Samstag, 25. September 2021

Samstagsplausch KW 38/21: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten LXXX

Tschakka, ich habe zwei Tumore gewonnen! Die Magen-Darm-Spiegelung in dieser Woche ging also positiv aus. Ein Tumor sitzt in der Speiseröhre, könnte die jahrzehntelangen Schluckbeschwerden und Halsschmerzen erklären, die von den Ärzten wahlweise mit falscher Ernährung, Stress, Allergie oder ungewöhnlich großen, zerklüfteten Mandeln erklärt wurden. Der zweite sitzt im Magen - ich habe also schon ohne bariatrische OP meine persönliche Magenverkleinerung. 

In der kommenden Woche geht's zu einem Spezialisten ins Krankenhaus, und dann schauen wir mal, wie wir den Biestern zu Leibe rücken. Der sofortige Termin beim Spezialisten überraschte mich, denn ich hatte frühestens für's kommende Jahr damit gerechnet. Aber ich bin froh, wenn ich schnell Gewissheit bekomme.

Vor vier Wochen sagte dieser fürchterliche Chirurg, der mich unbedingt zur Magenverkleinerung überreden wolle, ja noch zu mir, er erkenne bei den Laborbefunden keine Anzeichen für einen Tumor, das sei Blödsinn, was der Humangenetiker sagte. Ich solle mir lieber dringend einen vernünftigen Hausarzt suchen. 

Nun, zum Glück war meine Hausärztin so unvernünftig, aufgrund der unerklärlich hohen Tumormarker alle Organe durchchecken zu lassen. Ansonsten wären die Tumore unentdeckt geblieben, denn bis auf die Werte des Tumormarkers gibt es keinerlei Hinweise (und die Aussagekraft der Tumormarker ist so unspezifisch, dass es alles möglich sein kann, wir bei negativen Befunden weiter auf Zahnfleischentzündung und blaue Flecke gesetzt hätten). Ohne die Spiegelung wären die Tumore auch nicht entdeckt worden, denn im vorherigen Ultraschall sahen meine Organe aus wie aus dem Lehrbuch, meinte die erfreute Internistin.

Medizinisch heißen Tumore übrigens submuköse Raumforderungen. Ich habe quasi Körperbesetzer.  

Mache ich mir Sorgen? Ja, insbesondere, weil bislang alle Ärzte sagten, ich solle mir keine Sorgen machen, zuletzt der Gastroenterologe, als er mir die Diagnose mitteilte. Ich weiß auch, dass ich keine Kraft habe, eine Chemo etc. durchzustehen, wüsste auch nicht, vorher ich die Kraft nehmen soll. 

Ich muss mich dringen um Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung kümmern, was ich schon seit Monaten vor mir herschiebe. Und ich sollte mich um die Kontenklärung bei der Rentenversicherung kümmern, denn ich sah ja gerade beim Gatte, wie plötzlich es mit der Rente gehen kann (wobei ich solange prekär beschäftigt war, dass ich keine Rente bekomme, aber es muss ja dennoch alles seine Ordnung haben). 

Der Gatte ist selbst gesundheitlich angeschlagen, kann mich also kaum auffangen oder unterstützen, sondern braucht selbst Unterstützung. Im Büro halten mir meine Kollegen den Rücken frei, was sehr viel Wert ist, aber die Arbeit fordert generell am wenigsten von mir, die habe ich im Griff.

Mudderns darf keinesfalls von der Diagnose erfahren, denn sie dreht durch, wenn sie nicht im Mittelpunkt steht, und dafür habe ich aktuell erst recht keine Kraft. Ich will nicht wieder Tag und Nacht mit Anrufen bombardiert werden (und sie ist eh schon wieder neben der Spur, dabei haben wir noch nicht mal Januar, den Monat, in dem ihre depressive Hochform sonst beginnt). 

Es bleibt also dabei, dass es keine Entlastung, Unterstützung gibt. Ich hoffe, es hilft weiterhin, dass ich von klein auf darauf konditioniert bin, einfach nur zu funktionieren, auch über jegliche Erschöpfung hinaus, Druck gewohnt bin. Alle Pläne, die wir im Urlaub machten, sind erstmal wieder obsolet, auch die Ferienhausbuchung für unseren 20. Hochzeitstag im Februar. Auch das kostet mich viel Kraft, denn da ist nichts, worauf ich mich freuen kann. 

Hier gilt seit mittlerweile 80 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Unsere Kontakte sind auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Mütter. 

Von der Tumorgeschichte abgesehen war's eine gute Woche. Wir konnten eine Teezeit im Garten genießen, in der Sonne und ohne Kreisch-Kinder oder Bolz-Blagen. Schwiegermutter hat während unseres Urlaubs ordentlich im Garten gewütet, ihn nach ihren Vorstellungen gestaltet, alles Verblühte entfernt, inkl. mehrjähriger Pflanzen, aber ich habe keine Kraft, das mit ihr auszudiskutieren. Wir hätten ihr nicht den Wohnungsschlüssel geben sollen, wissen wir doch, dass sie sich nicht an Absprachen hält. Wenigstens tobte sie sich diesmal nur im Garten aus. Alle anderen Räume wurden zwar genauestens inspiziert, aber es blieb wenigstens alles an Ort und Stelle. Es gab schon Urlaube, da erkannte ich bei Rückkehr meine Wohnung kaum wieder.

Zu den positiven Dingen gehört auch, dass die Stromnachzahlung geringer ausfiel als befürchtet. Gleiches gilt für die Steuer. Aufgrund der Kurzarbeit des Gatten und des Progressionsvorbehalts hatte ich keine Ahnung, was da auf uns zu kommt, aber es war nicht so schlimm. 

Ansonsten bin ich froh, wenn das Wahl-Gedöns endlich vorbei ist. Wir sind beide gerade etwas politikverdrossen, und ich bin heilfroh, dass ich die stressige Wahlkampfphase nicht mehr begleiten muss wie früher im alten Job. Gleichzeitig vermisse ich diese Zeit, vor allem auch den Montag nach der Wahl. Das war eine ganz besondere Stimmung. Wir haben beide Briefwahl gemacht, schon vor dem Urlaub, und können uns Sonntag zurücklehnen. Eigentlich wollte ich wie üblich zum Sport, nur ist im Studio Tag der offenen Tür. Vielleicht schaffe ich es ganz früh. 

Im Büro gab's übrigens einen Coronafall, ein doppelt geimpfter Kollege, ausgerechnet einer der beiden, die seit 16. März 2020 bis zum vollständigen Impfschutz zu Hause waren, weil sie zu einer Risikogruppe gehören. Gott sei Dank ging's glimpflich ab. Aber Angst macht es schon. Corona ist Moppelkotze.

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse. 

2 Kommentare:

  1. Servus Sabine,
    ich bin sprachlos. Ich umarme dich und wünsche von Herzen alles erdenklich Gute!
    ELFi

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke, liebe ELFi! Ich versuche auch immer noch, das alles zu verstehen.

      Löschen

Kommentare von Corona-Leugner, Quer- und anderen Nicht-Denkern, Wahnwichteln, Das-ist-doch-nur-ne-Grippe-Schwurblern, Wir-haben-genug-freie-Intensivbetten-Rufern und ähnlichen Düffeldaffeln werden gelöscht.