Samstag, 29. Juli 2023

Samstagsplausch KW 30/23: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CLXXVI

Es ist erfrischend, welche Beleidigungen über die Kommentarfunktion in den Blog gegöbelt werden wollen. Erfreulicherweise beleidigen die Damen (ja, bislang sind es ausschließlich Frauen) unter ihrem Klarnamen. Das erleichtert eventuelle Strafanzeigen. 

Für Amüsemang sorgten auch die Herren vom DRK, die im Januar den Mobilruf des Gatten installierten und ihn seitdem betreuen. Das war von Anfang an schräg, weil die Herren nicht begriffen, dass es tatsächlich ein Mobilruf mit GPS-Tracking und kein Hausnotruf sein soll. Sobald der Mobilruf von der Basisstation genommen wurde, gab es Alarm. Das schien aber im März endlich geklärt und richtig eingestellt - dachten wir bis Dienstag. Dadurch, dass der Gatte die ganze Woche über auf der Baustelle bleiben wollte, war er zum ersten Mal seit März wieder mit dem Mobilruf unterwegs, und wieder wurde Alarm ausgelöst, weil das Mobilteil nicht auf der Basisstation stand. Zwischen Dienstag und Freitag bekamen wir ein gutes Dutzend Anrufe wegen der Fehlermeldungen, die das Gerät produzierte. Die Herren rufen dann immer zuerst bei mir an, fragen, ob mit meinem Mann alles in Ordnung sei, was ich nicht weiß, da ich ja nicht bei ihm bin. Mit vorwurfsvollem Unterton wird gefragt, wieso ich nicht wisse, wo mein Mann ist. Dann werde ich genötigt, den Gatten aufzuspüren, um zu klären, wo das Mobilteil ist - wenn ich den Gatten telefonisch nicht erreiche, fahre ich dann mal eben 80 km, um zu gucken, ob alles in Ordnung ist. Ab Mittwoch riefen die Herren dann auch den Gatten an, und abends, wenn die Herren Feierabend haben, ruft die Zentrale an wegen der Fehlermeldungen. Dieser Mobilruf soll uns ja eigentlich Sicherheit geben, soll es uns ermöglichen, nicht immer aneinander gekettet zu sein. Schließlich sind wir trotz der Behinderung des Gatten ja eigenständige Individuen, möchte sich der Gatte so viel Selbstständigkeit wie möglich bewahren. Der Gatte soll Hilfe bekommen, wenn er einen Notruf auslöst, und nur dann soll ich informiert werden. Es kann ja nicht Sinn eines Mobilrufs sein, dass er immer auf der Basisstation stehen muss, weil sonst Fehlermeldungen ausgelöst werden. Mittwoch gab's den ganzen Tag über Alarm-Anrufe. Ich konnte nicht aus dem Büro weg und bat den Gärtner, zu gucken, ob der Gatte wohlauf ist. Abends, als ich wie am Vortag nach der xten Alarmmeldung wieder auf der Autobahn unterwegs war, um nach dem Gatten und dem Mobilruf zu sehen, meldete sich dann die pfiffige Dame aus der Zentrale, die es im März endlich schaffte, die GPS-Ortung zu aktivieren, und kam zu dem Ergebnis, das Gerät sei defekt und müsse ausgetauscht werden, denn es könne ja nicht sein, dass ein Mobilruf nur auf der Basisstation stehen könne. Endlich verstand das jemand! Der Gatte hat dennoch die Faxen dicke und kündigt das Gerät. Nach dem Umzug hoffen wir, dass das hiesige DRK pfiffiger ist als die Herren in Hamburg - bei Mudderns klappte es ja schließlich auch mit dem Mobilruf. Bis dahin hoffen wir, dass der Gatte keinen Notfall hat, wenn er alleine ist.

Von der Aufregung um den Mobilruf abgesehen, war die Woche ruhig. Corona wirbelte unsere Veranstaltungen durcheinander, da einige Teilnehmende ausfielen. Corona sorgte auch für Ausfälle unter den Handwerkern auf der Baustelle. Ab Montag sollte wieder alles rund laufen. Montag hatte ich frei, so dass wir uns endlich für Fliesen für den Spiegel in der Küche entscheiden konnten. Diesmal kommt der Fliesenleger über den Baumarkt. Hoffentlich klappt das. Der Gärtner hat das Fundament für das Gartenhaus fertig. Der Glaser hat Glasbruch - mal gucken, wann die neuen Scheiben kommen. Beim Tischler muss ich mich in Erinnerung bringen. 

Hier gilt seit mittlerweile 176 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Es geht uns vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich es momentan mal wieder etwas hakt, weil der Gatte abwechselnd über- und unterfordert ist, mir seine Wesensveränderungen zu schaffen machen. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird. Er ist inzwischen schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona uns bislang verschonte und hoffe sehr, das bleibt so. 

Schwiegermutter stürzte diese Woche wieder mal. Sie bräuchte schon länger einen Rollator, verweigert den aber. Irgendwie kommt uns das bekannt vor ... Wir sind froh, dass sie schon im Betreuten Wohnen lebt und sich bislang bei den Stürzen noch nichts brach. Bei Tante warten wir auf Nachrichten zu ihrer bevorstehenden OP: 

Warten heißt es auch weiterhin auf Erbschein, Erstattung der Pflegeheimkosten, Erbschaftssteuerbescheid und Reha-Bescheid. Chef wird jetzt den Betriebsarzt einschalten in der Hoffnung, so einen Reha-Bescheid zu beschleunigen. Ich bummle aktuell so oft wie möglich Überstunden ab, um etwas zur Ruhe kommen zu können. 

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.

Samstag, 22. Juli 2023

Samstagsplausch KW 29/23: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CLXXV

Diese Woche war für unsere Verhältnisse vergleichsweise ruhig. Ich hatte zwei Urlaubstage, weil meine Mutter ihren 85. Geburtstag gefeiert hätte und beigesetzt werden sollte, aber ich hatte keine Kraft für die Beisetzung und verschob sie kurzerhand. Bei der Beisetzung wären nur der Gatte und ich anwesend, da ging das problemlos. So waren wir zur Abwechslung mal eine Woche am Stück in Hamburg, konnte ich an zwei Tagen ausschlafen, zig Maschinen Wäsche waschen, einen Kuchen backen, allerlei Papierkram erledigen, musste nicht ständig auf die Uhr gucken und mich hetzen. Das tat gut, wenngleich ich bei solchen Gelegenheiten immer wieder merke, wie erschöpft ich bin und mich irgendwann vor Erschöpfung kaum noch rühren kann. An durchgetakteten Tagen ist kein Raum für Erschöpfung, da funktioniere ich einfach. Ist der Takt weg, habe ich Zeit zum Nachdenken, klappe ich zusammen. 

Im verwilderten Garten der Wohnung blühen die Lilien üppig und duften betörend.

Der Plan für heute ist, endlich mal wieder die Wohnung richtig durchzuputzen. 

Noch mehr Lilien.

Morgen geht's auf die Baustelle, und das wird richtig spannend: Während wir die Woche über in Hamburg waren, arbeitete der Maler in Treppenhäusern, Flur, Windfang und Küche. Als ich Montag Abend fuhr, hatte er die Treppenstufen schon freigelegt und geschliffen. Inzwischen sollte statt in dunklem Holz alles weiß mit anthrazitfarbenen Akzenten sein. Damit die Stufen nicht zur Rutsche für den Gatten werden, muss ich als erstes Stufenmatten verlegen. Die sind zum Glück schon da. 

So üppig blühten die Lilien noch nie.

Der Tischler kam Montag zum Ortstermin, und jetzt warten wir auf die Kostenvoranschläge für Schwingfenster, Haus- und Nebeneingangstür. Die klemmenden Tür zu Terrasse und Balkon waren schnell repariert: Sie brauchen nur Fett. Wir wussten nicht, dass sie jährlich geölt werden müssen, und Mudderns machte das ganz sicher nicht. Der Tischler fragte nach Butter, ich gab ihm WD-40 - die Butter war schon im Kühlschrank und hart. Morgen werde ich dann mal alle Scharniere ölen. Bei den defekten Fenstergriffen schlug er vor, sie im Baumarkt zu kaufen und selbst zu ersetzen, und generell meinte er zu den Fenstern, dass es kein Luxus wäre, die zu erneuern, dass es seiner Meinung nach aber keine hohe Priorität hätte, wenn wir damit leben können, dass es etwas zieht. Nur sollten wir auf keinen Fall neue Scheiben einsetzen, sondern lieber gleich neue Fenster. Das sieht der Glaser natürlich anders, aber wir lassen uns Zeit, bis wir so weit sind, das Thema energetische Sanierung anzugehen. Perspektivisch müssen wir ohnehin das Haus von Energieeffizienzklasse F auf D bringen.

Der Gärtner kämpft sich von Baumwurzel zu Baumwurzel und ist schon so weit, dass man das Fundament erahnt. Es kommt Rechnung um Rechnung; das ganze Projekt wird teurer als geplant. Nur: Nützt ja nichts. Die ersten Zäune sind weg, was heißt, dass wir das Haus mittels der Rollläden wieder zu Fort Knox machen, um Einbruchsversuche zu vereiteln - es gab da ja einige komische Vorkommnisse. 

