Sonntag, 28. September 2025

Samstagsplausch KW 39/25: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCLXXXIX

Und dann geht's auf einmal ganz schnell. Sonntag bekam der Gatte Fieber, Montag und Dienstag hatte er Probleme, aufzustehen, war sehr schwach. Dienstag Nachmittag kam der Hausarzt, befand, der Gatte sei jetzt Palliativ-Patient, und leitete alles für das Palliativnetz in die Wege. Das ging so schnell, dass das Palliativnetz nicht hinterher kam, ich die Unterlagen und Medikamente erst am Freitag bekam. Jetzt schaut jeden Tag eine Pflegekraft nach dem Gatten, was ihn total nervt, und nach mir, was mich etwas beruhigt, fühle ich mich mit der Gesamtsituation doch leicht überfordert.

"Wir reden von Tagen, nicht mehr von Wochen", meinte der Haus- bzw. Palliativarzt Dienstag nach der Versorgung des Gatten, als er mit mir die Verträge für die palliative Versorgung durchging. Ich weiß klare Ansagen in solchen Situationen zu schätzen, dennoch ist es ein Schock.

So ist es bei uns noch ruhiger als ohnehin schon. Wir versuchen, so viel Zeit wie möglich zusammen zu verbringen.

Ich kann mich an den Sonnenuntergängen einfach nicht sattsehen.

Hier gilt seit mittlerweile 289 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall, im sechsten wurde er ein Palliativfall, steckte sich im Sommer bei einem neunwöchigen Krankenhausaufenthalt mit Candidozyma auris an und wird an der Pilz-Infektion sterben.

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.

Sonntag, 21. September 2025

Samstagsplausch KW 38/25: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCLXXXVIII

Die Tage sind aktuell schwarz, voller trauriger Gedanken und Abschiede, Tränen und letzter Male. Wir realisieren langsam, dass sich unsere Wünsche und Hoffnungen, mit denen wir im Sommer 2022 in das neue Leben im alt-neuen Haus aufbrachen, nicht mehr umsetzen lassen. Wir realisieren, dass es keine gemeinsamen Urlaube mehr geben wird, dass der Gatte die im Krankenhaus geplante Lanzarote-Reise nicht mehr machen wird. Ich soll sie alleine machen, dabei an ihn denken. 

Es wird keine Kinobesuche, keine Spaziergänge, keine Einkaufsbummel, keinen Stadtfest-Besuch, keine Sommer im Garten mehr geben ... Der Gatte wird nicht mehr erleben, wie das nach seinen Plänen umgebaute Haus fertig wird. 

Der Wein trägt dieses Jahr sehr üppig; die Trauben sind besonders süß.

Das letzte Mal den kleinen Apfelbaum ernten, der so üppig trägt, als gäbe es kein Morgen. Das letzte Mal die Weintrauben ernten, die ebenfalls üppig tragen und dieses Jahr unglaublich süß sind. Das letzte Mal an der Hummel-Rast sitzen.

Die Kindheitswege, die ich so gerne gemeinsam mit dem Gatten gegangen wäre, werden wir nicht gemeinsam gehen. Die Wanderungen, die wir machen wollten, werden wir nicht mehr gemeinsam machen. Wir wollten Ausflüge in die umliegenden Städte machen. Diese Ausflüge wird es nicht mehr geben. Es wird kein Hund ins alt-neue Haus einziehen.

Wir hätten gerne eine Prognose zur Lebenserwartung des Gatten, aber die gibt es nicht, und das macht alles nochmal schwerer. Seitens des Krankenhauses war mehrfach von einer Lebenserwartung von zwei Monaten die Rede. Die wären spätestens Mitte Oktober vorbei. Dann wiederum hieß es, man würde keine Prognose wagen. Wir sind dankbar für jeden Morgen, den wir zusammen aufwachen, für jeden Abend, den wir zusammen einschlafen. "Lebe jeden Tag, als wäre es dein letzter" wird zur hohlen Phrase, wenn jeder Tag der letzte sein könnte. 

Dieses Wochenende ist Schwiegermutter zu Besuch, was für den Gatten und mich unwahrscheinlich anstrengend ist. Riss sie sich während der Wochen, die der Gatte im Krankenhaus war, noch einigermaßen zusammen, lebt sie nun ihren Narzissmus komplett aus. So wollten wir gestern eigentlich einen schönen Tag in der Heide verleben. Da Schwiegermutter darauf bestand, dass ich mich entspannen sollte, sollte nicht mit dem Auto gefahren werden, sondern mit dem Heide-Shuttle. Wir haben Schwiegermutter vorher lang und breit mehrfach erklärt, dass der Bus mitnichten mitten über die Heideflächen des Naturparks fährt, sondern durch die Heide-Dörfer, und an jeder Milchkanne hält, so dass wir bis zum Ziel über eine Stunde brauchen. Das kam nur nicht bei ihr an, und so meckerte sie in einer Tour, sie bekäme ja gar keine Heide zu sehen, der Bus wäre so ruckelig, sie habe in der prallen Sonne sitzen müssen (sie hätte sich umsetzen können). Am Ziel angekommen, hätte sie bis zur Heide 500 m gehen müssen, aber das wollte sie nicht. 

Mittlerweile war der Gatte kurz vorm Zusammenbruch, so dass ich für die Rückfahrt kurzerhand ein Taxi organisierte. Beim Einstiegen verletzte sich der Gatte am Fuß ... Es war ein in jeder Hinsicht gebrauchter Tag. Wenigstens hatte Schwiegermutter ein Einsehen und bestand nicht auf das abendliche Essengehen, so dass der Gatte ein wenig Ruhe finden konnte. Ich hoffe, die kommende Woche wird für ihn ruhiger. 

Wir fanden diese Woche einen Relax-Sessel für den Gatten, und die Verkäuferin erkannte, das Eile Geboten ist. So zeigte sie uns ein Modell aus dem Abverkauf, das wir sofort hätten mitnehmen können. Der Sessel wird Mittwoch geliefert. Ansonsten dauern die Lieferzeiten schon mal bis zu 18 Wochen, und die hat der Gatte nicht mehr. Der Gatte hat jetzt einen Hausnotruf, und der Treppenlift ist auch in Arbeit. Der wird allerdings erst Mitte / Ende Oktober kommen.

