Samstag, 29. November 2025

Samstagsplausch KW 47/25 und 48/25: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCXCVII und CCXVIII

Es gibt dieses Jahr dann
doch noch ein bisschen
Adventsstimmung.
Die letzten beiden Wochen waren ziemlich anstrengend. Eigentlich wollte ich mir nach der Woche mit Trauerfeier und Beisetzung eine ruhige Woche gönnen, bevor diese Woche die Räumung des Lagers auf dem Plan stand, aber das ging sich nicht aus. Es war einfach zu viel zu erledigen, und dazu kamen noch ziemlich viele "Mal-Ebens". Ich bin unwahrscheinlich erschöpft und müsste eigentlich einiges an Papierkram abarbeiten, Rechnungen bezahlen, Wäsche machen undundund, aber mir fehlen die Kraft und die Konzentration.

Die Lagerräumung war zum Glück weniger aufwändig als befürchtet, denn überraschenderweise war das Lager fast leer! Ich frage mich seit einer Woche, ob der Gatte zwischendrin mal da war und ein paar Dinge mitnahm oder entsorgte, aber eigentlich fuhr er seit Sommer 2024 nicht mehr selbst Auto. Jedenfalls war es eine unwahrscheinliche Erleichterung, nicht bis zur Erschöpfung arbeiten zu müssen. Ich nahm ein paar Erinnerungen, zwei Möbel, die der Gatte baute, meine Sachen und ein paar Dinge, die ich hoffentlich verkaufen kann, mit. Um den Rest wird sich ein Entrümpler kümmern. Morgen auf dem Rückweg von Schwiegermutter gucke ich nochmal kurz im Lager vorbei, um sicherzugehen, dass ich nichts übersah, was mir wichtig ist. 

So blieb dann diese Woche auch Zeit für Schönes wie Wolle kaufen. Frühstück im Hofladen-Café und Besuch des Kunsthandwerkermarkts im Freilichtmuseum. 

Hier galt 293 Wochen: Der Gatte und ich waren coronabedingt weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall, im sechsten steckte er sich bei einem neunwöchigen Krankenhausaufenthalt mit Candidozyma auris an. An der Pilz-Infektion starb er im Oktober 2025 im Alter von 64 Jahren. Seit Woche 294 versuche ich mich, im Alleinleben zurechtzufinden. Jetzt ist Woche 298.

Ich hatte gehofft, dass jetzt Ruhe einkehrt, aber das Leben sieht es leider anders und wirft mir immer wieder Steine vor die Füße. Mein kleines Auto, das Karlchen, ist nicht mehr fahrtüchtig und muss in eine Werkstatt geschleppt werden. Der Schrauber, bei dem ich sonst immer war, sagte schon im Frühjahr, ich solle besser mal direkt zu Opel fahren, weil er den Fehler in der Zentralverriegelung nicht beheben kann. Jetzt ist die gesamte Elektrik außer Gefecht gesetzt. 

Hier gibt es drei Opel-Werkstätten, die allesamt nur mit dem Auto zu erreichen sind, weswegen ich die Werkstattsuche erstmal aufschob, weil der Gatte wichtiger war und wir ja zum Glück zwei Autos haben. Jetzt half es nichts. Ich klapperte alle drei Werkstätten ab. Opel 1 beschied mir, bei einem acht Jahre alten Auto lohne sich keine Reparatur mehr, weil die Garantie ja abgelaufen sei, gab mir aber großzügiger Weise einen Termin im März. Opel 2 beschied, ja, ich hätte das Auto zwar in einer Filiale der Kette gekauft, aber die Filiale sei ja inzwischen geschlossen, weswegen man keine Unterlagen mehr habe. Man müsse gucken, ob eine andere Filiale den Wagen nehmen würde. Da die Filialen nicht direkt anrufbar sind, sondern zurückrufen, kamen wir nicht zusammen. Bei Opel 3 hörte sich die Kundendienstmitarbeiterin an, was Sache ist, meinte: "Warten Sie mal, ich rufe mal direkt den Chef ans Telefon - oh, er hört sogar!" Der Chef befand, ich solle den Wagen mal dorthin schleppen lassen und dann gucke man ihn sich an, wenn eine Lücke sei. 

Ich hoffe also, dass der ADAC Montag das Auto zu Opel schleppt, dass das Karlchen irgendwann im Laufe der kommenden Wochen wiederbelebt werden kann, und dass der Opel des Gatten mich solange zuverlässig fährt. Ich habe nämlich beschlossen, Weihnachten nicht mit dem Zug zur Tante zu fahren, sondern wie sonst auch mit dem Auto und mit Stopp in Hammelburg. So bin ich vor Ort unabhängiger. 

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.

Mittwoch, 19. November 2025

#12von12 im November 2025

Caro von "Draußen nur Kännchen" sammelt jeden Monat am 12. des Monats 12 Impressionen des Tages - vielen Dank dafür! 

#1: Schnuffi ist der Meinung, ich muss aufstehen.

#2: Durch den Besuch von Schwiegermutter und Tante ist die Spülmaschine endlich mal wieder ausgelastet und wird gleich morgens angestellt. So kann ich sie nachmittags schon wieder ausräumen.

#3: Dem Gatten "Guten Morgen" sagen.

#4: Doch, doch, Milchkaffee und Kekse sind ein vollwertiges Frühstück.

Dies ist mein erster #12von12-Beitrag als Witwe. Im letzten Monat lebte der Gatte noch, konnten wir ein letztes Mal zusammen in der Stube frühstücken. Drei Tage später wich der Esstisch dem Pflegebett des Gatten. Keine zehn Tage später starb der Gatte zu Hause und in meinen Armen - wie er es sich am 28. August wünschte, nur halt wenigstens 20 Jahre zu früh. 

#5: Sonnenaufgang. Auf der Bank saß ich mit dem Gatten händchenhaltend am 12. Juni. Das dürfte einer seiner letzten Spaziergänge gewesen sein.

#6: Warten auf Schwiegermutter und Tante, dabei lesen*.

#7: Grab gucken. Schwiegermutter ist mit meiner Wahl einverstanden (und wenn nicht, wäre jetzt eh keine Änderung mehr möglich, denn der Gatte wird morgen beigesetzt).

#8: Eine Kerze für den Gatten anzünden. 

Gestern war die Trauerfeier, morgen ist die Beisetzung. Heute ist frei, damit Schwiegermutter, Tante und ich uns ausruhen können. 

#9: Teezeit mit Frankfurter Kranz, dem Lieblingskuchen des Gatten.

#10: Reicht dann auch für heute. Erstaunlich, wie viel zusammenkam, obwohl wir wegen Tante so viele Strecken wie möglich mit dem Auto fuhren.

#11: Füße hoch und stricken. Das wird die letzte Spendensocke für dieses Jahr. Nach dem Tode des Gatten mag ich irgendwie nicht mehr stricken.

#12: Der Sofa-Schlafhase zog zu mir ins Bett, denn der Bett-Schlafhase ist beim Gatten. Vorm Einschlafen wird noch etwas gelesen*.

