Montag, 9. April 2018

Wandbild an der Martha-Muchow-Bibliothek (Universität Hamburg)

Montags gegen Nazis
Heute um 17.30 Uhr trifft sich das demokratische Hamburg vor Saturn am Beginn der Mönckebergstraße, um vereint gen Dammtor zu laufen, denn: Wir haben uns da was eingetreten. Es ist braun. Es riecht nach Faschismus, Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus. Es trifft sich montags am Dammtor, hinterm Bahnhof, eingepfercht in Gattern, umringt von Polizei und der Gott sei Dank immer noch demokratischen Mehrheit dieser Stadt. Es ist eine krude, gefährliche Mischung aus Türstehern, Hooligans, Faschisten, Reichsbürgern und AfDlern, garniert mit ein paar spießbürgerlichen Sahnehäubchen aus dem Hamburger Umland.

Wir hatten schon mal Faschismus in Deutschland. Mein Bedarf daran ist hinreichend gedeckt. Ich muss keinen faschistischen Staat erleben. Mir reichen die Erinnerungen an den, den es zwischen 1933 und 1945 gab.

Ein Wandgemälde, gestaltet vom Hamburger Künstler Philipp Kabbe, erinnert an Martha Muchow.
Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm.

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal. Alle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst.

Detail des Wandbildes.
Die Bibliothek der Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft der Universität Hamburg in der Binderstraße 40 / Von-Melle-Park 8 ist nach Martha Muchow benannt. Im Von-Melle-Park gibt es ein Wandgemälde, das an die Psychologin und Pädagogin erinnert, in der Bibliothek eine Ausstellung.

Muchow wurde am 25. September 1892 in Hamburg geboren, wuchs in Rothenburgsort und Eimsbüttel auf. Im Alter von 21 Jahren legte sie ihre Lehramtsprüfung ab und arbeitete in den folgenden Jahren als Lehrerin im dänischen Tønder, in Barmbek und Eimsbüttel. Nach drei Jahren als unbezahlte wissenschaftliche Hilfskraft, eine Tätigkeit, die sie neben dem Lehrerberuf ausübte, begann sie 1919 als eine der ersten Frauen das Studium der Psychologie, Philosophie und Germanistik. 1920 wurde sie vom Schuldienst beurlaubt, konnte sich nun ganz auf die akademische Laufbahn konzentrieren. 1923 promovierte Muchow.

Die Leitung des Philosophischen und Psychologischen Instituts hatte der Psychologe William Stern inne, mit dem Muchow eng zusammenarbeitete. Sie vertrat eine fortschrittliche Pädagogik. Ab 1926, als die Hamburger Universität die Ausbildung der künftigen Volksschullehrer übernahm, arbeitete Muchow im Pädagogischen Institut mit. Die Lebenswelt des Kindes in der Großstadt war ihr Forschungsschwerpunkt. Ab 1930 gibt es erste akademische Würdigungen ihrer Arbeit. Im gleichen Jahr wurde sie als eine der ersten Frauen zum Wissenschaftlichen Rat ernannt.

Schon vor Machtübernahme der Nationalsozialisten geriet das Psychologische Institut ins Visier der Faschisten, auch, weil es mit William Stern und Heinz Werner von zwei Juden geleitet wurde. Beide wurden am 7. April 1933 ihrer Ämter enthoben. Martha Muchow, die aus einer evangelischen Familie stammte, also nicht unter die NS-Rassengesetze fiel, war nun faktisch Leiterin des Instituts.

Martha Muchow.
Sie geriet selbst auch rasch ins Visier der Faschisten: Einerseits galt sie ihnen wegen ihres Engagements in der Jugendbewegung als Marxistin, andererseits wegen ihrer vertrauten Zusammenarbeit mit William Stern, den sie auch nach seiner Entlassung täglich besuchte. Die Nazis hielten ihren Einfluss auf zukünftige Pädagogen und Psychologen für unheilvoll und einer deutschen Staatsauffassung zu wider laufend.

An ihrem 41. Geburtstag, dem 25. September 1933, wurde Muchow die Institutsleitung entzogen, wurde sie in den Schuldienst zwangsversetzt. Zwei Tage später unternahm sie einen Selbstmordversuch, dem sie vier Tage später erlag. Ihr Bruder Hans Heinrich Muchow, der sie, durch Stern alarmiert, fand und vergeblich versuchte, sie zu retten, wurde vom Blockwart gezwungen, am Tage ihrer Beerdigung die Hakenkreuzflagge zu hissen. Stern gelang die Emigration.

Nach Martha Muchow wurde 2010 ein Weg auf der Uhlenhorst benannt.


Affiliate links zu den Werken von und über Martha Muchow:

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