Für den Gatten ist es sehr schwer mit anzusehen, wie die Handwerker werkeln, weil er bis vor drei Jahren noch in der Lage gewesen wäre, die Arbeiten selbst auszuführen. Er sieht nur, was er alles nicht mehr kann, kann nicht genießen, dass andere ihm die Arbeit abnehmen, sieht nicht, was er mit seinen Einschränkungen alles noch schafft. Ich habe nicht die Kraft, ihn aus diesem Dauertief zu holen. Dafür hätte es spätestens nach dem Schlaganfall im Januar eine Reha gebraucht, aber die wurde ihm ja verwehrt, da er verrentet ist.  

Hier gilt seit mittlerweile 175 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Es geht uns vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich es momentan mal wieder etwas hakt, weil der Gatte abwechselnd über- und unterfordert ist. Da ich einfach nur überfordert bin, keine Entlastung bekomme, kracht es oft. Es ist schwer, mit dem Gatten Absprachen zu treffen. Er vergisst viel, und oft hat das, was wir morgens besprachen, mittags keine Gültigkeit mehr. Ich bräuchte Verlässlichkeit, aber die gibt es nicht. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird. Er ist inzwischen schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona uns bislang verschonte und hoffe sehr, das bleibt so. 

Corona wurde ja für beendet erklärt. Unabhängig davon gibt es immer wieder Corona-Fälle im Umfeld, aktuell unter den Handwerkern. Zufällig stolperte ich diese Woche darüber, dass noch immer Corona-Zahlen erfasst werden - allerdings mit hoher Dunkelziffer, denn die wenigsten, die "erkältet" sind, testen sich. So gab es in Hamburg im ersten Halbjahr offiziell 15.000 Corona-Fälle - nicht viel im Vergleich zum Vorjahr, aber immer noch zehn Mal so viele wie an Influenza-Fällen. Corona ist weiterhin die mit Abstand verbreiteteste Infektionskrankheit, und ich trage dementsprechend weiterhin Maske, wenn ich in Menschenmengen und in geschlossenen Räumen bin, teste mich regelmäßig, vor allem, wenn's im Umfeld mal wieder einen positiven Kontakt gab.

Da ich auf meinen Anfang Mai gestellten Reha-Antrag bislang nichts hörte, gehe ich davon aus, dass er abgelehnt wurde. Selbst von der bewilligten dreitägigen ambulanten Reha hörte ich nichts mehr. Am letzten Wochenende ging es mir so schlecht, dass ich beschloss, irgendwie bis zum Umzug durchzuhalten und dann Kassensturz zu machen, um zu gucken, ob ich mir eine sofortige Verrentung leisten kann. Dann lasse ich mich beim SoVD beraten und versuche, in die Erwerbsunfähigkeitsrente zu gehen. Ich sehe keine Alternative mehr. Ich bin schon wieder in der Phase, in der ich nicht ruhig auf einem Stuhl sitzen kann, weil alles Karussell fährt. Mir ist oft schwindelig, ich gehe gerne zu Boden, alles dreht sich. Bei der Abfrage der Burn-Out-Symptome knacke ich den Highscore. 

Eigentlich hätte ich gerne im kommenden Jahr das 55jährige Jubiläum meines Mammutprojekts gefeiert, noch lieber würde ich bis zum 60jährigen Jubiläum durchhalten, aber ich kann einfach nicht mehr. Ohne die Möglichkeit, zu Hause zu arbeiten und ohne die Ruhe in der Corona-Hochzeit wäre ich schon viel früher ausgefallen. Im Mammutprojekt ist es zum Glück einigermaßen ruhig, kein Vergleich mit den ersten drei Corona-Jahren. Aber es ist ziemlich chaotisch, und ich fürchte, meine Vertretung hat deswegen viel zu tun.

Diese Woche kam der Steuerbescheid für das letzte Jahr. Mein Heimbüro wurde anerkannt, wir bekamen eine Rückzahlung! Das ist gut, denn wir werden im Haus für Wasser und Strom kräftig nachzahlen müssen. Jetzt kann ich auch versuchen, die Zuzahlungen, die der Gatte für seine Medikamente leisten muss, von der Krankenkasse erstattet zu bekommen. Ich vermute, das klappt aufgrund meines Einkommens nicht, aber ich blicke da nicht durch. Kann es sein, dass jede Krankenkasse ein anderes System hat? Bei Mudderns war es jedenfalls einfacher. Beim Erbschein bin ich noch nicht weiter, bei der Erbschaftssteuer natürlich auch nicht, aber bis der Bescheid da ist, wird es ohnehin dauern. 

Das Pflegeheim hat die Kosten für Mai noch immer nicht erstattet - der Betrag war ja abgebucht worden, bevor Mudderns starb. Da das Heim weder auf Anrufe noch auf Mails reagiert, habe ich die Angelegenheit an unseren Anwalt abgegeben. Vermutlich wäre es schlau gewesen, die Lastschrift zu widerrufen, nachdem der Bescheid über die Erstattung kam, aber ich rechnete nicht damit, dass das Heim nicht mehr erreichbar ist. Natürlich könnte ich dort vorbeigehen, sind ja nur 200 m, aber ich bezweifle, dass das etwas bringt. 

Mudderns erster Geburtstag ohne sie war sehr merkwürdig. Ich dachte oft an ihren vorletzten Geburtstag zurück, als wir versuchten, mit ihr einen schönen Ausflug zu machen, was sie aber schon völlig überforderte. Im letzten Jahr war sie schon seit zwei Wochen im Pflegeheim. Es hatte den Anschein, dass sie sich dort gut einlebt, aber beim Ausflug anlässlich ihres Geburtstags war sie auch vollkommen überfordert. In diesem Jahr war ich bei aller Trauer sehr entspannt: Niemand setzte mich mit unerfüllbaren Erwartungen unter Druck, es gab kein Geschrei. Dennoch: Natürlich fehlt mir meine Mutter.

Schwiegermutter geht es gut, so gut, dass der Gatte sogar den letzten Besuch bei ihr erträglich fand, weil es kaum Beleidigungen oder Aggressionen gab. Sie wird aber sehr, sehr eigen, und wir sind froh, dass sie im Betreuten Wohnen lebt. Früher wäre sie ohne mit der Wimper zu zucken mit dem Taxi zum Arzt gefahren, jetzt besteht sie darauf, den Bus nehmen zu müssen, und war aufgrund einer Umleitung ganze zweieinhalb Stunden unterwegs! Das wäre zu vermeiden gewesen, nicht nur mit einem Taxi, sondern auch mit einer aktuellen Fahrplanauskunft, für die die Damen an der Rezeption gesorgt hätten, aber da Schwiegermutter alles besser weiß, fragt sie natürlich nicht. Sie hat auch schon angekündigt, uns im Haus besuchen zu wollen, was spannend wird, da sie der Meinung ist, sie könne direkt mit der S1 von Klein Flottbek nach Buchholz durchfahren ... So schön es ist, dass sie sich um jeden Preis ihre Selbstständigkeit bewahren möchte: Im Taxi wäre sie besser aufgehoben. Wir müssen mal gucken, wie wir sie möglichst bald ins Haus und wieder zurück bekommen, denn natürlich möchte sie sehen, was sich seit Weihnachten tat. 

Tante geht's nicht so gut. Sie hat endlich eine Erklärung für die unerträglichen Schmerzen, die sie seit Langem plagen: Eine Prothese drückt auf einen Nerv! Während ihr Arzt bisher meinte, in ihrem Alter lohne sich eine OP nicht mehr, besteht der Neurologe, der die Ursache herausfand, auf sofortige OP. Schwiegermutter riet ihr zu, und wir hoffen, Tante übersteht die OP gut und ohne Delir. 

Es ist erschreckend, wie CDU/CSU die Koalition mit der AfD vorbereiten, unterstützt von der Bild-"Zeitung". Faschismus wird Normalität. Das hatten wir doch schon mal. 

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse - diesmal mit Bild der Baustellenküche bzw. dem, was davon übrig ist.

Samstag, 15. Juli 2023

Samstagsplausch KW 28/23: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CLXXIV

Sonnabend und Sonntag verbrachten wir möglichst ruhig. Uns beiden setzte die Hitze zu, dem Gatten mehr als mir. Trotzdem werkelte der Gatte unverdrossen weiter, meinte, es wäre im Dachgeschoss mit Ventilator und Durchzug eher auszuhalten als im Rest des Hauses. Aber er war so vernünftig, sich regelmäßige Pausen zu gönnen. 

Ich schaffte es endlich, die Holzfliesen auf dem Balkon probeweise auszulegen. Natürlich wird die Verlegung nicht reibungslos klappen. Wir müssen mal gucken, was die beste Lösung ist - ich sehe uns schon die Schienen für den Rollladen der Balkontür abflexen. Dann hätten wir eine gerade Linie. Außerdem habe ich endlich mein Zimmer ausgemessen und schon mal markiert, wo welche Möbel stehen sollen. Es passt alles. Ich kann sogar zwei Kleiderschränke nachkaufen, muss nur gucken, ob das mit der Pax-Eckkombination so klappt, wie ich es mir vorstelle. Meine Lösung ist nämlich eine andere als die von Ikea vorgegeben. Zwei Regale müssen für Steckdosen ausgesägt werden, aber das sollte zu schaffen sein, sagt der Gatte.

