Montag, 2. Juli 2018

Das ehemalige Kinderkrankenhaus Rothenburgsort (Marckmannstraße 135)

Montags gegen Nazis
Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm. 

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesen. Alle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst.

"Mutterliebe" von Richard Kuöhl.
In einer stillen Wohnstraße in Rothenburgsort, der Marckmannstraße, steht ein Backsteinbau, in dem sich heute das Hygiene-Institut befindet. Zwischen 1892 und 1982 ist hier das Kinderkrankenhaus Rothenburgsort. Es verfügt anfangs über 231 Betten, fünf Ärzte und zahlreiche Schwestern, die dem Tabea-Diakonissenverband angehören, der Krankenpflege als Ausdruck christlicher Nächstenliebe versteht.

Die Nationalsozialisten machen und machten keinen Hehl daraus, das Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen, kein Recht auf Leben haben. Das gilt damals wie heute auch für körperlich und und geistig Behinderte sowie für psychische Kranke.

Vor dem ehemaligen Eingang des Kinderkrankenhauses erinnern heute Stolpersteine und eine Tafel an die ermordeten Säuglinge und Kleinkinder.
1940 wird mit der Ermordung dieser sogenannten "unerwünschten Elemente" begonnen. Der NS-Euthanasie fallen etwa 260.000 Männer, Frauen und Kinder zum Opfer. In Hamburg wird im Juni 1940 mit der Ermordung der sogenannten "Reichsausschusskinder" begonnen. Bis April 1945 werden mindestens 56 Säuglinge und Kleinkinder im Kinderkrankenhaus Rothenburgsort ermordet.

Täter sind die Ärztinnen und Schwestern. Den Kindern wird ein tödlicher Medikamentencocktail gespritzt, was meistens nur möglich ist, wenn das Kind von einer Krankenschwester festgehalten wird oder fixiert ist. Initiiert wurden die Morde von Wilhelm Bayer, dem Chefarzt. Ihm zur Seite stehen beispielsweise die Ärztinnen Helene Sonnemann, Lotte Albers, Ilse Bauer (verheiratete Breitfeld) sowie die Krankenschwestern Felicitas Holzhausen und Gudrun Kasch (alle 18 Namen der bislang bekannten Täterinnen lassen sich hier nachlesen). Die Schwestern erhalten eine erhebliche monatliche Gehaltszulage für die Teilnahme an den Tötungen.

Stolpersteine im Frühsommerregen.
Eines der ersten Kinder, die ermordet werden, ist die zweieinhalbjährige Gretel Schwieger. Durch eine Hirnhautentzündung erblindete das kleine Mädchen und stagniert in seiner Entwicklung. Am späten Vormittag des 24. Juni 1940, einem Montag, hält die Krankenschwester Gudrun Kasch das Kind fest, damit die Ärztin Lotte Albers ihr eine tödliche Injektion mit Luminal setzen kann.

Nach der Befreiung bleiben die an den Kindermorden beteiligten Frauen und Männer entweder juristisch unbehelligt oder die Ermittlungen werden nach kurzer Zeit eingestellt. Sie üben weiterhin ihre Berufe als Kinderärzte oder Krankenschwestern aus, bleiben in Kontakt, besorgen sich gegenseitig Anstellungen.

1999 initiieren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hygiene Instituts eine Gedenktafel (hier ist die Festschrift zur Enthüllung nachzulesen), später werden Stolpersteine verlegt (alle bislang bekannten Namen und Biographien sind hier nachzulesen).

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6 Kommentare:

  1. Dort sind mir 1948 die Mandeln entfernt worden. Kann mich schwach errinnern, am schlimmsten war es für die Kinder und die Eltern damals, daß die Eltern nicht in die Zimmer zu ihren Kindern durften. Sie standen dann vor der Tür und schauten durch die Türfenster

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  2. 1961 oder 1962 wurde mir im Kinderkrankenhaus Rothenburgsort der Blinddarm entfernt. Damals trugen die Schwestern noch Hauben auf dem Kopf. Ich erinnere mich noch heute an die Frau die die Krankenzimmer sauber gemacht hat. Sie hat sich immer Zeit für eine Gespräch genommen. Das war das Highlight damals das des Tages.

