Sonntag, 20. Juli 2025

Samstagsplausch KW 29/25: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCLXXIX

"Ich will nicht den ganzen Sommer im Krankenhaus bleiben!", rief der Gatte gestern verzweifelt, als wir vor dem Krankenhaus in der Sonne saßen. Normalerweise hätten wir einen langen Sommerabend mit Grillgut, Sangria und Häppchen an der Hummelrast genossen. Wer weiß, wann das mal wieder möglich ist - und ob überhaupt?! 

Der Gatte ist jetzt schon die zweite Woche im Krankenhaus. Es geht weiterhin einen Schritt vorwärts und zwei zurück. Der OP-Termin wird in letzter Minute immer wieder verschoben. Der Chefarzt ist vorsichtig optimistisch, kommende Woche operieren zu können. Das war er in dieser Woche auch schon - und in der letzten Woche. 

Der Zustand des Gatten hat sich laut den Ärzten konsolidiert, fast alle Blutwerte sind besser geworden nach gefühlt endlosen Infusionen. Dennoch: Der Gatte ist sehr schwach, isst und trinkt zu wenig, taucht in Parallelwelten ab, kann sich kaum noch bewegen, schläft viel. Ich bin weiterhin zwei Mal täglich bei ihm, aber nicht mehr so lange, weil ihn meine Besuche anstrengen. Mich erinnert das alles fatal an das letzte dreiviertel Jahr mit meiner Mutter. Kraft, Hoffnung und Zuversicht schwinden zusehends. 

Hier gilt seit mittlerweile 279 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall. Er ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Es geht uns dennoch vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich die Erkrankungen und der Schlaganfall des Gatten zu Wesensveränderungen führten, die ein Zusammenleben manchmal sehr schwer machen. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona bislang Gatten, Schwiegermutter und Tante verschonte, und hoffe sehr, das bleibt so.  

Von Sonnabend auf Sonntag war Schwiegermutter zu Besuch, was sehr anstrengend war, muss sie doch immer im Mittelpunkt stehen. Ich hatte sie im Hotel untergebracht, aber natürlich wollte sie auch das Haus sehen. Sie will sich, wenn der Gatte wieder zu Hause ist, länger im Hotel einquartieren, um Haus und Garten auf Vordermann zu bringen. Na, ich danke! Den Vorgarten möchte sie schottern, alle hier noch stehenden Umzugskisten unbesehen entsorgen, weil darin ja nur meine Bücher wären, und das sind ja eh nur Staubfänger, und die Zimmer, an denen der Gatte noch arbeitet, will sie fertig einrichten. Ja, nee, is klaa. 

Durch Schwiegermutters Besuch kam ich aber immerhin zu einem ordentlich Abendessen und zu einem ordentlichen Frühstück. Seit zwei Tagen schaffe ich es auch, mir wieder echtes Essen zuzubereiten, nicht nur Fertigfutter. 

Diese Woche war die Jahrespressekonferenz für mein Projekt. Da ich zurzeit freigestellt bin, fiel die Durchführung meiner Kollegin zu, und sie meisterte es grandios! Mich freute, dass sie in einigen Veröffentlichungen auch namentlich erwähnt wurde. Ich hatte erst überlegt, ob ich bis zur Pressekonferenz irgendwie durchhalte, dachte mir dann aber, dass meine Kollegin sich freischwimmen müsse, ich hier nicht auf Teufel komm raus stark sein müsse. Die Kollegin war schon in den letzten zwei, drei Jahren bei allen Vorbereitungen und -besprechungen dabei, wurde also nicht ahnungslos ins kalte Wasser geworfen, hatte zudem die Unterstützung des ganzen Teams. Jetzt hat sie wirklich alle Facetten des Projekts durchgespielt und ist fit, die Projektleitung ganz zu übernehmen, wenn ich in zwei Jahren in Rente gehe, um Zeit mit dem Gatten zu genießen. So ist zumindest der Plan, Mal schauen, was die Gesundheit des Gatten dazu sagt.

Die Chefin bat um ein Telefonat und stellte dabei erstaunt fest, dass ich tatsächlich nicht in meine Dienstmails schaue, wenn ich dienstfrei habe. So erfuhr ich dann erst durch sie, dass unser Chef uns sehr kurzfristig verlässt, wir ebenso kurzfristig eine neue Chefin bekommen als Vorgesetzte für das gesamte Institut. Soll sein. Für mich gibt es aktuell Wichtigeres.

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse

Mittwoch, 16. Juli 2025

#12von12 im Juli 2025

Auf diesen #12von12-Beitrag hätte ich liebend gerne verzichtet, denn der Gatte ist seit über einer Woche im Krankenhaus, und es ist ungewiss, ob er wieder nach Hause zurückkehrt. Dennoch: Auch diesen Monat gibt's die Bildersammlung bei Caro von "Draußen nur Kännchen". Ich schreibe diesen Beitrag in einer Mittagspause, denn über Mittag habe ich meistens zwei, drei Stunden "gattenfrei". Morgens bin ich gegen acht Uhr im Krankenhaus bis gegen Mittag, komme dann nachmittags wieder bis gegen zwanzig Uhr - es sei denn, der Gatte möchte lieber alleine sein und bittet mich, zu gehen.

#1: Der Wecker klingelt um sechs Uhr. Der Schlafhase des Gatten ermahnt mich, aufzustehen und ins Krankenhaus zum Gatten zu fahren. 

#2: Eine der wenigen Freuden, die der Gatte aktuell hat, ist das tägliche Viertel Wassermelone, das ich ihm mit ins Krankenhaus bringe. Für mich gibt's Espresso und drei Scheiben trocken Toast zum Frühstück, das ich mit dem Gatten zusammen esse.

Heute früh bin ich aber nur kurz im Krankenhaus, denn vormittags kommt Schwiegermutter, um ihren Sohn zu sehen. Sie bleibt über Nacht, was dazu führt, dass ich zum ersten Mal seit über einer Woche ein ordentliches Abendessen bekomme (und am kommenden Tag ein ordentliches Frühstück).

#3: Hier bin ich in den letzten acht Jahren definitiv zu oft. Der Gatte liegt zum sechsten Mal in diesem Jahr im Krankenhaus. 

#4: Während ich auf Schwiegermutter warte, möchte ich im Garten arbeiten, komme aber nicht weit. Der Engel aus Schwiegermutters ehemaligem Garten ist jedenfalls wunderbar eingewachsen.

#5: Die Yucca, die meine Mutter vor Jahrzehnten in den Garten pflanzte, blüht wieder wunderschön und üppig.

#6: Der kleine Apfelbaum, der mit aus Hamburg umzog, hat reichlich Früchte angesetzt. 

#7: Nach Schwiegermutters erstem Besuch im Krankenhaus müssen wir ein paar Kleinigkeiten für den Gatten besorgen. Ich sorge dafür, dass Schwiegermutter ein kleines Mittagessen bekommt. 

#8: Klimawandel ist Moppelkotze, aber die Aprikosen aus dem Alten Land schmecken einfach nur geil. 

#9: Nach dem zweiten Krankenhausbesuch und kurzer Pause für Schwiegermutter geht's zum Abendessen.

#10: Noch immer sind 50 entführte Männer und Frauen in der Gewalt der Hamas - seit unfassbaren 645 Tagen. 

#11: Während Schwiegermutter schon schläft, steht bei mir noch die Wäsche an. Der Sofa-Schlafhase musste in die Badeferien und trocknet nun im Hops-Flausch-Handtuch aus Weißenhäuser Strand. Am kommenden Tag kommt er zum Gatten ins Krankenhaus, um bei der Heilung zu helfen. 

#12: Vor dem Einschlafen wird noch etwas gelesen*.

Der Blick in die ersten fünf Corona-Jahre: Am 12. Juli 2020 waren wir mit Schwiegermutters Umzug beschäftigt, war der Gatte noch gesund. Am 12. Juli 2021 war der Gatte schon krank, der Antrag auf Berufsunfähigkeitsrente gestellt, lebte er sich gerade im neuen Status Quo ein. Drei Jahre später stellten wir einen Antrag auf Pflegestufe. Am 12. Juli 2022 lebte meine Mutter seit einer Woche im Pflegeheim und war guter Dinge, während wir uns darauf einrichteten, ihr Haus zu unserem zu machen. Als wir morgens auf dem Weg ins Haus an ihrem Pflegeheim vorbeikamen, war sie gerade mit ihrer Gesellschafterin auf dem Weg in die Stadt. Es sollte eines der letzten Male sein, dass sie den kompletten Weg schaffte. Am 12. Juli 2023 pendelten wir seit einem Jahr, stolperten von einer Handwerkerpleite in die nächste und hofften auf ein baldiges Baustellen-Ende. Am 12. Juli 2024 wollten wir eigentlich nur ruhig auf der Baustelle vor uns hin leben, aber das Schicksal sah anderes mit uns vor und stellte unser Leben vier Monate später auf den Kopf. Eine Folge ist der aktuelle Krankenhausaufenthalt des Gatten - der sechste in diesem Jahr. / *Affiliate links