Ansonsten saßen wir viel im Garten, genossen die Ruhe, beobachten die Vögel. Vor allem eine Amsel mit ihrem Küken tat es uns an. Außerdem war Schützenfest, was wir durch diverse Ummärsche in Begleitung des Spielmannszugs mitbekamen. Gerne hätte ich wie früher mit Mudderns darüber gewitzelt, dass es ausnahmsweise nicht regnet - normalerweise sind die Wochenenden, an denen Schützen- und Stadtfest sind, immer verregnet. Ich hätte auch gerne mit Mudderns den Ummärschen zugeguckt, führten sie doch am Pflegeheim vorbei (hier ein Reel dazu). Bis vor 25 Jahren, als mein Vater starb, war das Schützenfest ein fester Bestandteil des Lebens meiner Eltern, und ich musste als Kind auch immer mit, verweigerte mich aber beharrlich der Mitgliedschaft im Schützenverein. Nun, da ich wieder mit dem Bogenschießen anfangen möchte, komme ich nicht umhin. 

Ich habe allerdings so viel vor in der alt-neuen Heimat, dass ich erstmal schauen muss, was ich mir überhaupt zumuten kann. Bogenschießen und Aqua-Cycling sind quasi gesetzt, dann sind da noch die beiden alten Freundinnen und andere Bekanntschaften, Kino, Theater, Konzerte, Lesungen, der Tauschring, bei dem ich mitmachen möchte, möchte ich Zeit zum Einfach-nur-dasitzen haben. Ich muss aufpassen, dass mir das nicht zu viel wird. Der Gatte kaufte zudem sämtliche in Frage kommenden Wanderkarten, um die alt-neue Heimat besser kennenzulernen, und das will er natürlich nicht alleine machen ... 

Montag traf ich mich nachmittags mit Mudderns ehemaliger Gesellschafterin. Auf dem Weg traf ich die Nachbarin, die wie meine Mutter vor 62 Jahren in die Siedlung zog, und sie fragte, ob ich rein kommen wolle. Ich hatte noch eine Viertelstunde Puffer, und die Gesellschaft tat ihr gut. Ihre beiden Kinder sind nämlich gerade im Urlaub, und sie fühlt sich alleine. Sie zeigte mir ihre Handarbeiten und erzählte, sie habe im Fadenhaus ein Fach gemietet, wo sie ihre Werke verkaufe. Falls du genähte Gänse, Hühner, Herzen, Kissen oder handgestrickte Socken kaufen möchtest, nichts wie hin. Das war spannend, denn das plane ich auch - sofern ich mal wieder zum Basteln komme und die Zweifel besiege, ob mein Bastelkrams gut genug zum Verkauf ist. Die Dame ist fast 90 - Respekt, dass sie in ihrem Alter noch so aktiv ist. Der Nachmittag mit Mudderns Gesellschafterin war auch sehr schön. Wir saßen beim Bäcker, zu dem beide immer gingen, in Mudderns Lieblingsecke in der Sonne. Es war, als wäre Mudderns dabei gewesen, nur entspannter.

Bei Mudderns Lieblingsbäcker in ihrer Lieblingsecke. Früher hätten wir nebeneinander auf dem Sofa gesessen.

Abends schaffte ich endlich die Erbschaftssteuererklärung samt Anzeige eines Erwerbs von Todes wegen. Amtsdeutsch ist schon schön. Der Gatte blieb auf der Baustelle und freute sich über das Feuerwerk, dass es zum Abschluss des Schützenfestes gab. Mit Feuerwerk verdiente er einst seine Brötchen. Vielleicht können wir uns ja nächstes Jahr das Feuerwerk zusammen ansehen.

Montag meldete sich auch der Tischler wegen der neuen Türen und des Schwingfensters. Es geht voran.

Dienstag war ein intensiver Büro-Tag. Ich wollte pünktlich Feierabend machen, damit die Hecke geschnitten werden kann, aber es gab eine Überstunde und HVV-Verspätungen. Von der Haustür ging's gleich in den Garten. Eine halbe Stunde kämpfte ich mit Hecke, Heckenschere und Gatten. Der wollte die Hecke nämlich partout selbst schneiden, war aber zu wackelig und fiel fast von der Leiter. Wackeliger Gatte und elektrische Heckenschere sind keine gute Kombi, vor allem nicht bei der schwülen Hitze und mit einer Herzerkrankung. In diesem Zustand kann der Gatte noch nicht mal die Leiter festhalten, so dass ich die Hecke von oben schneiden könnte, denn dabei wird ihm schon schwindelig.

Mir tut die Hecke leid, die uns 20 Jahre lang Schutz und Schatten spendete und jetzt so malträtiert wurde. Richtig gut geschnitten ist sie nicht, aber definitiv kürzer als vorher - und kein Vergleich zum Wildwuchs in den Nachbargärten, den der Vermieter nicht bemängelt. Den Wildwuchs müsste er nämlich selbst beseitigen. Wir sind die einzigen, die selbst eine Hecke setzten. Falls die Hecke dem Vermieter jetzt immer noch nicht gut genug geschnitten ist, ist das so. Ich kann es aktuell nicht besser.

Raus aus den durchgeschwitzten Klamotten, Abendessen kochen (das wollte eigentlich der Gatte machen, aber der war dazu nicht mehr fähig, brauchte Ruhe) und endlich auf's Sofa. Während ich überlegte, ob ich es noch schaffe, mir die Doku "Die Wahrheit über die Menopause" anzusehen, klingelte das Taschentelefon: Eine Nachbarin teilte mit, dass morgen früh das Heizöl kommt - passt das? Nein, aber nützt ja nichts. Den Gatten mit Abendessen versorgen und ab ins Auto, auf die Autobahn, 80 Kilometer ins Haus und zurück fahren, damit die Heizung ausgestellt werden kann und die Nachbarin den Schlüssel für den Tankstutzen bekommt. Ich schaffte es immerhin, nicht am Steuer einzuschlafen. Die Fahrt war sogar ganz schön, ich kam in den Sonnenuntergang, aber ich war zu erschöpft, um es zu genießen, und verpasste fast meine Ausfahrt. Wieder zu Hause, warten Hausarbeit und zu sortierende Kopien für die Erbschaftssteuererklärung auf mich. 

Mittwoch war ich so verspannt und erschöpft, dass ich mich kaum bewegen konnte. Das wurde auch bis zum Wochenende nicht besser. Freitag überlegte ich, mich krankzumelden, was vernünftig gewesen wäre, aber der Gärtner war da, also hätte ich keine Ruhe gehabt. Ich brauche dringend eine Pause, aber die gibt es nicht. Eine Reha wird es für mich nicht geben. Der Antrag liegt seit Mitte Mai bei der Rentenversicherung, unbeantwortet. Ich müsste mich durch die Rentenversicherung telefonieren, um herauszufinden, ob sich jemand zuständig fühlt. Auch für die ambulante Drei-Tage-Reha gibt es noch keinen Termin. Bevor ich nicht endgültig zusammenklappe, wird sich nichts tun, und nicht zusammenzuklappen, fällt mir immer schwerer. Eine Nacht durchzuschlafen, könnte schon etwas helfen. Aktuell schlafe ich maximal eine Stunde.

Als wir Donnerstag ins Haus kamen, lagen wie besprochen Tankschlüssel und Tankzettel im Briefkasten. Wir waren gespannt, wie viel Öl wir verbrauchten: Es waren weit über 1.000 Liter! Zum Glück entschied ich im letzten Jahr, volltanken zu lassen, so dass wir gut über den Winter kamen. Meine Mutter heizte ja kaum und nutzte kaum heißes Wasser. Eigentlich sollte das heiße Wasser schon seit Herbst über Strom erzeugt werden, aber die Baubrigade, über die wir ja erst so froh waren, verpfuschte auch das. Mal schauen, ob Heizungsbauer IV das richten kann.

Hier gilt seit mittlerweile 174 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Es geht uns vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich es momentan mal wieder etwas hakt, weil der Gatte abwechselnd über- und unterfordert ist. Da ich einfach nur überfordert bin, keine Entlastung bekomme, kracht es oft. Es ist schwer, mit dem Gatten Absprachen zu treffen. Er vergisst viel, und oft hat das, was wir morgens besprachen, mittags keine Gültigkeit mehr. Ich bräuchte Verlässlichkeit, aber die gibt es nicht. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird. Er ist inzwischen schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Im Moment ist er noch weniger belastbarer als sonst, was mir Sorgen macht. Von dem Schwung, den er durch das Haus-Projekt vor einem Jahr hatte, ist nichts mehr da. Hoffnung macht, dass es ihm in der alt-neuen Heimat besser geht als in der Großstadt. Die aktuelle Situation kostet halt uns beide Kraft.

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und, seit der Übernahme meines früheren Elternhauses vor einem Jahr, Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona uns bislang verschonte und hoffe sehr, das bleibt so. 

Schwiegermutter und Tante geht's gut. Schwiegermutter wird allerdings immer bösartiger und beleidigender und erinnert darin an meine Mutter. Der Gatte kann damit nicht umgehen und mag aktuell noch nicht mal mehr mit seiner Mutter telefonieren, geschweige denn, sich mit ihr treffen. 

Als ich Mittwoch den letzten Mallorca-Honig auf das Frühstücksbrot schmierte, ging mir auf, dass der Gatte und ich nie mehr gemeinsam nach Mallorca fliegen können. Aufgrund der tropischen Temperaturen ist das für ihn einfach zu gefährlich, und inzwischen sind wir ja selbst im März oder im Oktober nicht mehr vor 40°C sicher. Wir haben die Insel einfach zu spät für uns entdeckt.

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse. 

Freitag, 14. Juli 2023

#12von12 im Juli 2023

Meine Güte, wir sind schon in der zweiten Jahreshälfte! Die Zeit geht viel zu schnell vorbei. Auch diesen Monat gibt's die Bildersammlung bei Caro von "Draußen nur Kännchen". Sie sammelt wie jeden Monat am 12. des Monats 12 Impressionen des Tages - vielen Dank dafür! Hier kommen meine Juli-Bilder.

#1: Erstmal die Post an Finanzamt fertig machen. Was klar war: Kaum ist die Selbstanzeige zum Erbanfall in der Post, kommen weitere relevante Belege ... 

Wie jeden Mittwoch ist für mich heute ein Echtbüro-Tag mit Besprechungen und Überstunden. Erfreulicherweise sind Bus und Bahnen pünktlich, komme ich sogar in einer Regenpause trocken ins Büro.

#2: Bushaltestellen-Warteblick.

#3: Auf dem Weg zum Finanzamt.

#4: Mittagspause. Die Akte darunter schleppe ich seit vier Monaten zwischen Echt- und Heimbüro mit, komme einfach nicht dazu, sie zu bearbeiten. Der Vorgang hat Zeit, aber die läuft auch irgendwann weg.

#5: Mittwochs wird die Büro-Flora gegossen.

#6: Auf dem Weg nach Hause knapp einem Wolkenbruch entgehen. Es regnet erst, als ich im Bahnhof bin.

#7: Auch zu Hause kann der Himmel Drama. Wieder schaffe ich es vorm Wolkenbruch ins Warme.

Zuhause wird erstmal die Post gesichtet, dann geht's an die Hausarbeit. Dadurch, dass wir inzwischen fünf Tage auf der Baustelle sind, habe ich für die Hausarbeit nur drei Abende. Das reicht hinten und vorne nicht, zumal zwei der drei Abende zu meinen langen Tagen im Echtbüro gehören, an denen ich einfach nur fertig bin. So auch heute. Eigentlich müsste ich noch das Abendessen basteln, aber ich bin zu fertig für die Zubereitung von Spargelsuppe mit Bruschetta. Zum Glück ist von gestern noch reichlich Nudelauflauf da.

#8: Putzen.

#9: Beim Putzen schaut mir ein frischgewaschener Hase zu. Den wusch ich schon heute früh, und jetzt sitzt er zum Nachtrocknen vor der Heizung.

#10: Abendessen.

#11: Mittlerweile läuft die Spülmaschine nur noch einmal wöchentlich, weil wir meistens auf der Baustelle sind.

Der Blick in die ersten drei Corona-Jahre: Im ersten Corona-Jahr waren wir mit Schwiegermutters Umzug beschäftigt, war der Gatte noch gesund. Im zweiten Corona-Jahr war der Gatte schon krank, der Antrag auf Berufsunfähigkeitsrente gestellt, lebte er sich gerade im neuen Status Quo ein. Im dritten Corona-Jahr lebte meine Mutter seit einer Woche im Pflegeheim und war guter Dinge, während wir uns darauf einrichteten, ihr Haus zu unserem zu machen.

#12: Vor dem Einschlafen noch etwas lesen*.

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Samstag, 8. Juli 2023

Samstagsplausch KW 27/23: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CLXXIII

Bei "Send Your Name to Mars" kann man Teil der
Mars-Mission werden.
Dass ich seit diesem Montag auch montags zu Hause arbeiten kann, entspannt ungemein, denn so spare ich mir sonntags den Pack- und Staustress. Stattdessen kann ich ausschlafen, den Tag verhältnismäßig ruhig angehen lassen und habe einen Tag mehr für Handwerkertermine. Die andere Seite der Medaille ist allerdings, dass mir ein Tag im Echtbüro fehlt und ich all das, was ich an Hausarbeit in der Wohnung sonntags abends oder montags früh schaffte, jetzt auf montags abends schieben muss. Irgendwas ist ja immer. Diese Woche hatte ich sogar nur einen Tag im Echtbüro, so dass ich an dem Tag ziemlich unter Druck stand. Irgendwas ist ja immer.

Montag hatte ich einen Telefontermin mit der gynäkologischen Endokrinologin. Sie befand, meine Hormonstörung wäre jetzt eingestellt. Die Weiterbehandlung könne die Gynäkologin übernehmen. Okay, fein, nur was ist mit dem Diabetesmedikament, das ich off label bekomme ohne zu wissen, warum? Wer verschreibt mir da das Medikament und überwacht die Werte? Die Gynäkologin kann es nicht, da nicht ihre Baustelle. Die Hausärztin darf es nicht, da kein Diabetes. Die gynäkologische Endokrinologin will es nicht, weil sie nicht weiß, warum ich es bekomme. Das Medikament verschrieb  die Horror-Hormon-Tante, bei der ich davor in Behandlung war. "Vielleicht brauchen Sie das Medikament ja gar nicht mehr. Versuchen Sie es doch einfach mal ohne. Jede Tablette kann schließlich auch schaden." Ja, nee, is klaa. 

Gestern fasste ich mir ein Herz und rief beim einzigen Diabetologen in der alt-neuen Heimat an in der Erwartung, dass ich keinen Termin bekomme, weil Aufnahmestopp wie bei so ziemlich allen Ärzten im Landkreis. Ich schilderte mein Problem und bekam einen Termin in vier Wochen. Die Praxis geht das systematisch an, macht erstmal ein großes Blutbild mit Diabetes-Test, um zu gucken, was eigentlich los ist. Das hört sich nach 'nem Plan an. Mal gucken, was dabei heraus kommt. Ich bin nicht böse, wenn ich zwei Tabletten weniger nehmen kann, habe aber Angst, ohne das Medikament wieder zuzunehmen - und letztlich weiß ich ja seit drei Jahren nicht, weswegen ich es überhaupt bekomme, weil ich von der Horror-Hormon-Tante nie eine ordentliche Diagnose bekam.

Dienstag war der Gatte zur Nachbesprechung der Nieren-Biopsie bei der Nephrologin. Seine Beschwerden kommen tatsächlich vom Diabetes. Das ist nicht schön, bedeutet aber zumindest keine Kortisontherapie oder gar Dialyse. Nun wird er vierteljährlich untersucht. Hilfreich wäre es, wenn es gelänge, den Diabetes einzustellen, aber das klappt seit fast 20 Jahren nicht. Vielleicht gelingt es nach dem Umzug, denn der Gatte möchte dann den Diabetologen wechseln. Er bekam mein Telefonat mit der Diabetologen-Praxis mit und war verblüfft ob der Gründlichkeit, denn ein großes Blutbild mit Diabetes-Test wurde bei ihm nie gemacht!

Hier gilt seit mittlerweile 173 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Es geht uns vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich es momentan mal wieder etwas hakt, weil der Gatte abwechselnd über- und unterfordert ist. Da ich einfach nur überfordert bin, keine Entlastung bekomme, kracht es oft. Es ist schwer, mit dem Gatten Absprachen zu treffen. Er vergisst viel, und oft hat das, was wir morgens besprachen, mittags keine Gültigkeit mehr. Ich bräuchte Verlässlichkeit, aber die gibt es nicht. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird. Er ist inzwischen schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Im Moment ist er noch weniger belastbarer als sonst, was mir Sorgen macht. Von dem Schwung, den er durch das Haus-Projekt vor einem Jahr hatte, ist nichts mehr da. Hoffnung macht, dass es ihm in der alt-neuen Heimat besser geht als in der Großstadt. Die aktuelle Situation kostet halt uns beide Kraft.

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und, seit der Übernahme meines früheren Elternhauses vor einem Jahr, Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona uns bislang verschonte und hoffe sehr, das bleibt so. 

Im Haus tat sich einiges. Die Glaser nahmen die uringelben Scheiben aus dem Windfang und staunten über die Spezialkonstruktion der Außenscheibe, über die auch schon ihr Chef staunte. Wie vom Chef vermutet, werden sie sich da etwas einfallen lassen müssen, aber sie sind optimistisch. Der Maler kommt früher als gedacht. Nächstes Wochenende müssen wir alles so weit klar Schiff haben, dass er loslegen kann. Heißt, der Gatte muss die Auskragung im Treppenhaus verblenden - wenn er es körperlich schafft. Ansonsten muss der Maler die paar Paneele weißen und wir müssen mal gucken, wer die Auskragung verblendet. Wenn wir von der Beisetzung meiner Mutter zurück sind, werden Küche, Flure und Treppenhäuser hübsch sein. Dann kommen die Glaser wieder und setzen die neuen Scheiben ein. Die Rollladenbauer waren da, reparierten den Rollladen vorm Panoramafenster und versetzten zwei Schalter. Letzteres hätte eigentlich die Chaos-Baubrigade machen sollen. Der Defekt am Rollladen stammt vermutlich vom Versuch, ihn hochzuschieben - hört sich nach einem Einbruchsversuch an, passt zu einem Erlebnis, das eine Freundin mit der Chaos-Baubrigade hatte, nachdem sie die Schlösser auswechseln ließ, und zu den ominösen Ereignissen auf der Terrasse. Der Gärtner war malad, ist jetzt wieder einigermaßen kuriert am Start, aber jetzt will das Wetter nicht - und dann kamen noch ein paar Baumstümpfe dazwischen, die nicht mehr hätten da sein sollen. Mehrarbeit für den Gärtner, Mehrkosten für uns. Das Gartenhaus wurde geliefert und könnte aufgebaut werden, aber da es ab Montag erstmal durchregnet, wird sich das wohl verzögern. Ich hoffe, der Apfelbaum freut sich über den Regen, denn er warf schon jede Menge Äpfel ab.

Wir haben im Haus eine neue Telefonanlage mit Fernsprechern auf jeder Etage - sehr angenehm. Außerdem haben wir PVC-Fliesen für den Keller und Stufenmatten für die bald neu lackierte Treppe gekauft. In meinem zukünftigen Arbeitszimmer gibt es immerhin schon mal einen Schreibtischstuhl - den Schreibtisch werde ich hoffentlich an diesem Wochenende zusammenbauen. Schränke und Regale sind ausmessen. Jetzt muss ich gucken, wie alles passt. 

Durch Twitter stieß ich auf die Send Your Name to Mars-Initiative der Nasa. Wenn man sich einträgt, bekommt man eine virtuelle Bordkarte, und bei der nächsten Mars-Mission ist man sozusagen Passagier, reist der eigene Name ins All. Ich habe das mal für Mudderns gemacht, denke, das hätte ihr gefallen und passt zu ihr. Mond und Sterne waren ihr wichtig. Zum 70. Geburtstag wünschte sie sich das Lied "Ein Stern, der deinen Namen trägt". Ich hätte es gerne auf ihrer Trauerfeier gespielt, aber  es gibt nur die Bierzelt-Versionen, und die fand ich nicht passend. 

Nach dem AfD-Landrat in Sonneberg und einem AfD-Bürgermeister in Sachsen-Anhalt ist absehbar, dass im kommenden Jahr drei Bundesländer eine AfD-CDU-Regierung bekommen werden. Für Demokarten ist keine Zukunft mehr in diesem Land. Es ist an der Zeit, Koffer zu packen, Haus hin oder her. Ein Jude in Deutschland kauft sich nun mal besser kein Haus, sondern ein Auto. Gelten eigentlich unsere Reisepässe noch?

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse. 

Freitag, 7. Juli 2023

Ausgelesen: Bücher im Juni 2023

Lesen in Gesellschaft.
Wir pendeln weiterhin zwischen Baustelle und Wohnung, und ich habe wenig Lust, auf dem Sofa zu sitzen und Fernsehen zu gucken. Auf der Baustelle sind mangels Sofa ohnehin keine gemütlichen Fernsehabende möglich. Klar, ich könnte es so machen wie der Gatte und zum Fernsehen den Klapprechner nebens Bett stellen, aber dazu habe ich keine Lust. Lieber lese ich. Viel Zeit zum Lesen hatte ich auch, während ich den Gatten zu diversen Ärzten und ins Krankenhaus begleitete. Das wollte er nicht alleine durchstehen, und während ich den schlafenden Gatten am Krankenbett bewachte, las ich. Corona wurde ja für Beendet erklärt, und so konnte ich zum ersten Mal in den letzten drei Jahren solange beim Gatten im Krankenhaus bleiben, wie er mich brauchte.

Mit "Die fünfte Jahreszeit*" von Anette Hinrichs* ging ich in den Juni. Das Buch ist der Auftakt einer bislang vierbändigen Reihe rund um die Hamburger Kommissarin Malin Brodersen. In kurzer Folge ereignen sich in Hamburg zwei rätselhafte Morde. Bei einem Opfer wird eine Münze mit eigentümlicher Inschrift gefunden. Doch was haben ein Kinderarzt im Ruhestand und eine Buchillustratorin gemeinsam? Brodersen gelingt es, die Verbindung zwischen den Opfern aufzudecken. Die Spur führt zu der bekannten Krimiautorin Charlotte Leonberger. Beide Morde wurden detailgetreu nach den Bestsellern der Schriftstellerin inszeniert. Nachdem die Krimiautorin in den beiden Opfern ihren alten Kinderarzt und ihre beste Schulfreundin erkennt, gerät ihr Leben in einen Strudel, der einem Albtraum gleicht. Bald ist klar, dass ein Serienmörder die Krimiautorin im Visier hat. Solide mit viel Lokalkolorit.

Ich las gleich hinterher die anderen beiden Bände, "Das siebte Symbol*", "Das Sandmann-Projekt*"  und "Das Schattennetz*". 

Der elfte Fall der Reihe um den Lübecker Hauptkommissar Georg Angermüller von Ella Danz* wäre mir fast durch die Lappen gegangen. Ich muss die Reihe, die ich sammle, nach dem Umzug unbedingt auffüllen, denn die letzten beiden Bände las ich digital. Sie fehlen im Bücherregal. Dann kann ich neben "Trugbilder*", dem elften Fall, auch gleich noch den zwölften Band, "Wintermondnacht*" kaufen. In "Trugbilder*" geht's um Tonya, eine Influencerin und Angermüllers Nachbarin. Ihre Mutter sorgt sich, weil ihre Tochter längst von einer Reise zurück sein wollte. Als in einem geschlossenen Strandbad am Pönitzer See eine verbrannte Frauenleiche entdeckt wird, ist Angermüller alarmiert. Doch es ist nicht seine Nachbarin. Sein erster großer Fall nach dem Sabbatjahr verlangt dem Kommissar einiges ab und auch in seinem Privatleben gibt es neue Verwicklungen. Das Buch ist solide, aber irgendwie sind die Schilderungen um Angermüllers Beziehung zu seiner Lebensgefährtin uninspiriert. 

Mit "Tödlicher Schlaf*" von Christoph Elbern* ging's ins Hamburg im Jahre 1907. Der Bakteriologe Carl-Jakob Melcher ermittelt diesmal in eigener Sache, steht er doch unter Mordverdacht. Gleichzeitig kümmert er sich im Hafenkrankenhaus um einem Schulfreund. Ludolf Harberg ist sehr angeschlagen durch die Schlafkrankheit. In seinen wachen Momenten erzählt er von seinen Erlebnissen in Ostafrika – von den Experimenten, die der Mediziner Robert Koch angeblich an Einheimischen unternommen hat. Bevor er Genaueres erzählen kann, stirbt Harberg. Für die Ärzte eine Folge seiner Krankheit, doch Carl-Jakob glaubt an Mord und beginnt zu ermitteln, ohne zu ahnen, dass es nicht der einzige Todesfall in seiner Nähe bleiben wird und dass auch er in Verdacht gerät. 

Gerne hätte ich "Der Petticoat-Mörder*" von Leonard Bell* gelesen, aber der Tolino stürzte, geal in welcher Einstellung, so oft ab, dass ich auf Seite 54 entnervt aufgab. Mal schauen, dass ich das Buch analog in der Bücherei bekomme. 

Als ich "Frau Helbing und das Vermächtnis des Malers*" kaufte, dachte ich, Mudderns würde es gleich lesen und an mich weitergeben, aber meine inzwischen verstorbene Mutter war im Herbst schon nicht mehr in der Lage, zu lesen. Im vierten Band der Reihe von Eberhard Michaely* taucht die pensionierte Fleischereifachverkäuferin in die Welt der Kunst ein und begleitet ihre Freundin Heide auf eine Vernissage in die Hamburger Galerie Kleidermann. Der kürzlich verstorbene Marcel Poisson, dem sich die Ausstellung widmet, ist mit Frau Helbing zur Schule gegangen. Obwohl ihm der große Durchbruch als Künstler zu Lebzeiten verwehrt blieb, hat Poisson ein beträchtliches Vermögen hinterlassen: Er hat berühmte Gemälde kopiert und an Kunstliebhaber verkauft. Kurz nach der Vernissage wird in die Villa des Malers eingebrochen. Poissons Lebensgefährte Jacques bittet Frau Helbing, deren detektivische Fähigkeiten sich herumgesprochen haben, um Mithilfe. Doch als sie in der Villa eintrifft, ist Jacques tot – mit einem Schürhaken erschlagen. Um den Mörder zu überführen, muss sich Frau Helbing in eine ihr völlig fremde Welt begeben. Ich freue mich auf den fünften Band "Frau Helbing und der Casanova aus Winterhude*", der Ende August erscheint.

"Die Schuld der Toten*" ist der zweite Band aus der Reihe um den Frankfurter Kommissar Preusser von Maximilian Rosar*. 1968 wird Frankfurt von Studentenunruhen erschüttert. Ausgerechnet während seine Tochter sich den rebellierenden Studenten anschließen will, muss Kommissar Preusser einen komplizierten Mordfall lösen. Der Textilkaufmann Gustav Roth wurde entführt und ein Mitarbeiter getötet. Eine Lösegeldübergabe scheitert. Wenig später wird auch Roths Leiche gefunden. War die Entführung nur vorgetäuscht? Preusser findet Hinweise, dass der Ermordete Kontakte in die DDR hatte und ins Visier von Geheimdiensten geraten war. Das Buch endet mit einem fiesen Cliffhanger, so dass ich auf eine baldige Fortsetzung hoffe.

"Spreeleichen*" von Renegald Gruwe* ist der erste Band um den Berliner Kommissar Erich Malek und spielt 1928. Maleks erster Fall erweist sich als schwieriger als gedacht. Ein Zuhälter wurde mit einem Messer attackiert und anschließend in der Spree versenkt. Was zuerst nach einem Streit unter Ganoven aussieht, entwickelt sich schnell zu einem Serienmord, als kurz darauf ein weiterer toter Zuhälter aus dem Fluss gezogen wird. Für Malek wird die Zeit knapp, wenn er nicht will, dass sein erster Fall sein letzter sein soll. Malek lernt auch seine spätere Frau Rosa kennen, wie im zweiten Band, "Mord in Germania*" klar wird. Das Buch spielt im Berlin des Jahres 1938. Die Maleks sind schon einige Jahre geschieden. Rosa Malek ging mit den beiden Kindern erst nach New York, dann nach Palästina. Sie ist Jüdin und hat in Deutschland keine Zukunft. Ihr Mann kann sich kein anderes Leben vorstellen und bleibt in Deutschland. Schade ist, dass die Entwicklung der Beziehung zwischen Erich und Rosa nur Häppchenweise im Vorbeigehen erzählt wird. Dafür führt Erich ellenlange imaginäre Dialoge mit Rosa. Die Handlung rund um Betrügereien und Intrigen um das gewaltige Bauvorhaben der "Welthauptstadt Germania" führen Malek zurück bis ins Jahr 1934 zum sogenannten Röhm-Putsch. Die Handlung hat Längen, das Buch ist schlecht lektoriert - oder 1888 gingen die Uhren anders, denn laut Gruwe gab's da einen 31. Juni. 

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Donnerstag, 6. Juli 2023

#WMDEDGT 07/23: Ein Jahr weiter II

Heute ist wieder der fünfte Tag des Monats, und Frau Brüllen fragt "Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?", kurz WMDEDGT? Vielen Dank für's Sammeln! 

Wieder mal schlafe ich schlecht, wache gegen halb zwei das erste Mal auf, stelle das Radio an. Aber die Nacht ist besser als die davor, als ich mich im Schlauch des CPAP-Geräts verhedderte, das Gerät buchstäblich durch's Schlafzimmer katapultierte und das Bett trockenlegen durfte. Kurz vorm Aufstehen höre ich einen spannenden Beitrag über die Menopause und lerne, dass Gelenk- und Gliederschmerzen ein Symptom sind. Spannend! Frauenärztinnen und Hormon-Tanten stritten das bislang ab, schoben die Schmerzen auf mein Gewicht.

Mich aus dem Bett kämpfen, Kaffee kochen, frühstücken, dabei das gerade ausgelesene Buch* für den Ausgelesen-Beitrag für Juli festhalten, dann Wäsche aufhängen, stadtfein machen und die Sachen für's Büro zusammensuchen. Heute ist mein einziger Echtbüro-Tag in dieser Woche.

Für heute ist Orkan angesagt, und es wird spannend, ob und wie ich ins Büro komme. Zum Glück bin ich noch in Hamburg, muss nicht mit dem Regionalexpress fahren, aber HVV und Wetter sind ja auch so'ne Sache. Ins Büro komme ich jedenfalls knapp pünktlich, denn bislang regnet es nur in Strömen.

Mittwoch ist Sitzungstag. Das ist immer ein sehr intensiver Arbeitstag. Im Spiegel meines Spindes erschrecke ich kurz wegen meiner dunkelbraunen Augenringe. Ich brauche eine Auszeit. Ich bekomme keine Auszeit, solange ich nicht zusammenklappe. Die präventive Reha wird nicht bewilligt, solange ich nicht langzeiterkranke, was einer Prävention widerspricht, aber offensichtlich billiger für die Krankenkasse ist. Ich denke kurz an den Frust der Nephrologin des Gatten gestern, weil er weder nach dem Schlaganfall noch nach der Herzgeschichte die von den Ärzten versprochene Reha bekam. Die wäre ihrer Ansicht nach gut, um das Fortschreiten der Erkrankungen aufzuhalten und weitere Krankenhausaufenthalte zu vermeiden, sind aber nach Ansicht der Krankenkasse zu teuer im Vergleich zu Krankenhausaufenthalten.

Da ich nichts zu essen mitnahm, gehe ich mittags kurz raus, um mir einen Salat zu holen bei einem Bäcker, über den ich letztens belegte Brötchen über Too good to go holte. Dabei fiel mir auch die Salatauswahl auf. Auf dem Weg gucke ich kurz bei Budni rein. Da gibt es gerade eine Treuepunkte-Aktion, und da wir in den letzten Wochen tatsächlich sehr viel bei Budni kauften, machte ich da mit. Nun hätte ich gerne die kleine Tasche aus dem Angebot, die aber schon in drei Filialen vergriffen war. Ich mache mir keine Hoffnung, ausgerechnet in dieser stark frequentierten Filiale noch eine zu bekommen, habe aber Glück und ergattere die letzte!   

Feierabend mit den üblichen Überstunden - aktuell habe ich eine Woche an Überstunden zusammen. Auf dem Heimweg wird's immer stürmischer, aber noch blockiert kein Baum meine S-Bahn-Strecke. Als ich zu Hause aussteige, beginnt es zu regnen - Glück gehabt! 

Zu Hause erwarten mich zwei Briefe des Vermieters, beide verfristet, weil sie nicht per Post, sondern per Hausmeister zugestellt wurden, und das dauert. Zum einen sollen wir unsere Büsche zurückschneiden, weil sie das Erscheinungsbild der Anlage stören, zum anderen ist unser Keller unzureichend ausgezeichnet und kann deswegen nicht zugeordnet werden. An der Kellertür steht nur "EG links". Da müsste "EG links 2" stehen. Wegen der fehlerhaften Benamsung des Kellerraumes könne man keinen Kellerplan erstellen. Ja, nee, is klaa. 

Ich trabe in den Keller, um den vom Vermieter erstellten Aufkleber anzubringen, und in den Garten, um zu gucken, ob die Heckenschere noch in Hamburg oder schon in Buchholz ist. Sie ist noch in Hamburg. Kommende Woche muss ich an den beiden Tagen, an denen ich in Hamburg bin, nach der Arbeit irgendwie den Heckenschnitt schaffen. Andererseits: Was soll passieren, wenn ich die Hecke nicht schneide? Wir werden so oder so ausziehen, und der Vermieter will wieder ein Gerüst aufstellen, was heißt, dass die Koniferen eh gefällt werden.  

Hausarbeit, dann das Essen in den Ofen schieben. Eigentlich sollte es Spargelsuppe mit Bruschetta geben, aber vom gestrigen Ofengemüse mit Hähnchen ist noch reichlich da. Das gart im Ofen, so dass ich seit Tagen tatsächlich mal wieder das Hamburg Journal sehen kann. Abendessen.

Eigentlich müsste ich jetzt noch die Schränke im Schlafzimmer und im Arbeitszimmer ausmessen, denn übermorgen kommt der Rollladenbauer, soll u.a. Schalter verlegen, aber ich bin einfach zu müde und hoffe, die Maße auf der Ikea-Seite stimmen. Ich bleibe also nach langer Zeit tatsächlich mal auf dem Sofa, stricke und schaffe es, halbwegs ungestört eine alte "Wilsberg"-Folge zu sehen.

Vor dem Ins-Bett-Gehen noch die Spülmaschine anwerfen, damit die morgen früh vor der Fahrt auf die Baustelle ausgeräumt werden kann. Vor dem Einschlafen noch etwas lesen* und auf's Durchschlafen hoffen. Vergeblich.

Der Blick in die ersten drei Corona-Jahre: Am 5. Juli 2020 war ich mit Steuern beschäftigt, verbrachten wir den letzten Sonntag in Schwiegermutters Haus und ihrem traumhaften Garten, nahm der noch gesunde Gatte Abschied von seinem Elternhaus. Am 5. Juli 2021 findet sich der inzwischen kranke Gatte in sein neues Leben ein, während Mudderns mit den Folgen eines Sturzes kämpfte. Sie behauptete immer wieder hartnäckig, sie stürze nicht, aber sie stürzte in den letzten Jahren so oft, dass ich ein Jahr später froh darüber war, ich sie im Pflegeheim zu wissen. Am 5. Juli 2022 dämmerte uns, dass wir ein Haus haben und auf's Land ziehen. Damals rechnete ich anderthalb Jahre bis zum Umzug. Das könnte knapp klappen. Damals war ich auch noch sicher, dass meine Mutter unseren Umzug noch erleben würde, ließ sich die erste Zeit im Pflegeheim doch ausgesprochen gut an. 

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Montag, 3. Juli 2023

Ausgelesen: Bücher im Mai 2023

Manchmal lese ich auch analog.
Noch immer habe ich selten Lust, abends sofazusitzen und zu stricken. Im alt-neuen Haus ist es bei entsprechendem Wetter auf der Terrasse schöner, ein Sofa haben wir dort ohnehin noch nicht, und in der Wohnung bin ich zu erschöpft. Also lese ich viel, gerade auch, wenn ich mal wieder nicht durchschlafen kann. 

Zuerst las ich die Bände 11* bis 14* aus der Peter-Nachtigall-Reihe* von Franziska Steinhauer*. Bad 13, "Gurkendeal*", las ich ja schon im März und lernte damit die Reihe kennen. Band 15* und Band 16* sind noch nicht in der Onleihe erhältlich, also pausiere ich erstmal mit der Reihe. Aktuell kaufe ich höchsten Bücher aus Reihen, die ich sammle, und das ist hier nicht der Fall. 

"Mord in Travemünde: Tödliche Wellen*" von Anke Gebert las ich anlässlich unseres Travemünde-Kurztrips. Es ist der zweite Band einer dreibändigen Reihe um die Übersetzerin und Privatermittlerin  Nina Wagner, die in Travemünde aufwuchs, dann nach Hamburg zog und nun überlegt, zurückzukehren. Während der Travemünder Woche beschattet Wagner den Partysänger Ricci Bell – seine Frau ist sicher, dass er eine Affäre hat, auch wenn Nina dafür zunächst keine Anzeichen finden kann. Erst als Ricci Bell während eines Auftritts zum ersten Mal in seiner Karriere eine junge Frau auf die Bühne holt, scheint sich der Verdacht zu bestätigen. Doch dann peitscht ein Schuss durch die Luft und das Mädchen fällt tot zu Boden. Ist Ninas Auftraggeberin eine von Eifersucht zerfressene Mörderin? Oder hat jemand eine Rechnung mit Ricci Bell offen, die nur mit Blut bezahlt werden kann? Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt – denn Nina ahnt, dass der letzte Schuss noch nicht gefallen ist.

Auch wenn's viel Lokalkolorit gab: So richtig riss mich die Handlung nicht mit, so dass ich nicht nach den anderen beiden Bänden guckte. 

Von "Fürst der Füchse: Das Leben des Rolf Kauka*" von Bodo V. Hechelhammer* hatte ich mir irgendwie mehr erwartet. Vor allem Kaukas Antisemitismus fällt fast völlig hinten runter. Dennoch war das Buch spannend, was daran lag, dass meine Eltern zur gleichen Zeit in dem Verlag arbeiteten, der Disney nach Deutschland brachte, ich hier quasi die andere Seite kennenlernte. Bis auf "Bussi Bär" fand Kauka in meiner Kindheit praktisch nicht statt. 

Mit Maximilian Rosars* "Die Stille der Toten*" ging's in Frankfurt der 1960er Jahre. Im Main wird die Leiche eines ermordeten amerikanischen Reporters angespült, der über die Prozesse gegen die Täter von Auschwitz berichtete. Da der Tote selbst Jude war, gewinnt der Fall enorme politische Sprengkraft. Kommissar Preusser übernimmt die heiklen Ermittlungen und befindet sich bald darauf in einem Geflecht aus Schuld und Vertuschung der dunklen deutschen Vergangenheit. Sind die Mörder von damals die Täter von heute? Das Buch gefiel mir gut. Band 2, "Die Schuld der Toten*" wartet schon auf dem Kindle. 

Tom Hillenbrand* verspricht mit seiner Xavier-Kieffer-Reihe solide Kost, und so enttäuscht auch "Goldenes Gift*" nicht. Als ein Imker zu Tode kommt und dessen Bienenstöcke verschwinden, beginnt der Kieffer zu recherchieren. Hat der Tod mit dem weltweiten Geschäft mit dem Honig zu tun? Der ehemalige Sternekoch lässt von einem Imker speziellen Honig aus der Luxemburger Unterstadt für sein Restaurant produzieren. Als der Mann plötzlich stirbt und seine Bienenstöcke nicht mehr aufzufinden sind, geht Kieffer der Sache nach. Gemeinsam mit seiner Freundin, der Gastrokritikerin Valérie Gabin, findet er sich schnell im Mittelpunkt eines gigantischen Skandals wieder, der um den halben Globus reicht und sowohl die Reinheit des Honigs als auch das Überleben der Bienen gefährdet. Können sie verhindern, dass der Weltmarkt mit gepanschtem Honig geflutet wird? Können sie ihren Widersachern das Handwerk legen, bevor es zu spät ist?

Endlich bekam ich über die Onleihe den 24. Band der "Tee? Kaffee? Mord!"- Reihe von Ellen Barksdale*. In "Louise in Gefahr*". Die Köchin und ehemalige Geheimagentin wurde entführt! Damit Louise freigelassen wird, muss ihre Freundin, die Wirtin Nathalie Ames, den kolumbianischen Kriminellen Diego Gustavo Esteban aus dem Gefängnis befreien. Dieser soll in den folgenden Tagen operiert werden - und die einzige Möglichkeit, ihn an Louises Entführer zu übergeben, ist der Krankentransport. Doch Esteban wird schwer bewacht, und Ames und ihre Freunde sehen keinen Weg, Louise zu befreien, ohne dass jemand anderes ums Leben kommt. Ich mag die Reihe und warte jetzt auf die Verfügbarkeit von Band 25 und 26.

"Enna Andersen und die verlorene Zeit*" ist der fünfte Band um die Oldenburger Kommissarin von  Anna Johannsen*. Vor über zwanzig Jahren wurden die Eltern Andersens brutal ermordet. Der zu lebenslanger Haft verurteilte Ronald Grothe beteuert von Anfang an seine Unschuld und hofft nach seiner Freilassung auf eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Inzwischen zweifelt auch Andersen an dem Urteil des Gerichts. Sie nimmt sich drei Wochen frei, um den wahren Täter auf eigene Faust zu suchen. Eine Spur führt sie in die ehemalige Hamburger Anwaltskanzlei ihres Vaters, eine andere zu zwei Mandanten, die Ennas Vater vor Gericht verteidigt hat. Mit der Unterstützung ihrer Oldenburger Kollegen taucht Enna tief in die Vergangenheit ihrer Familie ein und bewegt sich dabei in einer für sie äußerst gefährlichen Umgebung. Solide. Ich hätte nichts gegen eine Fortsetzung.

"Das Seniorentrio aus dem Lavendelgarten*" ist eine bislang dreibändige Reihe von Klara Thoma*. Im Mittelpunkt stehen die beiden eigenwilligen Seniorinnen Veronika Zart und Eli Niklas. Im ersten Band, "Mord und Lavendeltee*", finden die beiden Zeitungsartikel über das Verschwinden eines kleinen Mädchens. Sie wittern ein Verbrechen. Doch niemand glaubt ihnen. Unzufrieden mit der Arbeit der Polizei, machen sie sich mit Hilfe ihres neuen Nachbarn Emil Kluge, einem pensionierten Richter, auf die Suche nach Antworten. Dabei kommen sie einem Mörder auf die Spur, dessen erstes Verbrechen über vierzig Jahre zurückliegt und ein abscheuliches Familiengeheimnis in sich birgt. Im zweiten Band, "Mord und Cafe Melange*" geht's nach Wien, wo Veronika Zart endlich eine Spur zu ihrer vor 24 Jahren verschwundenen Tochter fand. Begleitet wird sie von ihrer Freundin Eli Niklas und von Emil Kluge, der jedoch ganz andere Sorgen hat: Sein Sohn Erik sitzt in Wien wegen Mordverdachts an dessen Ehefrau in Untersuchungshaft. Felsenfest von Eriks Unschuld überzeugt, beginnt der Richter im Umfeld seiner verstorbenen Schwiegertochter Fragen zu stellen und findet dabei Verstörendes heraus. Auch im dritten Band, "Mord und Himbeergeist*", verreist das Trio. Diesmal gilt es, Niklas' Freundin Henrietta zu retten, die mitten in den Vorbereitung zu Niklas' 75. Geburtstag einen Hilferuf schickt. Sie hatte auf dem Weg zur Feier  in einem Dorf eine Autopanne. Völlig verstört behauptet sie am Telefon, inmitten des Tausend-Seelen-Dorfes einen Mörder entlarvt zu haben, der vor 20 Jahren zwei junge Frauen in einem Hotel an der Ostsee ermordet hat, in dem auch sie zum Zeitpunkt der grausamen Tat zu Gast war. Als Henrietta wenige Stunden später aufgrund einer Überdosierung Insulin im Koma liegt, sind Eli Niklas und ihre Freundin Veronika Zart sicher, dass jemand aus der eingeschworenen Dorfgemeinschaft Henrietta zum Schweigen bringen wollte. Der vierte Band, "Mord und Cocktails auf Eis*" wartet schon auf dem Kindle.

Mit "Die fünfte Jahreszeit*" von Anette Hinrichs* ging ich in den Juni. Das Buch ist der Auftakt einer bislang vierbändigen Reihe rund um die Hamburger Kommissarin Malin Brodersen. In kurzer Folge ereignen sich in Hamburg zwei rätselhafte Morde. Bei einem Opfer wird eine Münze mit eigentümlicher Inschrift gefunden. Doch was haben ein Kinderarzt im Ruhestand und eine Buchillustratorin gemeinsam? Brodersen gelingt es, die Verbindung zwischen den Opfern aufzudecken. Die Spur führt zu der bekannten Krimiautorin Charlotte Leonberger. Beide Morde wurden detailgetreu nach den Bestsellern der Schriftstellerin inszeniert. Nachdem die Krimiautorin in den beiden Opfern ihren alten Kinderarzt und ihre beste Schulfreundin erkennt, gerät ihr Leben in einen Strudel, der einem Albtraum gleicht. Bald ist klar, dass ein Serienmörder die Krimiautorin im Visier hat. Solide mit viel Lokalkolorit.

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Samstag, 1. Juli 2023

Samstagsplausch KW 26/23: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CLXXII

"Sagen Sie, waren Sie das gestern im Fernsehen? So ganz kurz? Ich hab' gerade mit meiner Tochter telefoniert. Bärbel, sag ich, Bärbel, ich glaube, da ist gerade meine Nachbarin im Fernsehen. Ich muss sie unbedingt fragen, wenn ich sie das nächste Mal sehe. Und heute treffe ich Sie. Waren Sie das im Fernsehen?!" Unsere 90jährige Nachbarin war ganz aufgeregt, als wir uns an der Bushaltestelle trafen. Sie ist so entzückend! Wir werden sie vermissen, wenn wir umgezogen sind, und sie wird uns vermissen. Sicher werden wir versuchen, Kontakt zu halten, aber Karten zu Ostern und Weihnachten sind nicht das gleiche wie ein Plausch an der Bushaltestelle oder von Balkon zu Balkon. Mit letzterem überstanden wir die Corona-Zeit, als die alleinlebende alte Dame keinen Besuch bekommen, niemanden besuchen durfte.

