Sonntag, 30. Juni 2024

Samstagsplausch KW 26/24: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCXXIV

Aktuell bin ich mal wieder sehr froh, dass ich darauf gedrillt wurde, einfach nur zu funktionieren (nein, das ist bei Kindererziehung nicht zur Nachahmung empfohlen!). Die Schlagzahl ist hoch, die Tage sind durchgeplant, wenig Atempausen. 

Ich liebe die Blicke in den Abendhimmel vom Balkon.

Mittwoch fuhr mich der Gatte an, ich würde Stress verbreiten, sobald ich zu Hause wäre. Ich verbreite keinen Stress, ich habe Stress, denn sobald ich zu Hause bin, muss ich das erledigen, was keinen Aufschub duldet. Mittwoch hieß das, nach einen Zehn-Stunden-Tag in Affenhitze schnell noch den Sperrmüll an die Straße schaffen, bevor ich zur Ruhe kommen kann. Wenn ich mich da erst kurz hinsetze, um durchzuschnaufen, komme ich nicht wieder hoch, weil die Erschöpfung erbarmungslos zuschlägt.   

Der Sperrmüll kam am Donnerstag und nahm zumindest zwei Küchenschränke und die Spüle mit, obwohl die aus Metall war, was diese Woche noch nicht dran war. Kleinere Regale und Holzlatten ließ er stehen - das sollen wir wohl selbst zerkleinern und im Hausmüll entsorgen ... Erstaunlicherweise nahm der Sperrmüll auch einen alten Drucker mit, den der Gatte dazustellte, weil er vergaß, dass Elektroschrott und Metall erst in einer Woche abgeholt werden. Sicherheitshalber habe ich Ende des Monats einen weiteren Sperrmülltermin gemacht. Da sollen am gleichen Tag sogar Elektroschrott und Metall abgeholt werden. Ich bin gespannt, auch darauf, wann ich das System der hiesigen Müllabfuhr verstehe. 

Der Gatte, der gerade erst das Wasser in der Lunge los wurde, hat prompt die nächste Baustelle: Er droht auf dem rechten Auge zu erblinden. Auf dem linken hat er ohnehin schon einen Großteil seiner Sehkraft eingebüßt. Wir bekamen einen schnellen Termin beim Augenarzt, der aber keine genaue Ursache finden konnte und zum Abklären in die Klinik überwies. Dort sind wir in einer Woche. 

Der Gatte versucht tapfer, mit der Situation zurecht zu kommen, aber das Einbüßen seiner Sehkraft heißt, dass er seine Hobbies nicht mehr ausüben kann, dass er nicht mehr Autofahren kann, viel Selbstständigkeit verliert, noch mehr als ohnehin schon auf mich angewiesen ist. So gut wir miteinander auskommen, so nah wir uns sind, so unschön ist das dennoch. Wir hoffen und beten, dass zumindest so viel Sehkraft wie auf dem linken Auge erhalten werden kann. Dann kann der Gatte vermutlich auch nicht mehr Autofahren, was für ihn ein Verlust an Freiheit ist, gerade jetzt, wo wir auf dem Land ohne ÖPNV wohnen, aber er könnte zumindest seine Hobbies weiterhin ausüben. 

Für uns heißt die aktuelle Situation, dass ich meinen Tagesablauf einmal mehr umstellen muss. Als wir noch in Hamburg wohnten und nachdem der Gatte den Augenarzt wechselte, kam der Gatte mit dem Bus zum Augenarzt und in die Augenklinik, aber nach dem Umzug geht es nicht. Geh- und sehbehindert ist Bahnfahren zu gefährlich. Die Züge und Bahnsteige sind übervoll, die Bahnsteige viel zu eng, die Züge wechseln häufig die Gleise, was der Gatte weder mitbekäme noch so schnell von einem Gleis zum nächsten käme. In den Sommerferien fallen zudem viele Verbindungen aus oder fahren nur bis Harburg. Also fahre ich. Die Alternative wäre ein Taxi, aber das wären bei jeden Arztbesuch 300 Euro Taxikosten - der Gatte muss ein Vierteljahr lang zwei Mal wöchentlich zum Augenarzt bzw. in die Augenklinik, wenn es noch eine Behandlungsmöglichkeit gibt. Die Krankenkasse übernimmt keine Taxikosten. Das täte sie erst ab Pflegestufe drei - vielleicht. 

Es wäre auch keine Alternative, zum hiesigen Augenarzt zu wechseln, falls der überhaupt neue Patienten nimmt, denn hier gibt es keine Augenklinik. Dafür müsste er entweder nach Rotenburg oder nach Hamburg. Deswegen entschieden wir uns schon vor dem Umzug, beim Hamburger Augenarzt zu bleiben. Damals konnten wir noch davon ausgehen, dass die Augenerkrankung des Gatten nach vier Jahren zum Stillstand kam. 

Zum Glück halten mir Chefs und Kolleginnen den Rücken frei, kann ich meine Arbeitszeit flexibel gestalten, aber natürlich muss ich die ausgefallene Arbeitszeit nachholen oder unbezahlten Urlaub nehmen (so viele Urlaubstage, wie ich bräuchte, habe ich nicht mehr, und den Urlaub brauche ich ja auch, um mich ein wenig zu erholen). Der Gatte will versuchen, zumindest mit der S-Bahn bis Harburg zu kommen und von dort den restlichen Weg mit dem Taxi zu fahren, um mich zu entlasten. Das würde die Hälfte der Kosten sparen. Allerdings ist die Strecke über die Elbe oft gesperrt, wird in Harburg gebaut, müssen wir vorab mal gucken, wo der Taxistand überhaupt ist, ob der Gatte sich den Weg alleine zutraut, wo er anrufen kann, wenn kein Taxi da ist usw. Das wird sich finden.

Hier gilt seit mittlerweile 224 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall. Er ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Es geht uns dennoch vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich die Erkrankungen und der Schlaganfall des Gatten zu Wesensveränderungen führten, die ein Zusammenleben manchmal sehr schwer machen. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona bislang Gatten, Schwiegermutter und Tante verschonte und hoffe sehr, das bleibt so. 

Ich bin froh, dass sich der Gatte trotz seiner Einschränkungen eine schöne Zeit macht. So spazierte er diese Woche drei Kilometer zum nächsten Supermarkt, weil er wissen wollte, ob der Weg zu Fuß machbar ist, und weil er findet, eine Stadt entdeckt man am Besten zu Fuß. Am Tag drauf lief er zu Fuß in die Stadt, weil ich ihn am Vorabend bat, ein Brot zu kaufen. Ich rechnete nicht damit, dass er daran denkt, weil er so was oft vergisst, und kaufte meinerseits eines ... Außerdem werkelte er fleißig im Keller - fast alle Umzugskartons sind weg! Ich hingegen komme mit den Umzugskartons im Esszimmer einfach nicht weiter, bin zu faul, den Inhalt in die Küche zu räumen. 

Ich bin noch immer mit dem Abschluss der Küchenplanung beschäftigt, ausführlich nachzulesen in der Kombüse. Ansonsten plagt mich heftigst die Allergie - so heftig, dass ich sicherheitshalber Corona-Tests machte, weil tagelange Halsschmerzen, Kopfschmerzen, Schwindel und Atembeschwerden ungewöhnlich für mich sind. Bislang sind die Tests zum Glück negativ. Ich fühle mich ziemlich elend, aber nicht richtig erkältet, und krankmelden könnte ich mich aktuell ohnehin nicht. Ich versuche zwar, mich so gut wie möglich mit Maske vor der aktuellen Welle zu schützen, bin da aber leider auch nachlässiger geworden, trage sie nur im ÖPNV konsequent. Durch Hamburg rauscht aktuell mal wieder eine Corona-Welle, und in der lindgrüne Hölle, in der viele Pendler wohnen, ist es ähnlich. Allenthalben gibt's kurzfristige Personalausfälle, denn zur Corona-Welle kommt ja auch noch die Ferienzeit.

Diese Woche meldete sich die Nachbarin, die sich um die Heizöl-Sammelbestellung kümmert. Sie erreichte den Gatten, der sich an die Absprache erinnerte und mir abends davon berichtete - beides nicht selbstverständlich. In drei Wochen sollten wir neues Öl bekommen, und ich bin erleichtert, dass wir mit der Tankfüllung vom letzten Jahr bislang auskamen. Eine Ölheizung und dass wir uns um Öl kümmern müssen, ist irgendwie noch immer neu für uns. Aufregend wird, dass ich für das Betanken die Heizung aus- und danach wieder anschalten muss. Das ist jedes Mal eine Zitterpartie.

Ende kommender Woche sollte es zumindest im Büro ruhiger werden, ist unsere Jubiläumsfeier, die ich organisiere, vorbei. Die Unterstützung des Teams ist großartig, und manchmal freue ich mich direkt selbst auf die Feier. Ich hoffe, es klappt alles einigermaßen und alle haben Spaß. Danach geht dann die übliche Phase mit der Hilfe-bald-sind-Sommerferien-Panik los, aber die ist beherrschbar. Und Überstunden brauche ich ja ohnehin, um den Gatten zur Augenklinik begleiten zu können.  

Schwiegermutter wird immer anstrengender und narzisstischer. Mittlerweile bekommen der Gatte und sie sich in Rekordzeit in die Haare. Sie beschimpft uns als faul, weil hier immer noch Umzugskartons stehen, lässt an nichts und niemandem ein gutes Haar. Das trägt nicht dazu bei, dass der Gatte Lust hat, sie zu besuchen - was theoretisch möglich wäre in Verbindung mit den Terminen beim Augenarzt oder in der Augenklinik. Es ist ziemlich verfahren, und ich habe keine Kraft, da zu vermitteln (und auch keine Lust).

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.

2 Kommentare:

  1. Hallo, überlegen Sie doch bitte einmal, ob Sie für alles, was wegzuwerfen ist, nicht einfach einmalig einen Container kommen lassen. Das kostet nicht die Welt (zumindest in meinem Teil Deutschlands) und man ist ALLES los. Noch ein Tipp: So viel wie möglich entsorgen, je weniger man hat desto leichter wird Putzen, Aufräumen usw.

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  2. Du hast es wirklich nicht leicht. Halte die Ohren steif und hoffentlich ist die Augengeschichte nicht so schlimm wie gedacht.
    Alles Liebe
    Andrea

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Kommentare von Corona-Leugner, Quer- und anderen Nicht-Denkern, Wahnwichteln, Das-ist-doch-nur-ne-Grippe-Schwurblern, Wir-haben-genug-freie-Intensivbetten-Rufern und ähnlichen Düffeldaffeln werden gelöscht.