Sonntag, 25. September 2022

Samstagsplausch KW 37/22 und 38/22: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CXXXI - CXXXII

In den letzten beiden Wochen waren wir auf Mallorca. Den Urlaub buchten wir lange, bevor Mudderns ins Pflegeheim kam und wir wussten, dass wir ein Haus in der lindgrünen Hölle besitzen werden. Ich hätte angesichts der veränderten Situation den Urlaub gerne storniert, aber der Gatte bestand auf der Reise. 

Wenn die FFP3-Maske neben dem Strandkleid trocknet ... 

Es war die erste Reise mit schwerbehindertem Gatten. Ich teilte beiden Fluggesellschaften medizinischen Sonderbedarf mit (muss ich für mein CPAP-Gerät im Handgepäck eh), also dass der Gatte auf einen Gehstock angewiesen ist, den er mit an Bord nehmen muss. Für den Hinflug bat ich beim DRK um einen Rolli-Transfer, damit der Gatte nicht die prognostizierten drei Stunden in der Schlange stehen muss, aber das ging gründlich schief. Die Fluggesellschaft schickte uns in die falsche Wartezone, und auf mehrfache Nachfragen, weil auch nach einer Stunde niemand kam, wurden wir beruhigt, das DRK käme frühestens eine halbe Stunde vor Abflug. Schließlich rief ich beim DRK an, erfuhr, dass wir in der falschen Wartezone sitzen, man rechtzeitig in der richtigen war, uns aber nicht antraf, wir nun sehen müssten, wie wir klar kämen, denn man habe schließlich seine Pflicht erfüllt. Da hatten wir gerade noch eine Stunde bis zum Boarding und erreichten nur mit Glück noch den Flieger. Für den Gatten war das sehr belastend. In Palma versuchte ich ihn dazu zu bringen, dass er die Kilometer vom Gate bis zu Gepäckband und Ausgang langsam zurücklegt, aber er hatte Angst, dass wir dann den Transfer zum Hotel verpassen. So kam er schließlich völlig fertig am Bus an.

Auch für den Rückflug teilte ich den medizinischen Sonderbedarf mit, erhielt aber trotz Nachfragen keine Antwort von der Fluggesellschaft und ging daher davon aus, dass das schief ging. Diesmal war's das genaue Gegenteil! Beim Einchecken hatte der Bodensteward sofort auf dem Schirm, dass der Gatte gehbehindert ist, überredete ihn zu einem Rolli-Transfer, schickte uns in die richtige Wartezone und meinte, wir müssten etwa zehn Minuten warten. Binnen kurzer Zeit kam ein junger Mann, saß der Gatte im Rollstuhl, wurden wir zu einer Sonderabfertigung gebracht. Die Kontrolle war zügig, und hinter der Kontrolle wartete schon ein älterer Herr mit einem anderen Rollstuhl für den Gatten. Ein paar Minuten später saßen wir in einem dieser Golfwägelchen und wurden von einer jungen Frau in Formel 1-Tempo (mit Fahrtwind!) durch den Flughafen zum einige Kilometer entfernten Gate gebracht.  

Nach der Landung im Hamburg bestand eine Stewardess darauf, dass der Gatte nicht zu Fuß die Treppe runter und zum einige Kilometer entfernten Ausgang geht, sondern vom DRK abgeholt wird - schließlich sei der Transfer bestellt. Wir dachten nach der Erfahrung beim Hinflug, dass das eh nicht klappt, zumal das DRK nur bis 22 Uhr arbeitet, wir aber später landeten, aber die Stewardess war zuversichtlich, und mit uns wartete noch ein anderes Paar auf den Transfer. Es dauerte nicht lange, und ein netter Herr kam mit einem Medical Highloader, der sich auf Flugzeughöhe hochfahren lässt, und wir konnten ganz kommod das Flugzeug verlassen, wurden mit rasanter Geschwindigkeit von einem Ende des Flughafens zum Ausgang am anderen Ende gefahren!

