Montag, 9. Juli 2018

Das Feuersturm-Denkmal und der Carl-Stamm-Park in Rothenburgsort

Montags gegen Nazis
Montags erinnere ich daran, was passiert, wenn es mit der Demokratie bergab geht und wie es anfing, denn die Nazis fielen ja nicht 1933 vom Himmel. Die krochen schon Jahre vorher aus ihren Löchern, wurden nicht rechtzeitig aufgehalten, auch, weil man sie nicht ernst nahm, dachte, es wird schon nicht so schlimm. 

Wurde es aber.

In loser Folge gibt's hier also montags Kunst und Denkmäler gegen Faschismus, Nationalismus und Rassismus. Orte, die daran erinnern, gibt es nicht nur in unserer Stadt genug, denn wie gesagt: Wir hatten das schon mal.

Wie es zu dieser Beitragsreihe gekommen ist, kannst Du hier nachlesen. Alle Beiträge aus dieser Reihe findest Du, wenn Du hier klickst.


Blick in den Carl-Stamm-Park mit dem Feuersturmdenkmal.
Auf dem Weg zum ehemaligen Kinderkrankenhaus Rothenburgsort sah ich ein merkwürdig langgestrecktes, dunkelgrau angestrichenes  Gebäude in einem kleinen Park. In Dänemark hätte ich schulterzuckend gedacht, es ist ein madpakkehus, ein Haus, in dem Parkbesucher bei Regen ihr Picknick verspeisen können, aber so was ist in Deutschland ja unüblich. 


Im Park.
Für ein Trafohaus oder ein anderes Zweckgebäude stand es zu prominent in der Gegend rum, und überhaupt, die haben doch nicht so viele Fenster. Für ein Spielplatzhaus fehlten tobende Kinder, und der nächste Schulhof war zwar in Hör- aber noch lange nicht in Sichtweite. Also wechselte ich die Straßenseite und guckte einfach mal nach.

Der kleine Park am Billhorner Deich Ecke Marckmannstraße ist nach Carl Stamm benannt. Der Kinderarzt ist einer der Mitbegründer des Kinderkrankenhauses Rothenburgsort gewesen. Stamm trägt maßgeblich dazu bei, dass die Säuglings- und Müttersterblichkeit in dem Arbeiterstadtteil zurückgeht. 


Am Park.
Im Frühjahr 1933 wird Stamm entlassen - er ist Jude und deswegen als Arzt nicht mehr erwünscht. 1938 wird ihm endgültig die Approbation entzogen. Carl Stamm stirbt am 28. Oktober 1941 unter ungeklärten Umständen. Drei Tage vorher beginnt die Deportation der Hamburger Juden. 

Eine ausführliche Biographie von Carl Stamm gibt es hier. Nach der Befreiung erinnerte lange Zeit nichts an Carl Stamm, bis 2010 der kleine Park umbenannt wurde. Die Einweihung nahm Bezirksamtsleiter Markus Schreiber vor - sein Kinderarzt war Wilhelm Bayer, der 1940 die Kindermorde in Hamburg initiierte und nach der Befreiung weitgehend unbehelligt weiter praktizieren konnte.


Im Park.
Das Haus, das meine Aufmerksamkeit auf den kleinen Park zog, erinnert an den Hamburger Feuersturm. Es ist ein auf den Maßstab 1:2,5 verkleinertes Terrassenhaus, eine ab 1880 typische Mietskaserne. Dieser Haustyp und die engen Straßen prägen bis zum Sommer 1943 das Bild Rothenburgsorts. Dicht an dicht leben hier Arbeiter und Handwerker, von denen manche ihre Werkstätten samt Materiallager in den Hinterhöfen hatten. 


Blick in das Denkmal.
Am 27. und 28. Juli 1943 sind die dicht besiedelten Arbeiterviertel wie Rothenburgsort Ziel der alliierten Bombardierungen. 722 Flugzeuge werfen ihre Bombenlast ab. Infolge der seit Tagen anhaltenden Hitze und Trockenheit haben die Brandbomben leichtes Spiel und finden reichlich Nahrung. 

Hinzu kommt eine besondere Wetterlage: Die Brandgase werden wie von einem Schornstein angesogen, und Windhosen tosen durch die engen Straßen. Die Menschen haben kaum eine Chance. Erst gegen sechs Uhr früh lassen die Feuer langsam nach. Der einst lebendige Stadtteil und knapp 30.000 Männer, Frauen und Kinder sind Asche. 


Blick auf das Denkmal "Der Engel schwieg" von Volker Lang.
2003, zum 60. Jahrestag des Hamburger Feuersturms, entwirft der Hamburger Künstler Volker Lang das Feuersturm-Denkmal mit dem Titel "Der Engel schwieg" für Rothenburgsort. Im Inneren sind Textfragmente von Zeitzeugen und Schriftstellern zu lesen. Das Mahnmal wird betreut von der Kirchengemeinde St. Thomas, die am 29. Juli 2018 um 10 Uhr auch einen Gedenk-Gottesdienst anlässlich des 75. Jahrestags des Feuersturms abhält. 

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