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  3. um 1960 lagen mein bruder und ich mit scharlach auf der isolierstation.ein kleinkind lag am fenster in einem großen bett. ich bekam ein viel zu kleines gitterbett: wenn ich den kopf an die stäbe legte, musste ich meine füße ca 2o cm durch die unteren stäbe stecken oder mich krumm machen. töpfchenzeit war morgens und abends, einmal bekniete mich mein bruder mittags, ihm das töpfchen zu reichen. die schwestern ließen ihn bis abends darauf sitzen und kommentierten, unsere eltern hätten uns nicht gut erzogen. nach der isolierstation kam die große erleichterung: ich bekam ein großes bett und wir durften zusätzlich mittags aufs töpfchen. das ist ca. 60 jahre her

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  4. Ich war vom 3.- 6.Lj., 1960 bis 1963 durchgehend in diesem Krankenhaus. Zunächst Verdacht auf Kinderlähmung, endgültige Diagnose Polyarthritis.
    Diese Zeit ist mir noch sehr in Erinnerung.
    Die Untersuchungen und Behandlungen waren sehr schmerzhafte und ich hatte große Angst vor den unheimlichen Instrumenten. Im Nachhinein kommt mir das alles wie Experimente vor.
    Morgens 5.30 Uhr Weckzeit, zum Frühstück lauwarme Milch mit dicker Hautschicht aus einem weißen Emaille-Blechbecher mit blauem Rand und Schwarzbrot mit Marmelade, nachts vorbereitet, also hochgebogene Kanten und durchmatscht.
    Topfzeiten nur morgens und abends.
    Ich war 3 lange Jahre in einem hohen Gitterbett eingesperrt.
    Die Türen und Wände waren im oberen Drittel verglast, so dass ich die Schwester auch mehrere Zimmer weiter sehen konnte. Sie reagierte nie trotz stundenlangem Rufen und Winken. Wenn ich es nicht mehr aushalten konnte, pinkelte ich trotz der drohenden Bestrafung in die äußerste Ecke des Bettes und verrichtete das große Geschäft in meine kleine Kinderhandtasche, die ich Sonntags zur Besuchszeit meiner Mutter zum Entleeren gab. Besuchszeit war Mittwochs und Sonntags von 14-15 Uhr. Meine alleinerziehende Mutter musste arbeiten und konnte deshalb nur Sonntags kommen.
    Ich konnte durch das Fenster sehen, wie sich die Besucher draußen vor dem Tor in Trauben sammelten, das pünktlich um 14 Uhr aufgeschlossen wurde und alle strömten ins Haus. Genauso pünktlich mussten alle wieder um 15 Uhr gehen. Keine Ausnahme. Auch nicht für die Eltern meines Cousins, der 1962 hier im Todeskampf lag und wenig später im Alter von 18 Monaten verstarb. Allein ohne die verzweifelten Eltern an seiner Seite.
    Das Ende der Besuchszeit war all die Jahre das wiederkehrend Schlimmste. Meine Mutter hörte mein Weinen und Schreien bis auf den Bahnsteig des S-Bahnhofes. Es dauerte Stunden bis ich mich wieder beruhigt hatte und auf den nächsten Sonntag wartete und hoffte, dass Mama mich endlich mitnehmen würde. 3 Jahre lang. Meine Mutter war eine einfache Frau, Ärzte und Schwestern unantastbare Obrigkeiten, die aufbegehrenden Eltern mit dem Jugendamt drohten.
    Wenn ich an diese Zeit zurückdenke, fühle ich mich wieder wie dieses kleine Kind und die damalige Hilflosigkeit, die Ängste und Verzweiflung sind noch genauso stark präsent als wäre es gestern und nicht vor 60 Jahren gewesen.
    Heute bin ich froh, dass sich die Zeit geändert hat und Kinder nicht mehr als seelenlose Geschöpfe behandelt werden, die nur verwahrt und versorgt werden und denen damals die so lechzend ersehnte Zuneigung verwehrt wurde.

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  5. Ich lag im Februar 1954 (Mai 47 geboren) mit Diphtherie sowie 1959 mit Scharlach dort, und zwar für mehrere Wochen. Insbesondere 1954 ist mir die Härte des Personals in Erinnerung; man wurde trotz des geringen Alters grob behandelt. Vermutlich eine Nachwirkung des Krieges.


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  6. Auch ich hatte als Kleinkind Diphtherie und wurde in diese Kinderklinik "eingeliefert". Wohl wegen der hohen Ansteckungsgefahr war ich wohl viele Monate isoliert untegebracht. Meine Eltern durften nicht zu mir, sie schauten bei ihren Besuchen immer nur durch ein kleines Glasfenster in der Zimmertüt und winkten. Dann gingen sie wieder. Ich habe schlimmste Erinnerungen an diese Zeit. Erzähle ich mal davon, hält man mich für einen Lügner, denn ich war damals ja erst gut 18 Monate alt, da hätte man angeblich noch keine Erinnerungen. Noch heute kann ich beschreiben, welche Kopfbedeckungen meine Eltern bei Ihren Besuchen aufhatten. Auch erinnere ich mich noch sehr genau daran, wie die Krankenschwestern in Nonnentracht mich fütterten, solange, bis nichts mehr reinpaßte.

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Kommentare von Corona-Leugner, Quer- und anderen Nicht-Denkern, Wahnwichteln, Das-ist-doch-nur-ne-Grippe-Schwurblern, Wir-haben-genug-freie-Intensivbetten-Rufern und ähnlichen Düffeldaffeln werden gelöscht.