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Donnerstag, 31. Oktober 2019

Wassermelonensocken aus Farbverlaufsgarn der Garnmanifaktur

Passend zum Wassermelonen-Tuch bestellte ich mir auch die Sockenwolle. Ich war skeptisch, ob die Menge auch bei mir reicht, denn wegen meiner fetten Waden stricke ich die Socken ja über 96 M statt 64 M, und deswegen entschied ich mich sicherheitshalber für die Garnmenge, die ab Größe 42/43 empfohlen wird. Das reichte bei mir geradeso für Größe 40.

Wassermelonensocken.
Anders als es die Anleitung vorsieht, strickte ich den Bund mit 2 re / 2 li und arbeitete eine klassische Käppchenferse mit Hebenmaschen. Die sitzt bei mir einfach am Besten.

Immer noch die Wassermelonensocken.
Außerdem schlug ich, wie schon erwähnt, 96 M an, arbeitete den Schaft nach 20 Rd Bundmuster über 100 Rd und begann ab Rd 10 in jeder 10 Rd 1 M re zusammenzustricken, bis es insgesamt noch 64 M waren. So haben meine Waden Platz und am Fuß sitzen die Socken trotzdem gut.

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Dienstag, 29. Oktober 2019

Der Verspätungsschal im September

Ich hänge mit den Beiträgen zum Verspätungsschal noch immer mächtig hinterher. Irgendwie schaffe ich es zurzeit selten, Fotos bei gutem Licht zu machen - gutes Licht und meine Tagesabläufe passen seit Wochen nur selten zueinander. Der Oktoberbeitrag wird ebenfalls noch etwas auf sich warten lassen, denn ich schaffe es momentan einfach nicht Rocailles für die Verspätungen ab 21 Minuten zu besorgen - und die gibt es zurzeit reichlich.

Wie ich zu dem Projekt kam, kannst Du hier nachlesen. Alle Beiträge zu dem Projekt findest Du hier.

Im September hatte ich Urlaub und war oft malad, deswegen kam ich nur auf 18 Fahrten mit 84 Minuten Verspätung, also 4,67 Minuten pro Fahrt. Die längste Verspätung waren 12 Minuten. Zusammen mit dem Mai war's bislang der entspannteste HVV-Monat. Das lag auch daran, dass ich an kritischen Tagen (Stadtderby, Fridays for Future-Großdemo mit anschließenden S-Bahn- bzw. Straßenblockaden) entweder mit dem Schnellbus statt mit der S-Bahn fuhr oder ohnehin bis spät abends arbeiten musste - bis dahin hatten sich die Blockaden erledigt.

Im September zeigt der Verspätungsschal nur hellgelbe, gelbe und orange Streifen, keine roten. Die Verspätungen hielten sich also im Rahmen.
Als ich mich mit einer normalerweise radfahrenden Kollegin über den HVV unterhielt, war ich wieder froh, das Geld für einen Parkplatz am Flughafen ausgegeben zu haben, anstatt die Strecke mit S-Bahn und Bus zu fahren. Die Kollegin brauchte nämlich am späten Abend aufgrund der Kofferwartezeit am Flughafen, diverser Streckensperrungen und SEV für den Flug Lissabon - Hamburg genau so lang wie für die ÖPNV-Fahrt von Fuhlsbüttel nach St. Pauli.

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Montag, 28. Oktober 2019

Der Gotenhof (Steckelhörn 12)

Montags gegen Nazis.
Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesen. Alle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst.

In der enge Straße Steckelhörn kommt das Kontorhaus "Gotenhof" gar nicht so richtig zur Geltung. Der gerundete massige Bau mit der kunstvoll expressionistisch gestalteten Klinkerfassade verdiente eine breitere Straße.

Das zwischen 1929 und 1930 erbaute Kontorhaus "Gotenhof".
Ursprünglich standen hier Fachwerkauten, Wohnhäuser und Speicher, teils noch aus dem Mittelalter, die abgerissen werden, damit der "Gotenhof" zwischen 1929 und 1930 nach Plänen des Architekten Karl Stuhlmanns erbaut werden kann. Angesichts der Wirtschaftskrise kann nur ein kleiner Teil des Kontorhauses vermietet werden. Die Erbauergesellschaft gerät in finanzielle Schwierigkeiten, das Gebäude wird zwangsversteigert und von der Stadt gekauft. 1931 ziehen das Statistische Landesamt und die Jugendbehörde ein - ersteres hat dort bis heute seinen Sitz.

Ab 1933 kommt dem Jugendamt eine maßgebliche Rolle bei der Vorbereitung und Umsetzung der NS-Euthanasie bzw. der rassenhygienischen Fürsorge in Hamburg zu. Es ist beispielsweise für die Entscheidung  über Einweisung von sogenannten "unerziehbaren" Jugendlichen in ein Jugend-KZ zuständig, entscheidet aber mit Stellungnahmen auch die die Sterilisation von Kindern und Jugendlichen. Verweigern sich die Angehörigen einer Sterilisation, werden sie umgangen, indem das Jugendamt den Antrag stellt und das Gesundheitsamt alles weitere veranlasst.

