Dienstag, 30. Oktober 2018

Upcycling: Keks-Schachtel aus Schokowürfel-Verpackungen (Tutorial)

Als Mudderns Geburtstag hatte, wünschte sie sich einen neuen Drachenbaum. Ich hatte mich ja eher darauf eingestellt, zum runden Geburtstag eine Party zu schmeißen, zumal ja Anfang des Jahres nicht damit zu rechnen war, dass wir überhaupt noch zusammen feiern könnten, aber nun ja.

Drachenbaum mit viel Schokolade.
Da Mudderns sehr vernascht ist, bekam sie nicht nur zwei Sorten Kranbeeren-Kekse (Sorte 1 / Sorte 2) , sondern ich schmückte den Drachenbraum auch noch mit 81 Schokowürfelchen. Die brachte ihr der Gatte letztes Jahr in die Reha mit, und ich weiß, dass sie sich die selbst nicht kauft.

Der Drachenbaum im Detail.
Als ich die Verpackungen entsorgen wollte, fiel mir auf, dass sie innen hübsch gemustert sind. Viel zu schade für's Altpapier, dachte ich. Da müsste sich doch was mit anfangen lassen. So wurde daraus Keks-Schachteln. Hier eine Anleitung in Bildern:

Blick in die leere Schachtel.
Die Seitenteile vorsichtig lösen und umknicken, so dass das Muster außen ist.
Die Seitenteile festkleben. Bei mir musste es schnell gehen, deswegen nahm ich Tesafilm.
Und schon hast Du im Handumdrehen eine hübsch gemusterte Schachtel.
Wo ich schon mal dabei war, suchte ich mir noch zwei runde Pappen, damit die Keksschachteln transportiert werden können.

Zwei runde Pappen so zusammenkleben, dass die weiße Seite außen ist.
Die Schachteln mit Servietten auslegen und mit Keksen füllen.
Fertig für den Transport.
Der Beitrag geht rüber zu den Linkparties "Creadienstag", "DienstagsDinge", "Happy Recycling", "Upcycling" und "Handmade on Tuesday".

Montag, 29. Oktober 2018

Vor 80 Jahren: Die Deportation polnisch-stämmiger Juden am 28. Oktober 1938

Montags gegen Nazis.
Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesenAlle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst. Infos zu den Demonstrationen der demokratischen Mehrheit findest Du u.a. beim Hamburger Bündnis gegen Rechts.

Jedes Mal, wenn ich Aufnahmen von Menschen in den Flüchtlingslagern sehe, muss ich an die sogenannte Polenaktion im Oktober 1938 denken. Vor 80 Jahren kommen die Nazis auf die Idee, alle polnisch-stämmigen Juden, die keine deutsche Staatsbürgerschaft haben, nach Polen abzuschieben. Schon drei Jahre vorher beginnt man, alle Juden in der sogenannten Judenkartei zu erfassen. 

Listen und Karteien führen können sie, die alten Nazis wie die neuen. 


Gedenkstein für die Deportation polnisch-stämmiger Juden am Bahnhof Altona (Ausgang Museumstraße).
Im März 1938 verfügt die polnische Regierung, dass allen Polen, die mehr als fünf Jahre im Ausland leben, die Staatsbürgschaft entzogen werden könne. Ab 30. Oktober sollte die Einreise nach Polen nur noch mit einem Prüfvermerk des polnischen Konsulats möglich sein. 

Im Deutschen Reich leben zu diesem Zeitpunkt etwa 72.000 polnisch-stämmige Jüdinnen und Juden, die schlagartig staatenlos werden. Etwa 18.000 von ihnen werden am 28. und 29. Oktober 1938 verhaftet, in Sammellager und Gefängnisse transportiert und von dort in bewachten Sonderzügen der Deutschen Reichsbahn in das deutsch-polnische Niemandsland deportiert. Für die Reichsbahn ist es übrigens eine Art Probelauf für die folgenden Deportationen.


Blick auf die Gedenkanlage am Ausgang Museumstraße. 
Einer der Deportierten ist der Vater von Lucille Eichengreen, über die ich zu Beginn dieser Reihe schrieb. Unter den Deportierten sind auch die Eltern und Geschwister des 17jährigen Herschel Grynszpan. Als er im Pariser Exil erfährt, was mit seiner Familie passiert, verübt er ein Attentat auf den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath - Anlass für die Nazis, in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 mit schon lange geplanten Pogromen zu beginnen. 

Etwa 10.000 der Deportierten können zu Verwandten und Bekannten in Polen weiterreisen und finden dort Zuflucht. Etwa 8.000 Menschen stranden im polnischen Ort Zbąszyń, wo sie den Winter 1938/1939 unter katastrophalen Bedingungen verbringen. Nach Protesten des polnischen Außenministeriums werden die Deportationen gestoppt. 


Der Text des Gedenksteins.
Diejenigen, die sich noch im Niemandsland aufhalten, werden zurück nach Deutschland gebracht. Im Januar 1939 dürfen im Rahmen der Familienzusammenführung 6.000 Frauen und Kinder nach Polen einreisen. Acht Monate später marschieren deutsche Soldaten in Polen ein. 

Seit 1987 gibt es einen Gedenkstein am Altonaer Bahnhof, initiiert von der Bezirksversammlung. Der Stein wurde mehrfach umgesetzt und steht aktuell am Ausgang Museumstraße. Die Gestaltung ist typisch für Hamburg: Stein, Gedenktafel und Text fügen sich harmonisch in die Umgebung ein. Anders gesagt: Leicht zu übersehen und schwer zu lesen.

Sehr lesenswert: Die Memoiren des Hamburger Kantors Joseph Cysner.

Samstag, 27. Oktober 2018

Reiner Tisch

Vorgestern habe ich buchstäblich reinen Tisch gemacht. Der Putzmann konnte es kaum glauben. Auf meinem Schreibtisch türmt sich nämlich normalerweise ein Gebirge aus Papier, Büchern und Broschüren, das abgearbeitet werden will.

Vorgestern war's dann so weit: Mein Schreibtisch ist leer. Der Grund dafür ist simpel: Ich übernehme ab Januar einen neuen Aufgabenbereich.

Eigentlich hatte ich nicht vor, nach nur knapp einem Jahr schon wieder die Stelle zu wechseln, aber dann ging die Chefin in den Ruhestand, bekamen wir einen neuen Chef, entscheid sich eine Kollegin, zwei Jahre früher in den Ruhestand zu gehen.

Die alte Chefin war in manchen Bereichen schlichtweg planlos. Sie verfolgte das Konzept, Arbeitsbereiche auf möglichst viele Schultern zu verteilen, was dazu führt, dass jeder für alles ein bisschen verantwortlich ist, aber keiner für irgendetwas ganz. Niemand fällt Entscheidungen und setzt sie um, keiner übernimmt Verantwortung, alle stehen sich im Weg, alles wird zerredet, jeder ist genervt und demotiviert. Es fehlt jede Kommunikationskultur, Gespräche werden regelmäßig zu Geschrei, Gehetze ist an der Tagesordnung.

Ich war froh, dass ich eine Teilzeitstelle und ein Büro abseits der Kriegsschauplätze habe. So konnte ich mich aus den meisten Kämpfen heraushalten, und überhaupt: Irgendwann würde die alte Chefin ja weg sein. Vielleicht käme ich mit ihrer Nachfolge aus der Sackgasse, in der ich mit zwei meiner drei Arbeitsbereiche stecke, wieder raus (der dritte Bereich läuft problemlos, da kann schlichtweg niemand sonst mitreden). Außerdem versicherten mir Kollegen, dass die Atmosphäre jetzt angenehm sei, es früher noch schlimmer war.