Hier gilt seit mittlerweile 132 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Es geht uns vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird. Er ist inzwischen schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Mütter und inzwischen Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona uns bislang verschonte. Wir sind natürlich geimpft, aber angesichts unserer Vorerkrankungen ist trotz Impfung eine Corona-Infektion wenig ratsam. Angesichts der steigenden Infektionszahlen ist sie aber unvermeidbar, und ich kann nur hoffen, dass es uns dann nicht zu hart trifft. Wegen Corona hätte ich gerne auf die Flugreise verzichtet, aber nun ja. Ich trug konsequent die FFP3-Maske und hoffe, das half. 

Auf Mallorca war dann so ziemlich alles wie vor Corona. Corona war dennoch oft präsent, und sei es, weil der schweizerische Strandliegennachbar im Telefonat in die Heimat nicht nur erzählt, dass sein Sohn gerade Maul- und Klauenseuche hat, sondern dass er seit Tagen 40 Grad Fieber und "Schluckweh" habe, aber keinen Corona-Test dabei habe ... Gut, den Test hätte man kaufen können, aber Corona ist ja bekanntlich vorbei, nich? Die Testcentren waren zumindest geschlossen. Es gibt zwar noch Maskenpflicht, u.a. im ÖPNV, aber darum kümmert sich kaum jemand. Die Strandliegen stehen im gleichen Abstand wie früher, wenngleich es insgesamt viel weniger sind, zumindest in Port d'Alcúdia.

Der Strand war schmutziger als vor drei Jahren. Aschenbecher fehlten ebenso wie die tägliche Reinigung. Außerdem gab's weniger Büdchen, aber wir brachten ohnehin die Verpflegung meistens mit. Der Mietwagen war wesentlich teurer als vor drei Jahren, aber das wussten wir ja vorher. Die Tagesmiete, die in etwa gleich viel kostet wie vor drei Jahren, wäre uns dieses Jahr wesentlich günstiger gekommen, da wir den Mietwagen kaum nutzten, aber das konnten wir vorher nicht wissen.   

Im Vorfeld hatten wir oft gehört, dass die Insel dieses Jahr noch überlaufener wäre als sonst und machten uns auf einiges gefasst, aber uns kam sie viel leerer vor. Bei den Strandliegen hatten wir selbst mittags noch reichlich Auswahl, obwohl weniger aufgestellt waren als früher. Wir hätten problemlos mit der historischen Straßenbahn in Sóller fahren können, bei den beiden vorherigen Besuchen undenkbar. Selbst in Artá oder am Markttag in Alcúdia war's vergleichsweise leer, ebenso in den Bussen von und nach Palma, in denen wir beim letzten Besuch nur mit Glück Platz bekamen. 

Die Tropenhitze hatte insbesondere in unserer ersten Urlaubswoche die Insel noch fest im Griff, und die Temperaturen von 32°C und mehr tagsüber bzw. nachts um die 30°C machten dem Gatten sehr zu schaffen. Normalerweise liegen die Durchschnittstemperaturen im September bei bummelig 22°C bis maximal 26°C, regnet es öfter. So blieb der Gatte oft im klimatisierten Appartement, und da ich keine Lust hatte, alleine etwas zu unternehmen, blieb ich bei ihm, schlief und las viel und merkte, wie erschöpft ich war. Außerdem waren wir fast jeden Tag am Strand, wo es ein bisschen windig war, und so bin selbst ich jetzt knackebraun. Sonne, Salzwasser und Schwimmen taten gut. 

Es gibt Menschen, die lesen am Strand was Seichtes, wie Krimis. Und dann gibt es den Gatten. Der liest die Torah*, als wäre sie ein Krimi ...

Ansonsten ließen uns Hausumbau und Mudderns Situation im Pflegeheim nicht los. Die Fenster für's alt-neue Haus kamen während unseres Urlaubs, vier Wochen früher als geplant, so dass wir jetzt gucken müssen, woher das Geld dafür kommt, denn der Baukredit ist ja noch nicht durch, und der Tiefbauer für die Internetleitung versuchte auch, uns zu erreichen. Darum müssen wir uns morgen kümmern. 