Diese Woche habe ich schweren Herzens meinen für Mitte Oktober geplanten Kurzurlaub abgesagt. Der Gatte sagte zwar immer, ich solle fahren, er schaffe das schon alleine, aber ich sehe ja jeden Tag, wie schwer es ihm fällt, sich selbst zu versorgen. Also bat ich ihn, nicht an mich zu denken, sondern nur an sich, und danach zu entscheiden, ob ich fahren solle. Er fand es ganz schon krass, vier Tage alleine zurechtkommen zu müssen. Also bleibe ich zu Hause. Es wird schon schwierig, den Gatten übernächste Woche zwei halbe Tage alleine zu lassen, aber ich habe Arzttermine in Hamburg, die ich wahrnehmen muss. Wir werden gucken, dass der Gatte ihm ersten Stock bleiben kann und dort alles hat, was er braucht. Wenn er den Treppenlift noch erlebt, ist es einfacher, den Gatten etwas länger alleine zu lassen. 

Normalerweise würde sich der Gatte jetzt Gedanken machen über die Halloween-Deko, denn seitdem wir das alt-neue Haus haben, liebt er das Fest. In diesem Jahr hat er allerdings keine Lust. Ich überlege noch, ob ich mich um Deko und Schnobkram kümmere oder ob wir einfach alles verrammeln. 

Morgen Abend beginnt das neue Jahr. Ich kann mich nicht erinnern, es jemals so traurig und voller schwerer Gedanken begangen zu haben. 

Hier gilt seit mittlerweile 288 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall, im sechsten wurde er ein Palliativfall. Der Gatte ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Es geht uns dennoch vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich die Erkrankungen und der Schlaganfall des Gatten zu Wesensveränderungen führten, die ein Zusammenleben manchmal sehr schwer machen. 

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Samstag, 13. September 2025

Samstagsplausch KW 37/25: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCLXXXVII

Sonntag saßen wir auf der Terrasse, hatte ich nach neun Wochen endlich mal wieder die Muße, in Ruhe die Lokalpostille zu lesen. Ich entdeckte eine Todesanzeige für den jungen Mann, der mit dem Gatten zwei Tage das Zimmer teilte. Er kam an einem Donnerstag als Notfall, war sehr schwach und desorientiert, als er zum Gatten auf's Zimmer verlegt wurde. Zwei Tage später wurde er dann hektisch auf die Intensivstation verlegt. Wiederum zwei Tage später starb er. Wir sind traurig und geschockt. Dem Gatten steckt der Besuch der Eltern des jungen Mannes in den Knochen. Sie haben ihn über Stunden beschimpft, weil er nicht eher ins Krankenhaus ging. Sie brachten ihm allerdings auch eine Rose mit, die im Krankenzimmer vergessen wurde, als alle Sachen des jungen Mannes eingepackt wurden. Ich hatte nach drei Tagen Mitleid mit dem zunehmend trockner werdenden Pflänzchen und nahm es mit nach Hause, wo es seitdem üppig blüht. Die Mitnahme war vermutlich moralisch verwerflich, aber ich konnte nicht anders.

Insgesamt reden wir in diesen Tagen viel über das, was der Gatte in neun Wochen Krankenhaus erlebte. Es wird dauern, bis er die vielen Eindrücke verarbeitete. Erfreulicherweise erledigte sich aber manches, was mir im Krankenhaus Kopfzerbrechen machte, quasi sofort nach Ankunft des Gatten zu Hause, ist das Delir komplett verschwunden.

Montag und Dienstag hatten eine hohe Schlagzahl, vor allem für den Gatten, der ja neun Wochen quasi nur im Bett lag oder mit dem Rollstuhl geschoben wurde, sich kaum bewegte, jetzt aber partout wieder Normalität haben möchte. Nur spielt da sein Körper nicht mit. Montag wollte der Gatte unbedingt nur mit einem Stock gehen, Dienstag nahm er den Rollator. Der Rollstuhl wäre in beiden Fällen die bessere, da weniger anstrengendere,  Wahl gewesen, aber auf den möchte der Gatte möglichst verzichten. Leider will der Gatte im Haus auch möglichst auf den Stock verzichten. So sehr ich das verstehen kann, so sehr habe ich im Gedächtnis, dass der Verzicht auf einen Stock letztlich meiner Mutter das Leben kostete. 

Wir waren beim neuen Nephrologen, und der Wechsel scheint eine gute Idee gewesen zu sein. Nicht nur, weil uns die Fahrt nach Hamburg erspart bleibt, sondern auch, weil der Gatte von nur einem Arzt behandelt wird. In der Hamburger Praxis hatte er jedes Mal einen anderen Arzt. Das machte ihn irre. Die hiesige Praxis ist auch insgesamt kleiner und ruhiger, was ebenfalls wohltuend ist. Der neue Nephrologe macht einen guten Eindruck. Wir konnten einige offene Fragen klären, zum Beispiel die nach der Dialyse, die immer wieder im Raum stand, zuletzt im Krankenhaus, wo sie der Gatte angeblich verweigert haben soll. Da ich bei so ziemlich allen Arztgesprächen dabei war, war ich irritiert, denn es war nicht von einer Dialyse die Rede. Dafür sah auch der Nephrologe keinen Grund. Die Niere ist auf niedrigem Niveau stabil.

Wir waren auch beim Diabetologen, der in der Fußambulanz die Wundversorgung des Gatten übernimmt. Beim Saubermachen der Amputationswunde zeigte sich, wie "gründlich" das Krankenhaus die Wunde säuberte: Es befanden sich noch Fäden in der Wunde - seit über sieben Wochen! Wundmanagerin und Ärztin waren fassungslos. Dass der Gatte eine tödlich verlaufende Pilzinfektion hat, ist schlichtweg kein Wunder. Die Fäden sind gezogen, und künftig sind wir alle zwei Wochen in der Fußambulanz. Dazwischen übernimmt der Pflegedienst. Sollte sich die Wunde entzünden, können wir jederzeit in die Fußambulanz. Entscheidend für den Verlauf der Pilzinfektion ist nach wie vor, dass die Wundsituation stabil bleibt. Umso länger kann der Gatte leben. 

Beim Diabetologen gab's eine Überraschung: Der Langzeitzuckerwert des Gatten ist so gesunken, dass er fast im Normbereich ist! Das ist nach über 20 Jahren das erste Mal! Das Leben hat einen seltsamen Humor: Der Gatte stirbt an Candidose, aber mit sehr gut eingestelltem Blutzucker. 

Der Haus- bzw. Palliativarzt war da und befand, der Gatte sei noch kein Palliativpatient. Äh, bitte was?! Seiner Meinung nach werden die kommenden vier Wochen zeigen, in welche Richtung es bei dem Gatten gehe. Erst dann würde der Hausarzt ihn als palliativ einstufen. Bleibt der Gatte hingegen fieberfrei, dürfen wir vorsichtig Hoffnung schöpfen.

Okay, der Gatte ist Schrödingers Palliativpatient.

