Diese Woche war ausgesprochen anstrengend. Der Gatte wollte, musste in die Augenklinik, was vier Stunden Untersuchung / Behandlung bedeutet plus drei Stunden Fahrt. Seit fast drei Wochen verließ er nicht mehr das Haus, selbst im Rollstuhl nicht, und dann so ein Mammut-Termin! Auf dem Hinweg stürzte er, schlug sich die Knie auf, dann war die Autobahnabfahrt spontan gesperrt und und und - selbst der Gatte meinte irgendwann, das solle heute wohl einfach nicht sein. Ich fuhr aber stoisch weiter, und wir waren pünktlich da. Der Gatte machte auch den Eindruck, dass es ihm gut tue, mal wieder draußen zu sein, wollte nach dem Termin sogar noch durch "unser" altes Einkaufszentrum bummeln, was ich ihm aber ausredete, denn ich hatte keine Kraft mehr. Und beim Gatten zeigte sich am nächsten Tag, dass ihn der Ausflug doch mehr strapazierte, als er sich eingestehen wollte: Ich musste einen Arzttermin absagen. Heute wollten wir eigentlich ins Kino, aber auch dafür fehlt dem Gatten die Kraft, obwohl er sich sehr auf zwei Stunden historische Dampflok-Filme freute.
Die kommende Woche wird nicht weniger anstrengend. Der Gatte hat einen 8:30-Uhr-Termin in der Augenklinik und ist wild entschlossen, den wahrzunehmen, auch wenn das bedeutet, dass wir um 6:30 Uhr losfahren müssen. Ich hoffe, der Gatte schafft das. Er will so gerne wieder sehen können!
Der Gatte ist jetzt seit 20 Tagen als palliativ eingestuft. Als sein Haus- bzw. Palliativarzt die Einstufung vornahm, meinte er, ich solle mich auf Tage einstellen, nicht auf Wochen. Mittlerweile denke ich immer öfter "Na ja, 52 Wochen sind auch nur 365 Tage ...". Vielleicht erleben wir ja doch noch ein Wunder? Wir haben uns in den letzten drei Wochen so gut wie möglich in der neuen Situation eingerichtet, neue Rituale entwickelt, die es ermöglichen, weiter als Paar zusammen zu leben, nicht nur als Pflegling und Pflegekraft. Der Alltag ist allerdings unwahrscheinlich anstrengend.
Jedenfalls ist der Lebenswille des Gatten ungebrochen. Er hat sich gerade Hanteln und einen Pedaltrainer bestellt, will endlich wieder mehr Kraft in Armen und Beinen haben, will nicht mehr von mir abhängig sein, weil er zu schwach ist, um aus eigener Kraft aufzustehen. Er isst und trinkt oft wieder mehr als vor einer Woche. Gleichzeitig ist der Gatte aber sehr schwach, schläft die meiste Zeit des Tages und ist dafür nachts sehr umtriebig, was mich schafft, denn ich schlafe selten eine ganze Stunde am Stück, weil immer irgendwas ist.
Die heutige Pflegekraft meinte mitleidig, ich sähe völlig fertig aus - kein Wunder. Ich bin bar jeden Erschöpfungslevels, funktioniere oft noch nicht mal mehr auf Autopilot, habe kaum noch Kraft für Haushalt und Co., möchte nur noch endlich mal wieder eine Nacht durchschlafen. Dass der Gatte so schwach ist, wird auch damit zusammenhängen, dass der Pilz, mit dem er infiziert ist, die Eisenreserven angreift. Die Eisentabletten setzt sein Arzt allerdings vor drei Wochen ab. Ich muss bei Gelegenheit mal nachfragen, ob das so bleiben soll.
Jedenfalls hatte die heutige Pflegekraft Zeit, mir beim Duschen des Gatte zu helfen, was eine Erleichterung war! Der Gatte ist so wackelig, dass ich Angst habe, dass er in der Dusche stürzt, ich ihn nicht alleine halten kann. Doch, da sind überall Griffe, an denen sich der Gatte festhalten kann, aber er schafft es trotz Griffen, zu stürzen.
In dieser Woche wurde auch der Treppenlift montiert. Ich fragte bei der Firma an, ob angesichts der aktuellen Situation ein früherer Montage-Termin möglich wäre, und sie schoben uns an einem Abend ein! Für den Gatten ist sein "Treppen-Ferrari" eine große Erleichterung! Bislang schaffte er unter großer Kraftanstrengung abends die Treppen, jetzt können wir wieder zusammen in der Stube frühstücken, kommt er auf die Idee, nach unten zu fahren, um Kaffee zu kochen, damit ich ausschlafen kann. So sehr sich der Gatte gegen einen Treppenlift wehrte, so froh ist er jetzt darüber!
An die Handhabung müssen wir uns allerdings noch gewöhnen. Ist der Treppenlift unten, muss vorher die Windfangtür geöffnet werden, denn sonst kommt niemand auf die Toilette oder zur Haustür. Ist der Treppenlift oben, muss er auf die Parkposition gefahren werden, denn sonst kommt niemand mehr auf die Treppe. Das ist manchmal ziemlich kniffelig, wenn der Gatte eine schlechte Phase hat und den Lift nicht selbst bedienen kann, Hilfe braucht. Ich habe jedenfalls ausreichend Treppen-Training ... Allerdings habe ich auch so viel Gewicht verlosen, dass ich den Treppenlift inzwischen selbst benutzen könnte.
Natürlich beschäftigte mich diese Woche auch, dass die Freilassung der Hamas-Geisen unmittelbar bevorsteht. Bring Them Home Now wird endlich Realität, unfassbare zwei Jahre nach dem Simchat-Tora-Massaker! Es schmerzt, dass nicht alle 48 Geiseln am Leben sind, dass von vielen selbst die sterblichen Überreste nicht mehr übergeben werden können, weil sie nicht mehr auffindbar sind.
Ich habe es endlich geschafft, hier in der Umgegend eine Impfmöglichkeit gegen Grippe und Corona zu finden. Jetzt muss ich nur noch einen Termin dafür finden ... Eigentlich wollte ich mich in der kommenden Woche impfen lassen, aber da gibt es keinen Tag, an dem ich ausfallen kann, falls ich doch Impfnebenwirkungen habe. Vielleicht klappt es Freitag. Jedenfalls bin ich froh, dass ich für die Impfungen nicht nach Hamburg fahren muss, denn so lange kann ich den Gatten nicht mehr alleine lassen.
Hier gilt seit mittlerweile 291 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall, im sechsten wurde er ein Palliativfall, steckte sich im Sommer bei einem neunwöchigen Krankenhausaufenthalt mit Candidozyma auris an und wird an der Pilz-Infektion sterben.
Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.