Mudderns sprach bei jedem Telefonat davon, unbedingt ins Betreute Wohnen umziehen zu wollen, eine Wohnung zu mieten oder gar zu kaufen. Eine Hälfte des Komplexes ist Pflegeheim, die andere besteht aus Wohnungen. Sie ist gar nicht in der Lage, die paar Meter von einem Eingang zum anderen zu gehen, um dort nach einer freien Wohnung zu fragen oder sich auf die Warteliste setzen zu lassen, besteht aber darauf, dass sie sich noch selbst versorgen kann. Auch der jüngste Sturz bringt sie nicht davon ab, partout alleine wohnen zu wollen. Sie schaffte es vor drei Tagen, zwischen Bett und davor stehenden Rollator zu stürzen, will aber eine ganze Wohnung alleine bewirtschaften - ja, nee, is klaa. 

Mudderns Gesellschafterin fragte letzte Woche nach Rücksprache mit mir, ob eine Wohnung frei wäre oder es möglich sei, Mudderns auf die Warteliste setzen zu lassen - beides ist nicht der Fall, aber Mudderns ignoriert das hartnäckig. Ich habe versucht, mit ihr zu klären, was mit ihren Möbeln geschehen soll, wenn wir ins Haus ziehen, aber sie lehnt jeden Gedanken daran ab, die Möbel einzulagern, versteht nicht, dass wir mit unseren Möbeln ins Haus einziehen. Es ist ein Elend. So wird also das Haus entrümpelt, und wenn Mudderns tatsächlich in eine Wohnung umziehen sollte, sind ihre Möbel weg. Gut, der Fall ist sehr unwahrscheinlich, aber dennoch habe ich ein schlechtes Gewissen. Es wäre einfacher, würde Mudderns realistisch mit der Situation umgehen. Immerhin stellt sie sich aber endlich dem Thema Patientenverfügung, weil der Notar die als Teil der Vorsorgevollmacht betrachtet. 

Heute Abend beginnt Rosh Hashanah, und das neue Jahr wird viel Neues für uns bringen. Morgen sollen Schenkungsurkunde und Vorsorgevollmacht vor dem Notar unterschrieben werden, wird Mudderns ins Pflegeheim umgemeldet. Mittwoch begutachtet der Schornsteinfeger das Haus für den Energieausweis. Am kommenden langen Wochenende will eine Kollegin kommen und gucken, ob es bei Mudderns Porzellan und Gläsern etwas für sie gibt - da sind schon hochwertige Sachen dabei, viel skandinavisches Design, aber ich habe keine Kraft, es bei eBay oder auf Flohmärkten zu verkaufen. Das Wochenende darauf kommt dann der Entrümpler zur Besichtigung. Wir sind schon extrem gespannt darauf, wie das Haus aussieht, wenn es quasi leer ist (ein paar Kisten mit Mudderns Sachen und Unterlagen werden vorerst in meinem Werkstattkeller bleiben).

Morgen sind wir nach drei Wochen auch zum ersten Mal wieder im alt-neuen Haus und schon gespannt, ob und was sich in der Zwischenzeit tat, denn die Baubrigade wollte ja weiterarbeiten. Aus Mallorca brachten wir ein Türschild mit, das der Gatte morgen anbringen wird. Es ist immer wieder mehr wie Nachhausekommen, wenn wir ins alt-neue Haus kommen. Wir können den Umzug kaum erwarten, haben aber gleichzeitig bei Magenschmerzen vor dem, was uns noch erwartet.   

Neben den Haus-Terminen stehen auch noch jede Menge Arzttermine und mein Krankenhausaufenthalt an. Das wird anstrengend. Nur: Nützt ja nichts.

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.

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1 Kommentar:

  1. Meine Güte,
    wenn ich das alles lese, dann bin ich tief beeindruckt, wie ihr alles so schafft.
    Die psychische Belastung scheint mir riesengroß zu sein.
    Da bewundere ich dich sehr.
    Und das Problem mit der Mutter ist ja auch nicht gerade minimal.
    Aber ich denke, es wird sich sicher alles zum Guten wenden und vielleicht wird "Muddern" doch noch einsichtig.
    Weiterhin gute Nerven wünscht
    Jutta

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