Samstag, 26. Juli 2025

Samstagsplausch KW 30/25: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCLXXX

Diese Woche war ein Höllenritt, vor allem für den Gatten! 

Montag erfuhr er quasi zufällig, dass er am kommenden Tag operiert werden soll. Sein behandelnder Arzt und er verpassten sich, weil wir mal wieder draußen waren - der Gatte möchte so wenig wie möglich im Krankenzimmer sein. Wir dehnten meinen Nachmittagsbesuch so lange wie irgend möglich aus und nahmen Abschied voneinander, konnten wir doch nicht wissen, wie die OP ausgeht. Die ist für einen gesunden Menschen schon belastend, und der Gatte ist alles andere als gesund, musste zwei Wochen stabilisiert werden, um die OP überhaupt durchführen zu können. 

Am Abend vor der OP des Gatten machte der Himmel Drama.

Als Dienstag um halb elf das Taschentelefon klingelte, ahnte ich Übles, denn die OP war auf fünf Stunden angesetzt, konnte unmöglich schon vorbei sein, wenn alles glatt läuft. Es war dann aber der behandelnde Arzt, der noch etwas mit mir absprechen wollte, weil er den Gatten am Vortag ja nicht sah und auf der Narkoseaufklärung die Info fehlte, dass der Gatte weiß, dass nach Möglichkeit zwei Eingriffe gleichzeitig durchgeführt werden. Damit soll dem Gatten eine weitere Narkose erspart werden, denn die Narkose ist belastend für Hirn, Herz und Nieren. Die OP hatte noch gar nicht begonnen, der Gatte war noch in der Vorbereitung. Kurz vor sechzehn Uhr klingelte das Telefon wieder: Die OP ist gut gelaufen, schneller als gedacht. Es brauchte zahlreiche Blutkonserven, der Kreislauf musste einmal stabilisiert werden, aber das sei alles im Rahmen des Eingriffs, damit habe man gerechnet. In anderthalb Stunden könne ich zum Gatten, der Arzt habe mich schon auf der Intensivstation angemeldet.

Ich machte mich auf einiges gefasst, denn schon nach der im Rückblich vergleichsweise leichten OP im April, der dritten in diesem Jahr, kämpfte der Gatte massiv mit postoperativen Delir, und in den letzten beiden Wochen glitt er ja auch ohne Betäubung immer wieder in Parallelwelten ab. Diesmal war er in noch desolaterem Zustand. Was mich insbesondere beunruhigte: Er redete immer wieder davon, dass er das alles nicht überleben werde, dass er sterben wolle. Das war neu. Ich blieb, bis der Gatte zu Abend gegessen hatte und ruhig schlief, ging dann ganz leise, um ihn nicht zu wecken. 

Die Nacht verging Gott sei Dank ohne Anruf aus dem Krankenhaus.

Am kommenden Vormittag durfte ich auf der Intensivstation anrufen und erfuhr, der Gatte sei stabil, man sei zufrieden und verlege ihn im Laufe des Tages auf die Normalstation. Die Verlegung zog sich hin, und so wartete ich auf der Station auf den Gatten, räumte derweil seinen Kleiderschrank und seinen Nachttisch ein, denn er hatte schon wieder ein neues Krankenzimmer.

Der Gatte war kaum ein Stunde auf der Normalstation, als er über Brustschmerzen und Atemnot klagte. Es wurde sofort reagiert. Der behandelnde Arzt wurde im OP angerufen, um die weiteren Maßnahmen zu besprechen: Zwei EKG im Abstand von einer Stunde, Sauerstoff, Bestimmen des Troponin-Wertes, Hinzuziehen eines Kardiologen, ab auf die CPU zur Beobachtung, Herzkatheter. Der Gatte bekam derweil aus reiner Panik Atemnot, sprach immer wieder davon, das alles nicht zu überleben, war völlig damit überfordert, auf die CPU verlegt zu werden. Ich blieb wieder so lange wie möglich bei ihm auf der CPU. Als ich ging, traf ich zufällig auf seinen behandelnden Arzt, der versuchte, mich zu beruhigen. Er ging extra zum Gatten auf die CPU, um sich selbst ein Bild zu verschaffen, und rief später bei mir an, versuchte wieder, mich zu beruhigen. 

Die Nacht verging Gott sei Dank ohne Anruf aus dem Krankenhaus.

Donnerstag Vormittag erledigte ich einige Telefonate, informierte u.a. ungeachtet der aktuellen Situation des Gatten den Sozialdienst des Krankenhauses darüber, dass der Gatte ins Anschlussheilverfahren möchte. Der Gatte rief zwei Mal an, was erstaunlich ist, da er sein Taschentelefon nur selten benutzt, weil die Bedienung für ihn zu schwer ist. Er war desorientiert, meinte immer wieder, das alles nicht zu überleben, wollte, dass ich unbedingt zu Besuch komme, aber auf der CPU ist erst ab 14 Uhr Besuchszeit. Da der Gatte telefonieren konnte, sparte ich mir den Anruf auf der CPU, ging davon aus, dass alles in Ordnung ist. 

Kurz nach dem zweiten Telefonat mit dem Gatten rief eine Schwester von der Normalstation an: Ich möge bitte kommen und die Sachen des Gatten abholen, der käme ja nicht mehr wieder. Äh, bitte was?! 

Auf der CPU war telefonisch niemand zu erreichen, da dauerbesetzt, und so fuhr ich ungeachtet der offiziellen Besuchszeiten ins Krankenhaus. Ich sammelte zuerst die Sachen des Gatten ein - logisches Vorgehen war in der Situation nicht mehr so meins. Als mir die Schwester auch noch erklärte, dass ich die Telefonkarte an der Info abgeben müsse, um das Guthaben zurückzubekommen, ging ich endgültig davon aus, dass der Gatte gestorben ist. Ich brachte das ganze Geraffel ins Karlchen und machte mich dann auf zur CPU, wo noch keine Besuchszeit war, wo man mir aber dennoch die Tür öffnete. Ich erfuhr, dass der Gatte lebt und gerade zum Herzkatheter wäre. Das könne dauern, ich könne in der Cafeteria warten. Da wir in Krankenhausnähe wohnen, entschied ich mich, nach Hause zu fahren. Da war ich gerade angekommen, als das Krankenhaus wieder anrief: Der Gatte sei schon wieder auf der CPU, es ging alles schneller als gedacht. Also wieder zurück ins Krankenhaus. Muss ich sagen, dass ich erleichtert war, den Gatten lebend vorzufinden?! Ich bat um ein Arztgespräch, und wir erfuhren, dass der Gatte keinen Herzinfarkt hatte, die Beschwerden vom eskalierenden Blutdruck kamen. Den versucht man nun in den Griff zu bekommen. Der Gatte bekam ein Nitrospray.

Kurze Zeit später stapelten sich die freundliche Dame von der Krankenhausbibliothek samt Bücherwagen und vier Schwester im Zimmer des Gatten. Der Gatte sollte verlegt werden, wollte sich aber partout noch ein Buch aussuchen. Okay, wenn er der Meinung ist, ein Buch lesen zu wollen, hat das mit dem Sterben wohl noch etwas Zeit. Nachdem der Ausleihvorgang und die Patientenübergabe abgeschlossen waren, wurde der Gatte auf eine Normalstation verschoben, ins fünfte Zimmer in drei Tagen. Bis 18 Uhr musste der Gatte noch Bettruhe halten, dann durfte ich ihn nach draußen schieben - was für eine Freude für ihn! Vorher kam noch sein behandelnder Arzt vorbei. Er scheint ganz zufrieden zu sein und unterstützt den Wunsch des Gatten nach einer Anschlussheilbehandlung. Wenn's klappt, geht der Gatte direkt vom Krankenhaus in die Reha. 

Hier gilt seit mittlerweile 280 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall. Er ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Es geht uns dennoch vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich die Erkrankungen und der Schlaganfall des Gatten zu Wesensveränderungen führten, die ein Zusammenleben manchmal sehr schwer machen. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona bislang Gatten, Schwiegermutter und Tante verschonte, und hoffe sehr, das bleibt so.   

Was dem Gatten neben seinen körperlichen Beschwerden zu schaffen macht, ist die Praxis des hiesigen Krankenhauses, dass man nach jedem Eingriff / jeder Untersuchung außerhalb des Zimmers in ein neues Zimmer kommen kann. Der Gatte hatte alleine diese Woche fünf verschiedene Zimmer, die noch nicht mal auf derselben Station waren, sondern in anderen Trakten sind, wo gerade Platz ist. Aktuell liegt er auf der Bauch-Chirurgie. Ich bin gespannt, wann ich ihn im Kreißsaal wiederfinde. 

Abgesehen davon, dass die ständigen Wechsel den Gatten noch verwirrter machen, als er ohnehin schon ist, muss auch jedes Mal sein ganzes Geraffel mit. Inzwischen habe ich einen Koffer im Auto, nehme abends das meiste aus seinem Zimmer mit, weil ich ja nicht weiß, wo er morgens ist. Und jedes Mal verschwindet was vom Geraffel. Das bindet auch ohne Ende Arbeitskräfte. Pflegekräfte müssen das Geraffel packen, Ärzte suchen ihre Patienten, das Essen muss von einer Station auf die andere gebracht werden, ebenso die Medikamente ...

Hygienisch finde ich das auch äußerst bedenklich, denn die Zimmer werden mitnichten vorm Bettenwechsel gereinigt. Kein Wunder, dass der Gatte sich jedes Mal einen Keim einfängt. Ich habe inzwischen eine Magnumflasche Sagrotan an der Frau. Hintergrund des ständigen Zimmerwechsel ist, dass die Station, auf die der Gatte gehört, überfüllt ist (aktuell auch 4 Iso-Fälle - warum wohl?!). Anstatt die Neuzugänge woanders unterzubringen, verlegt man die "Alt-Patienten". Es ist ein Elend. Ich bin gespannt, wo ich den Gatten heute wiederfinde. Immerhin kam er gestern nach einem Ultraschall, zu dem er im Bett geschoben wurde, wieder in sein Zimmer zurück.

Seit gestern Nachmittag steht ein zweiter Nachttisch im aktuellen Zimmer. Auf der dazugehörigen Tablettendose stehen zwei Zimmernummern. Da nach Stunden noch immer kein Bett kam, nur Leute, die nach dem Patienten fragten, irrt der vermutlich samt Bett durchs Krankenhaus. 

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse

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