Wir wissen aktuell nicht, was wir davon halten sollen, was wir denken oder fühlen sollen. Es widerspricht allem, was uns die Ärzte im Krankenhaus sagten. Andererseits: Wir vertrauen dem Hausarzt. Der Gatte kämpft tapfer. Er will leben, so lange wie irgend möglich, selbstbestimmt. Er wird langsam selbstständiger, kräftiger, beweglicher, die Muskulatur wird stärker. Die vor einer Woche montierte  Aufstehhilfe am Bett braucht der Gatte kaum noch, und die seit drei Tagen vorhandene Aufstehhilfe am Sofa immer seltener (das Aufstehen vom Sofa war schon zu besseren Zeiten schwierig).

Sicher ist, dass wir durch die zurückgenommene Palliativ-Einstufung weniger Unterstützung bekommen, und das, wo der Gatte jetzt doch erheblich mehr Pflegebedarf hat. Das belastet vor allem mich, da bin ich ganz egoistisch, denn über das Palliativnetz hätte ich Tag und Nacht jemanden erreichen können bei Fragen oder Problemen. Der Gatte ist da wesentlich gelassener.

Der Hausarzt strich zudem den Medikamentenplan aus dem Krankenhaus zusammen, der drei DinA4-Seiten umfasste. Der Gatte bekam in den letzten Wochen über 30 Tabletten täglich und zusätzlich mehrere Infusionen. Auf dem Plan sind Medikamente, deren Wirkung sich gegenseitig aufhebt, und Medikamente, die doppelt eingesetzt wurden. Es sind Antibiotika dabei, bei denen nicht ersichtlich ist, gegen welchen Bakterienstamm sie wirken sollen - inklusive großzügig eingesetztem Reserveantibiotikum, das laut Hausarzt eher schadet als nützt, eher zum Tode führt. Es sind Medikamente dabei, die für den Gatten gar keinen Nutzen haben, nicht zu seinen Erkrankungen passen usw.. 

Als ich mich daran machte, die Tabletten des Gatten zusammenzustellen, stellte ich fest, dass er schon seit einigen Tagen manche Medikamente gar nicht mehr bekam, die er braucht. Das Krankenhaus gab uns nämlich einen Vorrat für eine Woche mit, und da fehlte einiges. Im Krankenhaus hatten wir ohnehin keinen Überblick, welche Medikamente der Gatte bekommt.

Die Entscheidung, den Gatten nach Hause zu holen, begrüßte der Arzt. Das sei die beste Therapie und Medizin. Zu Hause hätte der Gatte eine bessere Chance, sich zu erholen. 

Hoffen und beten.

Eigentlich sollte diese Woche die Augenbehandlung des Gatten fortgesetzt werden, aber der Hausarzt bat darum, damit noch vier Wochen zu warten, bis wir vielleicht wissen, ob der Gatte stabil ist. Der Gatte stimmte zu, worüber ich ganz froh war, denn so hatte er einen ruhigen Tag, hatte ich einen Tag, an dem ich diversen Schriftkram und unseren Wocheneinkauf erledigen konnte. Es fällt mir immer schwer, den Gatten alleine zu lassen, vor allem, weil er noch keinen Hausnotruf und keinen Treppenlift hat. Treppensteigen fällt ihm sehr schwer. Während ich beim Einkaufen war, probierte er allerdings aus, ob er in sein Eisenbahnzimmer auf dem Dachboden kommt ... Ja, er schaffte es, was ihm wieder Auftrieb gab. Generell fällt es ihm aber unendlich schwer, Treppen zu steigen, kann er nur ein paar Schritte gehen, ist bei mehr als ein paar Metern im Rollstuhl noch am besten aufgehoben.

Nach dem Hausarztbesuch war ich so neben der Spur, dass ich ohne nachzudenken einen "Kalender für Zwei" für das kommende Jahr bestellte. Erst danach ging mir auf, dass ja alles andere als sicher ist, dass wir kommendes Jahr noch zu zweit sind. Seit 25 Jahren bestelle ich den Kalender jedes Jahr um diese Zeit, da dachte ich jetzt gar nicht nach.

Viele Gedanken mache ich mir über unsere Grabstätte. Am liebsten wäre uns beiden eine Wald-Bestattung, aber die beiden in Frage kommenden Friedhöfe sind nur mit Auto / Taxi oder mit ÖPNV-Irrfahrten zu erreichen. Eine Taxifahrt kostet aktuell geschmeidige 65 Euro. Der Friedhof, der zu Fuß zu erreichen wäre, auf dem meine Eltern und Großeltern liegen, ist kirchlich, kommt also für uns nicht in Frage. Der städtische Friedhof wäre mit einer einfachen Busfahrt zu erreichen, liegt aber nicht so schön wie die Bestattungswälder. Solange ich arbeite bzw. noch Autofahren kann, muss ich mir über Taxikosten keine Gedanken machen, aber mit der Verrentung werde ich dafür kein Geld mehr haben. Irgendwie alles doof.

Und dann hatte ich mich gerade dazu durchgerungen, dass wir nach zwei Grabstätten in dem Bestattungswald gucken, der uns am besten gefällt, ich schon mal anfange, für die Taxikosten zu sparen, da meint der Gatte, er solle doch keine Feuer- sondern lieber eine Erdbestattung, was wieder zum städtischen Friedhof führt. 

Diese Woche wurde auch ein Treppenlift in Auftrag gegeben. Er wird in ca. zwei Monaten geliefert und eingebaut. Denken wir mal optimistisch, dass der Gatte das noch erlebt ... Es gibt ja keine Prognose zur Lebenserwartung mit Candidose. Beim Treppenlift haben wir uns für einen lokalen Anbieter entschieden. Der Vertreter des werbestarken Unternehmens, das überall auftaucht, war uns zu sehr auf's Verkaufen um jeden Preis aus und enttäuscht, dass wir Bedenkzeit brauchten, nicht sofort den Vertrag abschlossen. Aber bei einer fünfstelligen Summe möchte ich dann doch mal einen Moment nachdenken.

Stricktreffen, diesmal mit Sushi, weil einige von uns Hunger hatten.

Diese Woche konnte ich auch zum Stricktreffen gehen. Der Gatte befand, er sei stabil genug, um ein paar Stunden alleine zu sein, und die Aufstehhilfe für's Sofa kam einen Tag vorher, so dass auch keine Gefahr bestand, dass er dort hilflos strandet. Montag kommt der Hausnotruf, dann kann ich den Gatten beruhigter alleine lasse. Wir hätten uns gerne für die Notruf-Variante entschieden, die auch draußen funktioniert, aber die ist auf unbestimmte Zeit nicht lieferbar - und wer weiß, wann der Gatte wieder alleine draußen unterwegs sein kann.

