Der Gatte ist wie üblich vor mir aufgestanden und hat den Kaffee schon fertig, als ich mich aus den Decken schäle. Heute ist Dienstag, das heißt, ich habe Ladendienst und muss eine Stunde später los als sonst. Mein Plan: In Ruhe frühstücken, Packstation, Bank, ein paar Einkäufe, arbeiten, Balkon. Der Gatte verabschiedet sich - und steht zwei Minuten später wieder in der Tür, fassungslos, denn: Ihm wurden binnen einer Woche zum zweiten Mal die Nummernschilder geklaut!
Ich bin auch kurz sprachlos, dann fangen wir uns beide wieder und beginnen routiniert mit der Abwicklung: Der Gatte bekommt meinen Autoschlüssel und die Fahrzeugpapiere, macht Fotos vom Schaden und fährt zur Polizei, während ich in seinem Büro anrufe, um Bescheid zu sagen, dass er erst gegen Mittag da ist. Die Kollegen sind begeistert ...
Während der Gatte ohne Auto nicht in die Firma kommt, kann ich den ÖPNV nutzen - theoretisch. Praktisch ist der Hamburger Westen vom Busverkehr abhängig, und da läuft seit April nichts mehr, weil auf allen, wirklich allen, Straßen gleichzeitig gebaut wird, die Busse in diversen Staus stehen und sich täglich ändernde Umleitungen fahren. Deswegen fahre ich seit April mit dem Auto zu S-Bahn, denn mit dem Bus ist die Fahrzeit nicht mehr planbar (mit dem Auto kann ich eine andere Strecke fahren als die Busse).
Letzte Woche, als der Gatte wegen der geklauten Nummernschilder meinen Wagen nahm, brauchte ich mit dem ÖPNV statt 45 Minuten satte 120 Minuten.
Dementsprechend mache ich mich heute auch lieber früher fertig, verzichte auf's Frühstück und darauf, mir Mittagessen zu machen, krame stattdessen nach Brötchen-Kleingeld, räume noch schnell die Spülmaschine aus, schalte das Reinigungsprogramm an und gehe zur Bushaltestelle. Überraschenderweise kommt sofort ein Bus, der auch noch leer statt überfüllt ist, bin ich in einer Stunde am Büro. Es bleibt sogar noch Zeit, zur Bank und zum Bäcker zu gehen.
Während ich noch im Bus bin, ruft der Gatte an: Er wäre schon im Büro, bekäme morgen seine Nummernschilder zurück, denn man habe noch in der Nacht die Diebe in der Parallelstraße gefasst! In der Aufregung vergaß er zu fragen, welche Nummernschildern gefunden wurden, die von heute oder die von letztem Dienstag. Morgen vormittag solle er noch mal zur Polizei. Wir sind beide erleichtert, dass er nicht zum LBV muss, Zeit und Geld spart.
Im Büro gilt mein erster Anruf dem Vermieter unseres Parkplatzes. Ich frage, ob er einen Platz in einer der beiden Tiefgaragen hier in der Straße frei hat. Wir haben Glück. Jetzt haben beide Autos Tiefgaragenstellplätze. Wir vereinbaren für den Abend die Schlüsselübergabe. Ich rufe kurz den Gatten an und setze ihn ins Bild.
Ich frühstücke endlich, sichte eMails, besprechen mit der zweiten Chefin kurz ein paar Sachen, mit der Kollegin den Dienstplan für Juli und August, außerdem einen Diensttausch, weil ich eine Einladung zum Abschied einer ehemaligen Kollegin bekam, die in den Mutterschutz geht. Noch ein kurzer Austausch mit den anderen Kollegen, dann ist auch schon die erste von sechs Arbeitsstunden rum. Ich schnappe die Ladenkiste und meinen Wasserkrug und mache mich auf ins Nachbarhaus, wo unser Laden ist.
Im Laden kruschtelt schon eine Kollegin, die zwei Wochen im Urlaub war. Viel Zeit zum Austausch bleibt nicht. Ich muss meinen Arbeitsplatz einrichten, Regale auffüllen, die Kasse holen, und dann begehren auch schon die ersten Kunden Einlass.
Auf meiner Ladenseite sind die bevorstehenden Sommerferien schon zu spüren, ist wenig zu tun. Es ist aber nur die Ruhe vor dem Sturm, denn ab nächsten Montag wird sich das bis zum Ferienbeginn wieder ändern.
Wir entrümpeln gerade unser Lager, und eine Kollegin schaut vorbei, um durchzusprechen, was am kommenden Montag ins Altpapier kann. Anschließend packt sie Regal um Regal leer. Ich helfe ihr ein bisschen, muss aber immer wieder in den Laden zurück, so dass sie den Hauptteil der Arbeit erledigt. Nach einer Stunde ist sie fertig - buchstäblich. Ich schicke sie nach Hause und drehe eine zweite Regal-Auffüll-Runde.
Zwischendrin wollen immer mal wieder Kunden beraten werden, erledige ich Bestellungen, ruft der Gatte an, um zu sagen, dass er doch schon heute Nachmittag zur Polizei kann, um seine Nummernschilder abzuholen, nicht erst morgen früh, er mich deswegen vielleicht nicht von der S-Bahn abholen kann.
Ich habe pünktlich Feierabend und bin eine gute halbe Stunde an der heimischen S-Bahn. Der Gatte sitzt noch immer auf der Polizeiwache und bittet mich, da hin zu kommen. Normalerweise wäre das kein Problem, aber baustellenbedingt fährt der Bus einen Umweg.
Ich fahre, so weit es geht, und laufe die restlichen anderthalb Kilometer zu Fuß, durch unsere alte Straße, da, wo unsere erste gemeinsame Wohnung war. Unterwegs entdecke ich einen öffentlichen Bücherschrank und freue mich, weiß ich doch jetzt, wo ich Bücher eintauschen kann.
Auf halber Strecke ruft der Gatte an: Er wäre jetzt auf der Wache durch, habe seine Nummernschilder wieder und könne mich doch aufsammeln. Wir finden uns, fahren zum Supermarkt, weil er noch Nummernschildhalterungen braucht, holen den Schlüssel für die Tiefgarage ab, parken meinen Wagen auf dem neuen Tiefgaragenplatz und haben endlich Feierabend.
Ich habe mich gerade aus den Büro-Klamotten geschält, als Mudderns anruft. Sie sagt jedes Mal, wir müssten nicht jeden Tag telefonieren, aber wehe, ich rufe nicht pünktlich eine Stunde nach Feierabend an ... Ich halte das Telefonat kurz. Der Gatte und ich trinken ein Bier auf dem Balkon, lassen den Tag sacken, dann geht er zu seinem Wagen, montiert die Nummernschilder wieder und fährt seinen Wagen in die Tiefgarage.
Abendessen, Doctor gucken, Spülmaschine einräumen, duschen und ab ins Bett.