Samstag, 12. Juli 2025

Samstagsplausch KW 28/25: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCLXXVIII

Der Gatte ist seit über einer Woche im Krankenhaus. Die geplante OP war noch nicht möglich, weil sein Körper eskaliert. Es ist ein bisschen wie bei Dr. House, nur dass wir nicht wissen, ob es ein Happy End gibt, ob der Gatte wieder nach Hause kommt. Hoffnung macht, dass die geplante OP bislang nur verschoben, nicht abgesagt wurde. Ob der Gatte die OP dann überleben wird, steht auf einem anderen Blatt. Ich musste mich diese Woche bereits einmal von ihm verabschieden. Er aß und trank nicht mehr, war nicht mehr ansprechbar.

Ich bin morgens um acht Uhr im Krankenhaus bis mittags. Dann fahre ich für zwei, drei Stunden nach Hause, und gegen sechzehn Uhr bin ich wieder im Krankenhaus. Manchmal sitze ich nur still da, lese, stricke, halte seine Hand und bewache den Schlaf des Gatten. Manchmal kann ich ihn im Rollstuhl vor die Tür schieben, genießen wir den Sommer (den wir viel lieber im heimischen Garten genießen würden). Der Gatte ist ehrlich genug, mir zu sagen, wenn er alleine sein möchte. Dann gehe ich. Aber meistens möchte er Gesellschaft. Wir wissen ja beide nicht, wie lange wir einander noch haben. Gegen zwanzig Uhr bin ich normalerweise wieder zu Hause. 

Der Himmel kann Drama.

Hier gilt seit mittlerweile 278 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall. Er ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Es geht uns dennoch vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich die Erkrankungen und der Schlaganfall des Gatten zu Wesensveränderungen führten, die ein Zusammenleben manchmal sehr schwer machen. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona bislang Gatten, Schwiegermutter und Tante verschonte, und hoffe sehr, das bleibt so.  

Trostblumen.

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse

Montag, 7. Juli 2025

#WMDEDGT 07/25: Krankenhaus II

Heute ist wieder der fünfte Tag des Monats, und Frau Brüllen fragt "Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?", kurz WMDEDGT? Vielen Dank für's Sammeln! 

Ich schlafe tatsächlich bis sechs Uhr morgens durch! Das zeigt, wie erschöpft ich bin und wie beruhigt ich bin, den Gatten gut umsorgt im Krankenhaus zu wissen, wohin ich ihn am Vortag als Notfall einlieferte.

Eigentlich war der Plan, schon um sieben Uhr den Rasen zu mähen - endlich mal erste unter den Krachmachern in der Nachbarschaft! Ich merke aber meine Erschöpfung, bleibe liegen und informiere die Chefin darüber, dass jetzt der Punkt gekommen ist, an dem ich einfach nicht mehr kann und mich krankmelde. Sie sagt mir ja schon seit Wochen, dass sie mich nicht für arbeitsfähig hält aufgrund der Situation des Gatten, und ich versprach ihr, die Reißleine zu ziehen, wenn ich merke, es geht nicht mehr. Der Punkt ist jetzt gekommen. Das Timing ist denkbar ungünstig. Ich mache ihr einen Vorschlag, wie mein Ausfall nicht zu sein auffällt. Während ich unter der Dusche stehe, kommt ihre Antwort. Sie ist voller Verständnis.

