Montag, 7. Februar 2022

Gustav Oelsner, Altonas vergessener Stadtplaner

Wir haben uns da was eingetreten. Es ist braun. Es riecht nach Faschismus, Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus. Wir hatten schon mal Faschismus in Deutschland. Mein Bedarf daran ist hinreichend gedeckt. Ich muss keinen faschistischen Staat erleben. Mir reichen die Erinnerungen an den, den es zwischen 1933 und 1945 gab.

Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.


Aktuell trifft sich das braune Pack sonnabends in der Innenstadt und unter der Woche in vielen Stadtteilen, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Letztlich wollen die Demonstranten aber nichts anderes als einen faschistischen Staat, marschieren inzwischen nicht mehr nur von der AfD begleitet, sondern offen der NDP und anderen rechtsradikalen Parteien und Organisationen hinterher. 

Das von Gustav Oelsner erbaute Haus der Jugend in der Altonaer Museumstraße, heute Sitz des Altonaer Theaters und einer Berufsschule.

Hamburg hat viele charakteristische Klinkerbauten, die oft nur Fritz Schumacher zugeschrieben werden. Altona, das erst seit 1939 zu Hamburg gehört, ist hingegen maßgeblich von Gustav Oelsner geprägt. Mit Schumacher verbindet ihn eine enge Freundschaft.

Der letzte der Häuserblöcke der Luruper Chaussee 1 - 123. Die Aufstockung erfolgte 1934 und nahm die kubistische Strenge. In dem Block auf dem Foto wohnt übrigens Paul Seeger. Aber das ist eine andere Geschichte-

Der am 23. Februar 1879 in Posen geborene Oelsner kommt als 44jähriger nach Altona, um einen Generalbebauungsplan für die preußischen Städte Altona, Wandsbek und Harburg zu erstellen. Von März 1924 bis zur nationalsozialistischen Machtübernahme ist Oelsner parteiloser Bausenator und Bürgermeister Max Brauer. Ihm ist es zu verdanken, dass Altona zahlreiche Grundstücke an der Elbe kauft, somit eine Parzellierung und Privatisierung verhindert, stattdessen öffentliche Parks gestaltet.

Zwischen den Häuserblöcken gibt es Grünflächen mit Spielplätzen. Die Balkone wurden in den 1990er Jahren angebaut.

Oelsner ist ein Vertreter des Neuen Bauens in seiner strengen kubischen Form. Er verzichtet meist auf keramischen Bauschmuck und nutzt die Möglichkeiten, mit der Anordnung der Klinker gestalterische Akzente zu setzen. Ein Beispiel ist das zwischen 1928 und 1930 erbaute ehemalige "Haus der Jugend" am Platz der Republik gegenüber dem Altonaer Rathaus. Der gelbgeklinkerte Stahlbetonbau, ursprünglich eine Gewerbeschule, beherbergt heute das Altonaer Theater und eine Berufsschule. Er steht im bewussten Kontrast zum Rathaus mit Renaissance-Anklängen und zum rotgeklinkerten Altonaer Museum. Durch geschickte Terrassenbildung wirkt das Gebäude eher filigran als massig. 

Die Siedlung an der Luruper Chaussee wird durch Stichstraßen erschlossen, die für die heutige Autoflut natürlich zu klein sind.

Neben Kommunalbauten prägen aber auch Oelsners Sozialbauprojekte das Altonaer Stadtbild, zum Beispiel das an der Luruper Chaussee oder die Steenkampsiedlung. Großen Wert legt er darauf, dass in der Nähe seiner Wohnbauten auch Schulen entstehen, die inzwischen leider oft abgerissen wurden. Spielplätze und Grünflachen sind ebenfalls fester Bestandteil seiner Planungen. 

Neben einem fächerförmigen Pavillon mit fünf Läden für die Grundversorgung der Bewohner an der Ecke zur Theodorstaße, der inzwischen leider leer steht, gibt es auch ein zentrale Heiz- und Waschhaus (heute Sitz einer Firma).

Zwar ist Gustav Oelsner parteilos, aber er gehört dem sozialdemokratischen Magistrat an und wird daher von den Nationalsozialisten abgesetzt. Oelsner geht in den Ruhestand Ein Prozess wegen vermeintlichen Amtsmissbrauchs und Verschwendung öffentlicher Gelder gegen ihn endet 1934 mit einem Freispruch. Zu diesem Zeitpunkt spielt seine jüdische Herkunft noch keine Rolle, aber 1937 wird der 58jährige Oelsner gezwungen, den Vornamen "Israel" zu führen. Zwar konvertiert er schon als Jugendlicher zum Christentum, aber seine Eltern sind Juden.

Zwar wird Oelsner jetzt aufgrund seiner jüdischen Herkunft verfolgt, aber er hat noch die Möglichkeit, zu einem Städtebaukongress in die USA zu fahren. Hier begegnet ihm Max Brauer, der ihm von einer Rückkehr nach Deutschland abrät. Kurz vor dem deutschen Überfall auf Polen gelingt es Oelsner durch Vermittlung Schumachers, nach Ankara zu emigrieren. Dort lebt er bis 1949, ist in Ankara verantwortlich für den Städtebau der sich modernisierenden Türkei und baut den Lehrstuhl für Städtebau an der Technischen Universität Istanbul auf. 

Nach der Befreiung holt der inzwischen nach Hamburg zurückgekehrte und zum Bürgermeister gewählte Max Brauer Oelsner als Referent für Aufbauplanung nach Hamburg zurück. Diesmal kümmert sich der inzwischen 70jährige um die Neugestaltung der Innenstadt und ist Gründungsmitglied der Freien Akademie der Künste. Mit 73 Jahren geht Gustav Oelsner 1953 in den Ruhestand. Er stirbt 1956 und ist neben Fritz Schumacher auf dem Althamburgischen Gedächtnisfriedhof in Ohlsdorf beigesetzt. Neben seinen Bauten erinnert der Oelnerring in Osdorf / Groß Flottbek an den Architekten, Stadtplaner und Hochschullehrer. Im Altonaer Theater steht eine Oelsner-Büste, und die nach ihm benannte Gesellschaft kümmert sich um sein Andenken.

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