Als dann der Termin kam, in dem verkündet wurde, wer der neue Chef werden würde, war die Anspannung groß. Bei mir wich sie bald einem dicken Grinsen, denn: Der neue Chef war in den letzten viereinhalb Jahren mein Kollege. Ich weiß, mit ihm kann man gut arbeiten. Er ist nordisch by nature, kein Schnacker, kann Entscheidungen tragen, ist Teamplayer, kann Verantwortung übernehmen und hat einen Plan. Schnell war auch dem Team klar: Das Arbeiten wird angenehmer.

Jetzt sorgte der anstehende Ruhestand der Kollegin für viel Anspannung und Nervosität, denn ein reibungsloser Übergang zu ihrer Nachfolge muss gewährleistet sein. Der alten Chefin gelang keine Ausschreibung der Stelle, sonst wäre die Kollegin eher gegangen. In dem halben Jahr, das noch Zeit ist, wären Nachbesetzung und Einarbeitung kaum zu gewährleisten.

Der Aufgabenbereich der Kollegin ist inhaltlich sehr spannend, darunter ein Projekt, das mich begleitet, seitdem ich Schülerin war. Ich schlief ein paar Nächte drüber, dann fasste ich mir ein Herz und meinte zu der Kollegin: "Du, wenn deine Stelle ausgeschrieben wird, hätte ich Lust, mich darauf zu bewerben." Die Kollegin lachte und antwortete: "Ich habe dir schon vor 'nem halben Jahr gesagt, dass das genau dein Ding ist. Das wäre einfach ideal. Meine Unterstützung hast du." Ich beschloss, zuzuwarten, bis es eine Ausschreibung mit Stellenprofil gibt und dann noch mal zu überlegen.

Einen Tag später traf ich meinen alten Chef, der meinte, man mache sich Sorgen, wie besagte Stelle nachbesetzt wird, weil die Fristen weglaufen und eine geeignete Person nicht so einfach zu finden sein werde. Da ich schneller spreche als denke, entfuhr mir: "Na ja, M. meint, sie habe ihre ideale Nachfolgerin schon." - "Ach, wen denn?" - "Sie sitzt vor dir." - "Oh. Hast du das deinem Chef schon gesagt?" Stimmt, da war was.

Am nächsten Tag sagte ich dem Chef, dass ich meinen Hut in den Ring werfe, weil ich mich ärgern würde, wenn ich es nicht wenigstens versuche. Ich hätte nichts zu verlieren, wäre mit meiner jetzigen Stelle auch zufrieden, würde es aber bereuen, wenn ich nicht gucke, ob ich 'ne Chance habe. Ein knappes "Find' ich gut" war die Antwort. Ich informierte auch seine Stellvertretung, die nur "Super, vielen Dank!" sagte. Mit beidem hatte ich nicht gerechnet, denn in den letzten viereinhalb Jahren wurde selten gesehen, was ich kann.

Es kam und kam und kam keine Stellenausschreibung, und ich wurde langsam unruhig. Gleichzeitig begann der Chef, sich alle Arbeitsbereiche anzugucken, so dass ich ihm sagen konnte, wo's bei mir hakt. Und das fing bei so etwas Simplen wie dem Entrümpeln an.

Als meine beiden Laden-Kolleginnen mich das erste Mal durch's rappelvolle Lager führten, dachte ich, ich bin in einer Außenstelle des electrums gelandet: Die Regale waren mit alten, kaputten Druckern verstopft. Davor standen Sperrmüll und Rollwagen voller Altpapier und Kartonagen. Es hätte mich nicht gewundert, wenn ich in dem ganzen Gerümpel noch eine Gutenberg'sche Druckerpresse gefunden hätte, dann hätten wir die Entwicklung des Druckhandwerks komplett dokumentieren können. Nun bin ich durch Chaos nicht so schnell aus der Fassung zu bringen, aber das verschlug mir die Sprache.

Ich erfuhr, die alte Chefin habe verboten, die Drucker zu entsorgen, weil wir ja vielleicht unter Umständen mal belegen müssen, dass der defekte Drucker tatsächlich defekt ist. Außerdem sei die Entsorgung von Elektroschrott höchst kompliziert, weil man da ja jedes Bauteil wegen der Schadstoffe einzeln entsorgen müsse. Und man muss das europaweit ausschreiben.

Konsequenterweise hob man die leeren Kartons der neuen Drucker auf, weil man damit auch im Zweifelsfall irgendetwas belegen will. Kaputter alter Drucker und leerer Karton des neuen Druckers standen jeweils in trauter Zweisamkeit nebeneinander. Wenigstens das hatte System.

Den Sperrmüll könne man nicht entsorgen, weil man dafür eine europaweite Ausschreibung machen müsse, und überhaupt sei darunter ja auch der eigens maß gefertigte tolle Messestand für einen einmaligen Messeauftritt in den frühen 1980ern. Den Stand kann man zwar nicht mehr aufbauen, weil Teile fehlen, aber wenn man noch mal an einer Messe teilnimmt, kann man die fehlenden Teile ja anfertigen lassen. Nun nehmen wir seit zehn Jahren nur noch an genau einer Messe teil, bei der wir den Stand gestellt bekommen, aber gut.

Das Entsorgen des Altpapiers ist wirklich körperlich sehr anstrengend, weswegen sich die Buttscher einer Kollegin in den Märzferien eine Pizza damit verdienen. Die machen ein Spiel daraus, die leeren Kartons einzeln die Treppen runter zu werfen, haben einen Heidenspaß, mit den Rollwagen die langen Flure entlang zu rasen und sind einen Tag gut beschäftigt. Oder der Mann einer Kollegin schickt im Sommer aus seiner Firma zwei Handwerker vorbei, die den Job übernehmen. Und bis dahin werden Papier und Kartonagen über Wochen und Monate halt gestapelt.

Warum haben wir keine Altpapiertonne? Weil die europaweit ausgeschrieben werden muss, weil man nicht weiß, wo man die hinstellt, weil die Tonne rund um die Uhr für die Müllmänner zugänglich sein muss und weil es doch die Altpapiercontainer im Keller gibt (die man nicht nutzt, weil - siehe oben).

Ich schlug vor, dass wir alle drei zusammen einmal die Woche Altpapier in den Keller bringen, denn das wäre weniger anstrengend, als alles ein halbes Jahr zu sammeln und dann über die Menge zu jammern, aber die beiden Laden-Kolleginnen zogen das Jammern vor.

Überhaupt lernte ich, dass man lieber jammert anstatt nach Lösungen zu suchen, und wenn sich dann doch mal eine Lösung anbahnt, die lieber zerredet. Ich vermute, die Ausbildung einer Verwaltungsfachangestellten besteht im Wesentlichen aus dem Erlernen dreier Sätze: "Das war schon immer so." - "Das haben wir noch nie so gemacht." - "Wo kämen wir denn hin, wenn das jeder so macht?"

Der Chef begriff schnell, dass man, bevor ich irgendein Konzept für Laden und Lager erarbeiten kann, erst mal entrümpeln muss, um einen Überblick zu bekommen, und meinte knapp: "Mach ma."