Mit dem Gatten telefonieren, der möchte, dass ich so schnell wie möglich komme. Ich muss aber noch die Sachen zusammensuchen, die er am Vorabend bestellte, und beschließe außerdem zu frühstücken - Selbstschutz. Ich weiß aus der Erfahrung der letzten fünf Jahre, dass ich auf mich achten muss. Bei Espresso und Honigbrot setze ich meine Kollegin, die mich vertritt, über die aktuelle Situation in Kenntnis. Für das Honigbrot erwische ich das Brettchen mit der Aufschrift "Willst du Tee, Ei und gute Sachen, lässt du's Häschen Frühstück machen" und muss wehmütig daran denken, wie mir der Gatte früher fast jedes Wochenende den Kaffee ans Bett brachte.

Im Krankenhaus begrüßt mich der Gatte unwirsch, weil ich seiner Meinung viel zu spät da bin - schließlich sind seit unserem Telefonat anderthalb Stunden vergangen, ist das Krankenhaus nur fünfzehn Fahrminuten entfernt. 

Ich bleibe bis 14 Uhr im Krankenhaus, organisiere dem Gatten einen Rollstuhl, so dass wir vor der Tür und in die Cafeteria können, und ich bekomme die Visite mit. Es wird eine Strategie für die kommenden zwei Wochen festgelegt, um Allgemeinzustand und Herz des Gatten zu stabilisieren und ihn für die große Bypass-OP fit zu machen. Der Gatte hat sich nämlich für die OP entschieden. Ohne gäbe es keine Hoffnung mehr für das Bein. Eine weitere Teil-Amputation ist ohnehin fällig. Es ist eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera: Entscheidet sich der Gatte für die Bypass-OP, kann die Augen-OP nicht zeitnah durchgeführt werden, erblindet er. Entscheidet er sich für die zeitnahe Augen-OP, verliert er das Bein. 

Schweren Herzens bitte ich den Gatten darum, auf meinen Nachmittagsbesuch zu verzichten. Ich merke wieder mal meine Erschöpfung, schlafe fast im Sitzen ein und muss noch einkaufen. 

Den Einkauf überstehe ich irgendwie. Es ist erstaunlich, welche Massen ich kaufte, obwohl der Gatte nicht mitisst, aber er bat um Getränke und Obst, und zwei Melonen wiegen nun mal ... Ich schaffe es ohne Sekundenschlaf nach Hause und bin heilfroh, dass ich einen Parkplatz am Haus bekomme, der Plattenwagen noch im Vorgarten steht. Erstmal wandert nur die TK-Ware in den Tiefkühler. Alles andere muss warten. Immerhin denke ich noch daran, endlich das Haustürschloss mit WD40 zu behandeln, bevor noch der Schlüssel abbricht. Es hakt nämlich schon länger, der Schlüssel lässt sich nur schwer drehen.

Bevor ich komatös ins Bett falle, setze ich noch Schwiegermutter ins Bild und gebe ihr die Telefonnummer des Gatten. Sie versteht wieder mal nicht, dass wir keine Hamburger Vorwahl haben. Ich wiederhole die Nummer mehrfach, weise immer wieder darauf hin, dass wir nicht mehr in Hamburg wohnen, aber sie besteht darauf, dass sie vor der lokalen Vorwahl die 040 wählen muss. Ihr Unverständnis ist seit unserem Umzug ein Problem, denn es gelang erst nach Monaten, die richtige Nummer in ihr Telefon zu programmieren. Es hilft auch nicht, ihr zu sagen, dass Haus und Krankenhaus die gleiche Vorwahl haben. Erwartungsgemäß schafft sie es denn auch nicht den Gatten anzurufen, worüber der nicht böse ist.

Nach dem Schlafkoma wartet der Haushalt. Eigentlich müsste ich die Betten beziehen, aber dazu fehlt die Kraft. Immerhin schaffe ich es, Wäsche wegzuräumen und Wäsche zu waschen. 

Das Abendessen ist das, was es in den kommenden Tagen öfter geben wird: Fertigfutter, diesmal in Form von Frühlingsrollen. Immerhin schaffe ich es, die geschmorte Salsiccia für den kommenden Tag auf den Weg zu bringen. Die muss nämlich fünf Stunden im Ofen schmoren, und da ich außer nachts nicht so lange am Stück zu Hause bin, weil meistens im Krankenhaus, muss ich die Salsiccia in Etappen garen.

Nach der Tagesschau telefoniere ich mit dem Gatten und frage nach den Wünschen für den kommenden Tag, an dem ich wieder um acht Uhr im Krankenhaus sein soll. Fernsehen, dabei am Melonenkissen häkeln und früh zu Bett. Ich lesen noch die letzten Seiten einer Astrid-Lindgren-Biographie*.