Mit Regierungsrat Paul Ellerhusen verfügt die Behörde ab 1934 über einen leitenden Angestellter, der als ehemaliger Kommandant des KZ Fuhlsbüttel durch Folter bekannt wird - so bekannt, dass die Staatsanwaltschaft einschaltet und Ellerhusen ins Jugendamt versetzt. 1950 wird der 63jährige zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt, muss die Strafe aber nicht vollständig verbüßen, sondern wird vorzeitig entlassen.

Im Oktober 1936 entwirft mit dem 36jährigen Heinrich Lottig ein Leitender Oberarzt der Behörde eine "Wertungstabelle" mit sechs Kategorien als Grundlage für die Entscheidungsfindung zur Sterilisierung. Diese "Wertungstabelle" wird von anderen Kommunen übernommen. Lottig meldet sich 1940 an die Front und fällt ein Jahr später.

1938 wird der 52jährige Paul Prellwitz Direktor des Jugendamtes. Der Antisemit tritt bereits 1925 in die NSDAP ein und macht nach der Machtübernahme schnell Karriere. Prellwitz führt das Amt hierarchisch, wird schnell zum Senatsdirektor befordert und schließlich ständiger Vertreter des Präsidenten der Fürsorgebehörde. 1945 wird Prellwitz im Alter von 59 Jahren aus dem Staatsdienst entlassen. Juristisch wird er nicht belangt. 

Im "Gotenhof" erinnert heute nichts mehr an die Zeit, als hier darüber entschieden wurde, welche Menschen ein Recht auf Leben haben und welche nicht.

Donnerstag, 24. Oktober 2019

Wassermelonentuch aus einem Farbverlaufsbobbel der Garnmanufaktur

Tücher, vor allem dreieckige, sind nicht so meins. Ich mag lieber Schals. Aber dieses Tuch sieht aus wie eine Scheibe Wassermelone, da musste ich einfach schwach werden. Und halbrund ist ja schließlich nicht dreieckig, nich?

Wassermelonentuch mit Herbstlaub vor Konifere.
Das Tuch in voller Breite.

Gespannt.
Anleitung und Garn sind aus "Stricken mit Farbverlaufs-Bobbeln Vol. 4*". Die Anleitung passte auch für meine Konfektionsgröße. Ich strickte insgesamt 212 Reihen - zwei, drei weniger hätten auch gereicht.

Das Tuch im Werden am 6. Juli 2019.
Das Tuch im Werden am 12. Juli 2019.
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Dienstag, 22. Oktober 2019

Schnelle Abschiedskarte für eine kochbegeisterte Kollegin

Aus der Reihe "Was Sekretärinnen können, können nur Sekretärinnen oder warum frau immer Einwegbesteck am Platz haben sollte":

Die Abschiedskarte mit Einwegbesteck.
"Du, sachma, die G. feiert doch nachher ihren Abschied. Hamwa da eigentlich 'ne Karte zum Geschenk?"

"Öhm, keine Ahnung, ich hab' mich um nichts gekümmert, nur Geld für's Geschenk gegeben."

"Das ist jetzt blöd. Kannste schnell runter, eine kaufen? Ist sonst keiner da."

"Nee du, ich kann hier auch nicht weg, muss da was im Blick behalten. Aber warte mal, ich hab' da 'ne Idee. Bin gleich bei dir."

Die Kollegin, die verabschiedet wurde, kocht gerne (und traumhaft gut) und bekam zum Abschied eine Auswahl an Essig- und Ölsorten sowie Gewürzen.

Messer und Gabel vorsichtig durchbohren und eine Musterbeutelklammer durchstecken.
Im Büro ist meine Werkzeugauswahl auf Inbusschlüssel, Schere, Locher, Tacker, Brieföffner und Nagelfeile beschränkt. Das Loch durch Messer und Gabel bohrte ich mit einer Schere, steckte mit einer Musterbeutelklammer alles zusammen, faltete ein Stück 160g-DinA4-Papier zur Hälfte, bohrte vorsichtig ein Loch mittig durch die Vorderseite und steckte das Besteck hinein.

Das Besteck in die gewünschte Position bringen und in die Vorderseite der Karte stecken.
Während ich bastelte, suchte die Kollegin noch eine nette Zeichnung für die Innenseite, um das Loch mit der Musterbeutelklammer zu verdecken, und einen Abschiedsspruch. Fertig war die Grußkarte.

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Montag, 21. Oktober 2019

Stolperstein für Claudius Gosau in der Woltmanstraße 14

Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesen. Alle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst.

Ein Zeitlang blickte ich von meinem Bürofenster direkt auf eine in den 1860er Jahren erbaute Häuserzeile in der Woltmanstraße. Vorm Eingang von Nummer 14 liegt ein Stolperstein für Claudius Gosau. Über ihn (und seine Familie) ist verhältnismäßig wenig bekannt.

Blick auf die (eigentlich denkmalgeschützten) Häuser der Woltmanstraße, die zwar die Bombardierungen des Zweiten Weltkriegs überlebten, nicht aber die aktuelle Baupolitik.
Gosau wird 1892 in Dithmarschen geboren und lebt bis 1938 in Heide. Er leistet Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg, wird mehrfach schwer verwundet, verdient in der Weimarer Republik sein Geld meistens als Bauarbeiter, ist seit 1915 mit Marianne Hansen verheiratet und Vater zweier Kinder.

Der Stolperstein für Claudius Gosau in der Woltmanstraße 14.
In den 1920er Jahren wird Gosau KPD-Mitglied und leitet den Musikzug der Partei. 1930 wird er aus der Partei ausgeschlossen, aber dessen ungeachtet nach Machtübernahme der Nazis im April 1933 aus politischen Gründen verhaftet, scheint aber nicht im organisierten politischen Widerstand aktiv zu sein.

1938 zieht die Familie nach Hamburg, in die Woltmanstraße 14. Vermutlich hofft sie, in der anonymeren Großstadt weniger aufzufallen als im kleinen Heide, wo die politische Einstellung von Claudius Gosau hinlänglich bekannt ist.

Blick auf den Hauseingang Woltmanstraße 14.
Der 22jährige Sohn Wilhelm bleibt in Heide, wo er als Landarbeiter tätig ist. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wird Wilhelm Gosau "aus erzieherischen Gründen" verhaftet und im Juli 1943 in Auschwitz ermordet.

Claudius Gosau findet Arbeit als Lokführer bei der Firma Gottlieb Tesch in Bremen-Farge. Der Betrieb errichtet dort ab 1938 ein unterirdisches Tanklager, unterhält ein eigenes Lager, in dem Zivilarbeiter wie Gosau, aber auch Häftlinge eines Gestapo-Arbeitserziehungslager untergebracht sind. Auf dem Gelände befinden sich mehrere Lager, u.a. auch ein Außenlager des KZ Neuengamme (das Gelände ist heute Teil des Denkortes Bunker Valentin).

Gosau führt mit seinen Kollegen offene Gespräche über den Kriegsverlauf und macht aus seiner politischen Einstellung keinen Hehl. Am 17. September 1943 wird der 51jährige nach Denunziation festgenommen und wegen Hochverrats sowie Wehrkraftzersetzung vor dem Volksgerichtshof angeklagt. Am 11. Februar 1944 wird Claudius Gosau zum Tode verurteilt und am 6. März 1944 in Brandenburg-Görden hingerichtet. 1946 wird seine Urne im Ehrenhain Hamburger Widerstandskämpfer auf dem Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt.

Dienstag, 15. Oktober 2019

HSV-Handstulpen im Nilpferd-Glas (Upcycling)

Zwei Jahre lang arbeitete ich mit einem eingefleischten HSV-Fan zusammen, und als die Kollegin den Aufgabenbereich wechselte, wünschte sie sich Handstulpen und einen Aschenbecher für die Raucherecke im neuen Büro.

Handstulpen mit der typischen HSV-Raute.
Der Aschenbecher ist ein altes Schraubdeckelglas - irgendwann bekam ich mal mit, dass der Raucherclique das bisher genutzte Glas abhanden gekommen war, weil irgendjemand es samt Kippen wegwarf, und brachte ihnen ein leeres Glas mit, denn die gibt es bei uns reichlich.

Ein leeres Schraubdeckelglas wird zum Aschenbecher umfunktioniert - und woher zur Geschenkverpackung).
Da die Kollegin nicht nur den HSV mag, sondern auch Nilpferde, ziert den Aschenbecher ein rauchendes Nilpferd. Und um das Upcycling perfekt zu machen, nutzte ich den Aschenbecher auch gleich noch als Geschenkverpackung für die Stulpen.

Beide Handstulpen. Und: Ja, Farbwechsel beim Musterstricken kann ich immer noch nicht ordentlich.
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Montag, 14. Oktober 2019

Fischertwiete 1 und 2: Chilehaus A und B

Montags gegen Nazis.
Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

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Das Chilehaus, seit 2005 Unesco-Weltkulturerbe, ist fester Bestandteil von Stadtrundfahrten und vieler Stadtführungen, eines der weltweit am meistens fotografierten Architekturmotive und eines der Hamburger Wahrzeichen. Erbaut wird das Kontorhaus zwischen 1922 und 1924 für den Unternehmer Henry B. Sloman nach Plänen des Architekten Fritz Höger. Es ist eines der prägnantesten Beispiele für den Backstein-Expressionismus der 1920er Jahre.

