Sonntag, 19. September 2021

Samstagsplausch KW 37/21: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten LXXVI - LXXIX

Nach einem Jahr waren wir wieder im Urlaub - heiß ersehnt, bis zwei Tage vor Abfahrt auf der Kippe stehend. Hin- und Rückfahrt waren heftig und fast 12 Stunden lang (statt normal mit vielen Pausen maximal sieben), zum einen wegen einer Autopanne, zum anderen wegen chaotischer Umleitungen in Husum, die direkt in Baustellen und Sackgassen führten.

Der Urlaub war anders als sonst, aus vielen Gründen. Normalerweise übernimmt der Gatte Kochen und Haushalt fast komplett, weil ihn das entspannt. Das kann er nicht mehr. Dementsprechend war ich meistens mit Kochen und Haushalt beschäftigt. Ich lernte sogar Feuermachen! Jede Pfadfinderin wäre entsetzt, aber ich hatte es fein warm. Ansonsten ist halt alles von der jeweiligen Tagesform des Gatten abhängig, brauchen wir viel Zeit und Geduld, können nicht wirklich planen. Das sind große Umstellungen für uns beide, aber das werden wir schaffen.

Ich kann Feuer machen! Na ja, zumindest brennt Holz im Kamin, wird das Haus warm.

In der ersten Urlaubswoche stand ungewohnt viel Aktivität an: Das Auto musste repariert werden (das erledigte die örtliche Werkstatt so gut und günstig, dass wir überlegen, nächstes Jahr Inspektion und Urlaub zu verbinden ...), es musste groß eingekauft werden (der Gatte bestand darauf, keine Lebensmittel mitzunehmen, noch nicht mal Grundnahrungsmittel wie Mehl, Reis, Nudeln, und ich war zu müde, es zu diskutieren), es gab ein Treffen mit einer Schweizer Kochfreundin, die zufällig in der Nähe (für dänische Verhältnisse) urlaubte ... Die zweite Woche war bedeutend ruhiger, von einer längeren Tour abgesehen.

Treffen, Restaurantbesuch und Einkaufsbummel zeigten mir, wie sehr ich das vermisste - das hätte ich vorher nicht gedacht! Wieder zu Hause, buchte ich prompt eine Karte für eine Lesung im November. Das wäre dann zum ersten Mal wieder analoge Kultur seit dem 12. Januar 2020! Die Lesung findet unter 2G-Regeln statt, es müssen Masken getragen werden, so dass ich denke, ich kann es wagen. Ich bin gespannt, ob's klappt, denn bis November ist es noch lange hin.

Das Ferienhaus war komplett umgestaltet, was uns überraschte, denn auf den Fotos bei der Buchung war noch alles beim Alten. Ich dachte erst, wir wären im falschen Haus! Das Haus sieht jetzt sehr instagramabel aus ... Wir fühlten uns aber dennoch wohl, klar. Nur werden die Ferienhäuser immer auswechselbarer, wozu auch der Trend, bei Ikea statt bei lokalen Firmen einzukaufen, beiträgt. 

Hier gilt seit mittlerweile 79 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Unsere Kontakte sind auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Mütter. 

Wir haben einen neuen Mitbewohner.

Dieser Dänemark-Urlaub ist der erste Urlaub seit einem Jahr. Im letzten Jahr hielten wir uns noch sehr von Menschen fern, verzichten auf alle Aufenthalte innen. Das war in diesem Jahr anders, denn in Dänemark sind in der Altersgruppe ab 12 Jahren über 80% geimpft (in der Altersgruppe Ü50 sogar 96%), was Sicherheit gibt. Dennoch war es ungewohnt, sich ohne Maske zu bewegen. Im Gegensatz zum Gatten habe ich nach Anfangsschwierigkeiten schon lange keine Probleme, über Stunden Maske zu tragen, mache ja sogar Sport damit. Jetzt plötzlich gar keine Maske mehr tragen zu müssen, ist für uns beide ungewohnt, war in den ersten Tagen sogar unangenehm. Beim Aufenthalt in großen Menschenmengen bin ich zudem noch immer skeptisch, zumal es in Dänemark praktisch keinen Abstand gibt. In Lokalen sitzt man dann schon mal dicht auf dicht. 

Ruhe, Nordseeluft (und bei mir zwei Stunden täglich Sport) taten uns sehr gut. In der ersten Woche nutzten wir noch nicht mal den Fernseher, sondern saßen lieber lange auf der Terrasse oder spielten Scrabble. Es war schön, endlich mal aus dem permanenten Krisenmodus herauszukommen. Ich genoss auch das Fehlen der täglichen Telefonate mit Mudderns, denn ich richte meinen Alltag schon so ein, dass ich sie täglich zu einer bestimmten Uhrzeit anrufen kann. Vergesse ich das, ist sofort Alarm, telefoniert sie mir hinterher.  

Dadurch, dass ich zur Ruhe kam, merkte ich auch, was mittlerweile 27 Kilo weniger bedeuten. Seit langem guckte ich nicht mehr nach Kladage, weil mir ja eh nichts passte, aber das ist nicht mehr so, und das war verblüffend. Ich kaufte dennoch nichts. Erstmal gehen die zu weiten Klamotten in die Kleiderkammer, und dann wird Bestandsaufnahme gemacht. Es fällt mir schwer, die zu große Kleidung wegzugeben, weil die Angst, plötzlich wieder zuzunehmen, da ist. Sie wird sicher auch bleiben. 

Ich merkte auch, wie fit ich bin. Das liegt weniger an der Gewichtsabnahme als an der endlich behandelten Hormonstörung. Vor einem Jahr konnte ich mich vor Schmerzen kaum bewegen, hielt ich mich nur mit Schmerzmitteln aufrecht. Jetzt ging ich die 47 Meter Stufen des Bulbjergs, also etwa 25 Stockwerke, runter und rauf und dachte nur "War was?!" Ich hoffe, dem Gatten geht's auch bald wieder so!

Am zweiten Tag Rosh haShanah besuchte uns übrigens ein Glücksbote: Der Schornsteinfeger kam, um den Kamin zu warten. Wir lernten: Dänische Schornsteinfeger tragen nicht unbedingt Zylinder, sondern Dreadlocks und Beanie - und sprechen akzentfrei Österreichisch, denn plötzlich erscholl ein kräftiges "Servus!" vom Dach, während wir auf der Terrasse die Sonne genossen. Der junge Mann lernte nämlich in Österreich Deutsch, und sein Auftreten lässt vermuten, dass er dort als Snowboarder war, im Sommer als Surfer unterwegs ist, wenn er keine Schornsteine inspiziert. Es würde zur Gegend passen.

Nach der Rückkehr war ich ziemlich entgeistert über die fehlende Corona-Nachverfolgung. Zwar gab's an der Grenze auf der deutschen Seite den Hinweis, man solle sich auf Corona testen lassen, aber keinen Hinweis auf ein Testcenter in der Nähe. Außerdem bekamen wir eine Bundesregierungs-SMS, dass wir die Test- oder Quarantäneregeln befolgen sollten, aber ob wir das tun, interessiert niemanden. Nun sind wir beide geimpft und machten natürlich einen Test nach Rückkehr, aber das ist sicher nicht die Regel. Und Dänemark ist aktuell kein Risikogebiet, aber bei Reiserückkehrern aus  Risikogebieten wird ja auch nicht überprüft, ob sie sich an die jeweils geltenden Coronaregeln halten.

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen in den beiden Urlaubswochen berichte ich demnächst in der Kombüse. 

2 Kommentare:

  1. instagramabel ... muss ich schmunzeln und überlege, in welcher Richtung der Zeiger aufschlägt, ob es eher positiv oder negativ darstellt. Trotz der Startschwierigkeiten mit längerer Anfahrt etc. scheint es Spaß gemacht zu haben.

    Liebe Grüße von Heidrun

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    1. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich instagramabel positiv oder negativ finde. Generell gefällt mir ja der Stil, aber die Ferienhäuser sehen immer gleicher aus, verlieren Charakter und Persönlichkeit. Da könnte ich auch in einer Filiale von Søstrene Grene urlauben ... Aber so ein frisch renoviertes Haus mit überwiegend neuen Möbeln ist natürlich auch fein.

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Kommentare von Corona-Leugner, Quer- und anderen Nicht-Denkern, Wahnwichteln, Das-ist-doch-nur-ne-Grippe-Schwurblern, Wir-haben-genug-freie-Intensivbetten-Rufern und ähnlichen Düffeldaffeln werden gelöscht.