Der Blick in die ersten fünf Corona-Jahre: Am 5. Juli 2020 war ich mit Steuern beschäftigt, verbrachten wir den letzten Sonntag in Schwiegermutters Haus und ihrem traumhaften Garten, nahm der noch gesunde Gatte Abschied von seinem Elternhaus. Am 5. Juli 2021 findet sich der inzwischen kranke Gatte in sein neues Leben ein, während Mudderns mit den Folgen eines Sturzes kämpfte. Sie behauptete immer wieder hartnäckig, sie stürze nicht, aber sie stürzte in den letzten Jahren so oft, dass ich ein Jahr später froh darüber war, ich sie im Pflegeheim zu wissen. Am 5. Juli 2022 dämmerte uns, dass wir ein Haus haben und auf's Land ziehen. Damals rechnete ich anderthalb Jahre bis zum Umzug. Das könnte knapp klappen. Damals war ich auch noch sicher, dass meine Mutter unseren Umzug noch erleben würde, ließ sich die erste Zeit im Pflegeheim doch ausgesprochen gut an. Am 5. Juli 2023 pendelten wir seit einem Jahr. Ich wünschte, ich könnte am 5. Juli 2024 sagen, wir sind inzwischen angekommen, aber wir leben immer noch zwischen Umzugskartons - die Krankheiten des Gatten kommen immer wieder dazwischen. Für jeden Schritt vorwärts geht es mehrere Schritte zurück.

Samstag, 5. Juli 2025

Samstagsplausch KW 27/25: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCLXXVII

Es ist wieder die Jahreszeit, in der
der Mond über dem Garten steht.
Das Wochenende war ruhig, abgesehen davon, dass sich der Gatte plötzlich schlecht fühlte, Schüttelfrost und erhöhte Temperatur hatte. Weil für Montag die OP anstand, rief ich im Krankenhaus an und fragte, was wir tun sollen. Abwarten, wie es Montag früh aussieht, und wenn er dann kein Fieber hat, wie geplant ins Krankenhaus kommen. 

Montag war die Temperatur normal, so dass wir wie bestellt um halb sieben im Krankenhaus waren. Der Gatte war so schwach, dass er um einen Rollstuhl bat und darum, dass ich bei ihm bleibe, bis er ins OP geschoben wird. Bis viertel vor eins warteten wir auf den OP-Beginn, dann verabschiedeten wir uns voneinander, fuhr ich nach Hause.

Vier Stunden später kam der Anruf, dass die OP nicht das erhoffte Ergebnis brachte, eine große OP notwendig wäre. Ich fuhr wieder ins Krankenhaus, wo ich einen desorientierten Gatten vorfand. Die OP hatte ihm wieder sehr zugesetzt. Einer der behandelnden Ärzte hatte mich schon vorgewarnt, der Gatte wäre noch nicht wieder ganz bei sich. Während ich da war, kam eine Ärztin, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Das ging am Gatten größtenteils vorbei. Die große OP wurde für die kommende Woche geplant, der Gatte sollte am nächsten Tag entlassen werden.

Dienstag war ich dann um zehn Uhr im Krankenhaus. Der Gatte war etwas fitter, verstand aber noch immer nicht so wirklich, was Phase ist. Er wollte nur noch Hause. Es folgten zahlreiche Untersuchungen zur Vorbereitung auf die große OP, für die der Gatte Blut spenden muss. Dabei stellte sich heraus, dass der Gatte so anämisch ist, dass er drei Tage im Krankenhaus bleiben müsste, um Infusionen zu bekommen, weil aktuell weder Blutspenden noch große OP möglich sind. Außerdem hat er einen Infekt und muss Antibiotika bekommen. Der Gatte verweigerte rundheraus alles und ließ sich auf eigenes Risiko entlassen. Ganz großartig! 

Nach sieben Stunden Drama und Diskussionen konnte ich den Gatten mit nach Hause nehmen. Die große OP ist auf Anfang August verschoben, und bis dahin sollte er mit Eisen, Folsäure und B12 gefüttert werden, um die Anämie zu bekämpfen. Gleichzeitig wollte ich gegen den Eisenmangel ankochen - wie das geht, weiß ich ja aus eigener Erfahrung, und die brachte mir prompt mal wieder die irritierte Frage einer Ärztin ein, ob ich Kollegin wäre. Nein, ich kann nur die Bedeutungen von Hb- und FE-Werten im Schlaf herunterrattern, weil selbst betroffen. Hoffen wir, dass das alles hilft.

Eine Alternative zur risikoreichen großen OP gibt es nicht, abgesehen von Rollstuhl und Amputation. Der Gatte hat sehr große Angst, verständlicherweise, zumal er auch immer daran denken muss, dass sein Vater an einer ähnlichen OP starb. 

Während der Dienstag schon sehr heiß war, brachte der Mittwoch über 37°C. Ich war froh, dass der Gatte nicht mehr im Krankenhaus war, denn zu Hause hatte er es doch kühler und ruhiger. Allerdings erholte er sich nicht wie erhofft, sondern wurde immer schwächer. Nach viel Streit hatte ich die Erlaubnis, einen Termin bei seinem Hausarzt abzumachen, um abzuklären, ob der Gatte evtl. wieder Wasser in der Lunge hat. Das wurde im Krankenhaus nicht untersucht, aber einige Symptome sprechen dafür. 

Donnerstag hatte ich einen wunderbaren Vormittag mit meinen beiden Sandkastenfreundinnen. Meine Angst, ich könne mich irgendwie doof benommen haben, sie wären sauer auf mich, war komplett unbegründet! Uns kamen einfach immer nur das Leben und blöde Umstände dazwischen. Mit lieben Menschen drei Stunden zu reden und in Ruhe frühstücken zu können, ist ein absoluter Luxus.

Hier gilt seit mittlerweile 277 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall. Er ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Es geht uns dennoch vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich die Erkrankungen und der Schlaganfall des Gatten zu Wesensveränderungen führten, die ein Zusammenleben manchmal sehr schwer machen. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona bislang Gatten, Schwiegermutter und Tante verschonte, und hoffe sehr, das bleibt so.  

Die Hummelrast wird fein gemacht,
damit der Gatte dort sitzen kann,
wenn er aus dem Krankenhaus 
kommt, wann auch immer das
sein wird.
Freitag Mittag entdeckte die Pflegekraft beim Gatten einen Abszess unterm Fuß, der am Vortag noch nicht da, jetzt aber richtig groß war. Auf ihren Rat hin fuhren wir sofort ins Wundzentrum im Krankenhaus, wo wir kurz vor Schluss ankamen, sofort drangenommen wurden. Der Gatte kam quasi sofort ins OP. Die Tatsache, dass er sich nicht mit Händen und Füßen dagegen wehrte, zeigte, wie schlecht es ihm mittlerweile ging. Wir mussten durch die Notaufnahme und wurden bei der Triage an allen Wartenden vorbei gezogen. Das ist kein gutes Gefühl. Irritierend war, dass der Gatte nicht wollte, dass ich mit zur Untersuchung komme. So bekam ich dann nur durch einen Zufall mit, dass er direkt ins OP geschoben wurde, konnte mich nicht von ihm verabschieden.

Mir ging die ganze Zeit durch den Kopf, dass ich genau hier in dieser Notaufnahme vor zweieinhalb Jahren von meiner Mutter Abschied nehmen musste.

Um mich abzulenken, machte ich drei Stunden im Garten Tabula Rasa, machte die Hummelrast schön, damit der Gatte den Platz genießen kann, wenn er wieder aus dem Krankenhaus kommt, wann immer das sein wird. Dann hielt ich es nicht mehr aus, rief im Krankenhaus an und erwischte gerade den Moment, in dem der Gatte auf Station geschoben wurde. Eigentlich hätte ich nach der OP angerufen werden sollen, was aber diesmal nicht geschah. 

Ich mache mich also gleich auf ins Krankenhaus, wo sich der Gatte freut, mich zu sehen. Diesmal gibt es keine Narkosenachwirkungen, weil die OP unter örtlicher Betäubung erfolgte. Und diesmal hat der Gatte Glück mit seinem Zimmernachbarn: Man kennt sich vom Wochenbeginn aus der Raucherecke und ist sich sympathisch. Der Zimmernachbar hat zudem noch einige OPs und einen längeren Krankenhausaufenthalt vor sich. Das hilft sehr!

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse