"Haben wir etwa noch Corona?!", pöbelte gestern die alte Frau vor der Apotheke, vor der wir mit drei, vier anderen mit Abstand und Maske in der Schlange standen. "Ja!", scholl es ihr entgegen. Weder war jemand bereit, zu akzeptieren, dass sie sich vordrängelt, noch wollte jemand das Schild an der Tür ignorieren, wonach maximal vier Kunden in die Apotheke durften. Genau so viele waren gerade drinnen, also warteten die anderen draußen, bis sie an die Reihe kamen, was die Frau partout nicht verstehen wollte. In der Apotheke herrscht zudem noch Maskenpflicht, auch bei den Angestellten, gilt weiterhin die Einbahnstraßenregelung.
Dass wir noch Corona haben, kann man aber gut ignorieren. Weil kaum noch PCR-Tests möglich sind, sinken die Infektionszahlen - Schnell- oder Selbsttests fließen ja nicht in die Statistik ein, die Maskenpflicht ist wie alle anderen Einschränkungen weitgehend aufgehoben oder wird dort, wo sie noch gilt, gerne folgenlos ignoriert.
Eine infizierte Kollegin meldete sich gerade für die dritte und vierte Woche krank, schrieb, sie käme einfach nicht wieder auf die Beine. Sie ist sportlich, fit und durchtrainiert, arbeitet in der Touristik - so jemand fällt nicht einfach aus. Ein Kollege separierte sich spontan in ein Einzelbüro, als ihm seine Frau vor Beginn eines ganztägigen Präsenztermins mitteilte, sein kleiner Sohn seit gerade positiv auf Corona getestet worden. Rechtlich hätte er teilnehmen können (oder wie eine Kollegin sagte: "Hä? Corona ist doch nicht mehr ansteckend!"), aber der Verstand sagt etwas anderes, also nahm er Rücksicht. Wir schalteten ihn per Skype zu. Seinem Sohn geht's ziemlich schlecht (aber Corona trifft ja Kinder angeblich nicht so hart).
Hier gilt seit mittlerweile 114 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Der Gatte wurde im ersten Corona-Jahr schwerkrank, ist inzwischen berufsunfähig verrentet und schwerbehindert. Es geht uns vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus.
Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Mütter. Ich bin dankbar, dass Corona uns bislang verschonte. Mal schauen, wie lange noch. Wir sind natürlich geimpft, aber angesichts unserer Vorerkrankungen ist trotz Impfung eine Corona-Infektion wenig ratsam.
"Diese Woche habe ich viel geschafft!", sagte der Gatte stolz, als wir Mittwoch nach Feierabend zusammensaßen. In der Tat, er meisterte Arzttermine, war auf dem Wochenmarkt und butscherte sogar durch die Innenstadt. Die drei Tage ohne mich taten ihm gut. Donnerstag und Freitag ließen wir es aber langsamer angehen, zumal ihm auch das Wetter zu schaffen machte. Nach seinem Unfall in der ersten Maiwoche kämpft er sich langsam zurück, und die Hausärztin versucht, die Ursache für seine häufigen Stürze zu finden. Heißt: Es wird kräftig am Medikamentenplan geschraubt, es gibt viele Untersuchungen, weil es einen konkreten Verdacht auf eine weitere Erkrankung gibt. Mal schauen, wie sich das entwickelt. Gestern konnte er nach zwei Wochen unfallbedingter Pause endlich wieder zum Reha-Sport, wenngleich mit Fahrservice durch mich, denn er war recht wackelig. Aber es wird, und die Sportstunde samt Klönen mit der Altherrenriege tut ihm einfach gut.
Im Büro laufen viele schon länger angedachte Projekte plötzlich rund, seitdem Chef II als Mutterschutzvertretung für die Chefin da ist - ich erwischte mich schon bei dem Gedanken, dass es gut wäre, wenn er länger als das geplante Jahr bliebe. Für meine Probleme mit der zickigen neuen elektronischen Zeiterfassung haben wir eine Lösung gefunden, und es stellte sich heraus, dass nicht nur ich die Probleme habe. Was bleibt, ist, dass bei mir nach sechs Stunden eine halbe Stunde Pause abgezogen wird, bei den anderen Teilzeitkräften nicht. Selbst, wenn ich mich für 20 Minuten Pause ausstemple, werden mir nicht nur die 20 Minuten angerechnet, sondern noch 10 Minuten obendrauf. Warum das so ist, weiß keiner, denn es soll nicht so sein. Wenn es kurz vor Arbeitsschluss hektisch wird, kann ich also entweder sehr pünktlich gehen und die Arbeit auf den kommenden Tag verschieben oder erstmal eine halbe Stunde Pause machen, wenn ich nicht dafür bestraft werden will, dass ich länger arbeite ...
Diese Woche konnte ich ohne schlechtes Gewissen sehr pünktlich Feierabend machen, und in den kommenden Wochen schauen wir mal, wie es sich entwickelt. Bei den Pausen muss ich halt schauen, dass ich tatsächlich 30 Minuten weg bin, was selten vorkommt. Entweder, ich bin kurz zur Bank, dann sind das keine fünf Minuten (für die mir aber 30 abgezogen werden), oder ich bin länger als 30 Minuten weg, aber so was erledige ich normalerweise auf dem Heimweg. Wenn sich die Pausenabrechnung in den kommenden Wochen nicht zurechtruckelt, müssen die zuständigen Kolleginnen da noch mal ran.
Ansonsten sehe ich momentan an vielen Orten in der Stadt die Früchte meiner Arbeit, was ganz schön ist - und immer noch unrealistisch, weil ich immer noch nicht realisieren kann, dass ich für so ein tolles Projekt verantwortlich bin. In einem Monat ist die Pressekonferenz, dann ist das Projekt richtig groß präsent. Es verspricht, ein fröhlicher, lebhafter Termin zu werden, keine Pflichtveranstaltung wie früher, als das Projekt mehr Verwaltung als Spaß war.
Nervig sind nach wie vor die HVV-Verspätungen, und da für die kommenden Wochen weitere Baustellen angekündigt sind, wird das so bleiben. Ich fahre inzwischen eine Stunde früher los, brauche aber dennoch morgens zwei Stunden (normal wären 41 Minuten Fahrzeit plus maximal 10 Minuten Fußweg). Die S-Bahn ist auch keine Alternative, denn da gibt es täglich Fahrtunterbrechungen - in dieser Woche einmal bis zu 440 Minuten (bevor du rechnest: Das sind mehr als 7 Stunden). Immerhin: Morgen kann ich zu Hause arbeiten, muss mich nicht mit grölenden Germanen-Gangs, die auf dem Weg zum Fußballspiel im Volkspark sind, in den ÖPNV quetschen. Und ich ergatterte 9-Euro-Tickets für Juni bis August. Laut eines Zeitungsberichts ist die Stückzahl bundesweit auf 30 Millionen beschränkt, und da wollte ich sie so schnell wie möglich kaufen, denn ich brauche sie ja.
Mudderns geht's gut. Dass ihre Gesellschafterin jetzt zwei Mal in der Woche kommt, tut ihr wirklich gut. Ich habe zurzeit Zores mit ihrer Krankenkasse, die anscheinend den angeblichen Papiermangel dadurch bekämpfen will, dass ich ihr Unterlagen xfach vorlege. So hat sie alle erforderlichen Angaben zur Erstattung des Entlastungsbetrags schon vorliegen, möchte jetzt aber zusätzlich 76 Wochen rückwirkend Einzel-Rechnungen oder -Quittungen haben. Okay, ich arbeite in der Verwaltung, ich kann mit Papierbergen umgehen, aber das kann unmöglich deren Ernst sein. Kommende Woche darf ich also wieder viel telefonieren, weil der für vorgestern zugesagte Rückruf ausblieb.
Schwiegermutter schmollt. Der Gatte redete ja Tacheles, dass er nicht möchte, dass sie an meinen Bürotagen hier ist und ihn überwacht, und jetzt sagte er auch noch, dass er sonntags lieber mit mir schwimmen gehen will als sie zu besuchen. Ich hatte ihr das schon in Weißenhaus gesagt, und da schnappte sie nur, das sei in Ordnung, es gäbe schließlich genug Leute, die sich freuten, den Sonntag mit ihr verbringen zu dürfen. Der Gatte schlug nun vor, dass sie sich an anderen Tagen treffen und zusammen zum Wochenmarkt oder spazieren gehen, denn sie will ja, dass der Gatte mehr spazieren geht, aber da sie jedes Mal auflegt, wenn er anruft, wird das nichts. Die Verabredung zum Wochenmarkt sagte sie ab, als der Gatte sie daran erinnerte - hätte er nicht angerufen, wäre sie einfach nicht gekommen. Mal schauen, wann sie sich wieder berappelt. Den Gatten besorgt ihr aktuelles Verhalten, aber er ist entschlossen, nicht klein beizugeben, sondern Grenzen zu setzen.
Tante geht's hoffentlich gut. Es ist gerade ein Brief mit Fotos unserer Weißenhaus-Tage an sie unterwegs, und ich hoffe, sie freut sich darüber. Dadurch, dass Schwiegermutter nicht mit dem Gatten spricht, wissen wir auch gerade nicht, wie's Tante geht - und dass Tante nun die Urlaubsfotos vor Schwiegermutter bekommt, macht die Sache nicht besser ...
Kommende Woche bin ich zu einem Sightseeing-Tag inkl. Fremdessen verabredet und bin gespannt, wie es mir bekommt, den ganzen Tag unterwegs zu sein. Das habe ich ewig nicht mehr gemacht.
Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse. Diese Woche schaffte ich es endlich mal wieder, Gekörnte Brühe zu machen - mit Kräutern aus dem Garten!