Das Chilehaus (Detail).
Schon die schieren Daten sind beeindruckend: 4,8 Millionen Bockhorner Klinker und 750 Güterwagen Zement werden für den Bau, der auf über 1.000, bis zu 16 Meter langen Eisenbetonpfeilern mit einer Gesamtlänge von 18.000 Metern ruht, benötigt. Das Gebäude hat eine Grundfläche von fast 6.000 qm², ist 10 Etagen hoch und hat 2.800 Fenster.

Erbaut wird das Chilehaus auf zwei Grundstücken links und rechts der Fischertwiete, übrigens die älteste noch erhaltene Straße Hamburgs, die bogenförmig überbaut wird. Bis 1922 befindet sich hier eines der Gängeviertel der Stadt, wo Menschen unter prekären Bedingungen auf engstem Raum leben. Sie werden umgesiedelt.

Das Chilehaus verfügt über drei Eingänge, die das Gebäude in die Komplexe A, B, und C gliedern. In allen drei Eingängen, die zu regulären Bürozeiten geöffnet sind, finden sich noch die alten Hinweistafeln auf die ursprünglichen Mieter.

Blick auf den Eingang in den Komplex Chilehaus B, Fischertwiete 1.
Im siebten Stock des Chilehaus B (Fischertwiete 1) befindet sich 1933 das Architekturbüro Dyrssen & Averhoff. Friedrich Dyrssen ist Vorsitzender des Hamburger Landesgruppe des Bundes Deutscher Architekten und setzt ab 1933 die sogenannte Gleichschaltung des Landesverbandes um, d. h. das Berufsverbot für jüdische Architekten. 1934 schied Dyrssen aus dem Amt, bleibt aber als Architekt tätig und orientiert sich gemäß NS-Vorgabe an Stil der Heimatschutzarchitektur.

Historische Übersicht der Mieter mit den Buchstaben A bis K im Chilehaus B.
Das Büro Dyrssen & Averhoff ist maßgeblich an Planungen für das "neue Hamburg", das nach dem "Endsieg" der Nationalsozialisten entstehen soll, beteiligt sowie mit Instandsetzungen und Bau von Hochbunkern beschäftigt. Dyrssen & Averhoff werden zu "Vertrauensarchitekten" der Deutschen Arbeitsfront ernannt und dem Wohnungsbauunternehmen SAGA als Berater in städtebaulichen und technischen Fragen zur Seite gestellt. Nach der Befreiung erhält das Büro von der SAGA Aufträge für Wiederaufbau und Neubau.

Historische Übersicht der Mieter mit den Buchstaben L - Z im Chilehaus B.
Im November 1944 befindet sich gemäß unterlagen der Behörde für Ernährung und Landwirtschaft ein Zwangsarbeitslager der Firma Völker / Walter Rohrleitungsbau im Chilehaus B. Verzeichnet sind 22 Essensteilnehmer. Das Lager ist eines von über 1.100 Lagern, verstreut über das gesamte Hamburger Stadtgebiet, in denen zwischen 1939 und 1945 bis zu 500.000 Männer, Frauen und Kinder Zwangsarbeit in der Hamburger Kriegswirtschaft leisten müssen.

Gegenüber, in der Fischertwiete 2, befindet sich das Büro des 1885 geborenen und 1993 verstorbenen Ricardo Sloman, eines der vier Kinder des Bauherren des Chilehauses, und seiner Frau Renata Hilliger. Der Kaufmann ist ein Antisemit, der mit seinen Schriften dazu beiträgt, den Geist des Nationalsozialismus zu verbreiten und sein Gedankengut mit Titeln wie "Selbstmord der weißen Kulturvölker" bis in die späten 1950er Jahre verbreitet. Seine Thesen finden sich bis heute in den Schriften der neu-alten Nazis wieder.

Sonntag, 13. Oktober 2019

#12von12 im Oktober 2019

Caro von "Draußen nur Kännchen" sammelt wie jeden Monat am 12. des Monats 12 Impressionen des Tages - vielen Dank dafür! Hier kommen meine Oktober-Bilder. 


#1: Auswärtsfrühstück.
Während es im letzten Jahr noch so warm war, dass wir den Arbeitstag auf dem Balkon ausklingen lassen konnten, ist es in diesem Jahr kalt und regnerisch.


#2: Eigentlich möchte ich Bücher zurückgeben, aber ich lerne, dass man im Bücherbus nur Bücher ausleihen darf, zur Rückleihe dann in die Bücherhalle muss. Doof, das.
Wir müssen einige Erledigungen im Einkaufszentrum machen und beschließen, dort auch gleich zu frühstücken. 