Für unsere Verhältnisse war es eine ruhige Woche. Ich hatte viel Arbeit, machte viele Überstunden, aber das ist okay, denn ich kann sie ja ziemlich flexibel abbummeln. Erstmals arbeitete ich auch über's Wochenende. Das müsste ich nicht, aber ich wollte vor der Pressekonferenz alles hübsch haben und saß eh am Rechner. Zudem habe ich festgestellt, dass ich jede Woche für zwei Stunden mehr bezahlt werde als ich arbeite. Ich habe alle Verantwortlichen darauf hingewiesen und bekam von allen die Antwort, dass alles korrekt ist, dass ich einen Denkfehler mache. Nun denn. Mehr, als darauf hinweisen und darum zu bitten, dass die Zeiterfassung entsprechend angepasst wird, kann ich nicht machen.

Gestern fuhr ich erstmals mit dem Zug aus der lindgrünen Hölle in die große Stadt. Es war wie befürchtet chaotisch. Ich wollte den Zug um 8:38 Uhr nehmen, ging kurz nach 8 Uhr aus dem Haus, damit ich mich nicht hetzen muss, war kurz vor halb neun am Bahnhof, und um 8:34 Uhr fuhr der Zug von 8:19 Uhr ein. Die Hinfahrt lief also noch einigermaßen geschmeidig. Bei der Rückfahrt guckte ich in der App nach der nächsten Verbindung: Abfahrt 14:15 Uhr, keine Verspätung. Super. Am Bahnhof angekommen, verkündete die Übersicht 30 Minuten Verspätung. Am Bahnsteig angekommen, hatte der Zug schon 45 Minuten Verspätung. Keine Info, weder in den Apps noch auf Twitter. Ich guckte nach einer alternativen Verbindung, aber dann hätte ich in Harburg festgesessen, immer noch 20 km vom Ziel entfernt. Inzwischen weiß ich, dass von Harburg aus stündlich ein Bus fährt, der gut eine Stunde unterwegs ist (und wahrscheinlich auch übervoll).

Der Bahnsteig war inzwischen schwarz vor Menschen, es waren schon zwei Züge Richtung Bremen ausgefallen, und vom gleichen Bahnsteig fuhren auch noch diverse verspätete ICE ab, Soldaten und Junggesellenabschiede waren unterwegs. Dass auf dem engen Bahnsteig nicht öfter Leute ins Gleisbett fallen, verwundert. Ich sah dann, dass auf einem anderen Bahnsteig ein Zug nach Bremen für 14:37 Uhr angekündigt war. Dort angekommen, gab's die Ankündigung, der Zug führe von dem Gleis ab, von dem ich gerade kam - nicht, dass die Lautsprecherdurchsagen zu verstehen waren. Ich folgte einfach der Masse, die sich in Bewegung setzte. Der angekündigte Zug kam tatsächlich verspätet, war brechend voll, aber ich hatte Glück, fand einen Sitzplatz und war mit einer Stunde Verspätung zu Hause. 

Leider weiß ich, dass so ein Tag kein Einzelfall ist. Die Situation auf der Strecke ist seit Jahrenden bekannt, nur unternimmt die Bahn nichts, um sie zu verbessern, und die Privatbahn, die die Strecke befährt, kann ohne die Bahn nichts machen. Sorgen mache ich mir um den gehbehinderten Gatten, denn der geht bei solchen Menschenmassen hoffnungslos unter, landet schnell im Gleisbett, könnte nicht so lange am Bahnsteig oder im Zug stehen. Mal schauen, wie sich das einspielt - notfalls ist er öfter von Harburg aus mit einem Taxi unterwegs, denn bis Harburg kommen wir mit der S-Bahn (sofern die fährt). Und Schwiegermutter wird mit dem Auto gefahren, denn das möchte ich ihr nicht zumuten, zumal sie auch halbblind ist. 

Der Gatte hatte einen Termin bei seiner Hausärztin, die so weit zufrieden ist. Wenn kommende Woche auch die Nephrologin zum Ergebnis kommt, dass die Nieren aufgrund des Diabetes schlecht funktionieren, es keine eigenständige Erkrankung ist, können wir das Thema abhaken. 

Hier gilt seit mittlerweile 172 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Es geht uns vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich es momentan mal wieder etwas hakt, weil der Gatte abwechselnd über- und unterfordert ist. Da ich einfach nur überfordert bin, keine Entlastung bekomme, kracht es oft. Es ist schwer, mit dem Gatten Absprachen zu treffen. Er vergisst viel, und oft hat das, was wir morgens besprachen, mittags keine Gültigkeit mehr. Ich bräuchte Verlässlichkeit, aber die gibt es nicht. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird. Er ist inzwischen schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und, seit der Übernahme meines früheren Elternhauses vor einem Jahr, Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona uns bislang verschonte und hoffe sehr, das bleibt so. 

In der Wohnung tat sich wenig. Der Gärtner schwächelt, und wir hoffen, dass er nicht abspringt, zumal Gartenhaus und Zäune schon bezahlt sind. Glaser und Rollladenbauer sind für kommende Woche terminiert. Die Badezimmerschränke und mein neuer Schreibtisch samt Stuhl wurden geliefert, müssen zusammengebaut und aufgehängt werden. Den Tischler erreichte ich, und er weiß, was zu tun ist. Jetzt heißt es zuwarten, bis er Zeit hat. Wir haben uns entschlossen, das nicht zu öffnende Panoramafenster im Esszimmer durch ein Schwingfenster zu ersetzen. Die beiden letzten heißen Monate zeigten, dass sich die Hitze staut, und wir möchten lüften können. Heizungsbauer IV meldete sich und teilte mit, welche Teile er auf jeden Fall für die Wartung der Ölheizung bestellen und mitbringen wird. Vielleicht wird das was.

Die Rechnung für Mudderns Trauerfeier kam, und ich bin froh, dass ich dafür keinen Kredit aufnehmen muss, so, wie ich es gerade im Umfeld erlebe. Niemand sollte sich für eine Beerdigung verschulden müssen! Jetzt, wo die Rechnung da ist, kann ich mich um die Erbschaftssteuererklärung kümmern, denn da läuft die Dreimonatsfrist. Mit Mudderns Bankberater hatte ich einen Termin. Sobald der Erbschein vorliegt, werden alle Vermögenswerte auf mich übertragen und laufen so weiter, wie von meiner Mutter entschieden, bis ich etwas anderes entscheide, wann auch immer ich den Kopf dafür habe. Wir fanden auch eine Lösung für die Beglaubigungen, die die Lebensversicherung benötigt: In diesem Falle kann auch die Bank beglaubigen. Ich brauche dann noch einen Termin für die Beglaubigungen für die Lebensversicherung bei der anderen Bank, und sobald die Erbscheine da sind, können die Unterlagen auf den Weg gebracht werden. Das spart den Termin im Rathaus. Mit der anderen Bank ist der Umgang zum Glück geschmeidig, ist die zuständige Bankfrau nett, denkt mit und kondolierte. Dennoch muss auch hier die Übernahme der Vermögenswerte geklärt werden, braucht die Bank sicher Sterbeurkunde und Erbschein.

Bei dem ganzen Behördenkram ertappe ich mich dabei, wie ich meiner Mutter davon erzählen möchte. Sie hätte beispielsweise ihren Spaß daran, dass ich mir gerade selbst bescheinige, dass ich meine Lebensversicherung übernehmen darf. Ich denke oft an die Tage vor einem Jahr zurück, und das geht sicher so weiter bis zum Jahrestages ihres Tode im kommenden April. Ich weiß aber auch, dass solche Gespräche über unsinnigen Behördenkram schon seit zwei, drei Jahren nicht mehr möglich waren - ziemlich exakt seit dem Zeitpunkt, als meine Mutter beschloss, dass ich mich um ihren Behördenkram kümmern muss. 

Neben dem ominösen Putsch in Russland beschäftigte uns die Landratswahl in Sonneberg. Es ist schwer zu akzeptieren, dass 50% der Ostdeutschen und 25% der Westdeutschen rechtsextrem und für die Demokratie verloren sind. Es ist schwer, das Experiment Demokratie nicht für gescheitert zu erklären. Es ist schwer, nicht zu verzweifeln und zu verhärten. Es ist schwer, daran zu glauben, dass es für Demokraten noch eine Zukunft in diesem Land gibt. Unglaublich ist, dass eine demokratische Partei nach der anderen umfällt. Die vielzitierte Brandmauer gegen Rechts existiert nicht mehr. Eine AfD-CDU-FDP-Koalition ist nur eine Frage der Zeit, und morgen wird in Sachsen-Anhalt der erste hauptamtliche AfD-Bürgermeister gewählt. Nazis sind nach 80 Jahren wieder an der Macht.

Inzwischen ist es acht Wochen her, dass meine Hausärztin einen Antrag auf stationäre Reha für mich stellte. Ich habe immer noch nichts von der Rentenversicherung gehört und gehe davon aus, dass ich keine Reha bekomme, um eine Langzeiterkrankung zu verhindern, sondern erst komplett ausfallen muss, um eine Reha zu bekommen. Für die dreitägige ambulante Reha, die mir genehmigt wurde, gibt es noch keinen Termin. So kämpfe ich mich durch jeden Tag und versuche, nicht komplett zusammenzuklappen. 

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.