Gestern waren wir auf dem Stadtfest. Der Gatte freute sich sehr darauf. Ich schob ihn die ganze Zeit im Rollstuhl, denn er war vernünftig genug, nicht den Rollator nehmen zu wollen - anderthalb Kilometer können lang sein, wenn man alle zehn Meter eine Pause braucht. Als wir gerade loszockeln wollten, kamen die überrechten Nachbarn aus der Tür. Die Nachbarin begleitete uns den ganzen Weg (ihr Mann rannte vor; da ist mal wieder Ehekrise) und gab mir hilfreiche Tipps zum Umgang mit dem Rollstuhl an Bordsteinen und den Kabelkanälen, die auf dem Festplatz alle paar Meter liegen. Es war ein schöner Ausflug. Doof war nur, dass es anders als im letzten Jahr keine Tische und Bänke gab, an denen man in Ruhe essen und trinken kann. Der Gatte hatte seine Sitzgelegenheit ja dabei, aber ich musste im Stehen essen, was ich blöd fand. 

Hier gilt seit mittlerweile 287 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall, im sechsten wurde er ein Palliativfall. Der Gatte ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Es geht uns dennoch vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich die Erkrankungen und der Schlaganfall des Gatten zu Wesensveränderungen führten, die ein Zusammenleben manchmal sehr schwer machen. 

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse. 


Freitag, 12. September 2025

#pmdd2025: Der 28. August 2025

An jedem 28. eines Monats ist Picture my Day-Day, kurz pmdd. Ich finde, das ist ein schönes Tagebilderbuch. Mitmachen ist einfach: Fotos vom Tag machen, bloggen oder mit #pmdd2025 auf Twitter oder Instagram einstellen. Gesammelt wird alles auf dieser Seite.

Acht Wochen im Krankenhaus ... Eine weitere Woche wird folgen.

Heute gibt es nur ein Bild. Der Gatte ist seit sechs Wochen im Krankenhaus. Es gibt keine Prognose mehr, keine Chance auf Heilung. Wir entscheiden heute, dass er nach Hause in die palliative ambulante Versorgung geht. Es ist ein schwerer Tag.

Der Blick zurück in die ersten fünf Corona-Jahre: Am 28. August 2020 lebte sich Schwiegermutter gerade in der Seniorenwohnanlage ein, war der Gatte noch gesund, fuhren wir am kommenden Tag nach Dänemark. Am 28. August 2021 war der Gatte schon krank, wartete auf die Entscheidung über seine Verrentung, musste ich arbeiten, holten wir abends Tante ab, um in der kommenden Woche einen runden Gatten-Geburtstag zu feiern. Am 28. August 2022 waren wir noch so optimistisch, spätestens im kommenden Frühjahr ins alt-neue Haus zu ziehen. Am 28. August 2023 bezweifelten wir, dass wir überhaupt noch dort einziehen werden. Am 28. August 2024 waren wir umgezogen und erlebten einen kurzen Moment der Normalität.

Donnerstag, 11. September 2025

#12von12 im August 2025

Caro von "Draußen nur Kännchen" sammelt wie jeden Monat am 12. des Monats 12 Impressionen des Tages - vielen Dank dafür! Hier kommen meine August-Bilder.

#1: In unser aktuelles Krankenzimmer scheint der Vollmond.

#2: Körperpflege für den Gatten. Er ist noch zu schwach, das selbst zu machen.

#3: Außer auf den Gatten aufzupassen, stricken und lesen habe ich nicht viel zu tun. Aktuell lese ich die Thriller von Cara Hunter*.

Der Gatte ist seit bummelig fünf Wochen im Krankenhaus. Ich schlafe seit zwei Nächten bei ihm, um ihm aus dem Delir zu helfen. 

#4: Mittagessen. Laut Plan mediterraner Seelachs mit ebensolchem Gemüse. Keine Ahnung, wo das Mittelmeer war ... Die Knusperhaube war aber lecker.

#5: Der Zustand des Gatten ist kritisch. Er kommt auf die Überwachungsstation.

#6: Auf der Überwachungsstation dürfen Angehörige nicht übernachten, also packe ich mein Backbeermus und fahre schweren Herzens nach Hause. 

Der Zustand des Gatten verschlechtert sich, und im Laufe des Tages kommt er auf die Überwachungsstation, so dass ich wieder zu Hause schlafe. Ich frage eine der behandelnden Ärztinnen, ob ich mir angesichts der Verschlechterung des Zustandes Sorgen machen müsse. Sie verneint. Das ist allerdings die Ärztin, die seit bummelig fünf Wochen mit Falschdiagnosen daher kommt. Später wird sich zeigen: Meine Sorge war berechtigt. Der Gatte schwebte zwei Tage in Lebensgefahr. Inzwischen ist er wieder zu Hause. Das Krankenhaus stufte den Gatten als palliativ ein. 

#7: Das Abendessen auf den Weg bringen.

#8: Das Abendessen ist fertig: Ofenpfannkuchen mit Bickbeeren.

#9: An den Socken für eine meiner beiden Sandkastenfreundinnen weiterstricken.

Der Blick zurück in die ersten fünf Corona-Jahre: Am 12. August 2020 war der Gatte noch gesund, arbeitete in Kurzarbeit, und es war sehr heiß. Am 12. August 2021 war der Gatte schon krank, musste in einer Klinik durchgecheckt werden, war Gott sei Dank ohne Befund - und es war sehr heiß. Am 12. August 2022 war es - oh, wunder - sehr heiß, waren wir plötzlich Hausbesitzer. Am 12. August 2023 wollten wir eigentlich schon seit vier Monaten ins Haus umgezogen sein. Am 12. August 2024 waren wir umgezogen und genossen einen kurzen Moment der Normalität.

#10: Wieder ein Tag Krankenhaus geschafft. Es sollen noch viele weitere folgen. Diese Woche bestellte ich ohne nachzudenken wie jedes Jahr um diese Zeit einen "Kalender für Zwei"* für das kommende Jahr. Dabei ist mehr als ungewiss, ob wir dann noch zu zweit sein werden. 

#11: Das Kuschelrudel will noch etwas lesen*, aber Schnuffi hält Ausschau nach Herrchen, das doch irgendwann mal durch die Schlafzimmertür kommen muss. 

#12: Gute Wünsche ins Universum schicken.

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Mittwoch, 10. September 2025

#pmdd2025: Der 28. Juli 2025

An jedem 28. eines Monats ist Picture my Day-Day, kurz pmdd. Ich finde, das ist ein schönes Tagebilderbuch. Mitmachen ist einfach: Fotos vom Tag machen, bloggen oder mit #pmdd2025 auf Twitter oder Instagram einstellen. Gesammelt wird alles auf dieser Seite.

Wäsche aus dem ersten Stock mit nach unten nehmen. Den Briefblock brauche ich für einen Brief an die Ostsee-Tante.

Der Gatte liegt auf der dritten Station in drei Wochen im inzwischen vierten Zimmer. Auf dieser Station gibt es einen Wartebereich, in dem ich sitze, während der Gatte zu einer Untersuchung gefahren wurde. Die Uhr geht übrigens falsch.

Jetzt darf der Gatte endlich raus. Ich bleibe bei ihm bis nach dem Mittagsessen, wie jeden Tag.

Die Mittagspause nutze ich, um einzukaufen. Der Gatte braucht Melonennachschub.

Ich mache Schnäppchen und fühle mich wie eine gute Hausfrau.

Blumen und ein LTB für mich. 

Endlich frühstücken ... Morgens kam eine Sandkastenfreundin vorbei, um mich einfach mal zu drücken, und vor lauter Gedrücke schaffte ich nicht mein Frühstück. Die Aprikosen sind übrigens regional aus dem Alten Land.

Eines der vor vier Wochen bestellten Bücher wird geliefert.

Wäsche abnehmen.

Wassermelonennachschub für den Gatten.

Der Gatte liegt seit über drei Wochen im Krankenhaus, und wie jeden Tag bin ich etwa acht Stunden bei ihm, unterbrochen von einer Mittagspause.

Endlich wieder beim Gatten!

Wie jeden Tag bleibe ich, bis der Gatte zu Abend aß - mindestens. Meisten gehe ich erst gegen 20 Uhr wieder nach Hause.

Blich aus dem aktuellen Krankenzimmer auf die Baustelle des Krankenhauses.

Der Hoptimist möchte nach Hause, das ohne den Gatten so schrecklich leer ist.

Die Spülmaschine wird aktuell selten voll, aber heute lief sie tatsächlich mal wieder.

Kaum ausgeräumt, wird die Spülmaschine auch schon wieder eingeräumt.

Am kommenden Tag hole ich Essen vom Schlachter und stelle schon mal die Rebowls bereit, damit ich die nicht vergesse.

Ich habe es endlich geschafft, die perfekte TK-Pizza zu backen!

Ich bin aktuell so fertig, dass ich keine Socken stricken kann. Ein Schal in glatt rechts geht gerade so.

Das Kuschelrudel will vor dem Einschlafen noch etwas lesen*.

Der Blick zurück in die ersten fünf Corona-Jahre: Am 28. Juli 2020 war der Gatte noch gesund und mit der Haushaltsauflösung seiner Mutter beschäftigt. Zwei Tage später wurde ihr Haus an die Käufer übergeben. Zwei Jahre später ist er mit der Haushaltsauflösung meiner Mutter beschäftigt. Am 28. Juli 2021 war der Gatte schon krank, beschäftigte mich ein ominöser Tumor-Verdacht (der sich ein Vierteljahr später zum Glück nicht bestätigte, da die gefunden Tumore gutartig sind). Am 28. Juli 2022 machte ich erste Erfahrungen mit der Ölheizung, zog meine Mutter aus der Kurzzeitpflege in die stationäre Pflege um, hatten wir noch die Hoffnung, dass sie im Pflegeheim heimisch wird und sich dort wohlfühlt. Am 28. Juli 2023 lebten wir seit einem Jahr auf einer Baustelle, pendelten zwischen Haus und Wohnung. Am 28. Juli 2024 waren wir umgezogen, war unsere Küche fertig, dachten wir, wir könnten endlich im alt-neuen Haus ankommen. Ein Jahr später würde unser Leben mal wieder auf den Kopf gestellt. / *Affiliate link

Montag, 8. September 2025

#WMDEDGT 09/25: Krankenhaus IV

Heute ist wieder der fünfte Tag des Monats, und Frau Brüllen fragt "Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?", kurz WMDEDGT? Vielen Dank für's Sammeln!

Der Gatte ist seit neun Wochen im Krankenhaus. Eigentlich sollte er am Vortage entlassen werden, bekam aber wieder Fieber und Schüttelfrost, war sehr schwach und blieb widerwillig eine weitere Nacht. Ich schlief schon zu Hause, da heute einige Hilfsmittel geliefert werden sollen, die Putzfrau kommt und eine meiner Sandkastenfreundinnen mir mit den letzten Umzugskartons im Wohnzimmer helfen will. 

Der Wecker klingelt um sechs Uhr, aber ich komme nicht aus dem Quark, schaffe es erst kurz vor acht Uhr, mit allem so weit fertig zu sein, dass unsere Putzfrau loslegen kann. Sie bringt Blumen für den Gatten mit - wie lieb! Nescafé und trocken Toast zum Frühstück, außerdem ein Telefonat mit dem Gatten, der fieberfrei ist und optimistisch, heute entlassen zu werden. Zu meiner großen Erleichterung hat er die Nacht alleine ohne Zwischenfälle überstanden. Ich schlief ja drei Wochen bei ihm, weil er im Delir war, und die Nächte waren meistens ein Albtraum.

K. kommt super pünktlich, verschafft sich einen Überblick und legt sofort los. Ratzfatz sind die ersten Kartons geleert, die ersten Bücher in Regale verstaut - unsortiert. Hauptsache, die Kartons sind leer. 

Um zehn Uhr ruft der Gatte an: Er ist vom aktuell behandelnden Arzt mündlich entlassen und will nach Hause. Kurze Zeit später meldet sich das Krankenhaus: Ich solle bitte den Rollstuhl des Gatten abholen. Der Krankentransport sei für 15 Uhr geplant. Warum wird der Gatte nicht ins Rolli-Taxi gesetzt? Antwort des Krankenhauses: Der Gatte hätte noch immer Keime im Urin, das Rolli-Taxi könne nach Transport nicht entsprechend desinfiziert werden, deswegen braucht man einen Krankenwagen. Der kann allerdings den Rollstuhl nicht mitnehmen, weil der verkeimt ist. Ähm, ja, nee, is klaa. Wir brauchten das Rolli-Taxi, weil der Rollstuhl nicht ins Karlchen passt. 

K. meint, ich solle ins Krankenhaus fahren, sie würde die Stellung halten.

Im Krankenhaus angekommen, sind die Sachen des Gatten gepackt, aber er hängt noch an diversen Infusionen und ist total genervt, dass er noch nicht nach Hause darf, bis 15 Uhr warten soll. Ich erschrecke, denn der Gatte sieht alles andere als fit aus, hat leichten Schüttelfrost. Davon will er aber nichts hören. Er will nach Hause, sofort.

Da ohnehin noch eine Infusion läuft, fahre ich erstmal den Rollstuhl ohne Gatten zum Karlchen, um zu gucken, ob's irgendwie passt. Auf dem Weg merke ich, dass ich einfach keine Kraft mehr habe. Am Auto angekommen, verlässt mich meine Kraft total. Ich wirke so verzweifelt, dass mich ein Mann, der gerade neben mir einparkte, anspricht, ob ich Hilfe brauche. Ja, unbedingt, bitte. Er zeigt mir, wie ich den Rollstuhl ins Karlchen bekomme. Gut, das Karlchen ist dann voll, aber egal. Und: Der Rollstuhl ist schwer. 

Zurück beim Gatten lässt sich sich leugnen, dass sein Zustand sich verschlechterte. Er hat definitiv Schüttelfrost und inzwischen auch heftiges Fieber. Er kann sich nicht mehr auf den Beinen halten. Wir bekommen ihn mit Mühe zu zweit vom Hocker ins Bett. Zusammen mit dem Arzt beschließe ich, der Gatte wird eine weitere Nacht bleiben. Die Entlassungspapiere sind fertig und wenn der Gatte am kommenden Tag fieberfrei ist, kann er nach Hause. Der Gatte ist inzwischen zu schwach zum Protestieren, bekommt eine weitere Infusion, diesmal gegen das Fieber.

K. hält die ganze Zeit über zu Hause die Stellung und mich per WhatsApp auf dem Laufenden. Sie nimmt das Sauerstoffgerät entgegen und lässt sich die Bedienung erklären, die ihr allerdings aus Gründen ohnehin vertraut ist. Sie nimmt den Toilettenstuhl entgegen, baut die Aufstehhilfe für's Bett zusammen und ein, hüllt die Matratze in einen wasserfesten Bezug usw. usf. Gegen 16 Uhr schreibt sie, sie gehe jetzt nach Hause. Da bin ich auch gerade auf dem Weg, muss aber vorher noch Wassermelone für den Gatten besorgen. 

Als ich nach Hause komme, trifft mich der Schlag: K. hat fast alle Umzugskartons ausgeräumt, ins Gartenhäuschen gebracht, aufgeräumt, durchgewischt ... Ich bin sprachlos! Es ist erstaunlich, wie groß die Stube ist, wenn dort nicht 18 Umzugskartons im Weg stehen!

Ich bin nur kurz zu Hause, um Wassermelone für den Gatten zu portionieren, und fahre dann sofort wieder ins Krankenhaus. Der Gatte sitzt gerade vor seinem Abendbrot - am Tisch. Die Infusion half rasch gegen das Fieber, er kann schon wieder aufstehen, ist aber noch wackelig. Zähneknirschend erklärt er sich damit einverstanden, noch eine Nacht zur Beobachtung zu bleiben. Gegen 19 Uhr mache ich mich schweren Herzens alleine auf den Heimweg - es fällt mir sehr schwer, den Gatten zurückzulassen, denn er hat große Angst, im Krankenhaus zu sterben. 

Auf dem Heimweg fahre ich noch beim Pflegedienst vorbei, um die Verordnung für die Wundversorgung abzugeben, damit das nahtlos nach der Entlassung aus dem Krankenhaus weitergehen kann.

Endlich zu Hause! Ich rufe Schwiegermutter an, möchte sie über die aktuelle Situation informieren, aber sie erzählt mir erstmal in epischer Breite von ihrem Tag, verschwendet keinen Gedanken an ihren Sohn. Narzissmus ist fein. Als ich endlich zu Wort komme, ist sie betroffen wegen der aktuellen Entwicklung.

Ich bin zu erschöpft, um zu essen, überlege hin und her, ob ich etwas bei der Schiebetür bestelle, habe aber nicht genug Appetit für den Mindestbestellwert. Im Kühlschrank sind noch zwei vorgebackene Camemberts, die in die Pfanne wandern. 

Auf's Sofa fallen, essen, etwas stricken und fernsehen. Das Taschentelefon erinnert mich daran, dass das Simchat-Tora-Massaker 700 Tage her ist - und das seit unglaublichen 700 Tagen noch immer 48 Männer und Frauen Geiseln der Hamas sind. Die Hamas veröffentlicht heute ein Propaganda-Video, aufgenommen vermutlich am letzten Donnerstag, das mit Guy Gilboa-Dalal und Alon Ohel zwei der noch etwa 20 lebenden Geiseln zeigt. Die jungen Männer sind schwach und ausgemergelt. Bring them home now gilt mehr denn je.

Früh und erschöpft ins Bett und darauf hoffen, dass es eine ruhige Nacht wird, dass ich den Gatten am kommenden Tag endlich nach Hause holen kann.

Der Blick zurück in die ersten fünf Corona-Jahre: Am 5. September 2020 urlaubten wir in Dänemark, waren auf der Suche nach Kreuzkümmel, war der Gatte noch gesund. Am 5. September 2021 waren der inzwischen kranke Gatte und ich zum ersten Mal seit seiner Erkrankung im Urlaub und ruhten uns am ersten Urlaubstag nach einer anstrengenden Anreise aus. Am 5. September 2022 bereiteten wir uns auf die juristische Übernahme des alt-neuen Hauses vor. Am 5. September 2023 waren wir noch immer nicht umgezogen, hatten mal wieder Probleme mit einem betrügerischen Handwerker und suchten einen Dachdecker. Den suchen wir immer noch, denn die Ausbesserungsarbeiten, die bei uns gemacht werden müssen, sind zu unattraktiv. Am 5. September 2024 war der Gatte noch fit genug, um selbst zu Fuß zum Arzt zu gehen. Heute ist er schon froh, wenn er ein paar Meter gehen kann, nutzt meistens den Rollstuhl.

Sonntag, 7. September 2025

Samstagsplausch KW 33/25 bis 36/25: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCLXXXIII bis CCLXXXVI

"Ich fasse es nicht, dass mein Körper jetzt von Pilzen aufgefressen wird!", sagte der Gatte, nachdem wir vorletzten Donnerstag entschieden, dass er das Krankenhaus verlässt und palliativ zu Hause weiterbehandelt wird. Nachdem er mit Beinvenentransplantation und Amputation zwei schwere Operationen überstand, wird ihm nun eine Candidose, eine Pilzinfektion, das Leben kosten (zusammen mit diversen anderen multiresistenten Keimen und Bakterien, die er sich im Krankenhaus zuzog). 

Die Entscheidung zur Palliativpflege zu Hause fiel, weil es im Krankenhaus keine Perspektive gab, wie lange eine Behandlung dauern und ob sie Erfolg hat. "Wir müssen von Tag zu Tag abwarten", hieß es, nachdem die ursprünglichen zwei Wochen der Antimykotikum-Gabe ohne Erfolg vorbei waren. Bis dahin hieß es, in dem Zeitraum sei der Gatte garantiert pilzfrei. War er nicht. Jedes Organ ist von Pilzen, Bakterien oder Keimen befallen. Daraufhin entschied der Gatte, lieber zu Hause zu sterben als im Krankenhaus, denn seitens der Ärzte gab es keine Prognose, dass er die Candidose angesichts seiner Vorerkrankungen überstehen könnte, dass Bakterien oder Keime bekämpft werden könnten. Die einen sagen so, die anderen sagen so ... Die Wahrscheinlichkeit, dass der Gatte Pilze, Bakterien und Keime wieder los wird, ist realistisch betrachtet verschwindend gering, wäre geradezu ein Wunder. Nicht, dass wir etwas gegen ein Wunder hätten ... 

In den nächsten Tagen kümmern wir uns um Testament und Grabstelle. Alles andere wie die Auflösung der Sammlungen des Gatten haben wir schon im Krankenhaus besprochen. Der Gatte hielt sein Versprechen, älter zu werden als sein Vater, wenngleich wir uns gewünscht hätten, dass es mehr als ein Jahr sein würde. Den Geburtstag feierten wir im Krankenhaus. Seitens des Krankenhauses gab's Glückwünsche und eine Überraschung. Schwiegermutter kam zu Besuch. Es war ein schöner Tag, gemessen an den Umständen.

In gewisser Weise hielt der Gatte auch sein Versprechen, mich nicht mit 60 Jahren zur Witwe zu machen, wie es Mudderns, Schwiegermutter und Tante geschah. Nach aktueller Prognose werde ich jünger sein. Bis es soweit ist, machen wir uns eine möglichst gute Zeit, werden wir versuchen, so viele Pläne wie möglich umzusetzen.

Nach der Entscheidung zur Palliativpflege zu Hause dauerte es noch über eine Woche, bis der Gatte so weit stabilisiert war, dass ich ihn mit nach Hause nehmen konnte. Vor allem in den letzten zwei Tagen, als der Entlassungstermin feststand, bekam er immer wieder Fieber und Schüttelfrost, war zu schwach für eine Entlassung. Vorgestern war er schon entlassen, als er zusammenklappte und ich ihn wieder einweisen ließ. Seit gestern ist er endlich zu Hause.

Mit der Entscheidung zur Palliativpflege zu Hause ging es dem Gatten psychisch schlagartig besser. Das Krankenhaus sorgte dafür, dass wir sofort mit der Palliativärztin sprechen konnten, und leitete alle weiteren Maßnahmen ein. So ist auch eine Therapiebegrenzung festgelegt, falls es dem Gatten nicht vergönnt sein sollte, friedlich zu Hause einzuschlafen, er im Krankenhaus intersivmedizinisch behandelt werden muss. Der Hausarzt des Gatten ist in einem Palliativnetzwerk, übernimmt die Betreuung. Zu dem Netzwerk gehört auch der bisherige Pflegedienst, so dass der Gatte von vertrauten Gesichtern umgeben ist. Rechtzeitig zur Entlassung wurden diverse Hilfsmittel geliefert. Auf ein Pflegebett möchte der Gatte solange wie möglich verzichten, aber eine meiner beiden Sandkastenfreundinnen befreite in einem Kraftakt die Stube von den letzten Umzugskartons, so dass dort ein Pflegebett stehen könnte. Vorerst wünscht sich der Gatte aber einen Relax-Sessel.

Als ich Mitte August zum Gatten ins Krankenhaus zog, sorgte ich erstmal für einen geregelten Tagesablauf, Körperpflege und Mobilisierung. Der Gatte, der aufstehen durfte, bekam nämlich keine Physiotherapie, lag nur im Bett, war inzwischen zu schwach, alleine aufzustehen, so sehr er es auch wollte und versuchte. Wir fragten mehrfach nach Physiotherapie, aber da kam erst jemand, als klar war, dass der Gatte palliativ ist. Dann gab's exakt eine Behandlung. Als erstes sorgte ich dafür, dass der Gatte sich anzog und wir am Tisch aßen. Ich wusste ja, dass er es kann und will, nur eben Hilfe braucht. Schon der Umstand, dass der Gatte am Tisch saß, sorgte bei Ärzten und Pflegekräften für Erstaunen. Als er letzte Woche dann am Rollator und später am Stock den Krankenhausflur entlang ging, selbstständig mit dem Rollstuhl unterwegs war, fielen die Kinnladen herunter. 

In der kommenden Woche werde ich mich um Krankengymnastik für den Gatten kümmern. Die müssen wir selbst zahlen, denn der Gatte ist ja jetzt palliativ, da lohnt sich das nicht mehr. Der Gatte hat aber einen starken Lebenswillen und will so lange wie möglich so viel Normalität wie möglich. Obwohl schnellstmöglich ein Treppenlift eingebaut wird, will der Gatten wieder Muskeln aufbauen, die es ihm ermöglichen, Treppen zu steigen. Er will sich außerhalb des Hauses auch ohne Rollstuhl bewegen, am liebsten auch ohne Rollator, denn die Beine funktionieren jetzt ja wieder. Deswegen verweigerte er auch die Aufstellung eines Pflegebettes im Esszimmer, wo er bis zum Einbau des Treppenliftes hätte schlafen sollen. Es zeigte sich gestern aber schnell, dass Treppen eine unwahrscheinliche Kraftanstrengung für ihn sind. 

Das Krankenhaus setzte dem Gatten unheimlich zu, nicht nur die lange Zeit, sondern auch die äußeren Umstände. Durch die häufigen Zimmer- und Stationswechsel wurde die Amputationswunde nicht mehr regelmäßig versorgt - der Gatte verschwand einfach vom Radar. Kein Wunder, dass sich von der Wunde ausgehen eine Candidose entwickelte. Wir mussten uns die regelmäßige Wundversorgung ertrotzen. Die Wundversorgung soll laut einem behandelndem Arzt täglich stattfinden, aber ein anderer entschied, alle zwei Tage oder bei Bedarf reiche. So ist denn jetzt auch die Verordnung für den Pflegedienst, obwohl im Entlassungsbrief eindeutig tägliche Wundversorgung steht. Ich hoffe, ich kann das morgen beim Gespräch mit dem Palliativarzt geradebiegen. Ich hoffe auch, dass er die vielen neuen Medikamente verordnet. Normalerweise besteht er darauf, dass das der jeweilige Facharzt macht, aber bis wir dort Termine bekommen, wird es dauern, und der Gatte braucht ja seine Medikamente.

Der Gatte wird nach der Entlassung auch nicht mehr durch die Wundambulanz des Krankenhauses versorgt - lohnt ja nicht mehr bei einem Palliativen. Ich hoffe, die Fußambulanz des Diabetologen kümmert sich darum, denn der Pflegedienst wechselt ja nur die Verbände, aber reinigt die Wunden beispielsweise nicht. Eigentlich müsste auch noch eine Hauttransplantation erfolgen, aber wie gesagt: Lohnt ja nicht mehr bei einem Palliativen.

Rund um die Uhr fuhrwerkte im Krankenhaus irgendjemand am Gatten herum, bekam er neue Infusionen oder Zugänge, wurde ihm Blut abgenommen, egal, ob er schlief oder nicht. Teilweise wurde noch nicht mal mit ihm gesprochen, wurde ihm nicht erklärt, was mit ihm gemacht wird, wurden die Verbände abgenommen und erst Stunden später erneuert. Solange lag der Gatte dann mit barfen Füßen da, schlurfte so auch schon mal auf die Toilette, wenn niemand auf sein Klingeln reagierte - wie gesagt, die Candidose kam nicht aus heiterem Himmel. Einige Ärzte sprachen auch nicht mehr mit dem Gatten, sondern nur noch mit mir, wogegen wir vergeblich protestierten. In den drei Wochen, die ich im Krankenhaus wohnte, gab's eine Ärztin, die sich weigerte, nachts einen neuen Zugang zu legen, und darauf bestand, dass der Gatte seine Nachtruhe hat. Ansonsten gab's auch schon mal mitten in der Nacht neue Zugänge (der Gatte hat schlechte Venen, weswegen er alle naslang neue Zugänge brauchte). Mit jeder Störung glitt der Gatte wieder ins Delir ab, wurde verwirrter, aggressiver, verzweifelter, wütender. Highlight war, dass man wollte, dass wir spätabends das Zimmer wechseln, obwohl der Gatte so fest schleif, dass ich ihn nicht wach bekam. Da eskalierte ich. Der Gatte hatte so oft den Eindruck, er sei woanders aufgewacht, als er einschlief, weil ihn die ständigen Zimmerwechsel überforderten, und dann das. Nach einigen Telefonaten stand fest: Wir durften am kommenden Morgen nach dem Frühstück wechseln. Für die letzten zweieinhalb Wochen hatten wir dann ein Dreibettzimmer nur für uns. Das Zimmer hatte sogar einen Balkon. Ich sorgte dafür, dass es so wohnlich wie möglich wurde.

Dass der Gatte kaum zur Ruhe kam, lag auch an dem Umstand, dass das Krankenhaus im laufenden Betrieb umgebaut wird. Das bedeutete bis zu zehn Stunden täglich an bis zu sechs Tagen Baulärm. So oft es ging, entflohen wir vor das Krankenhaus und saßen in der Sonne. Ich strickte, der Gatte rauchte seine Pfeife, wir redeten. Außerdem lernten wir unwahrscheinlich nette Menschen kennen, führten gute Gespräche. Das war eine sehr intensive Zeit.

Der Gatte stimmte nicht nur endlich einem Treppenlift zu (ich wollte den ja schon prophylaktisch einbauen, als wir das Haus renovierten), sondern auch einem Hausnotruf. Unser Pflegedienst bietet einen an, bei dem tatsächlich auch Hilfe kommt, selbst, wenn es "nur" ein Sturz ist. Beim bisherigen Anbieter, bei dem auch Mudderns war, musste immer erst ein Angehöriger kommen, um sich zu überzeugen, dass es tatsächlich ein medizinischer Notfall ist (dazu zählen keine Stürze), und selbst dann wurde kein RTW geschickt, wenn man nicht bereit war, die Kosten für den Einsatz zu übernehmen, sollte es doch kein medizinischer Notfall sein. Wenn es mit dem jetzigen Anbieter klappt, kann ich den Gatten beruhigter alleine lassen, denn ich habe ja auch noch ein eigenes Leben, möchte beispielsweise schnellstmöglich wieder arbeiten, habe eine Kurzreise gebucht, eine Dienstreise steht auch an. Für die Tage, an denen ich nicht da bin, möchte der Gatte zudem Essen auf Rädern nutzen. Er wird sich demnächst mal durch verschiedene Anbieter probeessen. 

Generell möchte er jetzt alles an Hilfe in Anspruch nehmen, was geht - das ist auch Entlastung und Erleichterung für mich. So liegen denn hier gerade Anträge auf weitere Merkmale einer Schwerbehinderung, weil der Gatte gerne einen Parkausweis und eine Begleitperson hätte. Perspektivisch muss auch der Pflegegrad überprüft werden.

Die ersten Stunden nach Heimkehr des Gatten stimmen vorsichtig optimistisch: Der Gatte fand sich problemlos zurecht. Die Treppen machen ihm zu schaffen, abends musste ich ihn fast hochtragen, aber das wird mit zunehmenden Muskeln hoffentlich besser (heute hat er Muskelkater). Er schlief bis auf einen Albtraum sagenhafte acht Stunden durch. Vor der Nacht hatte ich am meisten Angst, denn aufgrund des Delirs fand der Gatte im Krankenhaus keine Ruhe, halluzinierte, kletterte aus dem Bett, riss dabei Sauerstoffschlauch und Infusionen mit und wollte durchs Krankenhaus irren. Mein Schlaf wurde im Viertelstundentakt unterbrochen, ich wankte irgendwann vor Erschöpfung. Letzte Nacht konnte auch ich durchschlafen. Was für eine Wohltat!

Hier gilt seit mittlerweile 286 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall, im sechsten wurde er ein Palliativfall. Der Gatte ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Es geht uns dennoch vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich die Erkrankungen und der Schlaganfall des Gatten zu Wesensveränderungen führten, die ein Zusammenleben manchmal sehr schwer machen. 

Herzlichen Dank für die vielen guten Wünsche und Gebete, die mich auf unterschiedlichen Wegen erreichten! Das bedeutet mir sehr viel. Ich hoffe, ich schaffe es, euch allen zu antworten.

Ein Blumengruß von meinen Kolleginnen.

Diese Woche brachte zwei Blumensträuße. Unsere liebe Putzfrau, die den Gatten sehr in Herz schloss und mit uns hofft, betet und bangt, zögerte lange, ob man einem Mann Blumen schenken dürfe, entschied sich dann aber dafür. Der zweite Blumengruß kam von meinen Kolleginnen. 

Ein Blumengruß für den Gatten.

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse