Wir waren nur eine Nacht auf der Baustelle, hatten aber das Gefühl, viel geschafft zu haben: Der Gatte baute zwei Pallettenrahmen, um die Umzugskartons mit Unterlagen und Erinnerungsstücken im Keller zu lagern, die vorerst im Haus bleiben sollen. Ich schaute währenddessen zwei Umzugskartons mit Briefmarken durch und packte alle Umschläge und ausgeschnitten Marken in fünf Päckchen für Briefmarkensammelstellen, so dass schließlich noch ein Karton mit Alben übrig blieb, die geschätzt werden müssen. Ich bezweifle, dass die Alben einen anderen als emotionalen Wert haben, muss das aber erstmal herausfinden, ehe ich sie ebenfalls spende. Einstweilen parkt die Sammlung allerdings im Keller. Da ist sie aus dem Weg. Bei Durchsicht der Briefmarken fand ich zahlreiche Postkarten und Briefe von mir gänzlich unbekannten Menschen, mit denen meine Eltern vor Jahrzehnten befreundet waren, und wurde davon überrascht, dass mein Vater, der angeblich zeitlebens unter Flug- und Höhenangst litt, in der NS-Zeit bei der Luftwaffe war. Beizeiten muss ich dem mal weiter nachgehen.
Wir schafften auch schon die ersten Umzugskartons aus dem ersten Stock in den Keller. Davor graute mir sehr, aber dann stellte ich fest, dass ich sie sehr schön auf der noch mit Teppich ausgelegten Treppe runterrutschen lassen kann. Auf der Kellertreppe wurden sie Stufe für Stufe gewuchtet, und für den Transport über den Kellerflur kamen sie auf einen Rollwagen. Das ging schnell und sparte Muskelkraft. Jetzt ist im Dachgeschoss und im ersten Stock alles für's Tapezieren und Streichen vorbereitet, denn damit müssen wir fertig werden, bevor der Bodenleger kommt. Gedanken müssen wir uns noch machen, wo wir die Sachen aus Wohn- und Esszimmer lassen. Vielleicht schieben wir sie zum Streichen einfach in die Raummitte und decken sie ab. Liegt der Boden im ersten Stock, ziehen die Betten um, müssen wir gucken, was wir mit den Sachen im Esszimmer machen. Manches kann übergangsweise in die Küche. Vermutlich ist es ohnehin Hochsommer, bis der Bodenleger Zeit hat, können wir auf der Terrasse essen ...
Angenehm überrascht und nicht etwa erschrocken waren wir vom beschnittenen Apfelbaum, den der Gärtner auf die Hälfte kürzte. Er war über acht Meter hoch und ist jetzt mit vier Metern noch immer stattlich. Schneeball und Magnolie, die der Gärtner aus unserem Hamburger Garten umsetzte, müssen unterwegs gewachsen sein - der Schneeball ist plötzlich fast drei Meter hoch! So hoch war er in Hamburg nicht ... Jedenfalls kann man weiterhin nicht ins Esszimmer sehen - wir hatten befürchtet, wenn der Kirschlorbeer weg ist, wäre es zu guckig. Schmunzeln musste ich, als ich sah, wohin der Gärtner die Hortensie pflanzte, denn exakt dort stand bis vor 20 Jahren jahrzehntelang schon eine.
Hier gilt seit mittlerweile 150 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Es geht uns vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird. Er ist inzwischen schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Vor drei Wochen hatte er einen Schlaganfall, von dem er sich gerade erholt.
Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Mütter und seit der Übernahme meines früheren Elternhauses Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona uns bislang verschonte.
Diese Woche war ausgesprochen anstrengend, voller Termine, die auch noch teilweise parallel an unterschiedlichen Orten waren - ich muss es endlich schaffen, mich zu klonen! Wir atmeten durch, als wir Donnerstag endlich im alt-neuen Haus ankamen. Es ist immer wieder erstaunlich, wie dort trotz der ganzen Arbeit, die noch vor uns liegt, binnen Minuten jeder Stress von uns abfällt, wir ruhiger werden.
Wir hatten beide reichlich Arzttermine, wobei es der Gatte schaffte, seine Termine ohne Begleitung wahrzunehmen. Die Ärzte sind soweit zufrieden mit seiner Entwicklung, eine große Erleichterung! Ich hatte die Besprechung der Laborergebnisse mit der Endokrinologin, und mein Eindruck aus der letzten Woche bestätigte sich: Die Frau hat einen Plan. In den kommenden vier Wochen verzichte ich auf alle Hormone, denn rein von den Werten müsste ich schon in den Wechseljahren sein, könnte auf die Hormonersatztherapie und eine Endometriumablation verzichten. Im Idealfall bekomme ich allenfalls Hitzewallung, im schlechtesten Fall setzt die Hypermenorrhoe wieder ein, bin ich nicht erst in vier Wochen wieder bei der Ärztin. Ich bin gespannt.
Der Gatte bekam diese Woche einen Hausnotruf. Er bat darum nach dem Schlaganfall, denn es war ja Zufall, dass ich da war und den Notruf wählen konnte. So kann er auch Hilfe rufen, wenn er alleine ist. Allerdings wurde prompt das falsche Gerät geliefert, nicht das mobile mit dem GPS-Tracker, mit dem der Gatte überall geortet werden kann. Die Info, dass wir dieses Gerät haben möchten, blieb irgendwo hängen, so dass es einen weiteren Termin geben wird, denn das Gerät muss erst beschafft werden. Für Erstaunen sorgte wieder mal, dass man schwerbehindert sein kann und trotzdem keinen Pflegegrad hat. Das bedeutet übrigens, dass wir nicht nur die Kosten für das Hausnotrufsystem, sondern für alle Umbauten, die der Gatte benötigt, selbst tragen müssen. Ohne Pflegegrad gibt es keine Zuschüsse. Natürlich sind wir froh, dass der Gatte keinen Pflegegrad benötigt, aber das muss halt auch alles finanziert werden. Solange der Gatte noch keinen mobilen Hausnotruf mit GPS-Tracker hat, nutzen wir im Haus die Walkie-Talkies*, die wir im Sommer kauften, um uns über alle Etagen verständigen zu können. Der Gatte würde sich auch schon wieder zutrauen, alleine auf der Baustelle zu bleiben. Ich hätte dabei ein unruhiges Gefühl, aber überbesorgt, wie ich bin, hätte ich das auch mit dem mobilen Hausnotruf.
Im Büro merken langsam auch andere Kollegen, dass sich die neue Kollegin erfolgreiche Projekte oder erfolgversprechende Ideen unter den Nagel reißt, um selbst besser dazustehen, anstatt das Projekt, für dessen Neukonzeption sie eingestellt wurde, voranzubringen. Ich bin gespannt, wie das weitergeht. Aktuell wundert sich der Chef, warum das Team so wenig Lust hat, Projekte umzusetzen. Ich bin offiziell noch immer Projektleitung, wenngleich ich inoffiziell zur gut bezahlten Hilfskraft degradiert wurde. So bearbeitete ich diese Woche hauptsächlich Excellisten, eine Aufgabe, für die mir früher eine Kollegin zur Seite stand. Nach außen weiterhin Projektleitung, nach innen nur noch Hilfskraft, das belastet mich. Ich bin nicht mehr wirklich mit Engagement bei meinem Projekt. Als ich diese Woche allerdings die Zahlen für mein Projekt und das, das besagte Kollegin voranbringen soll, im Vergleich sah, konnte ich sie glatt verstehen: Mein Projekt läuft, in aller Bescheidenheit, einfach sehr, sehr gut. Ich bin gespannt, wie lange das so bleibt, wenn ich nichts mehr dafür mache.
Im Haus, auf der Baustelle, sind wir endlich gut weitergekommen, wenngleich es weiterhin nur langsam vorangeht. Uns fehlt einfach die Januar-Urlaubswoche, in der wir tapezieren und streichen wollten, aber zumindest konnten wir jetzt damit anfangen, konnte der Gatte endlich den Profi-Farbsprüher* in Betrieb nehmen, worauf er sich so freute. Ich streiche lieber altmodisch, hänge mit meinen Aufgaben zudem klar hinterher, was aber auch daran liegt, dass ich noch im Brotjob arbeiten muss, während der Gatte schon handwerkt, also erst nachmittags anfangen kann. Der Bodenleger rief diese Woche an, dass er schon jetzt das Aufmaß nehmen möchte - zwei Wochen vorher als geplant. Solche Terminverschiebungen haben bei uns immer einen Domino-Effekt, aber wir sind andererseits auch froh, wenn es auf der Baustelle schnell vorangeht. Wann er anfangen kann, wissen wir allerdings noch nicht. Es wird frühestens in einem Vierteljahr sein. Leider kann er auch nicht die offenen Treppen erneuern. Da müssen wir überlegen, ob wir das selber machen oder einen Tischler suchen. Vermutlich geht's schneller, wenn wir es selbst machen.
Ein Heizungsbauer hat sich auch gemeldet, so dass es auch da weitergeht, wenngleich aufgrund der Auftragslage und des Krankenstands bei ihm noch kein Termin gemacht wurde. Aber es fand sich eine Firma, für die der Auftrag nicht zu klein ist. Das ist ein Fortschritt. Weiterhin fehlen Elektriker und Fliesenleger - und die letzten Arbeiten der Baubrigade, denn der Balkon hat noch immer kein Geländer, und bei vielen Kleinigkeiten wurde schlichtweg geschlampt. Aber bei der Baubrigade mache ich erstmal keinen Druck, solange alles funktioniert. Der Bauunternehmer wird sich schon melden, wenn er die letzte Abschlagszahlung haben möchte.
Generell nervt uns beide, dass wir nichts hintereinanderweg nach Plan abarbeiten können, sondern immer das machen müssen, was gerade möglich ist, weil der entsprechende Handwerker gerade verfügbar ist.
Den Müttern und Tante geht's gut. Mudderns scheint es zu bekommen, dass ihre Gesellschafterin zwei Wochen nicht da war - sonst war es immer umgekehrt. Es mag natürlich auch sein, dass sie nur mir zu Liebe jeden Abend sagt, sie hätte einen schönen Tag gehabt, aber so trotz der Geschichten, die Mudderns gerne erfindet, sieht ihr das nicht ähnlich. Mudderns hat weiterhin Probleme, sich im Heim anzupassen. Aktuell gibt es Ärger, weil sie ihr Zimmer und ihr Bad zu verwahrlosen lässt, dass sich die Putzkräfte beschwerten. Mein Albtraum ist, dass das Heim sie nicht mehr tragbar findet - ich wüsste nicht, wo ich sie sonst unterbringen könnte, zumal sie in kein anderes Pflegeheim möchte.
Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.
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Na, wenn der Vater bei der NS Luftwaffe war, dann sollte man sich doch mal im Archiv die Spruchkammerakten ansehen. Wäre doch auch mal interessant, vielleicht geht der Papa ja als Belasteter aus dem braunen Pack hervor.
AntwortenLöschenFreundliche Grüße Charlotta
Ich würde mein Handwerk nicht beherrschen, wenn ich die Unterlagen meiner Familie nicht schon lange hätte, sofern sie noch erhalten sind. Auf der väterlichen Seite sind sie allerdings wenig aussagekräftig.
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