In vier Jahren im Haus, das Irre macht, habe ich so ziemlich alles über die Absurdität von Verwaltung gelernt, auch, wie man die Verwaltung mit eigenen Mitteln ad absurdum führt und mit den eigenen Waffen schlägt. Zuerst absolvierte ich also eine Fortbildung über das richtige Bestellen einer Sperrmüllabfuhr. Die gibt es wirklich, sie heißt nur anders, und außer dem Bestellen einer Sperrmüllabfuhr lernt man da noch andere nützliche Sachen, zum Beispiel die Entsorgung von Elektroschrott und das Bestellen einer Altpapiertonne.

Als das Team merkte, dass ich das mit dem Entrümpeln ernst meine, schnappatmete es: "Du traust dich was! Wir dürfen doch nichts wegwerfen!" Doch, dürfen wir. Die beiden Laden-Kolleginnen verfielen in Schockstarre. Von den anderen fiel eine Last ab und setzte Energie frei.

Sie listeten akribisch auf, wo sich was befindet (es war noch mehr, als ich sah, weil: Da gibt es noch zwei Kabuffs ...), schleppten das, was die IT abholen sollte, in mein Büro, türmten das, was ein Dienstleister abholen sollte, im Lager auf Rollwagen, wo, in pragmatischer Auslegung von Verwaltungsvorschriften auch eine alte Registrierkasse der Nachbarabteilung Zuflucht fand, standen helfend parat, als der Dienstleister kam, und freuten sich, als eine Viertel Tonne Elektroschrott weg war.

Da die Zusammenstellung des Sperrmülls noch etwas Zeit brauchte, ging ich erst mal das Altpapierproblem an. Mittlerweile waren dusseliger weise die Laden-Kolleginnen aus der Schockstarre erwacht. Als ich ihnen sagte, dass wir ab kommenden Dienstag eine 120l-Tonne für Altpapier haben könnten, brach die Diskussion los. Und bevor du fragst: Nein, diese Einwände habe ich mir nicht ausgedacht. Sie kamen wirklich.

Ist die 120l-Tonne nicht viel zu schwer? Muddderns, 80, und Schwiegermutter, 83, bewegen alleine volle 240l-Tonne, aber nun ja ...

Wer haftet, wenn es Blitzeis gibt und die volle Tonne vom abschüssigen Bürgersteig vor ein Auto schlittert? Sieh an, eben war die Tonne doch noch viel zu schwer, um sie überhaupt bewegen zu können.

Wer haftet, wenn es einen Orkan gibt und die leere Tonne einem Autofahrer vor die Windschutzscheibe weht? Hm, ich habe meinen Führerschein seit 35 Jahren. Ich kann nicht zählen, wie oft mir da eine Mülltonne vor's Auto wehte ...

Wer haftet, wenn marodierende Demonstranten die volle Mülltonne anzünden oder mit der leeren Barrikaden bauen? Nun habe ich noch nie eine Barrikade gebaut, aber irgendwas sagt mir, dass die Materialien der Baustelle gegenüber dafür viel effektiver sind. Und die fünf 480l-Altpapiertonnen des Geschäftshauses gegenüber brennen auch länger als unsere eine kleine Tonne.

Schließlich flossen Tränen, weil die Tonne ausgerechnet montags auf die Straße gestellt werden muss. Die Montags-Kollegin sah sich dazu nämlich nicht in der Lage, wollte aber auch nicht, dass ich, wenn sie im Laden ist, auf dem Weg in den Feierabend in den Laden komme, um die Altpapiertonne vor die Tür zu stellen. Den Ladentag tauschen wollte sie aber auch nicht. Die andere Kollegin sagte, sie wäre ja montags nie da, könne die Tonne ohnehin nicht bewegen, aber wenn ich mal im Urlaub oder krank wäre, würde die Tonne nicht geleert werden, und das ginge ja nun mal gar nicht, weswegen sie keine Tonne wolle, weil sie ja immer alles schleppen müsse. Jetzt war der Punkt erreicht, an dem ich nur noch schreien wollte.

Zum Glück steckte der Chef den Kopf durch die Tür und beendete die Diskussion: Die Tonne kommt, wir gucken ein Vierteljahr lang, wie's läuft, dann entscheiden wir neu. Wenn ich nicht da bin, stellt er die Tonne montags vor die Tür und holt sie dienstags wieder rein. Punkt.

Inzwischen haben wir von der testweisen zweiwöchentlichen Leerung auf wöchentliche Leerung umgestellt. Kollegen berichteten, dass an den Montagen, an denen ich nicht da war, regelmäßig zwei Kollegen samt Praktikantin plus Chef im Laden stehen, um auszulosen, wer die Tonne herausstellen darf. Genau so wird sie dienstags wieder in den Laden geholt. Die Montags-Kollegin, die sich doch nicht in der Lage sah, die Tonne vor die Tür zu stellen, beschwerte sich, dass sie nicht einmal selbst die Tonne herausstellen konnte, weil es immer schon jemand anderes machte.

Mittlerweile waren sechs Wochen vergangen. Die Stelle, auf die ich mich bewerben wollte, war immer noch nicht ausgeschrieben. Irgendwann im Vorbeigehen meinte der Chef: "Ach übrigens, die Nachbesetzung klappt nicht bis Januar. Und überhaupt, warum soll ich ein langwieriges Bewerbungsverfahren machen, wenn ich die Beste dafür eh schon im Team habe, nur umsetzen muss und dann sofort einarbeiten lassen kann? Ich veranlasse jetzt deine Umsetzung."

So viel Vertrauen in meine Fähigkeiten bin ich schlichtweg nicht gewohnt.

Vier Wochen später sagte er ebenfalls im Vorbeigehen: "Deine Umsetzung geht klar. Morgen sage ich allen, dass du ab Januar für den Bereich verantwortlich bist und ab Oktober eingearbeitet wirst."

Meine Umsetzung wurde vom Team teilnahmslos aufgenommen, was mich irritierte. Inzwischen weiß ich: Einige nahmen Anlauf, um nach meiner Rückkehr aus dem Urlaub richtig loszulegen. In den letzten vier Wochen führte ich vor allem mit den beiden Laden-Kolleginnen völlig absurde Diskussionen. Doch, es gibt noch absurdere Diskussionen als die über die Altpapiertonne.

Den beiden Laden-Damen ist klar, dass mit dem Chef und meiner Nachfolge ein neues Konzept kommt, dass sie sich aus ihrer Komfortzone heraus bewegen müssen, dass es nach 45 Jahren Veränderungen in dem einen oder anderen Arbeitsablauf geben wird.

Normalerweise werden die beiden in solchen Situationen krank, aber diesmal entscheid sich eine, durchzuhalten, vielleicht auch, weil ich ihr mehrfach deutlich sagte, dass sie einen verdammt guten Job macht, das auch in ihrem Beisein dem Chef sagte und es nahezu täglich immer wieder den Kolleginnen sage, die sie seit Jahren herunter machen. "Das hat mir noch niemand gesagt", strahlte sie, und das Strahlen war einfach schön.

Ja, die Kollegin ist wirklich umständlich, Diskussionen mit ihr werden schnell absurd, aber jeder spinnt nun mal auf seine Weise, und hat man sich erst daran gewöhnt, merkt man, dass sie wirklich was kann. Man sieht ihr den Stress der letzten Wochen deutlich an, aber sie hält durch. Sie weiß: Bald kommt jemand, der ihr Entlastung bringt. Bald kommt außerdem jemand, der nur für den Laden verantwortlich sein wird, was sie ebenfalls entlastet. Und dieses "Bald" wird binnen eines sehr absehbaren Zeitraums sein.

Die zweite Laden-Kollegin verfiel erst in blinden Aktionismus, um dann wie gewohnt krank zu werden. Da sie ohnehin entweder im Urlaub oder krank oder im Urlaub krank ist, fällt ihre Abwesenheit nur montags auf, und da muss ich sie vertreten. Bis Januar wird es eine Lösung geben, die sie und das Team entlastet - was die alte Chefin in neun Jahren nicht schaffte, erkannte der neue Chef in kaum vier Wochen.

Die Kollegin, die in mir erst die ideale Nachfolgerin sah, freut sich auf einmal gar nicht mehr, weil sie merkt: Es geht auch ohne sie. Meine Einarbeitung besteht im Wesentlichen darin, dass sie mir zwei Mal in der Woche zwei Stunden lang einen Monolog hält und, wage ich eine Zwischenfrage, anfängt, zu schreien. Parallel hetzte sie eine andere Kollegin auf, sie sei doch auch mit einem Drittel für meinen zukünftigen Arbeitsbereich verantwortlich und damit meine Vorgesetzte, weil sie mehr verdient als ich.

Diese Woche war es so heftig, dass der Chef in mein Büro kam und fragte: "Ist es eigentlich sehr schlimm? Du musst was sagen, dann greife ich ein." Ich war völlig perplex, denn Chefs, die eingreifen, vermisste ich in den letzten neun Jahren.

Ja, es ist sehr schlimm. Ich habe Stress-Asthma, nächtliche Panik-Attacken, eine gereizte Magen-Schleimhaut, Sehstörungen und Wein-Anfälle. Nur: Spricht der Chef jetzt mit der Kollegin, wird alles noch schlimmer. Sie ist selbst aus vielerlei Gründen physisch und psychisch angeschlagen, nicht mehr Herrin ihrer selbst. Wir lassen sie wüten, atmen am 2. Januar tief durch und fangen neu an.

Und: Das Geschrei an sich kann ich ab. Das habe ich in den viereinhalb Jahren mit Kollegin II auch ertragen. Mehr Sorge macht mir, dass von ihr nun eine Kollegin aus dem Hut gezaubert wurde, die die Federführung in meinem Bereich haben will und die schon länger in meinen Kompetenzbereich eingreift.

Es wird also im Januar Gespräche geben, in denen Kompetenzbereiche festgelegt und Arbeitsplatzbeschreibungen glatt gezogen werden. Der Chef hat sich klar positioniert: "Die Federführung bei dem Projekt hast du, und solange ich Chef bin, wird offen kommuniziert. Ich dulde in meinem Team kein Herrschaftswissen, keine Hetze oder heimliche Absprachen. Hier wird niemand Albträume haben."

Mein Schreibtisch ist leer. Ein Arbeitsbereich ist bereit zur Übergabe an den Chef, der ihn übernehmen wird. Die anderen beiden sind bereit zur Übergabe an meine Nachfolge. Ich werde weiterhin Teilzeit arbeiten, so dass ich mir regelmäßige Auszeiten nehmen kann. Mit der einen Laden-Kollegin werde ich weiterhin absurde Diskussionen führen, aber hey, ich mag absurdes Theater, da passt das schon. Die künftige zweite Laden-Kollegin sowie meine Nachfolge werden von Anfang an wissen, was sie erwartet und entsprechend eingearbeitet.

Im Juni 2019 wird es bei einem meiner drei Projekte eine bunte, fröhliche  50-Jahr-Feier geben. Ich bin zudem wild entschlossen, dieses Projekt ins digitale Zeitalter zu führen. Das gilt auch für das zweite Projekt, das ich langsam aus seinem Koma erwecken möchte. Schließlich will ich damit im Oktober 2020 das 75jährige Jubiläum mit viel Musik, Theaterdonner, Glitzer und Konfetti feiern. Das dritte Projekt, für das ich verantwortlich bin, läuft so vor sich her, aber auch dafür habe ich die eine oder andere Idee nach der Devise "Richtig oder gar nicht".

In zwei Wochen wird der Sperrmüll abgeholt.

Sonntag, 21. Oktober 2018

"Der König amüsiert sich": Gustav Peter Wöhler trifft Hugo und Verdi im Allee-Theater

Gustav Peter Wöhler gehört zu den Schauspielern, die ich schon lange mal auf der Bühne erleben wollte, aber irgendwie passte es nie. Jetzt war's endlich so weit: Im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Genussmomente" in der Hamburger Kammeroper las Wöhler Texte von Victor Hugo und über Giuseppe Verdi. Umrahmt wurde die Lesung mit Musik von Verdi: Intendant Marius Adam sang, Ettore Prandi begleitete ihn am Klavier. Es war ein runder Abend vor ausverkauftem Haus.

Hugo und Verdi waren Ge- und Vertriebene, und so passte es, die Lesung im Rahmen der "Tage des Exils" stattfinden zu lassen. Hugos Roman "Der König amüsiert sich" bildete zudem die Vorlage für Verdis Oper "Rigoletto", die gerade in der Kammeroper auf dem Spielplan steht (und eine sehenswerte Inszenierung ist).

Auszüge aus Hugos Werken wie "Die Arbeiter des Meeres*", entstanden während seines Exils auf Guernsey, und "Der Rhein. Briefe an einen Freund" standen vor der Pause auf dem Programm.

Genussmomente nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Bistro.
Nach der Pause tauchte Wöhler in Verdis Leben ein und las unter anderem aus Härtlings Verdi-Biographie*. Meine Leseliste wuchs gewaltig.

Dieser Abend war ein wahrer Genussmoment. Außerdem wurde eine Freundin erfolgreich mit dem Kammeroper-Virus infiziert. Tickets für den nächsten Genussmoment (Hannelore Hoger liest am 1. Dezember aus "Hänsel und Gretel") sind bereits gekauft.

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Samstag, 20. Oktober 2018

"Antigone" von Bodo Wartke und Melanie Haupt im Schmidt: Atemlos durch die Antike

Als der Gatte sagte, ich solle Karten für "Antigone" buchen, fragte ich mich, was ihn ritt, dass er freiwillig in eine griechische Tragödie gehen möchte. Aber ich bin eine brave Gattin, ich hinterfrage nicht. Als ich dann guckte, was mich erwartet, war ich noch verwirrter: Ein Klavierkabarettist gibt "Antigone"?! Und das vor ausverkauftem Haus, während es nebenan bei Jürgen von der Lippe noch reichlich Plätze gibt?! Und da will der Gatte lieber hin als zu Jürgen von der Lippe? Verkehrte Welt!

Ich machte mich auf einen grottenlangweiligen Abend gefasst, bei dem ein düsterer Hagen-Rether-Verschnitt mit getragener Stimme langatmige Jamben und Trochäen proklamiert, und überlegte kurz, beleuchtete Stricknadeln* zu kaufen, damit ich die Zeit im Theater wenigstens sinnvoll nutzen kann, verzichtete dann aber doch auf den Kauf. Griechische Tragödien müssen durchlitten werden - so zumindest mein Eindruck nach diversen Inszenierungen, die ich während der Schulzeit sah. Danach habe ich keine griechische Tragödie mehr gesehen.

Es sollte dann aber doch ganz anders kommen.

Antigone vor Minotaurus. 
Die Handlung der Sophokles-Tragödie ist schnell erzählt: Antigone will ihren Bruder Polyneikes beerdigen, obwohl König Kreon die Bestattung seines Feindes untersagte. Die junge Frau aber kann es mit ihren Vorstellungen von Ethik und Moral nicht vereinbaren, den Bruder unbestattet zu lassen, und widersetzt sich dem König.

Kreon wiederum lässt Antigone verhaften und lebendig einmauern. Das nimmt ihm sein Sohn Haimon übel, ist er doch mit Antigone verlobt. Er bricht auf, die Geliebte zu befreien. Die aber hat inzwischen ihrem Leben ein Ende gesetzt. Haimon stürzt sich daraufhin in sein Schwert. Als seine Mutter, also Kreons Frau, davon hört, nimmt sie sich ebenfalls das Leben. Kreon wünscht sich schließlich sein Ende herbei - wer kann es ihm verdenken? - wird aber belehrt, dass es kein Entrinnen aus dem Schicksal gibt.


Antigone - Teaser Nr. 1 - Ödipus trifft Theseus from Bodo Wartke on Vimeo.

An der Handlung ändert Bodo Wartke nichts, aber er bindet mal eben in das ohnehin schon temporeiche Stück noch schnell seine Interpretation von "König Ödipus" ein, damit das Publikum der "Antigone"-Handlung auch wirklich folgen kann. Zusammen mit seiner Bühnenpartnerin Melanie Haupt teilt er sich zwölf Rollen in kargster Bühnenausstattung und Kostümierung.

So beginnt das eigentliche Drama erst nach der Pause, aber von Langatmigkeit ist bei der zweieinhalb Stunden dauernden Inszenierung keine Spur. Wartke setzt neben frischen, frechen, geistreichen Reimen auf Musik: Blues trifft auf Beatbox, Rap auf Soul. Geulkt wird zu Ukulele und Mundharmonika, und zwischendrin trifft Stepptanz auf Spagat.

Unter Klamauk und Komik liegt klassisches Erzähltheater, das Wartke nie verloren geht. Das Ergebnis der atemlosen Reise durch die Antike ist ein wunderbares Stück über die Notwendigkeit des zivilen Ungehorsams, über Ethik und Moral in der Politik und das Einstehen für die eigenen Werte, auch in letzter, tödlicher Konsequenz.

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Dienstag, 16. Oktober 2018

Schnell gemacht: Taschenbaumler aus den Vielgefachten

Mudderns liebt Stofftiere und Püppchen, und so überraschte es mich, dass sie erst beim Besuch am letzten Wochenende den Schäfchenknopf entdeckte, der den Fadenanfang bei den Vielgefachten markiert.

Drei Vielgefachte, davon zwei mit Schaf. der in der Mitte stammt aus einem Sonderverkauf und ist deswegen ohne Schaf.
Sie wollte sofort in den Laden marschieren und um ein Schaf bitten, das ihren Rollator verzieren soll. Ich bremste sie, hatte ich doch gerade zwei Schafe bekommen.

Taschenbaumler.
Wieder zu Hause, häkelte ich eine etwa 60 M lange Luftmaschenkette, ließ dabei den Faden am Anfang und am Ende etwa 10 cm lang, um ihn mit einer Nadel durch die Knopflöcher des Schafes ziehen zu können.

Taschenbaumler an Sparschwein.
Den Faden zog ich außerdem durch eine Perle, damit der Baumler mehr Gewicht bekommt, und dann machte ich einen dicken Knoten. Fertig.

Mudderns choppert jetzt glücklich mit einem Schaf am Rollator durch die kleine Stadt und meinte, es sei ja bald Weihnachten, da möchte sie auch noch einen Engel haben. Dass ich antwortete, ich hätte auch noch 'ne passende Lichterkette und könne ihr den Rollator auch umhäkeln, fasste sie nicht als Scherz auf.

Der Beitrag geht rüber zu den Linkparties DienstagsDinge und Handmade on Tuesday.

Montag, 15. Oktober 2018

Ehemaliges Zwangsarbeiter- und Kriegsgefangenenlager in der Welckerstraße 6

Montags gegen Nazis.
Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesenAlle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst. Das blaubraune Pack kündigte an, im Herbst wieder demonstrieren zu wollen, diesmal monatlich. Nachdem sie sich im September die 11. Klatsche für dieses Jahr von der demokratischen Mehrheit der Stadt abholten, haben sie im Oktober prompt pausiert. Im November müssen wir dann mal wieder zeigen, wer das Volk ist und wer völkisch.


Blick in die Welckerstraße, wo sich zwischen 1943 und 1945 ein Zwangsarbeitslager der Firma Dello befand. 
In direkter Nachbarschaft zum Logenhaus, in der einstigen Welckerstraße 6, befindet sich bis in die 1970er Jahre hinein die Opel-Generalvertretung von Ernst Dello & Co.. Im dritten und vierten Stockwerk des langgestreckten, mehrstöckigen Gebäudekomplexes gegenüber der Staatsoper wird im Juli 1943 ein Lager für ca. 180 sowjetische und französische Kriegsgefangene sowie französische Zwangsarbeiter eingerichtet. 

Das von Soldaten bewachte Lager ist eines von über 1.100 Zwangsarbeitslagern auf dem Hamburger Stadtgebiet. Es bleibt bis zur Befreiung im Mai 1945 bestehen. In welchen Bereichen die Männer eingesetzt wurden, lässt sich aus den vorliegenden Quellen nicht ersehen. Ich vermute, sie mussten Trümmer räumen und beim provisorischen Wiederaufbau zerstörter Häuser helfen. 

Samstag, 13. Oktober 2018

#12von12 im Oktober 2018

Der Sommer scheint in diesem Jahr kein Ende zu finden, und so präsentiert sich der 12. Oktober sehr viel wärmer als für die Jahreszeit normal. Hier meine 12 Impressionen für das monatliche Blog-Event bei Caro.

#1: Bushaltestellenwarteblick.
#2: Beim Umsteigen durch's Herbstlaub rascheln. 
Beim Umstieg mache ich beim Bäcker Halt, um Frühstück zu besorgen, und freue mich, dass es ihn immer noch gibt. Hier kaufe ich schon seit 1998. Aktuell mag ich besonders den Tomaten-Bulgur, der wirklich hausgemacht ist. Heute aber gibt's Ei-Brötchen.

#3: Frühstück.
#4: Lesen* in der S-Bahn. "Man muss alles zerstören, was man nicht versteht" - Karl Otten findet wahre Worte über den Faschismus.
Im Büro will ich eigentlich ein paar Stunden in Ruhe am Schreibtisch arbeiten, aber schnell ist klar, dass daraus nichts wird. Die Kolleginnen sind heute sehr kommunikativ, also mache ich Dinge, die ich jederzeit unterbrechen kann. Immerhin bekomme ich wie geplant meine Kartonagen entsorgt.

#5: Bücher zum Verschenken aussortieren.
#6: Ich darf meine Zerstörungswut ausleben.
#7: Nicht jedem im Haus ist die richtige Entsorgung von Kartonagen bekannt ... 
#8: Ich mag diesen anachronistischen kleinen Ascher, der im nicht-öffentlichen Bereich des Gebäudes überlebte.
Am Ende des Arbeitstages komme ich dann doch noch eine Stunde zum konzentrierten Arbeiten am Schreibtisch.

#9: Seiten bauen. Bei uns wird das Internetz noch mit der Hand gemacht.
Auf dem Heimweg mache ich noch ein paar Fotos für meine Montagsreihe. Der Gatte ist schon zu Hause. Wir nehmen einen Drink auf dem Balkon - Mitte Oktober.

#10: Gin o'clock.
Der Gatte verkrümelt sich aber schnell wieder in sein Zimmer. Er hat eine Augenentzündung, jegliches Licht tut weh. Zum Glück fand er einen Augenarzt, der nicht nur Kassenpatienten und Notfälle nimmt, sondern auch am Freitag Nachmittag Sprechstunde hat. Ich rechnete schon damit, ihn in Krankenhaus zu fahren.

#11: Aus T-Shirt-Resten werden kleine Läppchen für die Augenwaschungen, die der Gatte die nächsten Tage machen muss. 
Ich telefoniere mit Mudderns, gucke Fernsehen, wärme Bohnensuppe auf, schnibble Extra-Cabanossi hinein, um den Gatten zu verwöhnen und ziehe schließlich mit dem Strickzeug auf's Sofa.

#12: Vor dem Einschlafen noch etwas lesen*.
Wie meistens, gehe ich so ins Bett, dass ich noch etwas lesen* und dann zum Einschlafen "Das war der Tag" im DLF hören kann. Freitags steht auch der Mitternachtskrimi auf meinem Programm, aber zu der Zeit bin ich schon eingeschlafen.

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Dienstag, 9. Oktober 2018

Glückwunschkarte mit gestrickten Mini-Socken

In der letzten Woche hatte eine Kollegin Geburtstag, die sehr viel strickt, häkelt und näht. Spontan bastelte ich ihr eine Karte (ein Geschenk gab's natürlich auch).

Glückwunschkarte mit Socken.
Die Leine hängt zwischen einem geteilten Schaschlikspieß und ist aus einem alten Schlüppi, den ich in Streifen schnitt und zum Band zog. Die Socken wurden aus Garnresten von diesen Schals gestrickt. Für jede Socke brauchte ich ca. 3 g Wolle.

Die beiden Söckchen sind jeweils ca. 4 cm lang.
Die Socken werden normalerweise als Schlüsselanhänger und zur Aufbewahrung von Einkaufswagenchips genutzt. Ich habe lange nach einer Anleitung gesucht, bei der mir auch die Sockenform gefiel und wurde schließlich hier fündig.

Socken mit Lineal.
Die Karte kam gut an - nicht nur bei der Geburtstags-Kollegin, sondern auch bei den anderen, die fragten, ob ich solche Karten auch verkaufe. Ähm, ja, ich schätze, ab jetzt schon.

Der Beitrag geht rüber zu den Linkparties Creadienstag, DienstagsDinge, Handmade on Tuesday und Maschenfein.

Montag, 8. Oktober 2018

Die Freimaurerloge in der Welkerstraße

Montags gegen Nazis.
Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesenAlle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst. Das blaubraune Pack kündigte an, im Herbst demonstrieren zu wollen, diesmal monatlich. Nachdem sie sich im September die 11. Klatsche für dieses Jahr von der demokratischen Mehrheit der Stadt abholten, werden sie im Oktober prompt pausieren. 

Das heutige Logenhaus in der Welckerstraße. 
Die Welckerstraße übersieht man leicht, wenn man von Stephansplatz zum Gänsemarkt läuft: Die schmale Einbahnstraße verbindet die Dammtorstraße mit der Drehbahn und ist Zufahrt zu einem Parkhaus.

Heute läuft man direkt auf das 1971 neu erbaute Logenhaus der „Vereinigten fünf hamburgischen Logen“ zu. Es gehört den Freimaurern, die das Grundstück 1875 erwerben und 1890 ein neu errichtetes Logenhaus eröffnen.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten werden auch die Freimaurer verfolgt. Zwar versucht man noch, sich mit den neuen Machthabern zu arrangieren, aber die sehen wie Joseph Gobbels in einer "weltsumspannenden Verschwörung aus Judentum, internationaler Freimauerei und internationalem Marxismus" eine Bedrohung für Deutschland.

Erinnerungstafel für die Zerstörung des Logenhauses in der NS-Zeit.
1935 wird die Freimauererei verboten. Die Logen müssen sich unter Beobachtung und in Anwesenheit der Gestapo selbst auflösen. Im Logenhaus in der Welckerstraße wurde eine Anti-Freimaurer-Ausstellung eingerichtet, bevor das Gebäude 1937 abgerissen wird. Das Gelände wird als Parkplatz für die benachbarte Post genutzt.

Nach der Befreiung dauert es lange, bis die Freimaurer das Grundstück zurückerwerben können. 1971 schließlich wird der Grundschein für das neue Logenhaus gelegt. Heute nutzen fast 20 Logen die unteren Stockwerke, während die oberen Etagen an die Universität vermietet sind.

Freitag, 5. Oktober 2018

#WMDEDGT 10/18: Schrei, so laut du kannst

Heute ist wieder der fünfte Tag des Monats, und Frau Brüllen fragt "Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?", kurz WMDEDGT?

Ich werde zwei Minuten vorm Weckerklingeln wach, höre, wie der Gatte in die Küche zur Kaffeemaschine tabst und drehe mich noch mal um - die letzten Tage hatte er verschlafen, heute mal nicht. Ich schlafe tatsächlich noch mal eine Stunde ein, habe Schlaf nachzuholen.

Während sich der Gatte Brote schmiert, trinke ich Kaffee, und als er aus dem Haus ist, ziehe ich die Betten ab, packe die Plumeaus zum Lüften auf den Balkon und mache mich fertig. Heute habe ich nur interne Termine, kann also leger und ohne Make up kommen.

Bevor ich losfahre, ziehe ich noch Fotos von einer Veranstaltung, die wir gestern durchführten, auf den Rechner und maile sie ins Büro - ich habe immer noch nicht geklärt, ob ich inzwischen einen USB-Stick nutzen könnte oder sogar ein Bildbearbeitsprogramm hätte oder ob die Sicherheitsstufen aus dem alten Job das immer noch verhindern.

Im Büro tausche ich mich kurz mit einer Kollegin aus, die am Vorabend die Premiere von "Nora" im Ernst-Deutsch-Theater besuchte. Mich interessiert ihr Eindruck. Schließlich kommt die Kollegin, die zum Jahresende in den Ruhestand geht, dazu, und fragt nach dem Fortgang einer Bestellung. Die hat tatsächlich mein Team vertorft, und auch ich habe es verdaddelt, nachzufragen, was aus der Bestellung werden soll.

Zwischen den beiden Damen gibt es lautstarke Diskussionen, warum die Bestellung liegen blieb. Dabei stellte sich heraus, dass eine Kollegin grundsätzlich keine Bestellungen, die eine andere Kollegin aufnimmt, bearbeitet, weil letztere immer schnippisch sei, weswegen die Bestellung nicht weiterbearbeitet wurde. Ähm, ja. nee, is klaa. Der Vorgang wird erledigt, ich habe auf meiner "Wie geht's ab Januar weiter-Liste" einen weiteren Punkt.

Bevor's in die Besprechung mit Chef und Ruhestands-Kollegin geht, bleibt noch Zeit, Kaffee Botz aufzubrühen, dann sitze ich mit Becher und Block beim Chef. Die folgende Stunde dröseln wir die Aufgaben der Ruhestands-Kollegin so auf, dass ich den inhaltlichen Teil in meiner Teilzeitstelle schaffe. Der administrative Teil fließt in eine noch zu besetzende Vollzeitstelle ein. Ich bin nicht böse drum, diesen Teil loszuwerden und den kreativen Teil zu behalten.

Wir erstellen einen Zeitplan, damit ich das kommende Arbeitsjahr planen kann, und gestalten einen Übernahme-Fahrplan, um einen geschmeidigen Übergang zu gewährleisten. Auf die Rom-Reise im Dezember muss ich leider verzichten, aber zum Yarncamp im November kann ich.

Das kommende Vierteljahr wird hart, auch, weil bei der Ruhestands-Kollegin aus vielen Gründen die Nerven blank liegen. Zurzeit gibt es mit ihr sehr viele sehr lautstarke Diskussionen, ebenso wie mit den beiden Kolleginnen, mit denen ich das letzte Jahr über ein Team bildete. Zum Glück liegt mein Büro sehr ruhig - meistens.

Wieder am Schreibtisch, mache ich die Abrechnung für die gestrige Veranstaltung, bis mich eine lautstarke Auseinandersetzung im Nachbarbüro so nervt, dass ich mich in den Laden im Nebenhaus flüchte, um dort die Abrechnung abzuschließen und das Material der gestrigen Veranstaltung zu verräumen.

Während ich so vor mich hin krutschle, kommt die Kollegin der Nachbarabteilung zur Arbeit, und wir klönen kurz miteinander. Die ersten Kunden machen sich bemerkbar, aber der Laden öffnet erst in einer halben Stunde, da haben wir strenge Vorgaben einzuhalten.

Ich husche wieder ins Büro und setze unter vier Augen den Chef über den Grund der lautstarken Auseinandersetzung im Nachbarbüro ins Bild. Er ist wenig erfreut. Wo wir schon zusammensitzen, gleichen unseren Eindruck zur Übergabebesprechung ab und überlegen, wo wir im Januar nachjustieren können, wenn die Kollegin im Ruhestand ist.

Die Kollegin verweigerte sich in den letzten fünf Jahren jeglicher Digitalisierung, ist der Meinung, dieses merkwürdige Internetz werde weder genutzt noch sich durchsetzen, weil da eh keiner reinguckt, und wir beschließen, das für die Zeit, in der sie noch da ist, auch so zu lassen, denn wie gesagt: Ihre Nerven liegen eh schon blank.

Chef sichert mir zu, dass ich mir keine Gedanken machen solle: Meine Publikationen werden erscheinen, egal wie, er sorge für genug Manpower. Ich bin eh gelassen: Ich habe weiland in den 1980er Jahren noch Büchermachen mit Bleisatz und Layouten mit Papier, Schere und Gummi Arabicum gelernt. Notfalls kann ich also auch analog arbeiten. Eine mechanische Schreibmaschine steht auch noch im Keller. Ich vermarkte das Endergebnis dann eben als Retro-Chic.

Und wo wir gerade zusammensitzen, teilt Chef mir auch mit, dass er zukünftig meinen inhaltlichen Arbeitsbereich mit macht, also derjenige ist, der Exkremente nach Farben sortiert. Das freut mich, weiß ich dann diesen Bereich doch in guten Händen.

Wieder allein, erreiche ich endlich jemanden, der mir sagen kann, ab wann morgens der Zugang zum Gebäude möglich ist - wir wollen nämlich ein Zeitungsabo haben, und der Austräger braucht Zutritt zum Gebäude, damit die Zeitungen dann auch tatsächlich bei uns landen.

Langsam macht sich eine Migräne bemerkbar. Ich beschließe, es gibt nichts, was nicht auch Montag erledigt werden kann, schaffe es schon halb schlafend nach Hause und falle auf's Sofa - das Bettzeug liegt ja noch auf dem Balkon ... Ich schlafe sofort ein, komatös, wache nach einer Stunde wieder auf und bin halbwegs fit. Solche Migräne-Attacken mag ich, kurz und heftig.

Der Gatte muss Überstunden machen und besucht danach noch seine Mutter, also kümmere ich mich ein wenig um den Haushalt und telefoniere mit meiner Mutter, zu der ich am nächsten Tag fahre, um mit ihr einzukaufen.

Der Gatte kommt heim, ruht sich ein wenig aus und geht dann in die Küche, um Currywurst-Pommes zu machen - er braucht Seelenfutter. Nach dem Essen verkrümelt er sich in sein Zimmer und hört Beatles. Ich falle auf's Sofa, gucke "Father Brown" und stricke.

Dann will das Bett noch bezogen werden, damit ich nach der "heute show" hineinfallen kann, und das war's dann auch schon mit dem 5. Oktober 2018.

Donnerstag, 4. Oktober 2018

"Così fan tutte" von Wolfgang Amadeus Mozart in der Staatsoper: Einfach opulent

Großen Spaß machte uns die quietschbunte "Così fan tutte"-Inszenierung von Herbert Fritsch in der Staatsoper Hamburg. Leider steht sie in diese Saison nicht mehr auf dem Spielplan, also bleibt die Hoffnung auf eine Wiederaufnahme in der nächsten Spielzeit.



Die Handlung spielt im Neapel des 18. Jahrhunderts und ist schnell erzählt: Zwei Männer wollen die Treue ihrer Frauen prüfen und gehen mit einem dritten eine Wette ein, dass die Damen standhaft bleiben. Sie ziehen scheinbar in einen Krieg, kehren aber bis zur Unkenntlichkeit verkleidet zurück und versuchen, die Frauen zu verführen. Das gelingt am Ende, aber anders, als gedacht.

Oberflächlich betrachtet, gibt es ein Happy End, aber es ist schnell klar, dass die Hochzeit nur Schein ist, es unter der Oberfläche brodelt.

Das Bühnenbild, ebenfalls von Herbert Fritsch, ist einfach und farbenfroh, erinnerte mich an die Siebziger Jahre. Dazu passen die Kostüme von Victoria Behr perfekt. Die Sängerinnen und Sänger waren ein Genuss, allen voran Maria Bengtsson, die trotz Erkältung die Fiordiligi sang, und Sylvia Schwartz als Despina.

Mittwoch, 3. Oktober 2018

Ausgelesen: Bücher im September 2018

Zu Monatsbeginn las ich mich weiter über unser Reiseziel ein. "Tödliche Delikatessen aus Mallorca*" von Michael Böckler ist der erste Band der sogenannten "Krimi-Häppchen"-Reihe, die in unterschiedlichen Ländern und Regionen spielt. Ursprünglich war's wohl 'ne Hörspiel-Reihe.

Die Kurzkrimis, in denen beispielsweise ein Koch einen Kritiker meuchelt oder ein Mann seine Frau loswerden möchte, sind ganz nett und haben viel Lokalkolorit.

Im Mittelpunkt von Eva-Maria Farohis Kurzkrimi "Tödliche Meeresnacht*" steht der Ermittler Vicent Rius, dessen letzte Fall eigentlich ein Unfalltod einer Touristin ist. Aber der erfahrene Kriminalist entdeckt schnell Ungereimtheiten und vermutet, dass der Ehemann der Toten unschuldig ist.

Ich war froh, dass das Buch kurz ist, denn so richtig gefangen nahm es mich nicht. Die Charaktere sind gut gezeichnet, Rius ist charmant, und ich bin gespannt, wie es mit der Beziehung zu seiner Nachbarin weitergeht, aber das Ende empfand ich als schnell zusammengeschustert, so, als wäre das Papier ausgegangen ... Dennoch habe ich die beiden Folgebände, "Gefährlich süß*" und "Arme Mörder*", erst mal auf den Kindle gezogen.

Dann mäanderte ich mit Krimis und Romanen durch Deutschland: "Mooresschwärze*" von Catherine Shephard. Der erste Thriller mit der Rechtsmedizinerin Julia Schwarz als Protagonistin ist solide. Ich werde sicher noch mehr von der Autorin lesen - der Folgeband "Nachtspiel*" ist schon auf dem Kindle*.

