Sonntag, 4. Juni 2023

Samstagsplausch KW 22/23: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CLXVIII

"Dann lass uns doch die letzte Juni-Woche festhalten. Dann haben wir bis dahin etwas, worauf wir uns freuen können", sagt die Verabredung, und ich denke so bei mir, dass ich mich nicht freuen kann, weil bis dahin noch viel zu viel passieren kann. Zu oft drehte sich mein Leben in den letzten drei Jahren binnen Minuten um 180 Grad. Ich plane nur kurzfristig, wenn überhaupt. Vorfreude gestatte ich mir schon lange nicht mehr. 

Sonntagshimmel über dem alt-neuen Garten.

Für Mitte Juni ist die Nieren-Biopsie des Gatten terminiert. Ob sie stattfindet, entscheidet sich erst am Tag des Termins - der Gatte muss vorher in der Klinik anrufen, ob ein Bett für ihn frei ist. Es kann also sein, dass es einen neuen Termin geben wird. Wir sind angespannt und nervös, denn die gleichen drei Ärzte, die sagen, die Biopsie sei unvermeidlich, sagen auch, es sei ungewiss, ob der Gatte sie überlebt oder ob sie Erkenntnisse über seine Nierenprobleme bringt. Egal, welche Entscheidung der Gatte trifft, sie kann nur falsch sein. Also Augen zu und durch, beten und das Beste hoffen - auch bezüglich einer Corona-Infektion. In den Krankenhäusern gibt es ja keine Masken- oder Testpflicht mehr, werden Corona-Infizierte nicht mehr isoliert. 

Hier gilt seit mittlerweile 168 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Es geht uns vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird. Er ist inzwischen schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und, seit der Übernahme meines früheren Elternhauses, Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona uns bislang verschonte und hoffe sehr, das bleibt so. Weder der Gatte noch ich haben Lust, zur Entlastung der Rentenkassen beizutragen.

Im Büro ist es zurzeit ziemlich stressig. Die Kollegin, die mich zwei Tage in der Woche unterstützt und mir damit den Rücken freihält für lästigen Verwaltungskram, ist gesundheitlich angeschlagen. Es ist hoffentlich nichts Ernstes. Sie fühlte sich gesundheitlich gerade wieder so fit, dass sie Stunden aufstocken möchte, und dann dieser Rückschritt. Außerdem zeigt sich immer öfter, dass wir einfach zu viele Häuptlinge und zu wenig Indianer haben. Zwei Kolleginnen bekamen dieses Woche einen Nervenzusammenbruch. Vermeintlicher Auslöser war das Setzen eines Termins per Outlook anstatt vorher alle zu fragen, ob der Termin genehm ist. Dahinter steckt, dass wir zum xten Mal unsere Kapazitäten darlegen sollen, einen möglichst minutengenauen Tätigkeitsbericht abliefern sollen. Ich habe die Arbeitsanweisung erstmal ignoriert, kann das alles nicht mehr ernst nehmen, werde mich aber kommende Woche darum kümmern müssen. Nützt ja nichts. 

Auf der Baustelle geht es weiter im Schneckentempo vorwärts. Der Gärtner kam, war nicht abgeschreckt, hat einen Plan und wir wurden uns einig. Er legt sogar schon kommende Woche los. Ich hoffe, er schwächelt nicht auf der Strecke wie viele unserer Handwerker bisher, und bin gespannt, wie der Garten aussehen wird, wenn er mit dem ersten Teil fertig ist. Der Gärtner wird im ersten Schritt mit dem Roden beginnen, dann den alten Schuppen abreißen, die drei Reihen alter Zäune entfernen, eine alte Trennmauer entfernen und schließlich ein Gartenhäuschen vom Händler holen, aufbauen und Sichtschutzzäune setzen. Später müssen Bäume beschnitten, ein Anlehngewächshaus aufgestellt, Trittplatten verlegt, Vorgarten, Hochbeete und Beete neu angelegt werden. Wenn der Gärtner anders als sein Vorgänger durchhält, ist er also gut beschäftigt. Ich bin auch gut beschäftigt, denn ich muss über's Wochenende den alten Schuppen ausräumen, zumindest die Sachen, die wir behalten wollen.

Nachdem wir feststellten, dass die Baubrigade, über die wir erst so froh waren, auch bei der Heizwasserversorgung Murks baute, fragte ich diese Woche nochmal bei einem Heizungsbauer an - Nummer IV. Heizungsbauer I, der Installateur, der sich seit Jahren im Heizung und Sanität in meinem ehemaligen Elternhaus kümmerte, kam im August, meinte damals schon, er wisse nicht, ob er noch im selben Jahr einen Kostenvoranschlag schaffe. Wir hörten nie wieder etwas von ihm. Heizungsbauer II wollte im Februar mal auf einen Sprung vorbeikommen, auf einem Sonntag, weil auf dem Weg und der potentielle Auftrag ja nur eine Kleinigkeit. Muss ich sagen, dass wir nie wieder etwas von ihm hörten? Heizungsbauer III kam tatsächlich im Februar. Ich erinnerte seitdem mehrfach an den Kostenvoranschlag, fragte nach einem Termin, aber inzwischen läuft da auch nur noch das Band. Jetzt also Heizungsbauer IV. Der ließ sich vorab per eMail schildern, was zu tun sei, würde sogar die Heizkörper auswechseln, da absolut überdimensioniert, und schlug einen Kaminbauer vor. Im August will er sich alles anschauen. Ich bin gespannt, ob es diesmal nicht nur beim Anschauen bleibt. Ob wir tatsächlich Heizkörper austauschen, hängt davon ab, ob wir es uns leisten können. Theoretisch gibt es dafür zwar Fördermittel, praktisch sind die Anträge aber derart kompliziert, dass ich nicht durchsteige (und das will was heißen, denn ich verstehe normalerweise Verwaltungsdeutsch). Und nachdem es monatelang nicht gelang, einen Kostenvoranschlag zu bekommen, die neue Heißwasserversorgung ja eigentlich ausgeführt war, haben wir das Heizungsgeld schon lange anders verplant. Heißt, wenn tatsächlich irgendwelche Arbeiten an der Heizung durchgeführt werden sollten, müssen wir etwas anderes schieben. Aber daran mache ich mich erst, wenn ich tatsächlich einen Kostenvoranschlag habe. Bis dahin plane ich ohne Arbeiten an der Heizung weiter.  

Bei Glaser und Tischler muss ich mich in Erinnerung bringen, denn da fehlen Kostenvoranschlag und Termin, und da tatsächlich schon Juni ist, beginnt der im Januar beauftragte Austausch der Kellertreppe. Ich muss also über's Wochenende die Kellertreppe abräumen und Platz für das Material schaffen, das drei Wochen gelagert werden muss.

Ansonsten bin ich mit Sterbegeld- und Lebensversicherung beschäftigt. Beim Bestatter wurden die Danksagungen ausgesucht und in Auftrag gegeben. Wenn der Gatte die Nieren-Biopsie überstand, werden wir uns um Bestattungsvorsorge, Patientenverfügung und Generalvollmacht kümmern. Das Leben des Gatten stand in den letzten drei Jahren zu oft auf Messers Schneide als dass ich länger unvorbereitet sein möchte, und für ihn ist es ja auch eine Beruhigung, wenn bei mir alles vorbereitet ist, denn mir kann ja auch was passieren. Ansonsten müsste ich mich langsam mal um die Bankgeschäfte und die Erbschaftssteuererklärung kümmern, aber wenn ich es richtig verstehe, muss ich mit der Steuererklärung eh waren, bis die Kosten für die Bestattung abgerechnet sind.  

In den letzten Tagen sah ich im Dorf immer wieder eine alte Damen mit einem "normalen" Rolli mit einem Elektro-Antrieb durch die Gegend flitzen, also nicht in so einem klobigen Elektro-Rolli. Das wäre ideal für meine Mutter gewesen, aber sie wollte sich ja partout nicht auf einen Rollstuhl einlassen, als die Beine zu schwach für einen Rollator waren. Stattdessen entschied sie sich, für immer zu gehen. 

Mein Antrag auf stationäre Reha ist noch immer nicht beschieden. Für die ambulante RV-Fit-Maßnahme habe ich nun eine andere Klinik zugewiesen bekommen. Ich bin gespannt, ob es da wirklich einen freien Platz gibt. 

Schwiegermutter und Tante geht's gut. Der Gatte musste allerdings diese Woche vermitteln, weil Schwiegermutter mal wieder unausstehlich war und Tante anging. Unausstehlich war Schwiegermutter auch, weil wir es wagten, Pfingsten nicht zu Besuch zu kommen. Wir brauchten einfach die Ruhe im alt-neuen Haus. Das Landleben tut uns einfach gut. Wir entschleunigen hier total, was andererseits aber auch heißt, dass wir zurzeit am Liebsten tatenlos auf der Terrasse sitzen. 

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse

1 Kommentar:

  1. Na, wenn ich lese, was du alles wuppst, Beruf, Gartenplanung, der Stress mit den Handwerkern, zwei Haushalte, die Sorge um den Mann, die ganzen Schriftkram wg. deiner Mutter, die kraftziehende Trauer....
    Da ist es nur verständlich, wenn der Akku sowas von leer ist, und man einfach nur seine Ruhe haben möchte am WE.
    Ich wünsche dir, dass dich selbst nicht vergisst.LG, Silke

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Kommentare von Corona-Leugner, Quer- und anderen Nicht-Denkern, Wahnwichteln, Das-ist-doch-nur-ne-Grippe-Schwurblern, Wir-haben-genug-freie-Intensivbetten-Rufern und ähnlichen Düffeldaffeln werden gelöscht.