ruft sie die Polizei, die die Öffnung der Wohnung veranlasst. Seeger verstirbt auf dem Weg ins Altonaer Krankenhaus.

Der junge Mann, der in einfachen Verhältnissen im Hamburger Karoviertel aufwächst und eine Ausbildung zum Autoschlosser macht, ist bereits 1929 NSDAP-Mitglied und wegen Verstoßes gegen das Republikschutzgesetz verurteilt. 

Stolperstein für Paul Seeger vor dem Haus Luruper Chaussee 119.

1938 heiratet Paul Seeger die 34jährige Sophie Sonntag. Das Paar bekommt ein Kind. Trotz vordergründiger Heterosexualität scheint sich Seeger zu Männern hingezogen zu fühlen. Vermutlich gerät er wegen homosexueller Beziehungen ins Visier der Kriminalpolizei. Auch eine Erpressung ist möglich, aber es gibt nur wenig konkrete Hinweise. 

Rückseite des Wohnblocks, in dem Paul Seeger mit seiner Familie wohnt. Die Balkone wurden in den 1990er Jahren angebaut.

Eine Woche vor seiner Selbsttötung unternimmt Seeger bereits einen Versuch, den seine Frau rechtzeitig bemerkt und verhindern kann. Seeger verschwindet daraufhin, taucht erst am 21. Februar wieder in der gemeinsamen Wohnung auf. 

Sophie Seeger macht zu den möglichen Suizidgründen nur wage Angaben, sicher auch, um ihren schwulen Bruder zu schützen. Sie begründet aber der Polizei gegenüber das Verschwinden ihres Mannes u.a. mit möglichen homosexuellen Kontakten. Was den jungen Mann, der ursprünglich überzeugten Nationalsozialist war, also in den Tod trieb, kann nur vermutet werden.

Eingang zum Wohnblock der Familie Seeger mit Stolperstein.

Mehr zur Biographie Paul Seegers findest du hier. Die Siedlung Luruper Chaussee 1 - 123 plante übrigens Gustav Oelsner. Aber das ist eine andere Geschichte.

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