Worum geht's? Als Kriminalkommissar Kessler Rechtsmedizinerin Schwarz zu einem Tatort in einem nahe gelegenen Moor ruft, sieht alles zunächst nach einem einfachen Fall aus. Aber dann verschwindet die Leiche und Julia macht sich auf die Suche nach dem toten Mädchen. Doch statt der Leiche stößt sie auf ein weiteres Opfer.

Erst jetzt begreift Julia, dass sie es mit einem gefährlichen Serientäter zu tun hat, der einen perfiden Plan verfolgt. Ein sonderbares Tattoo auf dem Bauch der Frauen scheint die einzige Verbindung zwischen den Fällen zu sein. Aber die Zeit läuft gegen Julia und sie ahnt nicht, dass sie selbst bereits viel zu tief in den Strudel des Bösen geraten ist.

"Braune Orchideen*" von Andreas Schnabel gefiel mir nicht ganz so gut wie seine Mallorca-Krimis, was hauptsächlich daran lag, das mir die Auflösung relativ schnell klar war. Das ist aber ein Symptom meiner Berufskrankheit. Außerdem ist das Buch teilweise nachlässig lektoriert, was meinen Lesefluss störte. Für alle anderen ist der Krimi sicher spannend. Schnabel taucht tief in die Abgründe der deutschen Geschichte ein.

Im Mittelpunkt steht eine kleine Gemeinde irgendwo im bergigen Süddeutschland, die friedlich wirkt, aber furchtbares Geheimnis birgt. Woher kommt der Hass der Alten, der so groß ist, dass sie sich gegenseitig bestialisch umbringen? Hetzt sie die Gier aufeinander? Ist es vielleicht Angst oder werden sie gar fremdgesteuert? Die Toten sind nicht arm gestorben. Im Gegenteil. Sie hinterlassen jeweils viel Geld. Viel zu viel, als dass Erben eine Erklärung verlangen dürfen, ohne sich dabei in Lebensgefahr zu begeben.

Die Hamburgerin Melanie Metzenthin schrieb bislang unterhaltende historische Romane, in deren Mittelpunkt eine Sündenheilerin steht - nicht das, was mich anspricht, weswegen mir die Autorin bislang entging. Mit "Im Lautlosen*" legt Metzenthin einen Roman vor, der im Hamburg der späten Weimarer Republik, der NS-Zeit und den Monaten nach der Befreiung spielt. Leseempfehlung! Der Folgeband "Die Stimmlosen*" wartet schon auf dem Kindle.

An der noch jungen Universität der Hansestadt gehören Richard und Paula zu den begabtesten Medizinstudenten ihres Jahrgangs. Sie beide verbindet mehr als nur die Leidenschaft für den Arztberuf. Als nach ihrer Heirat die Zwillinge Emilia und Georg geboren werden, ist ihr Glück komplett, auch wenn der kleine Georg gehörlos ist.

Doch dann verändert sich das Leben der jungen Familie durch die NS-Machtübernahme von Grund auf. Richard arbeitet inzwischen als Psychiater in der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn und kann sich mit der menschenverachtenden Gesetzgebung der Nazis nicht arrangieren, von der auch sein gehörloser Sohn betroffen ist. Um seine Patienten vor der Euthanasie zu bewahren, erstellt er fortan falsche Gutachten. Damit nimmt er ein großes Wagnis auf sich, das nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch seine Familie bedroht.

Paula arbeitet derweil im Kinderkrankenhaus Rothenburgsort, wo sie Carl Stamm kennenlernt, dem sie auch die Freundschaft hält, als Kontakte zwischen Juden und Nicht-Juden gefährlich werden. Wie ihr Mann muss auch Paula Entscheidungen im Rahmen der Euthanasie-Gesetze treffen und gleichzeitig ihre Familie schützen.

Mit "Die Tote im Strandkorb*" ging's mit Inselkommissarin Lena Lorenzen nach Amrum, wo der Leiter eines Kinderheims tot am Strand aufgefunden wurde. Die örtliche Polizei geht von einer natürlichen Todesursache aus, bis das LKA die Obduktion des Leichnams veranlasst und Ermittlungen einleitet. Lorenzen wundert sich darüber, dass Kriminaldirektor Warnke ausgerechnet ihr diesen Fall überträgt. Wenige Monate zuvor hatte er sie noch wegen eigenmächtiger Ermittlungen aus einer Sonderkommission abgezogen und ihre Herunterstufung beantragt.

Lena, die auf Amrum geboren und aufgewachsen ist, holt die Erinnerung ein: Sie hat die Insel vierzehn Jahre zuvor im Streit mit ihrem Vater verlassen. Während der Tage auf Amrum trifft sie ihre herzliche Tante Beke wieder und läuft schon am ersten Tag Erck über den Weg, ihrer einstigen großen Liebe.

Das Buch von Anna Johannsen gefiel mir gut, so dass ich gleich den Folgeband "Das Mädchen am Strand*" las, der auf Föhr spielt. Gelegentlich stolperte ich über Lektorenfehler (wenn acht Polizisten den Strand absuchen und sechs links, drei rechts runter gehen, macht das bei mir neun), aber davon abgesehen, ist der Krimi um die 14jährige Maria, die in einer ultrareligiösen Familie aufwächst, spannend.

Maria, die als ungewöhnlich reif für ihr Alter beschrieben wird, verschwindet, was die Kommissarin auf die Insel ruft. Am zweiten Tag der Suche wird die Jugendliche mit aufgeschnittenen Pulsadern an einem einsamen Strandabschnitt gefunden.

Schnell entsteht bei Lena und ihrem jungen Kollegen Johann Grasmann der Verdacht, dass es sich nicht um Suizid handelt. Marias Eltern verhalten sich äußerst unkooperativ, doch sie sind nicht die einzigen, die scheinbar etwas zu verbergen haben. Erst nach und nach dringen die Kommissare tiefer in das Leben des jungen Mädchens und ihre Geheimnisse ein.

Ich freue mich auf den dritten Band, "Die alte Dame am Meer*", der im November erscheint und Lorenzen nach Sylt sowie in die Hamburger Künstlerszene der 1950er Jahre führen wird. Leider trennte sie sich zwischenzeitlich von ihrer Jugendliebe Erck - ich hätte ihnen ein Happy End gewünscht.

Wenn der Bus einigermaßen leer ist, stöbere ich gerne in den Bücherregalen, mit denen die Busse "meiner" Linien ausgestattet sind. Meistens allerdings sind die Regale leer und die Busse proppenvoll. Vorm Urlaub hatte ich aber Glück: Bus leer, Bücherregal voll. Ich schleppte sechs Titel nach Hause, darunter "Virus im Netz*" von Rita Mae und Sneaky Pie Brown. Ich mag die Krimis um die Tigerkatze Mrs. Murphy, und so gefiel mir auch dieser Band.

Der Fall beginnt auf Ash Lawn, Landsitz des Präsidenten James Monroe: Bei sengender Sommerhitze rast ein Hell’s Angel auf einer Harley-Davidson über die Landstraße. Wenig später liegt er erschossen im Gebüsch. Zur gleichen Zeit legt ein Computervirus die Stadt lahm und Bankdirektor Hogan Freely wird vor seinem Bildschirm ermordet.

In den Oktober gehe ich mit einem Jugendbuch: "Die roten Matrosen oder Ein vergessener Winter*" von Klaus Kordon. Im Mittelpunkt stehen Helle, Ede und Fritz, die in Berlin die Novemberrevolution 1918 erleben. Unbedingt lesen! Ich freue mich schon auf die beiden anderen Bände der "Wendepunkte"-Trilogie.

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