#3: Der Wocheneinkauf. Im Laufe der Woche wird nur noch Brot gekauft.
Danach geht's zum Wocheneinkauf und schließlich nach Hause, zum Ausruhen. Uns beiden steckt die Woche in den Knochen, und wir schlafen beide nicht gut, aus unterschiedlichen Gründen. Dementsprechend sind wir erschöpft und platt.


#4: Ausruhen*.
#5: Aus alt ...
#6: ... wird neu. Ich habe die verblühten Rosen im Blumenstrauß der letzten Woche ausgetauscht. 
Eigentlich müsste viel im Haushalt getan werden, aber morgen ist auch noch ein Tag ... 


#7: Ein bisschen bloggen.
#8: Das obligatorische Spülmaschinenfoto.
#9: Ein neues Sockenpaar annadeln. 
#10: Den Wochenplan festhalten. Ich habe tatsächlich mal wieder eine Woche ohne Abendtermine.
#11: Drei Stunden später sieht es schon ein bisschen nach Socke aus. 
#12: Vorm Einschlafen noch etwas lesen*.

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Samstag, 12. Oktober 2019

Samstagsplausch KW 41/19: Weißer Raum

Montag freue ich mich, als ich einen Radfahrer mit Kippa sehe. Seit dem antisemitischen Angriff auf einen Rabbiner in Hamburg im Juni sehe ich gefühlt mehr Kippot im Straßenbild und freue mich über jede einzelne.

Mittwoch, Yom Kippur, höre ich auf dem Weg von einer Besprechung zur anderen kurz vom antisemitischen Anschlag mit zwei Toten in Halle. Mir fehlen die Worte. Und Gin. Ich brauche im Büro unbedingt Notfall-Gin.

Donnerstag stecken mir die Nachrichten aus Halle noch in den Knochen und ich überlege morgens tatsächlich kurz, ob ich wie jeden Tag das Armband mit dem Magen David tragen soll. Ich bin auf dem Weg zu meinem aus Palästina stammenden Augenarzt. In der Praxis sind Menschen, deren Vorfahren vor langer oder kurzer Zeit mal aus Russland, der Türkei, dem Mittleren Osten oder von sonst woher kamen, Menschen, die in Hamburg geboren wurden oder auch nicht, Frauen, die Kopftuch tragen oder auch nicht - und ich mit meinem Magen David. Ich möchte in keine andere Augenarzt-Praxis.

Gott sei Dank müssen meine Augen im Moment nicht gelasert werden. Meine aktuellen Sehstörungen kommen vom Stress. Ach was.

Um meine Nerven und mich zu beruhigen, treffe ich mich zu Karamell-Kaffee und Lütticher Waffel mit Kollegin I, denn der Augenarzt ist praktischerweise neben dem alten Büro. Kollegin I schüttet ihr Herz aus, und ich bin froh, dass ich mich vor zwei Jahren entschied, mir einen anderen Job zu suchen, denn Kollegin II mobbt weiterhin jeweils die Person, die meine alte Funktion innehat, ohne dass die Chefs dagegen vorgehen. Dabei befand meine Ex-Chefin doch, Ursache für die schwierige Situation im Büro sei ich, müsste doch alles gut sein, seit ich weg bin ....

Meine ehemalige Stelle ist inzwischen zum zweiten Mal nachbesetzt, und ich bin gespannt, wie lange es bis zur nächsten Ausschreibung dauert. Wenn die Chefs klug sind, verhindern sie, dass meine aktuelle Nachfolgerin geht, denn aufgrund ihrer Erfahrung auf gleicher Stelle in einem anderen Bundesland ist sie ein Sechser im Lotto.

Abends sehe ich "Weißer Raum" im Ernst Deutsch Theater.



Kurz zum Inhalt: Ein Sicherheitsmann rettet eine Frau vor einem vermeintlichen Vergewaltiger. Der mutmaßliche Täter ist ein geflüchteter Marokkaner. Er stirbt. Die Gerettete ist Journalistin. Sie wittert eine Story und wirft dem Sicherheitsmann Rassismus vor, denn es ist nicht das erste Mal, dass er einen Zuwanderer schlägt. Für die Nachbarschaft wird er zum Helden, schützt doch endlich mal jemand deutsche Frauen. Sein Sohn, ein Rechtsextremer, sitzt wegen eines rassistischen Angriffs im Gefängnis und sorgt dafür, dass der Vater Kontakt zu Rechtsextremen bekommt. Schnell wird der Vater ihr Sprachrohr.

Das Stück von Lars Werner zeigt eindrücklich, wie weit Nazis und Rassisten schon wieder in die Mitte von Gesellschaft, Verwaltung, Kirche und Politik vorgedrungen sind, wie sehr sie unsere Gesellschaft vergiften. Angesichts des Terroranschlags in Halle am Vortag erhält die zurückhaltende, moderne Inszenierung noch mehr Aktualität. Leider war das Theater nur zu einem Drittel gefüllt. Ich kann nur sagen: Guckt euch diese Inszenierung an! Unbedingt!

Das Ensemble, allen voran Rune Jürgensen als Sohn, der seinen Vater zu den Rechtsextremisten bringt, ist ausgezeichnet. Viele Monologe der kargen, modernen Inszenierung gehen unter die Haut. Bei der subtil rechts-rassistisch vergifteten Grabrede, die der Sicherheitsmann am Grab des durch seine Hand gestorbenen Marokkaner halten darf, dachte ich noch, das sei Fiktion.

Gestern wird die Gedenkveranstaltung für die Toten des antisemitischen Anschlags in Halle unterbrochen, damit ein Vertreter des blaubraunen Packs, ein geistiger Brandstifter des Attentäters, dort reden darf. So schnell wird die Fiktion zur Realität.

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Frau Karminrot. Vielen Dank für's Sammeln! Ich wünsche euch ein schönes Wochenende und eine gute Woche!

Donnerstag, 10. Oktober 2019

Gehäkelte Espadrilles (Anleitung Schachenmayr Design S9017)

Als die Anleitung für diese Espadrilles in der Schachenmayr-FB-Gruppe veröffentlicht wurde, war mir sofort klar, dass ich die für den nächsten Mallorca-Urlaub zu meinem Häkelkleid arbeiten möchte. Genug Wolle war da, wenn ich für diese Häkeltasche noch eine andere Farbe kaufe.

Gehäkelte Espadrilles.
Die Beschaffung der Sohlen gestaltete sich schwierig, denn in den Wollabteilungen der Kaufhäuser bekam ich ich sie nicht, Fachgeschäfte hatte ich nicht in Laufnähe, aber schließlich entdeckte der Gatte sie im Wollpalast, als wir Mudderns besuchten. Prima, ein Online-Kauf gespart.

In der Schachenmayr-Gruppe wurde unter der Anleitung oft kommentiert, dass die Schuhe nicht tragbar sind, weil das Baumwollgarn schnell ausleiert. Mehr als am Pool liegen könne man damit nicht machen. Nur: Keine der Kommentarschreiberinnen hatte die Schuhe nachgearbeitet.

Gehäkelte Espadrilles.
Dass das Baumwollgarn ausleiern könnte, erschien mir aber logisch, und so beschloss ich, einen durchsichtigen Elastikfaden mitzuhäkeln. Das war eine gute Idee!

Das Annähen der Schuhe auf die Sohlen gestaltete sich trotz des richtigen Werkzeugs schwierig. Ich war mehrfach kurz davor, alles in die Tonne zu werfen. Oder Löcher in die Sohle zu dremeln. Sollte ich nochmal Espadrilles selber machen, lasse ich das Annähen an die Sohle vom Schuster übernehmen.

Kaum fertig, zeigte sich, dass die Sohlen einfach zu schwer für das Gehäkelte sind und vor allem an der Hacke nach nur wenigen Schritten beim Gehen vom Fuß fallen. Noch nicht mal schlurfen ging, auch nicht mit herunter getretener Ferse. Schade, denn ich hatte gehofft, die Schuhe außerhalb des Urlaubs als Hausschuhe tragen zu können, aber ich kam noch nicht mal vom Sofa bis in die Küche.

Nach diversen nicht zitierfähigen Flüchen häkelte ich schließlich Bänder an die Ferse. Um die Wade gewickelt, geben die zusätzlichen Halt - ich wollte in den Espadrilles ohnehin keinen Marathon laufen, sondern nur morgens und abends je 200 Meter bis zum Strand und zurück.

Beweisfoto: Die Espadrilles und ich kamen gemeinsam bis zum Strand!
Bis zum Strand kamen die Espadrilles und ich, sogar öfter, aber beim längeren Tragen zeigte sich, dass ich beim rechten Schuh nachbessern muss, denn da rutsche ich mit dem großen Zeh über die Sohle und lief mir prompt eine Blase. Zum Glück hörte ich auf mein Bauchgefühl und packte Flip-Flops ein. Mit denen war ich schneller als mit den Espadrilles, und das will bei mir was heißen. Selbst mit Bändern lässt es sich mit den Espadrilles nur schlurfen. Vielleicht zeigen mir ja die freundlichen Schachenmayr-Deerns auf dem nächsten Yarncamp, wie frau gefahrlos mit den Espadrilles läuft?!

Einen Nachteil haben die Espadrilles zudem, wenn man auf Flugreise geht und beim Gepäck auf jedes Gramm Gewicht achtet: Sie sind mit 404 g viel schwerer als Flip-Flops (meine schwersten wiegen 136 g).

Tipps zum Nacharbeiten der Espadrilles:
  • Vorm Kauf der Sohlen prüfen, dass die für deine Schuhgröße passen, denn die fallen anscheinend unterschiedlich aus. Ich trage Schuhgröße 40, und bei mir passen Sohlen in Größe 40, aber Größe 39 hätte es auch getan, denn die Espadrilles solle ja sehr stramm sitzen.
  • Elastisches Beilaufgarn einarbeiten.
  • Fußblatt und Seitenteile so häkeln, dass sie stramm sitzen. STRAMM. SEHR stramm. Wirklich SEHR STRAMM. 
  • Häkelteile vom Schuster an die Sohle nähen lassen. Entscheidest du dich dafür, die Häkelteile selbst an die Sohle zu nähen, achte darauf, dass sie so sitzen, dass du beim Gehen nicht von der Sohle rutschen kannst.
  • Bänder an die Ferse häkeln, um die Schuhe an der Ferse festbinden zu können. Sonst verlierst du die Espadrilles während des Gehens, weil die Sohle schwerer ist das das Gehäkelte.
  • Pack zusätzlich Flip-Flops in den Koffer.
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Mittwoch, 9. Oktober 2019

Der Verspätungsschal im August

Mein Verspätungsschal ist noch immer verspätet, passend zum HVV. Wie ich zu dem Projekt kam, kannst Du hier nachlesen. Alle Beiträge zu dem Projekt findest Du hier.

Im August zählte ich 27 Fahrten mit 210 Minuten Verspätung, was 7,77 Minuten Verspätung pro Fahrt entspricht. Vier Fahrten waren mehr als 20 Minuten verspätet - eine mit 39 Minuten. Eine Entschädigung von jeweils 1 € gab's für 2 Fahrten. Die beiden anderen waren während des Zeitraums des Schienenersatzverkehrs (SEV), und da gilt: Was nicht fährt, kann nicht verspätet sein.

Der Verspätungsschal im August zeigt 27 Fahrten mit 210 Minuten Verspätung.
Der SEV sollte eigentlich zum 7. August, dem Ende der Sommerferien, beendet sein, war es aber nicht. Nur davon wusste das HVV-Portal nichts. Bei der Abfrage meiner Stammstrecke bekam ich dieses kryptische Ergebnis, das buchstäblich nicht zielführend war:

Mit der angezeigten Verbindung komme ich jedenfalls nicht ans Ziel.
Am 19. August kam's zu der paradoxen Situation, dass ich 3 Minuten verspätet am Dammtor losfuhr, aber 2 Minuten vor Fahrplan ankam, 36 Minuten Fahrzeit in 31 Minuten schaffte. S-Bahn und Bus waren so verspätet, dass ich mit einmal mehr Umsteigen die Verspätung aufholen konnte.

Ansonsten gab's auf der S1, die zum Flughafen fährt, so viele Ausfälle und Weichenstörungen, dass wir uns entschieden, lieber mit dem Auto zum Flughafen zu fahren und dort einen Dauerparkplatz zu mieten - ein eventueller Stau ist kalkulierbarer als die S-Bahn. Außerdem wollte ich vermeiden, dass ich mit gehbehindertem Gatten und vier Koffern irgendwo in einen spontanen SEV umsteigen oder um eins der raren SEV-Taxis kämpfen muss.

Mit dem Auto zum Flughafen zufahren, war eine sehr gute Idee: Bei der Hinfahrt morgens um halb 9 brauchten wir knapp 45 Minuten (statt 1:09 Stunde mit 2 Umstiegen, bei denen die Anschlüsse eh nicht klappen, also wären wir noch länger unterwegs), bei der Rückfahrt gegen 23 Uhr keine 30 Minuten (statt 1:05 Stunde mit 3 Umstiegen, bei denen die Anschlüsse eh nicht klappen, also wären wir noch länger unterwegs).

Dennoch ärgert es mich, das Auto nehmen zu müssen und Geld für einen Parkplatz ausgeben zu müssen, wo ich die HVV-Karte ohnehin habe. Aber da ich ankommen wollte, biss ich in den sauren Apfel. Die Alternative wären zwei Taxifahrten gewesen, nur ist bei der spätabendlichen Ankunft nicht gewährleistet, dass Taxen am Flughafen stehen, und ehe wir dann in der S-Bahn landen, nahmen wir lieber das eigene Auto.

Der August zeigte auch: Ich habe zu wenig Rocailles gekauft. Mit denen mache ich die rote Wolle, die für mehr als 20 Minuten Verspätung steht, sichtbarer, denn sie fällt sonst gegenüber der orangenen kaum auf. Im Juli und August brauchte ich das zweite Döschen auf.

Montag, 7. Oktober 2019

Stolpersteine für Leo Lippmann und Berthold Walter vor der Finanzbehörde (Gänsemarkt 36)

Montags gegen Nazis.
Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesen. Alle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst.

