Dadurch, dass mich Ende des Monats eine Mandelentzündung erwischte, las ich wenig. Mein Kopf war einfach zu matschig, selbst für LTB, und das will was heißen.
In der Onleihe erwischte ich ein vergleichsweise aktuelles Buch, "Woman in Cabin 10*" von Ruth Ware. Den ganzen Januar gegenüber begleitete mich die Werbung dafür bei der morgendlichen S-Bahn-Fahrt, machte mich das Titelbild neugierig. Ums vorweg zu nehmen: Ich war ziemlich enttäuscht von dem Buch.
Die Journalistin Lo Blacklock nimmt an der Jungfernfahrt eines exklusiven Luxuskreuzfahrtschiffs durch die norwegischen Fjorde teil. Ein wahr gewordener Traum. Doch in der ersten Nacht auf See erwacht sie von einem Schrei aus der Nachbarkabine und hört, wie etwas ins Wasser geworfen wird. Etwas Schweres – wie ein menschlicher Körper. Sie alarmiert den Sicherheitsoffizier. Aber die Nachbarkabine ist leer, ohne das geringste Anzeichen, dass hier jemand wohnte. Die junge Frau aus Kabine 10, mit der Lo noch am Vortag gesprochen hat, scheint nie existiert zu haben.
Ich tat mich sehr schwer mit dem Einstieg in das Buch, denn es geht erst mal lange um einen Einbruch in Los Appartement und ihre psychische Erkrankung. Ich fühlte mich wie damals im Kino, als ich im falschen Film landete und das erst nach Minuten realisierte.
Nachdem der Einstieg nach etwa einem Drittel geschafft war, fesselte mich der Thriller dann durchaus - zumindest an den wenigen Stellen, an denen ich es schaffte, Logikfehler und Längen auszublenden. Interessant war Erzählung aus mehreren Perspektiven. So erfährt man die Geschehnisse von Lo, aber auch durch Zeitungsartikel, eMails und Foren-Beiträge. Aber das reißt es auch nicht so weit raus, dass ich eine Leseempfehlung aussprechen könnte. Die Agentur, die das Buch bewirbt, die allerdings ist empfehlenswert.
Das Ende kam dann ziemlich abrupt - klar, wenn man ein Drittel braucht, um die eigentliche Geschichte an den Start zu bringen und ein weiteres Drittel, um sie in die Länge zu ziehen, fehlen dann irgendwann Seiten, um die Auflösung vernünftig darzustellen. Wie gesagt: Mein fall war das Buch nicht.
Sehr viel besser gefiel mir da schon "Mycrofts Auftrag*" von Beate Baum. Das Sherlock-Holmes-Pastiche spielt im gegenwärtigen London, und ich hatte die ganze Zeit Freeman und Cumberbatch vor Augen. Das Buch macht einfach Spaß, und ich freue mich auf die Fortsetzung mit dem Titel "Tödlicher Stoff", die in diesem Jahr erscheinen soll.
Drei Jahre hatte John Watson gedacht, Sherlock Holmes wäre tot. Als er ihn wiedertrifft, verhält der Detektiv sich äußerst seltsam. Sind die Drogen Schuld? Bei einem Überraschungsbesuch in der Baker Street jedenfalls trifft John den Freund komplett zugedröhnt an. Gibt es einen Zusammenhang mit dem brisanten Auftrag von Sherlocks Bruder Mycroft? Und was ist mit der attraktiven BBC-Reporterin Deborah Bellamy? Einmal mehr stellt der geniale Detektiv in diesem Fall voll schneller Wendungen selbst ein Geheimnis dar.
Ende Februar war ich ja bei der Lesung von Alina Bronsky, und folglich las ich im Anschluss "Und du kommst auch drin vor*". Protagonistinnen sind die eher unauffällige 15jährige Kim und ihre kluge, exzentrische Freundin Petrowna, beste Freundinnen seit der ersten Klasse sind sie : Kim, 15, eher unauffällig, und Petrowna.
Alles wird anders, als die beiden mit ihrer Klasse zu einer Schullesung gehen: Während die anderen tuscheln, sich die Haare kämmen oder aus dem Fenster schauen, wird Kim hellhörig, denn was die Autorin da vor sich hin nuschelt, handelt von ihr. Okay, es kommen andere Namen vor und ein paar unwichtige Details stimmen nicht, aber der Rest ist sie!
Doch die Geschichte geht nicht gut aus, vor allem nicht für Jasper, Kims Klassenkameraden, der, wenn das Buch die Wahrheit sagt, am Ende an einem Wespenstich stirbt. Um das zu verhindern, bleibt Kim nichts anderes übrig, als ihr Leben völlig auf den Kopf zu stellen. Auf einmal macht sie alle möglichen Dinge zum ersten Mal, wie zum Beispiel Jasper zu küssen. Das aber passt Petrowna ganz und gar nicht ins Konzept.
Ich las das Buch im Handumdrehen durch, war sehr gefangen genommen. Bronsky hat eine wunderbare Beobachtungsgabe! Einzig das sehr aufdringliche Productplacement missfiel mir. Die Autorin betonte zwar in der Lesung, nicht von Starbucks gesponsert zu werden, aber diese und andere Marken sind schon sehr präsent in diesem Jugendbuch.
Außerdem las ich "Die Flakhelfer*" von Malte Herwig. Das Buch beschäftigt sich mit den Männern der Jahrgänge 1926 bis 1928, Jugendlich, die in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs noch eingezogen wurden, um die Niederlage NS-Deutschlands weiter hinauszuzögern. Manch ein führender Kopf der Bundesrepublik Deutschland, der dieser Generation angehört, wurde in jungen Jahren als NSDAP-Mitglied geführt. Viele haben das verschwiegen oder vergessen, verleugnet oder verdrängt.
Herwig hat die 1945 auf abenteuerliche Weise gerettete Mitgliederkartei der NSDAP gründlich gesichtet und ist auf viele bekannte Namen wie Horst Ehmke, Erhard Eppler, Iring Fetscher, Hans-Dietrich Genscher, Günter Grass, Hans Werner Henze, Walter Jens, Siegfried Lenz, Erich Loest, Hermann Lübbe, Niklas Luhmann, Dieter Wellershoff gestoßen. Er erzählt die Geschichte einer schuldlos schuldigen Verstrickung mit der NS-Vergangenheit. Dabei entsteht das aufregende Bild einer von Widersprüchen zerrissenen Generation. Ein ausgesprochen spannendes Buch!
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Mittwoch, 28. Februar 2018
Samstag, 24. Februar 2018
Samstagsplausch KW 08/18: Alsterblicke
In dieser Woche gab's im Büro ein wenig Terminprobleme, zu viele Menschen mussten gleichzeitig in zu viele Außer-Haus-Termine, also fand ich mich plötzlich im Literaturhaus wieder, damit überhaupt noch jemand im Büro ist ...
Da aber erstaunlicherweise Busse und Bahnen so pünktlich waren, dass alle Anschlüsse klappten, war ich eine gute halbe Stunde vor Dienstbeginn da und hatte noch Zeit, bei wunderbarstem Winterwetter an der Alster spazieren zu gehen.
Früher blickte ich im Vertretungsdienst auf die Alster. Heute gehe ich vorm Vertretungsdienst an der Alster spazieren. Ich hätte es schlimmer treffen können (undd as Durchatmen an der Alster tat sehr gut, wie ein kleiner Urlaub).
Dann ging's in die Lesung des Buches "Und du kommst auch drin vor*" von Alina Bronsky*. Vor Beginn mussten allerdings noch die drei teilnehmenden Schulklassen platziert werden, nachdem sie alle in den richtigen Raum bugsiert wurden - ich war so im Bugsier-Modus, dass ich einen Fahrradkurier, der eigentlich eine Etage höher musste, auch mit in den Saal scheuchen wollte.
Zu den Lesungen gehört auch immer ein Büchertisch, den normalerweise nur frequentiert wird, um ein Buch für die Schulbibliothek zu kaufen. Auch bei dieser Lesung rechnete ich nicht damit, dass viele Bücher verkauft werden, denn "Und du kommst auch drin vor*" gibt es nur gebunden, und es kostet 16,95 €, nicht gerade ein Taschengeldschnäppchen. So hatte Bronsky für die, die kein Buch kaufen konnten, auch wie das Buchcover gestaltete Autogrammkarten dabei, die sich fast jeder Schüler abholte.
Trotzdem bildete sich schnell eine Schlange vor dem Büchertisch, legten Freundinnen ihr Geld zusammen, um sich gemeinsam ein Buch zu kaufen, gaben Lehrerinnen etwas dazu, drückte der Buchhändler mal ein Auge zu, wenn ein paar Cent fehlten ... Am Schluss freuten sich alle, wie viele Bücher verkauft wurden.
Mit den frisch gekauften Buch ging's dann zurück zur Autorin, um sich eine Widmung abzuholen. Mein Herz berührten zwei Mädchen, die sich danach gleich auf eine Bank setzten und zu lesen anfingen - es tat mir richtig leid, dass ich sie aus dem Saal scheuchen musste, sollten sie doch zurück in die Schule.
Für mich ging's auch zurück ins Büro, langsam, am Mundsburger Kanal entlang, weil ich nicht mit den Schulklassen im Bus sitzen wollte und mich niemand antrieb.
Ansonsten hole ich gerade alles an Krankheiten nach, was ich die letzten viereinhalb Jahre unterdrückte: Nachdem ich letzte Woche schon zwei Tage mit Erkältung im Büro fehlte, erwischte mich Donnerstag eine bakterielle Mandelentzündung.
Zumindest meine Ärztin hatte ihre Freude daran: "Sie sehen so richtig schön krank aus", jubelte sie, als ich auf dem Heimweg bei ihr vorbeischaute, eigentlich nur Codein gegen den schmerzhaften Husten wollte (Halsschmerzen, Fieber oder so habe ich nämlich nicht, das geht auch ohne). "Hach, die Mandeln sehen ja wie aus dem Lehrbuch aus! Da kann ich Sie gleich eine Woche krankschreiben!"
Ich find's ja schön, wenn ich anderen 'ne Freude machen kann ... Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea.
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Winterlicher Alsterblick. |
Früher blickte ich im Vertretungsdienst auf die Alster. Heute gehe ich vorm Vertretungsdienst an der Alster spazieren. Ich hätte es schlimmer treffen können (undd as Durchatmen an der Alster tat sehr gut, wie ein kleiner Urlaub).
Dann ging's in die Lesung des Buches "Und du kommst auch drin vor*" von Alina Bronsky*. Vor Beginn mussten allerdings noch die drei teilnehmenden Schulklassen platziert werden, nachdem sie alle in den richtigen Raum bugsiert wurden - ich war so im Bugsier-Modus, dass ich einen Fahrradkurier, der eigentlich eine Etage höher musste, auch mit in den Saal scheuchen wollte.
Zu den Lesungen gehört auch immer ein Büchertisch, den normalerweise nur frequentiert wird, um ein Buch für die Schulbibliothek zu kaufen. Auch bei dieser Lesung rechnete ich nicht damit, dass viele Bücher verkauft werden, denn "Und du kommst auch drin vor*" gibt es nur gebunden, und es kostet 16,95 €, nicht gerade ein Taschengeldschnäppchen. So hatte Bronsky für die, die kein Buch kaufen konnten, auch wie das Buchcover gestaltete Autogrammkarten dabei, die sich fast jeder Schüler abholte.
Noch ein Alsterblick. |
Mit den frisch gekauften Buch ging's dann zurück zur Autorin, um sich eine Widmung abzuholen. Mein Herz berührten zwei Mädchen, die sich danach gleich auf eine Bank setzten und zu lesen anfingen - es tat mir richtig leid, dass ich sie aus dem Saal scheuchen musste, sollten sie doch zurück in die Schule.
Für mich ging's auch zurück ins Büro, langsam, am Mundsburger Kanal entlang, weil ich nicht mit den Schulklassen im Bus sitzen wollte und mich niemand antrieb.
Ansonsten hole ich gerade alles an Krankheiten nach, was ich die letzten viereinhalb Jahre unterdrückte: Nachdem ich letzte Woche schon zwei Tage mit Erkältung im Büro fehlte, erwischte mich Donnerstag eine bakterielle Mandelentzündung.
Zumindest meine Ärztin hatte ihre Freude daran: "Sie sehen so richtig schön krank aus", jubelte sie, als ich auf dem Heimweg bei ihr vorbeischaute, eigentlich nur Codein gegen den schmerzhaften Husten wollte (Halsschmerzen, Fieber oder so habe ich nämlich nicht, das geht auch ohne). "Hach, die Mandeln sehen ja wie aus dem Lehrbuch aus! Da kann ich Sie gleich eine Woche krankschreiben!"
Ich find's ja schön, wenn ich anderen 'ne Freude machen kann ... Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea.
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Sonntag, 18. Februar 2018
#12von12 im Februar 2018
Wie jeden Monat am 12. sammelt Caro von Draußen nur Kännchen 12 Impressionen unseres Tags. Ich starte spät in den Tag, Teilzeit sei's gedankt. Ansonsten ist mir heute nicht nach vielen Worten.
Zu Hause ist erst mal Warten auf den Gatten angesagt. Er hatte am Nachmittag ein wichtiges Gespräch samt anstrengender, gehetzter Anfahrt durch Schneeregen. Als er da ist, trinken wir Tee und reden über den Tag. Das Gesprächsergebnis erfährt er in zwei Wochen.
Wir kümmern uns im Wäsche und Spülmaschine, dann gehe ich einen Moment auf's Sofa, bevor ich das Abendessen zubereite.
Die Rezepte zum Tag gibt's in der Kombüse.
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#1: Bushaltestellen-Blick. |
#2: De Zoch kütt. |
#3: Im Büro erst mal Tee kochen. |
#4. Ab in eine Besprechung. |
#5: Websites gestalten. |
#6: Dinkelflocken mit Kranbeeren und Banane sowie frischen Tee zu Mittag. |
#7: Auf dem Heimweg kurz am Hrdlicka-Denkmal innehalten. |
#8: In der S-Bahn einen Sitzplatz bekommen und lesen*. |
Wir kümmern uns im Wäsche und Spülmaschine, dann gehe ich einen Moment auf's Sofa, bevor ich das Abendessen zubereite.
#9: Postkarten an Mudderns und an Deniz Yücel. |
#10: Zutaten für's Abendessen. |
#11: Über die Blumen, die mir der Gatte Freitag schenkte, freuen. |
#12: Wolle entwirren. |
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Mittwoch, 14. Februar 2018
Sei Sand im Getriebe
Diesen Beitrag schiebe ich schon lange vor mir her, immer in der Hoffnung, sein Thema erledige sich in der Zwischenzeit. Leider tut es das nicht. Seit einem Jahr ist der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel in der Türkei inhaftiert.
Im April 2017 erfuhr ich, dass es Menschen gibt, die ihm regelmäßig Postkarten schreiben. Ich bewundere die Kraft, die das Fräulein Read On dabei an den Tag legt: Seit 334 Tagen schreibt sie jeden Tag eine Karte. Ich bin froh, wenn meine Kraft morgens zum Aufstehen reicht, deswegen schreibe ich seltener, viel seltener.
Aber warum überhaupt Postkarten an Deniz Yücel oder an andere politische Gefangene schreiben, wenn völlig unklar ist, ob sie die jemals bekommen? Ganz einfach: Die Bürokratie, die damit beschäftigt ist, Postkarten zu verwalten, kommt in der Zeit, in der sie sich mit Postkarten beschäftigt, nicht dazu, sich mit etwas anderem zu beschäftigen.
Im Idealfall geht der Bürokratie dadurch ein Mensch durch die Lappen, den sie lieber hinter Gittern sähe, oder kommt ein Verwaltungsbeamter ins Grübeln, welchem Staat er da eigentlich dient. Zumindest ist die Verwaltung erst mal beschäftigt, Postkarten zu verwalten.
Ich weiß nicht, wie es in türkischen Amtsstuben aussieht. Ich kenne nur deutsche Amtsstuben, aber die kenne ich vergleichsweise gut. Der Beamtentriathlon ist immer noch Knicken, Lochen, Abheften. Und glaubt mir, aus eigener Erfahrung weiß ich: Das gilt auch für Postkarten.
Es macht jeder Verwaltung unwahrscheinlich viel Freude, Postkartenaktionen zu bearbeiten. Jede Postkarte löst einen Verwaltungsakt aus, um so mehr, wenn sie nicht in der jeweiligen Amtssprache, im Falle Yücel also Türkisch, geschrieben ist, denn bevor die Postkarte den Beamtentriathlon absolvieren kann, muss sie übersetzt werden. Man muss ja wissen, worum's geht, ob man evtl. tätig werden, antworten muss, ob Ungemach dräut. Selbst wenn keine Postkarte jemals Deniz Yücel erreichen sollte, beschäftigt jede Postkarte doch erstmal viele Menschen, vom Briefträger über die Poststellen in den Behörden bis zum Gefängnisdirektor.
Eine Postkarte kann man noch ignorieren, aber die 334 Postkarten vom Fräulein Read On plus die der anderen, die mehr oder weniger regelmäßig an Deniz Yücel und andere politische Gefangene schreiben, die ergeben schon einen ordentlichen Berg, der sich nicht so einfach ignorieren lässt. Jede einzelne Karte signalisiert: Der Mensch, den ihr da inhaftiert habt, der ist nicht vergessen.
Wie leicht es sein kann, einen gut geölten Verwaltungsapparat ins Stocken zu bringen, lernte ich von meinem lieben Freund und Weggefährten Wolf. Eigentlich heißt er Kurt, aber so nannten ihn eigentlich nur die Behörden. Wolf war sein Kampfname, Wolf riefen ihn Freunde und Weggefährten. Wölfchen nannten ihn seine beiden Frauen.
Wolf war Hamburger und Jude, Mitglied einer deutsch-jüdischen Jugendbewegung. Er ging 1933 in den Widerstand. So stand er beispielsweise Schmiere, als Freunde die Parole "Hitler bedeutet Krieg" an einem Weg zwischen Eppendorfer Landstraße und Martinistraße malten. Das mag erst mal als keine große Aktion erscheinen, aber Schmiere stehen war eine verantwortungsvolle Aufgabe, denn hätte Wolf nicht aufgepasst, wären alle verhaftet worden.
Und Schmierestehen in Kombination mit einem kritischen Geist, insbesondere, wenn der Besitzer dieses kritischen Geistes zusätzlich auch noch Jude ist, reicht für eine Verhaftung. Im Mai 1936 wurde der 21jährige Wolf verhaftet und wegen "Vorbereitung des Hochverrats" angeklagt. Im Januar 1937 wurde er verurteilt, verbüßte seine Haftstrafe in Fuhlsbüttel und konnte nach England emigrieren, wo er seine erste Frau, ebenfalls eine gebürtige Hamburgerin, kennenlernte. 1946 kehrten sie nach Hamburg zurück.
Verhört wurde Wolf im berüchtigten Stadthaus, dem Gestapo-Hauptquartier am Neuen Wall. Zu den vielen Folterungen und Mißhandlungen dort gehörte auch das stundenlange Stehen in den langen weiß getünchten Behördenfluren, vor der so genannten Spiegelwand. Nein, sie wurde nicht so genannt, weil dort Spiegel hingen, sondern weil die Inhaftierten so lange bewegungslos mit dem Gesicht zur Wand stehen mussten, dass sie das Gefühl hatten, dort ihr eigenes Gesicht wie im Spiegel zu sehen.
Eines Tages, als Wolf wieder mal zu einem Verhör geführt wurde, stand eine Gruppe Frauen rechts und links an den Flurwänden. Eine der Frauen drehte sich um und bat den Beamten, der Wolf zum Verhör bringen sollte, um Zettel und Stift: "Ich stehe hier schon so lange, mein Mann macht sich Sorgen. Ich möchte ihm ein paar Zeilen schreiben, damit er weiß, wo ich bin."
Während der Beamte noch damit beschäftigt war, das Ungeheuerliche - eine Gefangene spricht ohne Aufforderung, äußert eine Bitte, gibt's dafür überhaupt eine Vorschrift, ich muss doch meinen Gefangenen zum Verhör führen, was mache ich jetzt bloß - zu verarbeiten, drehten sich auch andere Frauen um und baten um Zettel und Stift, um eine Nachricht an ihre Angehörigen zu schicken.
Der Beamte schwitzte inzwischen sicher schon Blut und Wasser, und als wäre das noch nicht genug, öffneten sich nun auch die Bürotüren, eine nach der anderen, guckten die anderen Beamten auf den Flur, wollten wissen, was da los ist, warum Wolf nicht pünktlich zum Verhör erscheint.
An dieser Stelle schien es immer ein wenig so, als hätte Wolf Mitleid mit den Beamten, die von einer einfachen Frage aus dem Konzept gebracht wurden. Einzige Möglichkeit, die Lage wieder in den Griff zu kriegen, war in diesem Moment, den Frauen Zettel und Stift zu geben, damit sie ihren Angehörigen schreiben konnten.
"Den Mut dieser Frauen habe ich unendlich bewundert", sagte Wolf jedes Mal, wenn ich ihn ins ehemalige Stadthaus begleitete, wo er Schulklassen und Jugendlichen seine Geschichte erzählte. "Die Frage nach so etwas Harmlosem wie Zettel und Stift hat in diesem Moment die gute geölte Verwaltungsmaschinerie ins Stocken gebracht und denen, die in den Kellern und Büros verhört und gefoltert wurden, eine kurze Atempause beschert. Was diese Frauen geleistet haben, kann ich nicht vergessen!"
Auch wenn Wolf nie die Namen dieser Frauen in Erfahrung bringen konnte oder ob ihre Nachrichten jemals aus dem Stadthaus herauskamen, sorgte er doch dafür, dass sie nicht vergessen wurden.
Bei jeder Postkarte, die sich auf den Weg nach Silivri macht, denke ich an diese Frauen, an Wolf und an ein Getriebe, das knirschend einen kurzen Moment zum Erliegen kommt. Eines Tages, da bin ich mir sicher, wird so viel Sand im Getriebe sein, dass die Maschine durchbrennt. Möge dieser Tag bald kommen!
Falls Du mehr über Wolf erfahren möchtest, empfehle ich Dir das Buch "Eine verschwundene Welt: Jüdisches Leben am Grindel*", das nur noch antiquarisch erhältlich ist.
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Im April 2017 erfuhr ich, dass es Menschen gibt, die ihm regelmäßig Postkarten schreiben. Ich bewundere die Kraft, die das Fräulein Read On dabei an den Tag legt: Seit 334 Tagen schreibt sie jeden Tag eine Karte. Ich bin froh, wenn meine Kraft morgens zum Aufstehen reicht, deswegen schreibe ich seltener, viel seltener.
Postkarte vom 8. Februar über Hamburg an der Nordsee. |
Im Idealfall geht der Bürokratie dadurch ein Mensch durch die Lappen, den sie lieber hinter Gittern sähe, oder kommt ein Verwaltungsbeamter ins Grübeln, welchem Staat er da eigentlich dient. Zumindest ist die Verwaltung erst mal beschäftigt, Postkarten zu verwalten.
Ich weiß nicht, wie es in türkischen Amtsstuben aussieht. Ich kenne nur deutsche Amtsstuben, aber die kenne ich vergleichsweise gut. Der Beamtentriathlon ist immer noch Knicken, Lochen, Abheften. Und glaubt mir, aus eigener Erfahrung weiß ich: Das gilt auch für Postkarten.
Es macht jeder Verwaltung unwahrscheinlich viel Freude, Postkartenaktionen zu bearbeiten. Jede Postkarte löst einen Verwaltungsakt aus, um so mehr, wenn sie nicht in der jeweiligen Amtssprache, im Falle Yücel also Türkisch, geschrieben ist, denn bevor die Postkarte den Beamtentriathlon absolvieren kann, muss sie übersetzt werden. Man muss ja wissen, worum's geht, ob man evtl. tätig werden, antworten muss, ob Ungemach dräut. Selbst wenn keine Postkarte jemals Deniz Yücel erreichen sollte, beschäftigt jede Postkarte doch erstmal viele Menschen, vom Briefträger über die Poststellen in den Behörden bis zum Gefängnisdirektor.
Eine Postkarte kann man noch ignorieren, aber die 334 Postkarten vom Fräulein Read On plus die der anderen, die mehr oder weniger regelmäßig an Deniz Yücel und andere politische Gefangene schreiben, die ergeben schon einen ordentlichen Berg, der sich nicht so einfach ignorieren lässt. Jede einzelne Karte signalisiert: Der Mensch, den ihr da inhaftiert habt, der ist nicht vergessen.
Wie leicht es sein kann, einen gut geölten Verwaltungsapparat ins Stocken zu bringen, lernte ich von meinem lieben Freund und Weggefährten Wolf. Eigentlich heißt er Kurt, aber so nannten ihn eigentlich nur die Behörden. Wolf war sein Kampfname, Wolf riefen ihn Freunde und Weggefährten. Wölfchen nannten ihn seine beiden Frauen.
Wolf war Hamburger und Jude, Mitglied einer deutsch-jüdischen Jugendbewegung. Er ging 1933 in den Widerstand. So stand er beispielsweise Schmiere, als Freunde die Parole "Hitler bedeutet Krieg" an einem Weg zwischen Eppendorfer Landstraße und Martinistraße malten. Das mag erst mal als keine große Aktion erscheinen, aber Schmiere stehen war eine verantwortungsvolle Aufgabe, denn hätte Wolf nicht aufgepasst, wären alle verhaftet worden.
Und Schmierestehen in Kombination mit einem kritischen Geist, insbesondere, wenn der Besitzer dieses kritischen Geistes zusätzlich auch noch Jude ist, reicht für eine Verhaftung. Im Mai 1936 wurde der 21jährige Wolf verhaftet und wegen "Vorbereitung des Hochverrats" angeklagt. Im Januar 1937 wurde er verurteilt, verbüßte seine Haftstrafe in Fuhlsbüttel und konnte nach England emigrieren, wo er seine erste Frau, ebenfalls eine gebürtige Hamburgerin, kennenlernte. 1946 kehrten sie nach Hamburg zurück.
Verhört wurde Wolf im berüchtigten Stadthaus, dem Gestapo-Hauptquartier am Neuen Wall. Zu den vielen Folterungen und Mißhandlungen dort gehörte auch das stundenlange Stehen in den langen weiß getünchten Behördenfluren, vor der so genannten Spiegelwand. Nein, sie wurde nicht so genannt, weil dort Spiegel hingen, sondern weil die Inhaftierten so lange bewegungslos mit dem Gesicht zur Wand stehen mussten, dass sie das Gefühl hatten, dort ihr eigenes Gesicht wie im Spiegel zu sehen.
Eines Tages, als Wolf wieder mal zu einem Verhör geführt wurde, stand eine Gruppe Frauen rechts und links an den Flurwänden. Eine der Frauen drehte sich um und bat den Beamten, der Wolf zum Verhör bringen sollte, um Zettel und Stift: "Ich stehe hier schon so lange, mein Mann macht sich Sorgen. Ich möchte ihm ein paar Zeilen schreiben, damit er weiß, wo ich bin."
Während der Beamte noch damit beschäftigt war, das Ungeheuerliche - eine Gefangene spricht ohne Aufforderung, äußert eine Bitte, gibt's dafür überhaupt eine Vorschrift, ich muss doch meinen Gefangenen zum Verhör führen, was mache ich jetzt bloß - zu verarbeiten, drehten sich auch andere Frauen um und baten um Zettel und Stift, um eine Nachricht an ihre Angehörigen zu schicken.
Der Beamte schwitzte inzwischen sicher schon Blut und Wasser, und als wäre das noch nicht genug, öffneten sich nun auch die Bürotüren, eine nach der anderen, guckten die anderen Beamten auf den Flur, wollten wissen, was da los ist, warum Wolf nicht pünktlich zum Verhör erscheint.
An dieser Stelle schien es immer ein wenig so, als hätte Wolf Mitleid mit den Beamten, die von einer einfachen Frage aus dem Konzept gebracht wurden. Einzige Möglichkeit, die Lage wieder in den Griff zu kriegen, war in diesem Moment, den Frauen Zettel und Stift zu geben, damit sie ihren Angehörigen schreiben konnten.
"Den Mut dieser Frauen habe ich unendlich bewundert", sagte Wolf jedes Mal, wenn ich ihn ins ehemalige Stadthaus begleitete, wo er Schulklassen und Jugendlichen seine Geschichte erzählte. "Die Frage nach so etwas Harmlosem wie Zettel und Stift hat in diesem Moment die gute geölte Verwaltungsmaschinerie ins Stocken gebracht und denen, die in den Kellern und Büros verhört und gefoltert wurden, eine kurze Atempause beschert. Was diese Frauen geleistet haben, kann ich nicht vergessen!"
Auch wenn Wolf nie die Namen dieser Frauen in Erfahrung bringen konnte oder ob ihre Nachrichten jemals aus dem Stadthaus herauskamen, sorgte er doch dafür, dass sie nicht vergessen wurden.
Bei jeder Postkarte, die sich auf den Weg nach Silivri macht, denke ich an diese Frauen, an Wolf und an ein Getriebe, das knirschend einen kurzen Moment zum Erliegen kommt. Eines Tages, da bin ich mir sicher, wird so viel Sand im Getriebe sein, dass die Maschine durchbrennt. Möge dieser Tag bald kommen!
Falls Du mehr über Wolf erfahren möchtest, empfehle ich Dir das Buch "Eine verschwundene Welt: Jüdisches Leben am Grindel*", das nur noch antiquarisch erhältlich ist.
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Samstag, 10. Februar 2018
Samstagsplausch KW 06/18: Der Sängerkrieg der Heidehasen
Das Entrée des Allee-Theaters wird gerade umgestaltet, wobei diese alte Werbung zu Tage kam. |
Am Sonnabend waren der Gatte und ich im Theater für Kinder zur Premiere von "Der Sängerkrieg der Heidehasen".
Wir waren beide total aufgeregt: Der Gatte, weil es eines seiner Lieblingsstücke ist, er das Hörspiel von James Krüss liebt und mir jedes Mal Auszüge vorsingt, wenn's um Wagner geht, und ich, weil ich seit der Grundschule nicht mehr in dem Theater war.
Damals hatte das Theater für Kinder noch einen Doppeldeckerbus, mit dem die Schüler in der Schule abgeholt und bis vor's Theater gefahren wurden. Das war eine Schau!
Der Bus hatte im Heck eine riesige Fläze-Ecke und war von außen mit buntem Konfetti bemalt. Bis vor einigen Jahren sah ich ihn immer noch durch Hamburg fahren, aber inzwischen gibt es ihn leider nicht mehr. Und während ich mich noch lebhaft in den Bus erinnere, habe ich keine Erinnerung mehr an das Theater oder das Stück, das wir sahen ...
Das privat geführte Theater für Kinder wurde 1968 gegründet. Die Idee: Kinder brauchen mehr Theater als Weihnachtsmärchen. Seit 1996 ist es vormittags und nachmittags Kindertheater und abends Kammeroper. In letztere gehe ich Anfang März, darauf freue ich mich schon.
"Der Sängerkrieg der Heidehasen" ist eine Adaption von Wagners "Tannhäuser" und den "Meistersängern von Nürnberg". Bei den Heidehasen soll, wie jedes Jahr, der beste Sänger im Rahmen eines Wettstreits gekürt werden. Doch dieses Mal winkt ein besonderer Preis: Die Prinzessin, Tochter von König Lamprecht VII., heiratet den Sieger. Ein aussichtsreicher Kandidat ist der junge Hase Lodengrün.
Aber Direktor Wackelohr und der Minister für Hasengesang versuchen, dessen Sieg mit allen Mitteln zu verhindern. Sie verstellen die Sonnenuhr von Lodengrün, damit dieser aufgrund seiner Verspätung vom Wettbewerb ausgeschlossen wird. Otto Lampe, der Neffe der Nachbarin, hört das Verschwörungsgespräch mit und informiert Lodengrün. Dieser schafft es gerade noch rechtzeitig zum Sängerkrieg und siegt mit seinem Lied über das Komplott. Wackelohr und der Minister fliehen außer Landes.
Das Ensemble ist voller Spiel- und Sangesfreude, die Figuren sind wunderbar besetzt, die Bühne mit Sellerie, Radieschen und Salat einfach zauberhaft, ebenso wie Kostüme und die hinreißende Maske. Eine rundum gelungene Inszenierung, die großen und kleinen Menschen Spaß macht. Hin da!
Ansonsten war's eine normale, ziemlich anstrengende Woche. Viel unter Menschen zu sein, jeden Tag, sogar sonntags, strengt mich einfach an. Montag sprang ich für eine kranke Kollegin ein, was einen zusätzlichen Der Gatte hatte Urlaub und Dienstag einen wichtigen Termin. Während er völlig gelassen blieb, war ich einem Nervenzusammenbruch nahe. in KW 8 erfahren wir, wie der Termin lief - lief er gut, wäre das Ergebnis ein wunderbares Hochzeitstagsgeschenk.
Ich wachse weiter in meine Aufgaben hinein, nahm zum ersten Mal an einem vierteljährlichen ressortübergreifenden Jour fixe statt, wo ich auf eine liebe Kollegin aus einem früheren Leben traf, und war froh, dass ich gestern frei hatte. Eigentlich wollte ich an die Elbe, das schöne Winterwetter genießen, aber dazu war ich zu erschöpft.
So schlief ich viel und beschäftigte mich mit meinem aktuellen Strickstück, das im Prinzip fertig ist, aber noch nicht richtig sitzt, wie ich finde. Ich habe es auf meine
Der Gatte übernahm derweil den Wocheneinkauf und brachte mir einen Strauß roter Rosen mit. Eine wunderbare Überraschung!
Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende und eine gute Woche!
Montag, 5. Februar 2018
#WMDEDGT 2/18
Heute ist wieder der fünfte Tag des Monats, und Frau Brüllen fragt "Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?", kurz WMDEDGT?
Mir fällt morgens das Aufstehen schwer. Ich habe schlecht geschlafen, hatte Atemprobleme und Schmerzen. Gegen beides gäbe es Abhilfe, aber ich kann mich noch nicht zu einer OP durchringen, und ins Schlaflabor geht's erst im April. So verbringe ich anderthalb Stunden damit, einigermaßen wach und fit zu werden, während der Gatte, der eine Woche Urlaub hat, noch schläft.
Nach reichlich Kaffee und einer heißen Dusche stehe ich dann ziemlich spät an der Bushaltestelle und bin später als geplant im Büro. An der S-Bahn besorge ich mir noch ein Brötchen, denn zu Hause klappte es nicht mit dem Broteschmieren.
Das Wechselgeld lege ich gleich zur Seite für die 52-Wochen-Challenge: Jede Woche legt man einen der Wochenzahl entsprechenden Betrag zurück: In KW 1 1 Euro, in KW 2 2 Euro, jetzt in KW 6 also 6 Euro. Am Ende des Jahres sollen so 1.378 Euro in meinem großen Einmachglas zusammenkommen. Ich bin gespannt, wie lange ich durchhalte. Der Gatte meint, nicht länger als bis KW 25. Mal gucken.
Eigentlich wollte ich früh im Büro sein, um am frühen Nachmittag Feierabend zu haben, aber meine Verspätung hat ein Gutes: Ich mache nicht so viele Überstunden, denn im Büro zeigt sich: Meine Kollegin ist krank. Ich muss für sie einspringen, weil die dritte Kollegin montags immer frei hat.
Die Kolleginnen sind ob der Krankheit der Kollegin und meiner Vertretung ziemlich aufgeregt. Ich bleibe gelassen, denn die Vertretung gehört ja zu meinen Aufgabengebieten (und so schlecht, wie die Kollegin am Freitag, nach zwei Tagen zu Hause, immer noch aussah, ging ich nicht davon aus, dass sie heute wieder fit ist, insofern bin ich wenig überrascht). Dass jemand keine Probleme mit dem Vertretungsdienst hat, ist für das Team ungewohnt. Nun, ich war die letzten viereinhalb Jahre Springerin ...
Generell beginnt der Bürotag damit, dass ich erst mal in alle Büros reinschaue und Guten Morgen sage. Damit ist dann oft schon die erste viertel bis halbe Stunde um. Eine Kollegin erzählt, dass die 15jährige Praktikantin, die uns die letzten drei Wochen begleitete, sehr begeistert von unserer Abteilung war. Das ist schön, denn manches Mal frage ich mich schon, ob wir nicht an unserer Zielgruppe vorbei arbeiten, und so durfte denn die Praktikantin auch die Jugend-Angebote aus meinem Arbeitsbereich sichten und mir sagen, was bei ihr ankommt und was nicht.
Ich sage kurz beim Gatten Bescheid, dass ich anderthalb Stunden später komme und gebe dann angesichts des häufig klingelnden Telefons den Versuch auf, mich um meine Internetseiten zu kümmern, bevor ich Ladendienst habe. Eigentlich wäre ich heute nur im Büro, wollte eine Seite neu gestalten, aber das CMS ist kompliziert, und die Ruhe, die ich dafür bräuchte, habe ich nicht, wenn Ladendienst ansteht, ich maximal eine Stunde im Büro bin.
Eine Viertelstunde vor Öffnung bin ich im Laden, gehe die Regale durch, gucke, ob Flyer abgelaufen sind und entsorgt werden müssen, fülle Broschüren auf, lege den neuen Statistikbogen für die kommenden beiden Wochen an, mache einen Rückruf bei einem Theater, spreche mich mit der Kollegin, die heute auf der anderen Ladenseite mit mir arbeitet, ab und ignoriere die erste Kundin, die schon vor Öffnung vor der Tür steht. Manchmal habe ich das Gefühl, nach dem Wochenende sind unsere Kunden wie auf Entzug.
Dann geht's Schlag auf Schlag: Ein Herr möchte die Broschüre, über die er gerade in seinem Buch schreibt, haben, weiß aber den Titel nicht, nur, dass er den Titel mittig auf der Seite in einem Textblock erwähnte und wir sie führen müssten. Ähm, ja, nee, is klaa. Eine Dame hätte gerne die Veröffentlichung, die aussieht wie ein Kalender, aber mit Informationen über das Rathaus. Okay, hier weiß ich wenigstens was sie meint und gebe ihr das Gewünschte mit. Eine andere Dame muss überzeugt werden, dass es sich bei einer App nicht um eine gedruckte Broschüre handelt (aber immerhin haben wir ein Faltblatt darüber, dass wir die App haben ...).
Zwischendrin liefert DHL an, holt eine Dame einen ganzen Stapel Broschüren ab, wofür ich schnell ins Lager laufe, möchte ein entzückender 86jähriger Herr über die aktuellen Inszenierungen von "Maria Stuart" und "Fidelio" plaudern, über den gerade verliehenen Bertini-Preis und das theater 53, das einst an der Landwehr war. So vergehen die ersten anderthalb Stunden Ladendienst wie im Fluge.
Die nächsten anderthalb Stunden gehen so weiter: Ein Kurier bringt Kulturpropaganda, wie er es nennt. Ich lege die Flyer aus, kontrolliere wieder, welche Broschüren und Infomaterialien nachgelegt werden müssen, freue mich, wenn ich im Lager tatsächlich was finde; esse ein bisschen Quark, wenn gerade niemand guckt; kämpfe mich durch die von der Chefin produzierte eMail-Flut und versuche, der Herr zu werden, indem ich sie in Ordner kategorisiere und markiere, was ich Mittwoch bearbeiten will; verpacke Broschüren zum Versand und wuchte den Karton nach oben in die Verwaltung, wo am nächsten Morgen die Post abgeholt wird.
Zwischendrin fixe ich eine Kollegin aus der Nachbarabteilung mit der Idee, einen zum Lager umfunktionierten Seminarraum endlich mal wieder für Veranstaltungen zu nutzen, an. Ich weiß schon, dass dieses Projekt höchstens mittelfristig umzusetzen ist, aber ich kann sehr hartnäckig sein, wenn ich mir mal etwas in den Kopf gesetzt habe (und ich habe so viele Ideen, die man in dem Raum umsetzen könnte).
Die restlichen anderthalb Stunden beginnen ruhig. Die Kollegin, mit der ich bislang noch nicht zusammenarbeitete, und ich können ausgiebig klönen, dann nutzt sie die Gunst der ruhigen Stunde, um ihre Regale aufzufüllen und in der Verwaltung vorbeizuschauen. Ich lese mich online einmal quer durch die Presse und bin froh, nicht mehr in meinem alten Job zu sein, denn da ist gerade der Teufel los. Ich schicke mitfühlende Gedanken an Kollegin I: Meine Stelle ist immer noch nicht nachbesetzt, sie muss mich vertreten.
Wie üblich wird es in der letzten halben Stunde vor Ladenschluss noch mal turbolent, aber wie durch ein Wunder sind acht Minuten vor Schluss alle Kunden gegangen, kommen auch keine neuen, können wir pünktlich Feierabend machen. Die Kollegin und ich tauschen noch schnell unsere Telefonnummern aus, um uns mal für's Theater zu verabreden, denn seitdem ich dienstlich in Vorstellungen muss, suche ich oft nach einer Begleitung, und sie geht gerne ins Theater.
Als ich aus dem Laden komme, geht draußen gerade die Sonne unter - die Tage werden spürbar länger. Alle Anschlüssen klappen, in knapp einer Stunde bin ich zu Hause. Im Briefkasten ist die Fristsetzung des Finanzamtes für die 2016er Steuererklärung. Damit ist geklärt, was ich am freien Freitag mache ...
Der Gatte und ich tauschen uns kurz über unseren Tag aus. Er war einkaufen und beim Recyclinghof, die letzte Woche in Rauch aufgegangene Mikrowelle entsorgen. Eigentlich wollte ich nicht sofort eine neue kaufen, weil ich die Dinger überflüssig finde, aber der Gatte kann nicht ohne. Also trabt er morgen los, eine neue kaufen, aber erst mal geht er in die Küche, um das Abendessen zu machen.
Ich arbeite am aktuellen Strickstück, stelle die rechte Vorderseite einer Strickjacke fertig, kann mich dann aber nicht mehr auf die Anleitung konzentrieren - der Ladendienst fordert seinen Tribut. Das Schließen der Schulternähte und das Stricken des Kragens werden auf Morgen verschoben. Stattdessen gehe ich früh ins Bett und lese "Mycrofts Auftrag*" von Beate Baum zu Ende.
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Mir fällt morgens das Aufstehen schwer. Ich habe schlecht geschlafen, hatte Atemprobleme und Schmerzen. Gegen beides gäbe es Abhilfe, aber ich kann mich noch nicht zu einer OP durchringen, und ins Schlaflabor geht's erst im April. So verbringe ich anderthalb Stunden damit, einigermaßen wach und fit zu werden, während der Gatte, der eine Woche Urlaub hat, noch schläft.
Morgengruß: Die Nachbarskinder bauten einen kleinen Schneemann. |
Das Wechselgeld lege ich gleich zur Seite für die 52-Wochen-Challenge: Jede Woche legt man einen der Wochenzahl entsprechenden Betrag zurück: In KW 1 1 Euro, in KW 2 2 Euro, jetzt in KW 6 also 6 Euro. Am Ende des Jahres sollen so 1.378 Euro in meinem großen Einmachglas zusammenkommen. Ich bin gespannt, wie lange ich durchhalte. Der Gatte meint, nicht länger als bis KW 25. Mal gucken.
Eigentlich wollte ich früh im Büro sein, um am frühen Nachmittag Feierabend zu haben, aber meine Verspätung hat ein Gutes: Ich mache nicht so viele Überstunden, denn im Büro zeigt sich: Meine Kollegin ist krank. Ich muss für sie einspringen, weil die dritte Kollegin montags immer frei hat.
Die Kolleginnen sind ob der Krankheit der Kollegin und meiner Vertretung ziemlich aufgeregt. Ich bleibe gelassen, denn die Vertretung gehört ja zu meinen Aufgabengebieten (und so schlecht, wie die Kollegin am Freitag, nach zwei Tagen zu Hause, immer noch aussah, ging ich nicht davon aus, dass sie heute wieder fit ist, insofern bin ich wenig überrascht). Dass jemand keine Probleme mit dem Vertretungsdienst hat, ist für das Team ungewohnt. Nun, ich war die letzten viereinhalb Jahre Springerin ...
Generell beginnt der Bürotag damit, dass ich erst mal in alle Büros reinschaue und Guten Morgen sage. Damit ist dann oft schon die erste viertel bis halbe Stunde um. Eine Kollegin erzählt, dass die 15jährige Praktikantin, die uns die letzten drei Wochen begleitete, sehr begeistert von unserer Abteilung war. Das ist schön, denn manches Mal frage ich mich schon, ob wir nicht an unserer Zielgruppe vorbei arbeiten, und so durfte denn die Praktikantin auch die Jugend-Angebote aus meinem Arbeitsbereich sichten und mir sagen, was bei ihr ankommt und was nicht.
Ich sage kurz beim Gatten Bescheid, dass ich anderthalb Stunden später komme und gebe dann angesichts des häufig klingelnden Telefons den Versuch auf, mich um meine Internetseiten zu kümmern, bevor ich Ladendienst habe. Eigentlich wäre ich heute nur im Büro, wollte eine Seite neu gestalten, aber das CMS ist kompliziert, und die Ruhe, die ich dafür bräuchte, habe ich nicht, wenn Ladendienst ansteht, ich maximal eine Stunde im Büro bin.
Eine Viertelstunde vor Öffnung bin ich im Laden, gehe die Regale durch, gucke, ob Flyer abgelaufen sind und entsorgt werden müssen, fülle Broschüren auf, lege den neuen Statistikbogen für die kommenden beiden Wochen an, mache einen Rückruf bei einem Theater, spreche mich mit der Kollegin, die heute auf der anderen Ladenseite mit mir arbeitet, ab und ignoriere die erste Kundin, die schon vor Öffnung vor der Tür steht. Manchmal habe ich das Gefühl, nach dem Wochenende sind unsere Kunden wie auf Entzug.
Dann geht's Schlag auf Schlag: Ein Herr möchte die Broschüre, über die er gerade in seinem Buch schreibt, haben, weiß aber den Titel nicht, nur, dass er den Titel mittig auf der Seite in einem Textblock erwähnte und wir sie führen müssten. Ähm, ja, nee, is klaa. Eine Dame hätte gerne die Veröffentlichung, die aussieht wie ein Kalender, aber mit Informationen über das Rathaus. Okay, hier weiß ich wenigstens was sie meint und gebe ihr das Gewünschte mit. Eine andere Dame muss überzeugt werden, dass es sich bei einer App nicht um eine gedruckte Broschüre handelt (aber immerhin haben wir ein Faltblatt darüber, dass wir die App haben ...).
Zwischendrin liefert DHL an, holt eine Dame einen ganzen Stapel Broschüren ab, wofür ich schnell ins Lager laufe, möchte ein entzückender 86jähriger Herr über die aktuellen Inszenierungen von "Maria Stuart" und "Fidelio" plaudern, über den gerade verliehenen Bertini-Preis und das theater 53, das einst an der Landwehr war. So vergehen die ersten anderthalb Stunden Ladendienst wie im Fluge.
Die nächsten anderthalb Stunden gehen so weiter: Ein Kurier bringt Kulturpropaganda, wie er es nennt. Ich lege die Flyer aus, kontrolliere wieder, welche Broschüren und Infomaterialien nachgelegt werden müssen, freue mich, wenn ich im Lager tatsächlich was finde; esse ein bisschen Quark, wenn gerade niemand guckt; kämpfe mich durch die von der Chefin produzierte eMail-Flut und versuche, der Herr zu werden, indem ich sie in Ordner kategorisiere und markiere, was ich Mittwoch bearbeiten will; verpacke Broschüren zum Versand und wuchte den Karton nach oben in die Verwaltung, wo am nächsten Morgen die Post abgeholt wird.
Zwischendrin fixe ich eine Kollegin aus der Nachbarabteilung mit der Idee, einen zum Lager umfunktionierten Seminarraum endlich mal wieder für Veranstaltungen zu nutzen, an. Ich weiß schon, dass dieses Projekt höchstens mittelfristig umzusetzen ist, aber ich kann sehr hartnäckig sein, wenn ich mir mal etwas in den Kopf gesetzt habe (und ich habe so viele Ideen, die man in dem Raum umsetzen könnte).
Die restlichen anderthalb Stunden beginnen ruhig. Die Kollegin, mit der ich bislang noch nicht zusammenarbeitete, und ich können ausgiebig klönen, dann nutzt sie die Gunst der ruhigen Stunde, um ihre Regale aufzufüllen und in der Verwaltung vorbeizuschauen. Ich lese mich online einmal quer durch die Presse und bin froh, nicht mehr in meinem alten Job zu sein, denn da ist gerade der Teufel los. Ich schicke mitfühlende Gedanken an Kollegin I: Meine Stelle ist immer noch nicht nachbesetzt, sie muss mich vertreten.
Wie üblich wird es in der letzten halben Stunde vor Ladenschluss noch mal turbolent, aber wie durch ein Wunder sind acht Minuten vor Schluss alle Kunden gegangen, kommen auch keine neuen, können wir pünktlich Feierabend machen. Die Kollegin und ich tauschen noch schnell unsere Telefonnummern aus, um uns mal für's Theater zu verabreden, denn seitdem ich dienstlich in Vorstellungen muss, suche ich oft nach einer Begleitung, und sie geht gerne ins Theater.
Als ich aus dem Laden komme, geht draußen gerade die Sonne unter - die Tage werden spürbar länger. Alle Anschlüssen klappen, in knapp einer Stunde bin ich zu Hause. Im Briefkasten ist die Fristsetzung des Finanzamtes für die 2016er Steuererklärung. Damit ist geklärt, was ich am freien Freitag mache ...
Der Gatte und ich tauschen uns kurz über unseren Tag aus. Er war einkaufen und beim Recyclinghof, die letzte Woche in Rauch aufgegangene Mikrowelle entsorgen. Eigentlich wollte ich nicht sofort eine neue kaufen, weil ich die Dinger überflüssig finde, aber der Gatte kann nicht ohne. Also trabt er morgen los, eine neue kaufen, aber erst mal geht er in die Küche, um das Abendessen zu machen.
Ich arbeite am aktuellen Strickstück, stelle die rechte Vorderseite einer Strickjacke fertig, kann mich dann aber nicht mehr auf die Anleitung konzentrieren - der Ladendienst fordert seinen Tribut. Das Schließen der Schulternähte und das Stricken des Kragens werden auf Morgen verschoben. Stattdessen gehe ich früh ins Bett und lese "Mycrofts Auftrag*" von Beate Baum zu Ende.
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Donnerstag, 1. Februar 2018
Ausgelesen: Bücher im Januar 2018
Seit Mitte Dezember fahre ich wieder mit dem ÖPNV ins Büro. Dadurch habe ich täglich mindestens zwei Stunden mehr Lesezeit. Zudem verbringe ich einen Teil meiner Arbeitszeit inmitten vieler Bücher, was auch nicht ohne Folgen bleibt, denn die Bücher, die wir vertreiben, sollten wir auch gelesen haben.
Okay, genaugenommen sollte die Kollegin der zweiten Ladenhälfte, zu der die Bücher gehören, sie gelesen haben, aber oft genug stranden auch Kunden bei mir, und mir war's schnell zu blöd, zu sagen, das weiß ich nicht, das ist nicht meine Abteilung. Sie sieht's umgekehrt genauso, nimmt mir auch Kunden ab, wenn ich gerade nicht kann. Das Einzige, was wir uns nicht gegenseitig abnehmen können, ist das Kassieren, weil: Ein Arbeitgeber, zwei Kassensysteme. Muss man nicht verstehen.
Im Laden gibt es meistens Sachbücher, was dazu führt, dass ich immer wieder mal zwei Bücher parallel lese, also einen Krimi zur Entspannung.
Im Dezember endete ich mit einem Band aus der Pia-Korittki-Reihe, im Januar setzte ich die Reihe mit "Ostseesühne*" fort. Wie üblich, hielt ich die Reihenfolge nicht ein ...
Im neunten Band der Reihe entdeckt ein Postbote im Feuerlöschteich auf einem Bauernhof eine halb verweste männliche Leiche. Von den Bewohnern des Hofes, einem Ehepaar und seinem 16-jährigen als zurückgeblieben geltenden Sohn, fehlt jede Spur. Pia Korittki übernimmt die Ermittlungen - und findet heraus, dass vor Jahren ein merkwürdiges Gerücht im Dorf kursierte, dem jedoch nie jemand nachgegangen ist: Auf dem Hof soll damals ein Mädchen gefangen gehalten worden sein.
Eva Almstädt hat bei mir ja ein leichtes Spiel, und dementsprechend gefiel mir "Ostseesühne". Das Buch hat Spannung und Dramatik.
Spannend und dramatisch, vor allem aber komisch ging's mit dem Krimi "Die Toten am Sund*" von Ariane Grundies weiter. Nach vielen Jahren trifft die Stralsunderin Gisela zufällig ihre ehemalige Nachbarin Rosi wieder. Die beiden stellen fest, dass sie das gleiche Schicksal ereilt hat: Arbeitslosigkeit und Langeweile.
Kurz entschlossen und todesmutig beschließen sie, ein Unternehmen zu gründen, das zu Stadtführungen der besonderen Art einlädt – mit Erfolg: Sowohl das Rollmopswettrollen als auch das Bungeespringen von der Rügenbrücke finden Anklang.
Doch die Freude der beiden trübt sich, als in Stralsund mehrere Touristen ermordet werden. Während die Polizei im Dunkeln tappt, ahnen Gisela und Rosi, was die Opfer verbindet: Sie alle haben an ihrer ersten Führung teilgenommen.
Da ich selbst mein Geld lange Zeit auf den Straßen dieser Stadt verdiente, rollte ich angesichts des Geschäftsgebarens von Gisela und Rosi mit den Augen, aber wenn man das ausblenden kann, ist das Buch ganz unterhaltsam.
"Unter Sachsen*" von Heike Kleffner und Matthias Meisner thematisiert die sogenannten sächsischen Verhältnisse und fragt, ob die mit der "Pegida"-Bewegung und den vielen rechten Gewalttaten ein auf den Freistaat begrenztes Phänomen sind. Oder muss die zunehmende Radikalisierung der gesellschaftlichen Mitte als Vorbote künftiger politischer Veränderungen in ganz Deutschland verstanden werden?
In Analysen, Interviews, literarischen Texten und sehr persönlichen Kommentaren beleuchten zahlreiche Autoren beispielsweise den Zustand der sächsischen CDU, die Hintergründe der "Pegida"-Bewegung und der AfD in Sachsen oder die eigenen Erfahrungen mit Rassismus. Zahlreiche Reportagen zeigen die Verhältnisse vor Ort, in Leipzig oder Dresden ebenso wie im Erzgebirge und in Bautzen. Dazu gehört auch die Kreativität der Zivilgesellschaft, die vielerorts mit dem Rücken zur Wand demokratische Werte verteidigt.
"Unter Sachsen" ist sehr erschreckend und zeigt auf, dass es einer Zivilgesellschaft bedarf, die sich den braunen Pack entgegenstellt - wenn's dafür nicht schon zu spät ist. Ein absolut lesenswertes Buch!
"Alles rot*" heißt der Krimi aus der Mira-Valensky-Reihe, mit dem ich den Lesemonat abschloss. Eva Rossmann, die hinter Mira Valensky steckt, hat bei mir genauso ein leichtes Spiel wie Eva Almstädt: Beide lese ich gerne. Es ist schon das sechzehnte Buch der Reihe um die Wiener Journalistin und ihre Freundin Vesna Krajner.
Diesmal verschlägt es Mira nach Zypern, wo die EU-Taskforce-Leiterin Dagmar Wieser erschlagen aufgefunden wird. Ein Rachemord von EU-Gegnern? Dann tauchen plötzlich heiße SMS-Botschaften von Dagmar auf - und zwar nicht an ihren Lebensgefährten, sondern an einen Unbekannten. "Alles rot" ist spannende, solide Kost, die auch kulinarisch wieder viel hergibt - Autorin Rossmann ist nämlich "nebenbei" gelernte Köchin.
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Okay, genaugenommen sollte die Kollegin der zweiten Ladenhälfte, zu der die Bücher gehören, sie gelesen haben, aber oft genug stranden auch Kunden bei mir, und mir war's schnell zu blöd, zu sagen, das weiß ich nicht, das ist nicht meine Abteilung. Sie sieht's umgekehrt genauso, nimmt mir auch Kunden ab, wenn ich gerade nicht kann. Das Einzige, was wir uns nicht gegenseitig abnehmen können, ist das Kassieren, weil: Ein Arbeitgeber, zwei Kassensysteme. Muss man nicht verstehen.
Im Laden gibt es meistens Sachbücher, was dazu führt, dass ich immer wieder mal zwei Bücher parallel lese, also einen Krimi zur Entspannung.
Im Dezember endete ich mit einem Band aus der Pia-Korittki-Reihe, im Januar setzte ich die Reihe mit "Ostseesühne*" fort. Wie üblich, hielt ich die Reihenfolge nicht ein ...
Im neunten Band der Reihe entdeckt ein Postbote im Feuerlöschteich auf einem Bauernhof eine halb verweste männliche Leiche. Von den Bewohnern des Hofes, einem Ehepaar und seinem 16-jährigen als zurückgeblieben geltenden Sohn, fehlt jede Spur. Pia Korittki übernimmt die Ermittlungen - und findet heraus, dass vor Jahren ein merkwürdiges Gerücht im Dorf kursierte, dem jedoch nie jemand nachgegangen ist: Auf dem Hof soll damals ein Mädchen gefangen gehalten worden sein.
Eva Almstädt hat bei mir ja ein leichtes Spiel, und dementsprechend gefiel mir "Ostseesühne". Das Buch hat Spannung und Dramatik.
Spannend und dramatisch, vor allem aber komisch ging's mit dem Krimi "Die Toten am Sund*" von Ariane Grundies weiter. Nach vielen Jahren trifft die Stralsunderin Gisela zufällig ihre ehemalige Nachbarin Rosi wieder. Die beiden stellen fest, dass sie das gleiche Schicksal ereilt hat: Arbeitslosigkeit und Langeweile.
Kurz entschlossen und todesmutig beschließen sie, ein Unternehmen zu gründen, das zu Stadtführungen der besonderen Art einlädt – mit Erfolg: Sowohl das Rollmopswettrollen als auch das Bungeespringen von der Rügenbrücke finden Anklang.
Doch die Freude der beiden trübt sich, als in Stralsund mehrere Touristen ermordet werden. Während die Polizei im Dunkeln tappt, ahnen Gisela und Rosi, was die Opfer verbindet: Sie alle haben an ihrer ersten Führung teilgenommen.
Da ich selbst mein Geld lange Zeit auf den Straßen dieser Stadt verdiente, rollte ich angesichts des Geschäftsgebarens von Gisela und Rosi mit den Augen, aber wenn man das ausblenden kann, ist das Buch ganz unterhaltsam.
"Unter Sachsen*" von Heike Kleffner und Matthias Meisner thematisiert die sogenannten sächsischen Verhältnisse und fragt, ob die mit der "Pegida"-Bewegung und den vielen rechten Gewalttaten ein auf den Freistaat begrenztes Phänomen sind. Oder muss die zunehmende Radikalisierung der gesellschaftlichen Mitte als Vorbote künftiger politischer Veränderungen in ganz Deutschland verstanden werden?
In Analysen, Interviews, literarischen Texten und sehr persönlichen Kommentaren beleuchten zahlreiche Autoren beispielsweise den Zustand der sächsischen CDU, die Hintergründe der "Pegida"-Bewegung und der AfD in Sachsen oder die eigenen Erfahrungen mit Rassismus. Zahlreiche Reportagen zeigen die Verhältnisse vor Ort, in Leipzig oder Dresden ebenso wie im Erzgebirge und in Bautzen. Dazu gehört auch die Kreativität der Zivilgesellschaft, die vielerorts mit dem Rücken zur Wand demokratische Werte verteidigt.
"Unter Sachsen" ist sehr erschreckend und zeigt auf, dass es einer Zivilgesellschaft bedarf, die sich den braunen Pack entgegenstellt - wenn's dafür nicht schon zu spät ist. Ein absolut lesenswertes Buch!
"Alles rot*" heißt der Krimi aus der Mira-Valensky-Reihe, mit dem ich den Lesemonat abschloss. Eva Rossmann, die hinter Mira Valensky steckt, hat bei mir genauso ein leichtes Spiel wie Eva Almstädt: Beide lese ich gerne. Es ist schon das sechzehnte Buch der Reihe um die Wiener Journalistin und ihre Freundin Vesna Krajner.
Diesmal verschlägt es Mira nach Zypern, wo die EU-Taskforce-Leiterin Dagmar Wieser erschlagen aufgefunden wird. Ein Rachemord von EU-Gegnern? Dann tauchen plötzlich heiße SMS-Botschaften von Dagmar auf - und zwar nicht an ihren Lebensgefährten, sondern an einen Unbekannten. "Alles rot" ist spannende, solide Kost, die auch kulinarisch wieder viel hergibt - Autorin Rossmann ist nämlich "nebenbei" gelernte Köchin.
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