Der Blick zurück in die ersten fünf Corona-Jahre: Am 12. November 2020 dachten wir noch, mit der Behandlung der Augenerkrankung des Gatten wäre das schlimmste ausgestanden, ahnten nicht, was noch kommen sollte, schrieb ich wöchentliche Postkarten an Tante, damit sie nicht so alleine ist, weil sie uns nicht besuchen konnte. Am 12. November 2021 fand eine Tagung noch als Videokonferenz statt, hatte ich die Hoffnung, dass sich Corona irgendwann erledigt. Am 12. November 2022 hatten wir noch die Hoffnung, spätestens im April umziehen zu können. Am 12. November 2023 pendelten wir noch immer zwischen Wohnung und Baustelle, hatten aber immerhin schon mal den Umzug terminiert. Am 12. November 2024 hatte der Gatte schon Probleme mit seinen Füßen, nahm darauf aber entgegen ärztlichen Rats leider keine Rücksicht. / *Affiliate links  

Samstag, 15. November 2025

Samstagsplausch KW 46/25: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCXCVI

Was für eine Woche!

Sonntag war ich im Klezmer-Konzert in der Kirche. Bei Klezmer, den Nicht-Juden interpretieren, bin ich immer skeptisch, umso mehr, wenn es ein Konzert zur Erinnerung an die Novemberpogrome ist. Mischpoke aber ist echt gut und machte das Genre zu ihrem Ding. Das Konzert machte echt Spaß! Damit ich nicht wieder das heulende Elend bekomme, wenn ich in ein leeres, dunkles Zuhause zurückkomme, habe ich eine Stehlampe in der Stube an eine Zeitschaltuhr angeschlossen. Die schaltet die Lampe zum Einbruch der Dunkelheit ein, egal, ob ich zu Hause bin oder nicht. So vermeide ich es auch, nach einem Tag im Arbeitszimmer in eine dunkle Stube zu kommen. Selbstfürsorge halt. Nachmittags brachte die rechte Nachbarin Kuchen und eine Flaschen Stärkungssaft vorbei - so lieb!

Diese Woche war ich in einem Kirchenkonzert.

Dienstag war die Trauerfeier für den Gatten, und sie war überwältigend! Wir gingen bei der Planung davon aus, dass nur Schwiegermutter, Tante und ich da sein würden, entschieden uns dann aber doch für den großen Trauersaal. Der kleine mit sieben Plätze sagte mir nicht zu, und ich dachte, wir sitzen ja eh in der ersten Reihe, da ist es egal, wenn die Reihen hinter uns leer sind. Kaffee und Kuchen bestellten wir für zehn, die Mindestzahl, denn ich hatte keine Lust, nach der Trauerfeier mit Schwiegermutter und Tante irgendwo beim Bäcker zu sitzen. Stattdessen nutzten wir das Trauercafé des Bestatters, und notfalls hätten wir in den kommenden Tagen reichlich Kuchen gehabt. 

Montag Abend wusste ich, wir werden neun sein, kündigte sich die 90jährige Ostsee-Tante an, gefahren von meinem 72jährigen Cousin.

Dienstag waren wir dann plötzlich mehr als doppelt so viele! Die Sandkastenfreundin des Gatten sagte zum ersten Mal in 40 Jahren eine Trainingsstunde ab und kam, obwohl die beiden seit Jahrenden keinen Kontakt mehr hatten. Schwiegermutter wollte nicht, dass ich ihr Bescheid gebe, aber gerade weil ich um ihre enge Beziehung zum Gatten wusste, wäre mir alles andere falsch vorgekommen. Meine Chefin und meine Kollegin kamen, obwohl sie alles für eine große Tagung am kommenden Tag vorbereiten mussten. Zwei von Schwiegermutters ebenfalls 90jährigen Freundinnen kamen trotz langer Anreise. Ich kam aus dem "Was machst du denn hier?!" bzw. einem "Und Sie sind bitte wer?!" gar nicht mehr heraus. Die rechten und überrechten Nachbarn kamen, und der überrechte Nachbar betonte beim Abschied nochmal, dass er es ernst meinte, als er sagte, er helfe mir beim Andübeln und Zusammenbauen von Regalen, beim Sichten der Werkstatt etc. 

Der Bestatter rotierte angesichts des unerwarteten Ansturms. Damit der Kuchen für die doppelte Menge Trauergäste reichte, wurden die Stücke kurzerhand halbiert (Getränke waren genug da). Schwiegermutter lobte hinterher die kleinen mundgerechten Kuchenstücke, die genau die richtige Häppchengröße gehabt hätten ... 

Wenn ich nochmal eine Beerdigung organisieren muss, setze ich in die Traueranzeige ein "uAwg bis". Diesmal verzichtete ich aus Pietät und Takt darauf, weil man das einfach nicht macht, aber es erleichtert die Organisation ungemein.

Am sonnigen Donnerstag war dann die Beisetzung, und ich war heilfroh über meine Entscheidung, sie getrennt von der Trauerfeier zu terminieren, denn so sehr ich mich zwei Tage vorher über die vielen Trauergäste freute, so froh war ich jetzt, mich in Ruhe vom Gatten verabschieden zu können. So folgten dann nur Schwiegermutter, Tante und ich dem Sarg. Ich hatte mir keine Gedanken gemacht, wie die Sargträger wohl aussehen, war ewig bei keiner Erdbestattung mehr, und war erstaunt, dass sie wie in Hamburg Lutherrock, weiße Halskrause, Handschuhe und Dreispitz trugen. Das war sehr würdevoll und feierlich, auch ihr Abschiedsgruß, als sie den Sarg mit dem Gatten in die Erde ließen. Den Gatten so tief unten unter der Erde zu wissen, ist fürchterlich, vor allem, weil der Gatte als Soldat verschüttet wurde und davon traumatisiert war. Deswegen war ich erstaunt, dass er sich für eine Erdbestattung entschied. Möge ihm die Erde leicht sein!

Eigentlich wollte ich mir die komplette Woche für die Trauerfeierlichkeiten freihalten, weil ich wusste, sie würden mich sehr mitnehmen. Wider besseres Wissen brachte ich dann doch noch einiges auf den Weg wie die Beantragung eines Erbscheins, verschiedene Vertragskündigungen usw. Die Grabgestaltung steht im Großen und Ganzen, so dass ich kommende Woche Steinmetz und Friedhofsgärtner beauftragen kann - wieder zwei Posten, die ich von der Liste streichen kann.

Schwiegermutter tut mir gegenüber weiterhin so, als wäre ich die besser Schwiegertochter von allen, allerdings merkte ich auf der Trauerfeier schon, dass sie hinter meinem Rücken anders über mich redet. Es wäre ja auch ein Wunder, hätte sie sich geändert. Sie war auch ziemlich ungehalten, als sie registrierte, dass ich Tante und sie gestern nur nach Hause fuhr, nicht noch mit in die Wohnung zum Mittagessen kommen wollte. Es ging ihr nicht um das Mittagessen, sondern darum, dass sie jemanden brauchte, der sich wieder mal um ihr Taschentelefon kümmert, mit dessen Nutzung sie heillos überfordert ist. Mit Tante stritt sie sich durchgehend. Im Hotel war dann auch noch Tantes Zimmer größer und schöner als ihr Zimmer, was eine endlose Litanei zur Folge hatte. Ich freute mich für Tante, dass sie endlich mal das bessere Zimmer hatte, denn normalerweise ist es umgekehrt. Das Hotel nahm allerdings Rücksicht auf Tantes Gehwagen, und so bekam sie eines der barrierefreien Zimmer, die nun mal größer sind. Schwiegermutter war der Ansicht, man habe sie in einer Abstellkammer untergebracht, und ich bekam strikte Anweisung, bei der nächsten Hotelbuchung darauf hinzuweisen, dass sie keinesfalls wieder dieses Zimmer haben möchte, denn das dürfe gar nicht vermietet werden. Ja, nee, is klaa.  

Wir besprachen, was Weihnachten gekocht wird, denn wir drei Witwen werden zusammen bei Tante in Dachau sein. Anders als im Vorjahr war Schwiegermutter damit einverstanden, dass wir das Essen für die drei Feiertage bei Snowfrost bestellen, waren in zehn Minuten mit der Speiseplanung durch. Ich bezweifle allerdings, dass sich Schwiegermutter an unsere Absprachen halten wird.  

Ansonsten merke ich, dass ich unwahrscheinlich erschöpft bin. In den letzten Monaten habe ich mir so sehr gewünscht, endlich mal ausschlafen zu können, ungestört schlafen zu können, aber jetzt, wo ich es könnte, habe ich Schlafstörungen, komme nachts einfach nicht zur Ruhe. 

Es ist ungewohnt, aber ich versuche tapfer, die Hände, die sich mir entgegen strecken, zu greifen, mich auf das Netz, das sich um mich herum spinnt, zu verlassen. Ich bin es so sehr gewohnt, nur mit dem Gatten an meiner Seite zu sein, dass es jetzt sehr befremdlich ist, dass da noch andere Menschen sind. Mal schauen, wie sich das entwickelt. 

Was mich unwahrscheinlich verletzt und wütend macht, sind Kommentare zum Tod des Gatten, aus denen hervorgeht, dass er kein lebenswertes Leben mehr hatte. Ich weiß ja seit Corona-Beginn, dass Schwerkranke und chronisch Kranke Ballastexistenzen sind, aber dass mir jemand ins Gesicht sagt, dass der Gatte kein lebenswertes Leben mehr führte, ist hart. Sicher, der Gatte war schwerkrank, aber ohne die Pilzinfektion hätte er weiterleben können, hätte viele seiner Pläne umsetzen, Wünsche und Hoffnungen erfüllen können. Nun, angesichts der letzten Äußerungen unseres Möchtegern-Gesundheitsministers und Arzt-Darstellers müssen wir uns wohl daran gewöhnen, das Euthanasie wieder hoffähig geworden ist. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir Ballastexistenzen wieder ausgemerzt werden. 

Hier galt 293 Wochen: Der Gatte und ich waren coronabedingt weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall, im sechsten steckte er sich bei einem neunwöchigen Krankenhausaufenthalt mit Candidozyma auris an. An der Pilz-Infektion starb er im Oktober 2025 im Alter von 64 Jahren. Seit Woche 294 versuche ich mich, im Alleinleben zurechtzufinden. Jetzt ist Woche 296.

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.

Samstag, 8. November 2025

Samstagsplausch KW 45/25: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCXCV

Sonntagnachmittag war ich im Kino und bekam das heulende Elend, als ich ein dunkles Haus zurückkehrte. Normalerweise wäre der Gatte da gewesen, hätte den Kamin angemacht und das Abendessen fertig, wenn er nicht mit ins Kino gekommen wäre. Das Mitkommen wäre bei "Amrum" allerdings nicht ratsam gewesen, denn da wird sehr detailliert gezeigt, wie Kaninchen gemeuchelt werden, und das hätte seine hasophile Seele nicht verkraftet. 

Als ich Mittwoch ins Theater ging, war ich schlauer: Ich ließ im Wohnzimmer eine Lampe an. Wobei: Mittwoch wäre der Gatte normalerweise mitgekommen, denn er wollte "Marlene Jaschke" sehen. Wir wären dann vorher Essen gegangen. Aber zu zweit in ein dunkles Zuhause zu kommen, ist etwas anderes, als alleine in ein dunkles Zuhause zu kommen in dem Wissen, dass da bis vor Kurzem noch jemand da war, der auf einen wartete. 

Hier galt 293 Wochen: Der Gatte und ich waren coronabedingt weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall, im sechsten steckte er sich bei einem neunwöchigen Krankenhausaufenthalt mit Candidozyma auris an. An der Pilz-Infektion starb er im Oktober 2025 im Alter von 64 Jahren. Seit Woche 294 versuche ich mich, im Alleinleben zurechtzufinden. Jetzt ist Woche 295.

Ich versuche, alles ruhig anzugehen, mich nicht zu überfordern, denn ich erkenne meine Grenzen angesichts der Überforderungen der letzten Monate, Jahre nicht mehr. So achte ich denn auch immer wieder auf Pausen, setze mich mit Tee und Zeitung oder Strickzeug in den Relax-Sessel des Gatten und schaue in den Garten. Ich habe noch immer Probleme, mich zu konzentrieren und bin gespannt, wie es mit dem Arbeiten klappt. Eine Wiedereingliederung habe ich abgelehnt - ich wäre länger unterwegs als im Büro. An meinen Heimbüro-Tagen kann ich mich ohnehin jederzeit ausloggen und Pause machen, wenn ich es brauche, und für die beiden Echtbüro-Tage wird sich notfalls eine Lösung finden. Bis dahin sind aber ohnehin noch drei Wochen Zeit. Ansonsten schlage ich mich mit diversen Maladien wie Dauerkopfschmerzen, Schlafstörungen und Refluxösophagitis herum.

Ich habe einen Grabstein für den Gatten ausgesucht und hoffe, er ist mit der Wahl zufrieden. Es ist Säulenbasalt, der sich im Laufe der Jahre verändern wird. Genaugenommen sind es zwei einzelne Säulen, die sich zueinander neigen. Das passt sehr gut zu unserem Traugedicht "Von der Ehe" von Khalil Gibran. Da man für alles auf dem Friedhof eine Baugenehmigung braucht, kommen gleich ein Ewiges Licht, eine Vase, ein Sitzpoller und eine Vogeltränke mit Bronzehasen dazu. So ist einmal alles komplett, fange ich nicht in ein paar Jahren wieder an. Ich muss mich dann auch um meine eigene Beerdigung kümmern, festlegen, wer für die Grabpflege etc. verantwortlich ist, denn wenn ich zum Gatten komme, kann das Grab erst nach 25 Jahren aufgelöst werden. Da wir keine Kinder oder andere Verwandten haben, bin ich gerade etwas überfragt, wem ich diese Verantwortung aufbürde - notfalls dem Verein, der irgendwann mal alles erbt. Das wird sich aber auch finden.

Ich habe spontan einen kleinen Tisch für den Relax-Sessel gekauft. Der fehlte mir schon in den letzten Lebenswochen des Gatten. Da improvisierten wir mit einem Stuhl. Ich bin stolz, dass ich es schaffte, das Tischchen selbst zusammenzubauen. Das ist bei Möbeln von Jysk einfacher als bei Möbeln von Ikea, an denen ich zuletzt auch immer wieder verzweifelte. Das Möbel scheint auch insgesamt wertiger als die letzten Möbel, die wir bei Ikea kauften, und es wurde auch an Filzgleiter gedacht, anders als bei Ikea. Jysk hat zudem den Vorteil, dass eine Filiale im hiesigen Gewerbegebiet ist, ich nicht 40 km nach Hamburg fahren muss. 

Fliederbeere und die kleine Rose, die ich im August aus dem Krankenhaus rettete, sind endlich eingepflanzt. Ich hoffe, beides wächst gut an. 

Die Einkäufe des Gatten, die ich noch zurückgeben konnte, sind retourniert, ein paar der anderen Artikel sind per Kleinanzeigen inseriert, zwei sind auch schon verkauft. Ich hoffe, so bekomme ich schnell Platz. Der Gatte hatte ja bis zuletzt die Hoffnung, wieder gesund zu werden, wieder sehen zu können, an seiner Werkstatt und an der Modellbahn weiterbauen zu können, und kaufte bis zuletzt ein. Es wird lange dauern, bis ich den Nachlass aufgelöst habe. Von den Modellen mag ich mich nicht trennen und muss mal gucken, wo ich die unterbringe, wenn Ende des Monats hoffentlich der Lagerraum des Gatten aufgelöst ist. Ich sehe mich schon einen Lagerraum in den lindgrünen Hölle mieten ... 

Für die Auflösung des Lagerraums in Hamburg habe ich einen günstigen Sperrmülltermin für Metall- und Elektroschrott ergattert. Genaugenommen darf ich den Schrott aus Hamburg nicht in Buchholz entsorgen, aber egal. In Hamburg kann ich die Sachen nur als immens teuren Gewerbeabfall entsorgen, weil sie nicht aus einem Privathaushalt stammen, sondern aus einem Lagerraum, und der ist für die Stadtreinigung immer gewerblich, auch, wenn er privat genutzt wird. Ich hoffe, ich kann eine Tour in Hamburg mit einer Hamburger Freundin machen, denn die Entsorgung in Hamburg ist günstiger als in der lindgrünen Hölle (und die Anzahl der zu entsorgenden Gegenstände ist auch nicht begrenzt). Ich fahre zwar immer noch einen Wagen mit Hamburger Kennzeichen, aber es werden auch die Ausweise kontrolliert.

Angesichts der Fülle der Gerätschaften in der Werkstatt hatte ich die Idee, einen privaten Heimwerker-Flohmarkt zu veranstalten, sobald ich halbwegs einen Überblick habe. Einer der Abholer fragte auch schon, ob er mal gucken solle, was er mir abkaufen könne. Ich melde mich bei ihm, sobald ich soweit bin. 

Ich habe angefangen, die ersten Verträge des Gatten zu kündigen. Lustig wird es mit zwei Lebensversicherungen, denn von beiden fehlen seit Schwiegermutters Umzug vor fünf Jahren die Policen bzw. bei einer ist unklar, ob der Gatte überhaupt eine Police bekam oder sein Arbeitgeber. Dusseligerweise wusste nicht mal mehr der Gatte, welcher Arbeitgeber sie als vermögenswirksame Leistung abschloss. Na ja, komplizierter als die Übernahme der Konten meiner Mutter bei ihrer zweiten Hausbank kann es auch nicht sein. Die Bank schickte gerade die jährliche Erinnerung, dass ich nachweisen soll, dass ich meine Mutter bin, die ihren Namen in meinen änderte. Der Nachweis lässt sich schon aus biologischen Gründen nicht erbringen. Strebeurkunde? Notarielles Testament? Erbschein? Generalvollmacht über den Tod hinaus? Alles irrelevant, solange ich nicht nachweisen kann, dass ich meine Mutter bin, die meinen Namen annahm. Aber ich habe ja jetzt Zeit, das Problem anzugehen, und ich bin sehr dankbar, dass ich es mir leisten konnte, das Konto bislang links liegen zu lassen, denn solange ich nicht nachweisen kann, dass ich meine Mutter bin, komme ich nicht an das Geld. Der Gatte hat zum Glück nur ein Konto bei unserer gemeinsamen Hausbank. Das macht manches einfacher.

Schwiegermutter schlug vor, den Treppenlift zu verkaufen, denn der ist ja noch keine vier Wochen alt. Die Idee, ist gut, aber ich befürchte, sie fällt aus allen Wolken, wenn sie hört, dass wir dafür gerade mal eben einen dreistelligen Betrag bekommen (wir zahlten trotz Zuschuss der Pflegekasse einen fünfstelligen Betrag). Ich könnte mehr bekommen, wenn ich hier in der Siedlung ein baugleiches Haus finde, deren Bewohner ein Interesse an dem Lift haben. Dann könnte ich auch Geld für das Gestänge verlangen. So gibt es nur Geld für den Sitz. Momentan nutze ich den Treppenlift als Lastenaufzug. 

Ich habe endlich eine Idee für die Gestaltung des Vorgartens, von der ich sicher bin, dass sie dem Gatten gefallen würde. Wenn ich etwas zur Ruhe gekommen bin, werde ich mal Kontakt mit unserem Gärtner aufnehmen.

Die kommende Woche wird schwer, denn es stehen Trauerfeier und Beisetzung an. Ich bin überwältigt von den vielen Kondolenzen für den Gatten - der Platz vom Panoramafenster wird langsam eng. Morgen reist die 92jährige Tante an, und von Dienstag bis Freitag sind Schwiegermutter und Tante dann bei mir. Das wird für alle Beteiligten anstrengend, und nach der Beisetzung wird der Tod des Gatten noch realer, als er es jetzt schon ist. 

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.

Freitag, 7. November 2025

Friday-Flowerday #45/25: Trauer-Rosen II

F. kam mit einem wunderbaren Strauß weißer Rosen zum Trauerbesuch. Sie hatte sich vorher viele Gedanken gemacht, weil: "Ich weiß ja gar nicht, wie das bei euch so ist, ob man sich da besucht, ob man Blumen mitbringt." F. ist Muslima, kam mit ihrem während des Jugoslawienkriegs aus Serbien bzw. Montenegro hierher und hat wenig Kontakte zu Nicht-Muslimen. Ihre kluge Tochter sagte: "Mama, frag' doch einfach!" Das tat sie, und ja, ich freute mich über Besuch und Blumen. Fragen ist eh immer das Beste.

Ein Strauß weißer Rosen in einer Edelstahlvase.

Ich stellte den Strauß erst in eine Edelstahlvase, die uns Schwiegermutter mal schenkte, fand aber nach einigen Tagen, dass die Blumen in der Vase nicht genug Platz haben. Also schnitt ich den Strauß auf und setzte ihn in ein Windlicht, das ich gelegentlich als Vase nutze.

Die Rosen im Detail.

Die letzte überlebende Rose kam dann schließlich in eine Solitärvase aus Glas, die mich auch schon seit einigen Jahrzehnten begleitet.

Mit etwas mehr Platz in der Windlicht-Vase blühten die Rosen dann richtig auf.

Während F.s Besuch lernte ich einiges über serbische Beerdigungen und Trauer-Riten. Mich erschrak, dass sich muslimische Serben bzw. Montenegriner offensichtlich nicht wohnortnah begraben lassen oder begraben lassen können. Die nächsten muslimischen Friedhöfe sind in Hamburg oder Bremen. F.s Verwandtschaft ist allerdings sämtlichst in den Herkunftsländern bestattet. 

Eine einzelne weiße Rose in einer Solitärvase.

Der Rosenstrauß geht rüber zum Friday-Flowerday. Vielen Dank für's Sammeln!

Donnerstag, 6. November 2025

#WMDEDGT 11/25: Zwischen Trauer und Theater

Heute ist wieder der fünfte Tag des Monats, und Frau Brüllen fragt "Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?", kurz WMDEDGT? Vielen Dank für's Sammeln!

Die ersten Nächte nach dem Tode des Gatten vor zwei Wochen konnte ich durchschlafen. Das ist leider schon länger nicht mehr so, und so schlafe ich wieder im Zwei-Stunden-Rhythmus, wache immer wieder auf. Daran ändert auch nichts, dass ich diese Nacht versuchsweise mit geöffnetem Fenster schlief. 

Ich habe heute erst nachmittags einen Termin, muss also nicht aufstehen und tue mich entsprechend schwer damit. Irgendwann schaffe ich es aber doch aus dem Bett und unter die Dusche, achte sogar darauf, dass meine Haare nicht nass werden sollen, falls die Länge für eine Haarspende reicht.

Anziehen, dann runter und den Frühstückstisch decken. Ich achte sehr darauf, mich nicht zu sehr von der Depression beherrschen zu lassen und keine Verwahrlosung einreißen zu lassen, daher: Gedeckter Frühstückstisch. Eine Strickfreundin schickt eine Kondolenz. Tränen fließen.

Während des Frühstücks einen Blick in die Tageszeitung werfen. Ich frühstücke lange, beschäftige mich nebenbei auch mit dem örtlichen Tauschring. Ich wollte schon seit dem Umzug mal zu einem Treffen, um zu gucken, ob's passt, denn ich finde das Konzept spannend. Im Dezember ist das nächste Gruppentreffen. Der Termin passt, und ich kann sogar mit dem Bus dorthin fahren! Ich fahre ja ungern Auto. Perspektivisch wird ein E-Bike oder sogar ein Lastenrad einziehen. Lastenräder kann man hier kostenlos ausleihen, so dass ich gucken kann, ob ich damit zurechtkomme. So muss ich dann nicht mit dem Auto zum Einkaufen fahren (die fußläufig erreichbaren Supermärkte / Discounter sagen mir nicht so zu).

Einen Blick auf die heutige Zu-erledigen-Liste werfen. Das Wetter ist gut, also kann ich wie geplant in den Garten, die Fliederbeere und eine Rose einpflanzen, die kleine Rose, die ich im August mit aus dem Krankenhaus nahm. Sie dankt mir die Befreiung mit üppigen Blüten, und ich hoffe, ich bringe sie über den Winter. Es steht zwar nicht auf der Liste, aber ich beschließe, das Holzregal aufzufüllen. Ich habe Sorge, dass das Holz nicht für den Winter reicht. Schnell zeigt sich: Die Sorge ist unbegründet. Das Holz im Haus fülle ich auch auf und reinige den Kamin.

Das Wetter ist gut. Lebte der Gatte noch, säße er in der Sonne auf der Terrasse und schaute mir beim Arbeiten zu. Zu seinen besseren Zeiten hätte er mir geholfen, hätten wir den Garten ratzfatz winterfest gehabt. 

Während des Holzschleppens meldet sich das Taschentelefon: Jemand will spontan einen Artikel abholen, den ich bei Kleinanzeigen einstellte. Wunderbar! Aus Erfahrung weise ich darauf hin, dass ich beim Preis nicht handle und den Artikel nur komplett abgebe. Gestern meldete sich jemand, der nur einen Teil kaufen wollte zu reduziertem Preis. Öhm, nö. Dieser Abholer ist aber nicht nur zuverlässig, sondern akzeptiert auch meine Bedingungen. 

Die Post war da und mit ihr zwei Kondolenzen. Zum wiederholten Male kullern heute die Tränen, und das nicht zum letzten Male. Offensichtlich bin ich mit meiner Trauer um den Gatten nicht so alleine, wie ich dachte. 

Eigentlich steht für heute noch das Einpflanzen dreier Rosen auf dem Plan, aber plötzlich ist alle Kraft weg. Das Wetter soll gut bleiben in den kommenden Tagen, also schaffe ich Kübel und drölfzich Liter Rosenerde hinters Haus. Einmal mehr bin ich dankbar für die vielen Rollbretter, die der Gatte baute, und beschließe, das Brett, das ich gerade nutzte, im Esszimmer unterm Schrank zu lassen. So ist es immer bereit, wenn ich schnell mal ein brauche, um Sachen von vorne nach hinten durch Flur und Küche zu transportieren. 

Ich sinke kraftlos in den Relax-Sessel des Gatten, der aktuell mein Lieblingsplatz ist, lese Zeitung, stricke eine Socke fertig und nicke dann ein wenig ein. Kaffee und Kandiskuchen, dann ist es Zeit, mich straßenfein zu machen. Ich messe meinen Zopf und stelle erfreut fest, dass die Länge für eine Haarspende reicht! Nach dem Friseurbesuch wird sich zeigen, dass ich noch nicht mal einen Kurzhaarschnitt bekomme, sondern einen Bob in meiner gewohnten Länge. Ich war übrigens zuletzt im November 2020 beim Friseur. Im Spätsommer hatte ich dem Gatten versprochen, zum Friseur zu gehen, wenn er aus dem Krankenhaus zurück ist. Das Versprechen löse ich jetzt ein, wenn auch anders, als im Spätsommer gedacht.

Beim Umziehen denke ich auch daran, die neue Jogginghose anzuprobieren. Ich habe nämlich zu wenig, weil zwei viel zu weit sind, nachdem ich in den letzten Monaten nochmal zehn Kilo abnahm. Leider stellte ich das mit den zu weiten Hosen erst fest, nachdem ich die nagelneuen Jogginghosen des Gatten in die Kleidersammlung gab. Sie hätten mir nämlich inzwischen gepasst, genau wie die gerade gekaufte. 

Innerhalb von sechs Jahren habe ich es geschafft, meine Haare so lang wachsen zu lassen, dass es für eine Haarspende reicht.

In den Keller, nach meinen Winterstiefel suchen. Ich will zur Trauerfeier und zur Beisetzung nicht in Chucks, selbst, wenn der Gatte in Chucks beerdigt wird. Dabei stelle ich fest, dass ein Paar neue Hacken braucht und das zweite Paar spurlos verschwunden ist. Ich habe tatsächlich neu ein drittes Paar, ungetragen, das mir jetzt gerade recht kommt. Sie sitzen eng, aber bis zur Trauerfeier und Beisetzung bekomme ich sie noch eingelaufen.

Der Friseurtermin geht schneller als gedacht, so dass ich Luft habe, bis ich ins Theater gehe. Ich kuschle mich wieder in den Relax-Sessel. Das Taschentelefon erinnert mich daran, dass Margot Friedländer heute 104 Jahre alt geworden wäre. Ich bekomme einen Hinweis auf den Film "Shifting Paths", in dem es um die jüdische Familie Abelmann geht, Pharmazeiten, die u.a. Kamillosan erfanden, und ertappe mich dabei, wie ich dem Gatten davon erzählen möchte, denn er nutzte das Produkt regelmäßig. Mit Freundinnen whatsappen, dann Fertigfutter zum Abendessen machen, mich freuen, dass der Tiefkühler wieder etwas leerer ist, und ab ins Theater. 

Ich achte darauf, dass ich eine Lampe im Wohnzimmer anlasse, damit mich bei der Rückkehr nicht das heulende Elend angesichts des dunklen leeren Hauses überkommt wie Sonntag, als ich aus dem Kino kam.

Der Weg ins Theater führt an der Kirche vorbei, wo der Organist gerade übt. Da ich wie üblich zu früh dran bin (ich muss mich an mein eigenes Tempo erst wieder gewöhnen, plane die Wege immer noch so, als käme der Gatte mit), kann ich mich einen Moment auf eine Bank unter einem der Fenster setzen und zuhören. 

Dass ich zu Marlene Jaschke gehe, liegt auch am Gatten, der vorschlug, zusammen dahin zu gehen, als er Plakate sah. Ich wunderte mich, denn ich wusste nicht, dass der Gatte Frau Jaschke mag. Aber in den 26 Jahren, die wir uns kannten, überraschte mich der Gatte ja oft. Jedenfalls: Ich bezweifle, dass er das Programm goutiert hätte. Es wurde gesungen, und phasenweise war es sehr klamaukig. Während der Vorstellung rechne ich nach, dass Jutta Wübbe, die die Jaschke verkörpert, bummelig 70 Jahre sein dürfte - das kann doch nicht sein! Es war doch quasi erst gestern, als ich sie zum ersten Mal auf der Bühne des Schmidts, weiland mein zweites Wohnzimmer, sah! Hilfe, ich bin alt!

Schon super, der Mond.

Wieder zu Hause, erwische ich noch den Rest der Tagesthemen und bleibe noch etwas am Fernseher hängen, bevor es zu spät ins Bett geht. Aber ich habe morgen keine Termine.

Der Blick zurück in die ersten fünf Corona-Jahre: Am 5. November 2020 verzweifle ich an der ketogenen Ernährung, ahnen wir noch nicht das Ausmaß der Erkrankung des Gatten und denken, wir können den Advent ganz normal feiern, beschäftigen uns Corona-Regeln. Am 5. November 2021 wissen wir schon um das Ausmaß der Erkrankung des Gatten. überrascht er mich mit roten Rosen. Am 5. November 2022 war ich zum ersten Mal im Repair Café, waren wir gefrustet, weil im Haus nichts vorwärts geht, obwohl die Baubrigade schon seit Ende September fertig sein sollte, wir schon mitten in den Umzugsvorbereitungen stecken sollten. In denen stecken wir am 5. November 2023. Am 5. November 2024 konnte der Gatte noch alleine zu einem Termin gehen und durch die Stadt stromern.

Samstag, 1. November 2025

Samstagsplausch KW 44/25: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCXCIV

Es ist so schrecklich still im Haus ohne den Gatten. Es schmerzt, dass ich ohne Gruß gehe, dass ich ohne Gruß wieder nach Hause komme, dass keiner da ist, mit dem ich den Tag Revue passieren lassen kann. Ich war zwar in diesem Jahr oft alleine im Haus, weil der Gatte so lange im Krankenhaus war, aber wenn ich aus dem Haus ging, war der Gatte mein Ziel, und wenn ich wieder nach Hause kam, kam ich vom Gatten. 

Stille und Leere sind schwer zu ertragen.

Ein Fliegenpilz auf dem Friedhof.

Dabei war es genaugenommen gar nicht so still und leer in den letzten Tagen.

Zusammen mit dem Bestatter habe ich die rituelle Waschung des Gatten durchgeführt. Der Bestatter hat ihn rasiert. Das wollte ich nicht selbst machen, weil der Gatte in den letzten Wochen immer wieder meinte, ich könne das nicht gut genug, und mir jedes Mal den Rasierer aus der Hand nahm. Dann zogen wir dem Gatten seine Lieblingskleidung an. Der Bestatter nahm außerdem einen Abdruck für eine Totenmaske. Später brachte ich noch die Grabbeigaben vorbei. Der Gatte entschied sich für eine Erdbestattung, so dass er alles mit ins Jenseits bekommen kann, was ihm wichtig ist. 

G. kam aus Hamburg, brachte eine Schüssel Madeleines mit und spazierte mit mir zwei Stunden bei Regen und Sturm über den kleinen Friedhof auf der Suche nach möglichen Gräbern. Sie war in einem früheren Leben Friedhofsgärtnerin und wollte verhindern, dass ich aus Überforderung einfach irgendein Grab nehme, das mir die Friedhofsverwaltung vorschlägt. Erfreulicherweise fanden wir Spuren von Kaninchen auf dem Friedhof, denn der Gatte ließ sich von mir das Versprechen geben, dass er auf einen Friedhof mit Hasen bzw. Kaninchen kommt. 

Die Mitarbeiterin der Friedhofsverwaltung, mit der ich mich Tage später traf, um ein Grab zu kaufen, war beeindruckt, dass wir uns vorher trafen, um zu gucken, was mir wichtig ist. Ich hatte eine Rangliste vorbereitet. Die beiden Gräber, die ich am liebsten gehabt hätten, schieden aus, weil sie für vier Personen sind, also wurde es die dritte Option. Ich denke, der Gatte ist mit dem Grab unter Bäumen einverstanden, denn als ich noch überlegte, ob es wirklich das werden sollte, fiel plötzlich ein Sonnenstrahl durch den regengrauen Himmel darauf. Jedenfalls waren wir mit dem Gräberkauf in unter fünfzehn Minuten durch.

G. und ich guckten uns auch die Friedhofskapelle an, und ich war froh über den Entschluss, dort nicht die Trauerfeier zu machen, sondern im Beerdigungsinstitut. Ursprünglich entschied ich mich gegen die Kapelle, weil ich nicht frieren wollte. Jetzt realisierte ich, dass der Sarg dort vor Heldengedenk-Fenstern aufgebahrt wird, man auf die Namen der toten Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg blickt. Das fiel mir früher nie auf. Die Kapelle ist zwar niedlich, aber die Fensterfront geht gar nicht, weder für den einst soldatischen Gatten noch für mich. Da sind wir im Beerdigungsinstitut besser aufgehoben, denn dort blicken wir auf ein Foto des Gatten, aufgenommen bei unserem letzten gemeinsamen Ausflug in die Heide Ende September, bevor der Gatte palliativ wurde. 

Durch den Spaziergang mit G. fand ich auch eine Idee für die Gestaltung des Grabmals: Der Gatte liebte Solnhofer Platten wegen der Fossilien, präparierte auch selbst Fossilien, verdiente in einem früheren Leben seine Brötchen damit. Leider ist der Kalkstein nicht geeignet für Außennutzung, aber mit dem Steinmetz sprach ich schon ab, dass in den Grabstein eine Fossilie kommt - und natürlich ein Hase. Einen Termin mit dem Steinmetz habe ich auch schon. Außerdem kommt eine Bank auf's Grab, wenn sie denn von der Friedhofsverwaltung genehmigt wird, damit ich beim Trauern nicht stehen muss. Ich bin faul. Da ich freie Hand bei der Gestaltung des Grabs habe, bin ich kurz davor, die LGB, die sich der Gatte wünschte, aufbauen zu lassen ... Ja, ich bin knapp vorm Durchdrehen vor Trauer, ich weiß.

F. kam mit einem wunderbaren Strauß weißer Rosen zum Trauer-Tee. Sie war kaum weg, da kamen spontan die beiden Sandkasten-Freundinnen vorbei, um sich zu überzeugen, dass ich wirklich den Umständen entsprechend okay bin, wie ich per WhatsApp behauptete. Zum Glück waren reichlich Madeleines da! 

A. buchte sich für eine Woche im hiesigen Hotel ein, um mir beim Auflösen des Hamburger Lagers zu helfen, und G. wird auch dazu kommen. Zu dritt bekommen wir das hoffentlich gewuppt. Das Lager sorgte im Mai für einen Eklat zwischen Schwiegermutter und Gatten, der so heftig war, dass der Gatte bis zum Schluss nicht über den Streit hinweg kam. Ich wusste nicht, dass Schwiegermutter noch immer für den Raum zahlt, dachte, das wäre schon längst von uns übernommen worden. Schwiegermutter verstand bis zum Schluss nicht, wie krank der Gatte war, dass er einfach nicht in der Lage war, das Lager aufzulösen. Sie hielt ihn einfach für faul. Nach dem Eklat im Mai wollte ich die Bezahlung des Lagers auf mich umstellen, so dass Schwiegermutter raus ist, aber das war auch wieder falsch für sie, und der Gatte hatte andere Sorgen, als sich da durchzusetzen. Jetzt will ich das Lager schnellstmöglich auflösen, solange Schwiegermutter mich noch für die beste Schwiegertochter von allen hält. Wer weiß, wann sich ihre Einstellung mir gegenüber wieder ändert.

An. lud mich zu sich ans Meer ein, weil Meer im Moment die beste Medizin sei. Ja, stimmt, nur steht mir im Moment nicht der Sinn nach Wegfahren. Ich will erstmal lernen, mit Stille, Leere und Einsamkeit zurecht zu kommen, habe sonst das Gefühl, auf der Flucht zu sein. Ich muss auch wieder so etwas wie Alltag lernen. Ich habe mir allerdings für Morgen eine Kinokarte besorgt und für Mittwoch eine Theaterkarte. Außerdem habe ich einen Friseurtermin, denn ich versprach dem Gatten, mir die Haare schneiden zu lassen, wenn er aus dem Krankenhaus nach Hause kommt. Da ich ihn schnell nicht mehr wirklich alleine lassen konnte, ging sich das nicht aus. Ich war im November 2020 zuletzt beim Friseur, ließ mir denn einen Zopf wachsen für eine Haarspende, aber das klappt nicht. Ich bin kein Typ für lange Haare.

M., zu dem ich vor fast 15 Jahren den Kontakt verlor, rief an, weil er über eine Kollegin erfuhr, was passierte. 

Der überrechte Nachbar meinte, es wäre gut, dass ich jetzt in der Kleinstadt lebe, wo sich so viele Menschen um mich kümmern könnten und alle Nachbarn Bescheid wüssten, und nicht mehr in der anonymen Großstadt. Ja, manchmal denke ich das auch, aber ich weiß auch, warum ich vor 41 Jahren geradezu fluchtartig aus der lindgrünen Hölle floh und dass ich nur dem Gatten zuliebe zurückkehrte, weil er sich in Haus und Stadt verliebte. Jetzt bin ich alleine hier und weiß noch nicht, was ich davon halten soll. Freundinnen sagen, ich bin entspannter und glücklicher, seitdem ich in der Kleinstadt lebe. Manchmal denke ich das auch. Mal gucken, was wird.

Das Pflegebett des Gatten wurde abgeholt, und ich war pikiert, dass ich die Matratze selbst entsorgen muss. Zum Glück stand der Astra gerade vor der Tür. Ins Karlchen hätte die Matratze nicht gepasst. Auf dem Müllumschlagplatz musste ich für die Entsorgung Sperrmüll-Gebühren zahlen, da Sperrmüll gebührenpflichtig ist, wenn man ihn selbst anliefert und nicht bis zum nächsten Sammeltermin wartet. Es war eine absurde Situation, und ich konnte nicht wirklich ausblenden, dass ich gerade die Matratze, auf der Gatte  starb, in den Container wuchte. Auf dieses Szenario war ich nicht vorbereitet.

Eine Bekannte, die für die Ukraine-Hilfe sammelt, holte Rollstuhl, Rollator, Schutzschuhe und einiges mehr ab. Die Firma, die dem Gatten Beatmungstechnik lieferte, war eine Woche weder telefonisch noch per Mail erreichbar und reagierte erst, als ich mich in einer Mail für die großzügige Spende an die Ukraine-Hilfe bedankte. Prompt wurde die Beatmungstechnik am kommenden Tag abgeholt. Ich habe den Hausnotruf zurückgeschickt. 

Ich habe drei Thomas Beckett-Rosen gekauft in der Hoffnung, dass ich eine durchbringe und auf's Grab setzen kann. Kommen alle drei durch, kommt eine zur Hummelrast und die andere in den Vorgarten. Der Gatte beschloss im Frühjahr, aus dem Vorgarten mittels Kübeln einen Rosengarten zu machen. Leider war er zum Rosen-Markt, wo die ersten Stöcke gekauft werden sollten, schon im Krankenhaus. Ich werde jetzt also lernen, wie man Rosen hegt und pflegt. Ich habe schon erfahren, dass die Rehe auf dem Friedhof die Rosenknospen lieben, und geguckt, was außer einem Jagdschein hilft. Dem Gatten würden zwar Bambi und Klopfer an seinem Grab gefallen, aber für die kann ich auch etwas anderes pflanzen - Wassermelonen, die der Gatte zuletzt als einziges noch aß, zum Beispiel. Der Friedhofsgärtner, der sich um das Grab meiner Eltern kümmert, weiß schon, dass er sich ab Januar auch um das Grab des Gatten kümmern wird. 

Die ersten Säcke mit Kleidung gingen zur Kolping-Sammlung, und die ersten Kleinmöbel aus dem Arbeitszimmer des Gatten wurden verschenkt. Den Nachlass des Gatten aufzulösen, wird noch ein Akt. Er hat zwar festgelegt, wer was bekommen soll von den Dingen, die sich verkaufen lassen, aber ob die Händler die Sachen wirklich haben möchten, weiß ich nicht (ganz zu schweigen von ihrem Wert). Ich bin auch mit dem ganzen Technik-Park in Arbeitszimmer, Gästezimmer und Werkstatt komplett überfordert, weiß zum Teil noch nicht mal, was das ist, bin froh um jede Rechnung, die ich finde, die mir sagt, was es ist und wie teuer es war. Ich hoffe, dass mir der Mann einer der beiden Sandkastenfreundinnen bei den Sachen ohne Rechnung helfen kann, musste ihr allerdings versprechen, dass ich ihm nichts aus der Werkstatt mitgebe, da sie gerade beim Entrümpeln ist. Kommt mir irgendwie bekannt vor ... Ich hoffe, dass ich den Dezember-Termin für den Sperrmüll wahrnehmen kann, wobei ein Termin nicht reicht, da die Anzahl der Sachen, die abgeholt werden, begrenzt ist. Der Novembertermin kollidiert mit der Beisetzung.

Ich ließ mich endlich gegen Covid und Grippe impfen und schaffte es, noch für diesen Jahr einen schon längst überfälligen Zahnarzttermin zu ergattern. Selbstfürsorge halt. Die Apothekerin, die mich impfte, trug einen Pin mit einer Israel-Flagge und freute sich sichtlich, als ich sagte, dass ich mich freue, den Pin zu sehen, weil so ein Solidaritätszeichen selten ist in diesen Tagen. "Ja, es ist ja leider immer noch nicht vorbei", meinte sie. Bring them home now gilt noch immer. Die Covid-Impfung nahm mich wieder mehr mit als die Grippe-Impfung. Ich war auch so lange nicht mehr unter Menschen, dass ich mich erst wieder an Maske und Luftfilter gewöhnen muss. Ich habe keinen Bock auf Covid, Grippe oder Erkältung. Ich habe beim Gatten gesehen, was die anrichten können.

Schwiegermutter baut rasend schnell ab, was erschreckend ist. Ich hoffe, sie fängt sich wieder. Ein Kind zu verlieren, ist das schlimmste, was passieren kann. Sie versucht gerade, mich zu instrumentalisieren, so dass ich reichlich Grenzen setzen muss. Ich habe nicht vergessen, dass sie über 20 Jahre lang vehement gegen die Beziehung zwischen dem Gatten und mir intrigierte, mit allen erdenklichen Mitteln. So gibt es einen sittenwidrigen Ehevertrag, musste sich der Gatte verpflichten, nicht mit mir in sein Elternhaus zu ziehen, weswegen es verkauft wurde (und Schwiegermutter sich seitdem fragt, warum der Gatte es ablehnte, in das Haus zu ziehen). Erst als Schwiegermutter sah, dass ich trotz seiner Erkrankungen zum Gatten halte, bin ich die beste Schwiegertochter von allen. Dem Braten traue ich nicht. 

Noch ist Schwiegermutter der Meinung, dass wir zukünftig zusammen urlauben, dass sie sich ab Frühjahr regelmäßig um den Garten kümmern wird usw. Zwar werden wir Weihnachten zusammen mit Tante verbringen, das war noch zu Lebzeiten des Gatten geplant, aber Schwiegermutter wurde schon fünsch, als sie begriff, dass ich nicht Tage vor Weihnachten mit ihr zusammen im Zug hin- und erst nach Neujahr zurückfahren werde. Dass ich außerdem vorhabe, in Dachau und München unterwegs zu sein, überhörte sie geflissentlich. Ich möchte in beiden Städten ein paar von den Dingen machen, die ich bei den letzten Besuchen gerne mit dem Gatten gemacht hätte, für die er damals aber schon keine Kraft mehr hatte.

Schwiegermutter goutiert nicht, dass ich vieles von dem, was ich mit dem Gatten geplant hatte, alleine machen möchte. Sie sei nie dort gewesen, wo sie mit ihrem Mann gewesen war, das habe sie nicht ertragen. Verständlich, aber jede trauert anders. Der Gatte und ich hatten viele gemeinsame Interessen und Hobbies, und ich würde mich beschränken, wenn ich denen nun nicht mehr nachgehe. Außerdem möchte ich nach Lanzarote, wie ich es dem Gatten versprach. Er hatte gehofft, dass wir die Reise gemeinsam machen könnten, nachdem seine Beine operiert waren, und als klar war, dass das nichts wird, nahm er mir das Versprechen ab, dorthin alleine zu reisen. Leider konnte er mir nicht mehr sagen, wo auf Lanzarote er vor Jahrenden urlaubte.

Ich habe es endlich geschafft, der Ostsee-Tante vom Tod des Gatten zu erzählen. Sie feierte letzte Woche ihren 90. Geburtstag, und den wollte ich nicht mit schlechten Nachrichten überschatten. 

Ich habe die Halloween-Girlande aus dem Häuschen geholt und aufgehängt. Der Gatte liebte Halloween, seitdem wir in der lindgrünen Hölle wohnen, und ich werde in seinem Sinne erstmal weitermachen. Schnobkram war ausreichend da, nur die Maskerade und die Special Effects spare ich mir - das konnte der Gatte besser. In der Siedlung ist eine neue Familie eingezogen, die den Vorgarten dekoriert. Würde der Gatte noch leben, würde er sich mit der Familie einen Deko-Wettkampf liefern - Griswolds Halloween, sozusagen. Ich musste an unser erstes gemeinsames Halloween im alt-neuen Haus 2023 denken, wo der maskierte Gatte bei jedem Klingeln glücklich zur Tür lief, während ich ein Gulasch mit Aprikosen kochte. Letztes Jahr konnte er dann schon nicht mehr alleine zur Tür laufen, brauchte meine Hilfe, war aber dennoch glücklich.

Die Trauerkarten sind verschickt - gestern geschrieben mit zitternden Händen und unter Tränen. Spontan fragte ich die 91jährige Nahcbarin, ob sie Lust auf eine kleine Runde zum Briefkasten habe. Ich wusste, dass sie alleine ist, weil sie mich vormittags schon anrief. Sie fühlt sich oft alleine, obwohl sich ihre Kinder liebevoll kümmern. Sie ist seit sechs Jahren Witwe und trauert noch immer. Als sie hörte, dass der Gatte starb, meinte sie gleich, ihre Tür stehe mir immer offen. Wie lieb! Jedenfalls: Der nächste Briefkasten ist keine 200 m entfernt. Das war die kleine Runde, die ich meinte - mit Rundweg um den Häuserblock wäre es vielleicht ein Kilometer gewesen. Die Nachbarin steuerte allerdings zielsicher Richtung Post, so dass wir knapp drei Kilometer liefen. Zum Glück war ich warm angezogen. Da die Nachbarin gerne spazieren geht, werde ich sie sicher öfter fragen.

Die Traueranzeige in der Lokalpostille erscheint heute. Schwiegermutter wollte nicht, dass eine Anzeige in der Zeitung erscheint, aber ich finde, das gehört sich so, auch, wenn der Gatte hier niemanden kennt. 

Hier galt 293 Wochen: Der Gatte und ich waren weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall, im sechsten wurde er ein Palliativfall, steckte sich im Sommer bei einem neunwöchigen Krankenhausaufenthalt mit Candidozyma auris an. An der Pilz-Infektion starb er im Oktober 2025 im Alter von 64 Jahren. Seit Woche 294 versuche ich mich, im Alleinleben zurechtzufinden. 

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.