Stolpersteine für Leo Lippmann und Berthold Walter vor der Finanzbehörde.
Vor der Finanzbehörde am Gänsemarkt liegen seit 2007 zwei Stolpersteine für Leo Lippmann und Berthold Walter.

Walter wird am 19. März 1877 in München als sechstes von sieben Kindern geboren. Er macht eine Ausbildung zum Kaufmann und führt ab 1905 sehr erfolgreich einen Getreide- und Futtermittelgroßhandel. 1922 heiratet der 45jährige die 29jährige Herta. Ein Jahr später kommt Tochter Nora zur Welt und 1926 Tochter Lisa.

1929 muss Walter sein Geschäft aufgeben. In Bayern hat der Antisemitismus zugenommen, es wird propagiert, Futtermittel und Getreide nicht bei Geschäften mit jüdischen Inhabern zu kaufen. Schon gelieferte Ware wird nicht bezahlt.

Um seine Familie durchzubringen, versucht Walter, sich erst in Berlin, dann in Hamm und schließlich in Paris eine Existenz aufzubauen - vergeblich. 1935 kommt er nach Hamburg, alleine, in der Hoffnung, sich im Schutze der Anonymität der Großstadt als Hausierer durchschlagen zu können. Frau und Töchter bleiben in Paris.

Walter wird von der Finanzbehörde eine Handelserlaubnis verweigert. Ihm bleibt nur, sich als Hausierer durchzuschlagen. Immer wieder wird er als Jude gedemütigt, geschlagen, von Hunden gehetzt, erniedrigt. Am 7. August 1935 stürzt sich der 58jährige aus der siebten Etage in den Lichthof der Finanzbehörde in den Tod.

Die Finanzbehörde am Gänsemarkt.
Herta Walter und ihre Töchter Nora und Lisa überleben unter schwierigen Bedingungen im Exil und kehren nach der Befreiung nach Deutschland zurück. Hier leben die Nachfahren von Herta und Berthold Walter bis heute.

Der 1881 in eine wohlhabende liberal-jüdische Hamburger Familie hineingeborene Leo Lippmann ist Jurist und Staatsrat in der Finanzbehörde. Im Alter von 25 Jahren heiratet er die gleichaltrige Anna Josephine von der Porten. Das Paar bleibt kinderlos.

Lippmanns Karriere wird 1933 durch das "Gesetz zur Widerherstellung des Berufsbeamtentums" jäh beendet: Alle Juden werden aus dem Staatsdienst entlassen. Der 52jährige hofft vergeblich auf eine Rückkehr in den Staatsdienst - vergeblich. Zwei Jahre später wird Lippmann in den Vorstand der Jüdischen Gemeinde gewählt, ist dort für die Finanzen zuständig, wird schließlich stellvertretender Vorsitzender.

Im Frühsommer 1939 hätten die Lippmanns die Möglichkeit, Deutschland zu verlassen, entscheiden sich aber dagegen. Wenige Monate später ist Juden die Auswanderung verwehrt. Durch die rassistischen NS-Gesetze müssen sich die Lippmanns immer mehr einschränken, verlieren durch Auswanderung oder Freitod lieb gewonnene Menschen, müssen nichtjüdische Angestellte entlassen, Hab und Gut weit unter Wert verkaufen, da Juden beispielsweise der Besitz von Münzsammlungen untersagt ist, und schließlich umziehen, um in Reichweite der Gestapo zu sein, denn die Deportationen in die Vernichtungslager stehen bevor.

Ein Blick auf die Details des Bauschmucks lohnt innen wie außen. Hier ein Türgriff.
Lippmann erlebt die Deportationen der jüdischen Hamburger, die, nach einer ersten Deportation 1938, ab dem 25. Oktober 1941 systematisch durchgeführt werden. Spätestsens im Frühjahr 1943 scheinen sich Anna und Leo Lippmann für den Freitod entschieden zu haben, sollten sie deportiert werden, denn im März 1943 legt der 62jährige detailliert fest, wie er beigesetzt werden möchte.

Am 10. Juni 1943 besetzt die Gestapo die Räume der Jüdischen Gemeinde und Lippmann seine für den nächsten Tag geplante Deportation nach Theresienstadt mit. In der Nacht zum 11. Juni 1943 scheiden Anna und Leo Lippmann aus dem Leben.

Die ehemalige Kassenhalle der Finanzbehörde, heute ein Ausstellungssaal, ist seit 1993 nach Leo Lippmann benannt. Seit 2007 erinnert ein Stolperstein auf dem Gänsemarkt an ihn und an Berthold Walter. An Anna Lippmann erinnert ein Stolperstein vor dem letzten Wohnhaus des Paares in der Böttgerstraße.

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