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Samstag, 6. Juli 2024

#WMDEDGT 07/24: Verstummt

Heute ist wieder der fünfte Tag des Monats, und Frau Brüllen fragt "Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?", kurz WMDEDGT? Vielen Dank für's Sammeln! 

Ich bin krankgeschrieben und könnte ausschlafen, zumal die Putzfrau nicht wie üblich Freitag kommt, sondern schon gestern da war, habe aber vergessen, das Plissee hochzuziehen und werde gegen 5 Uhr wach. Lesen*, dösen, Radio hören ... Viel mehr wird heute nicht passieren. 

Irgendwann rapple ich mich auf, koche Kaffee und tippsle am aktuellen Ausgelesen-Beitrag. Frühstücken, auf's Sofa wechseln und weiterhin abwechselnd lesen und dösen, unterbrochen vom Inhalieren. Nicht, dass ich nichts zu tun hätte, aber ich bin total schlapp. Seit zwei Tagen habe ich keine Stimme mehr. Also, so richtig. Ich bin komplett verstummt. Die Stimme weigert sich auch hartnäckig, wiederzukommen. Ich hatte vor Jahrenden schon mal gelegentlich Kehlkopfentzündungen, aber so hartnäckig war keine, zumal diese auch wie ein Blitz aus heiterem Himmel kam. Wenn es am Wochenende nicht besser wird, muss ich Montag in die Akutsprechstunde, reicht keine telefonische Krankschreibung. 

Irgendwann klingelt das Telefon. Ich sollte die Telefonnummer aus der eMail-Signatur wieder herausnehmen, denn die Menschen hier im Umkreis sind einfach zu kommunikativ ... Ich hatte eine Initiative angeschrieben, weil ich auf der Suche nach einer Selbsthilfegruppe für pflegende Angehörige bin. Jetzt ist eine nette Dame am Telefon, die darüber mit mir sprechen möchte. Als sie meine Situation erkennt, meint sie fröhlich "Ach, denn texte ich Sie einfach zu!", entschied sich dann aber doch, mir eine eMail zu schicken ... Das macht alles einen sympathischen, wertschätzenden Eindruck. Leider gibt es vor Ort keine Selbsthilfegruppe, müsste ich entweder 60 km fahren oder auf Online-Gruppe / App zurückgreifen. Mal schauen. Momentan werde ich ja bis Ende des Jahres durch die Therapiegruppe aufgefangen.

Ich beende "Die Silberkammer in der Chancery Lane*", brauche eine Fantasy-Pause und fange "Steirerwald*" an. Auch das Buch werde ich im Laufe des Tages ausgelesen haben und mit "Mörderische Masche*" anfangen.

Normalerweise kaufen wir freitags ein, heute allerdings etwas später als sonst, denn wir gehen davon aus, dass kurz vor dem EM-Deutschland-Spiel die Läden leer sein werden. Das klappt gut - in nicht mal einer Stunde sind wir mit einem Großeinkauf fertig, ist ein Großteil der Einkäufe verräumt. 

Auf dem Weg zum Auto stellen wir fest, dass die Altpapier noch nicht abgeholt wurde - wieder mal. Die Müllabfuhr ist hier ausgesprochen kapriziös, kein Vergleich zur Hamburger Stadtreinigung. Normalerweise sind Wetter oder Personalmangel Schuld an ausfallender Abfuhr. Normalerweise wir die Abholung auch nicht nachgeholt. Mal schauen, wie es heute ist. 

Ich bin wieder mal erstaunt, wie wenig fußballbegeistert die hiesige Nachbarschaft ist. Das war in Hamburg anders. Als Deutschland ein Tor schießt, böllert jemand in den Aschpurwis-Häusern, bläst der überrechte Nachbar die Tuba, aber das war's. Mag sein, dass es beim Rudelgucken in der Innenstadt anders ist. 

Ausruhen, zum xten Mal inhalieren, viel mehr kann ich nicht machen. Ich freue mich, dass ich es endlich schaffe, "Im Griff der Upper Class" ungestört zu sehen. Das Abendessen zubereiten. Eigentlich soll es Fischstäbchen mit Kartoffelbrei und Erbsen geben, aber ich merke zu spät, dass die Sahne für den Kartoffelbrei sauer ist. Immerhin: Geruchs- und Geschmackssinn funktionieren ... Zum Glück haben wir noch ein Töpfen Nudelsalat im Kühlschrank, und der Gatte beschließt, am kommenden Tag zu Fuß zum Supermarkt zu laufen, um neuen zu kaufen. Er geht gerade gerne spazieren. Das ist gut. 

Wir verbringen den Abend auf dem Sofa und gehen früh schlafen - ich in der Hoffnung, dass meine Stimme am kommenden Tag wieder da ist, ich mich gesund schlafe.

Der Blick in die ersten vier Corona-Jahre: Am 5. Juli 2020 war ich mit Steuern beschäftigt, verbrachten wir den letzten Sonntag in Schwiegermutters Haus und ihrem traumhaften Garten, nahm der noch gesunde Gatte Abschied von seinem Elternhaus. Am 5. Juli 2021 findet sich der inzwischen kranke Gatte in sein neues Leben ein, während Mudderns mit den Folgen eines Sturzes kämpfte. Sie behauptete immer wieder hartnäckig, sie stürze nicht, aber sie stürzte in den letzten Jahren so oft, dass ich ein Jahr später froh darüber war, ich sie im Pflegeheim zu wissen. Am 5. Juli 2022 dämmerte uns, dass wir ein Haus haben und auf's Land ziehen. Damals rechnete ich anderthalb Jahre bis zum Umzug. Das könnte knapp klappen. Damals war ich auch noch sicher, dass meine Mutter unseren Umzug noch erleben würde, ließ sich die erste Zeit im Pflegeheim doch ausgesprochen gut an. Am 5. Juli 2023 pendelten wir seit einem Jahr. Ich wünschte, ich könnte sagen, wir sind inzwischen angekommen, aber wir leben immernoch zwischen Umzugskartons.

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